Unsere fiesen Helden
Euch ne frohe Apotheose, liebe Leser!
Heute widme ich mich mal Leuten, die sich sehr missverstanden fühlen, aber dennoch was im Kopf haben und hinter deren Handeln wirklich ein gutes Ziel steht. Wer beim ersten Kriterium an Nazis dachte, hat den Gedanken hoffentlich bei den anderen beiden Parametern verworfen. Heute schreibe ich mal von den Leuten, die im Alltag als die fiesesten Typen wahrgenommen werden, es aber eigentlich nicht sind.
Stellt euch doch mal vor: Es ist ein angenehmer Tag auf einer Station im Krankenhaus. Plötzlich hört ihr vom Pflegestützpunkt aus wütende Schreie – ihr kennt die Stimme nur zu gut. Da kommt ein Ergotherapeut mit wutverzerrtem Gesicht an, geht in den Pflegestützpunkt, schaut an eine Tafel und fragt nach einem bestimmten Zivi, aber bitte pronto. Aus Verwirrung und Angst gebt ihr die Auskunft, der Ergotherapeut läuft zum Zivi, ihr hört drei Minuten lang Schreie und dann kommt ein heulender Zivi angelaufen. Ihr denkt euch: „Boah, dieser Ergo ist so'n Arsch!“ - doch wisst ihr nicht, was wirklich passiert ist. Der Zivi brachte durch grob fahrlässiges Handeln nämlich einen Patienten in Verletzungs- und evtl. sogar Lebensgefahr, und hat nun die inoffizielle Standpauke bekommen, damit er nicht gleich zu Anfang einen Aktenvermerk hat. Und die Standarte, die er sich anhören konnte, hat auch gewirkt, er behandelte die Patienten pfleglicher und brachte aus Angst und Dankbarkeit dem Ergotherapeuten jeden Morgen einen Kaffee.
Der Typus Mensch, den ich hier beschreiben will, zeigt sich ziemlich gut in der oben liegenden Geschichte: Er wird von allen als der größte Drecksack wahrgenommen, handelt aber aus einem besseren Ziel. Dieses erreicht er in jedem Fall, verwendet dafür aber sehr rabiate Methoden, die für den Augenblick sehr unangenehm sein können. Aber auf lange Sicht versucht er, für alle das Beste aus der Geschichte zu machen.
Selbst stellt er sich auch gerne als den bösen Typen dar, weil ihn diese Aussenseiterrolle in seinem Handeln bestärkt, und er die Projektionsfläche für die Wut der anderen bietet. Er meint, er könne das ab, sodass niemand anders sich dem Groll seiner Mitmenschen aussetzen muss.
Seine Ziele sind jedoch immer höherer Natur, anders als beim byronschen Helden. Denn er weiß, dass es nur Hoffnung für einen seltsamen Typen wie ihn gibt, wenn die Gesellschaft und die Welt ein besserer Ort geworden ist, und das will er aus dem Schatten heraus erreichen. Er mag es, sich als tragischen Helden vor sich selbst darzustellen, der immer nur verkannt wird, und findet Erfüllung in dem Gedanken, dass nach seinem Tod einige zurückdenken und merken, dass er viel Gutes getan hat, aber nie den Lohn dafür erhielt. Dass sie ihn falsch behandelt haben. Dass sie vielleicht in Zukunft besser handeln.
Doch wird er dann pragmatisch und bemerkt, dass weder sein Leben noch sein Tod wirklich etwas an der Welt ändern können. In diesen Momenten zieht er sich dann zurück, ist sehr traurig, und lässt sich trotzdem nichts im Alltag anmerken. In seiner Freizeit wird er sich dann versuchen abzulenken, doch die Mittel, die er dafür anwendet, sind für ihn nur schädlich. Dann sucht er Schlägereien, betrinkt sich maßlos und versucht Anteilnahme zu finden, indem er anonym seine Leidensgeschichte im Internet publiziert.
Eines Tages dann ist diese Phase vorbei. Er widmet sich seinen Leidenschaften, denkt an die Frau, die er liebt, an das, was er für sich selbst erreichen will oder auch an seine künstlerische Seite, und versucht nun, sich selbst zu verbessern, er lernt wie besessen, er trainiert wie ein Wahnsinniger und steht stundenlang vor seiner Staffelei und malt. Doch die Trauer will nicht aus ihm weichen. Diese Leute werden nach und nach immer wahnsinniger, weil sie in nichts Erfüllung finden. Niemand sieht, wie sie in Wirklichkeit leiden, und dass sie nur die Maske des Bösen überziehen. Und da sie sogar die wenigen, dafür aber guten Freunde auch immer wieder von sich wegstoßen, weil sie Angst haben, sie zu verletzen. Denn gerade die sind es, die die Überlastung des Delinquenten zuerst bemerken, sie versuchen zu helfen, doch aus Stolz und Mitleid, denn die „fiesen Helden“ wollen keine Umstände machen, lehnen es ab, was auch extreme Formen annehmen kann, sie brechen dann den Kontakt ab oder verlassen auch manchmal gleich die Stadt oder auch das Land.
Wie entstehen nur solche Menschen?
Wie können sie Ruhe und Erlösung für sich finden?
Ideen? Dann haut sie mir in die Kommentare!
Dann noch frohes Schaffen,
El_Greco
EDIT: Nach einigen Studien, die ich in letzter Zeit vorgenommen habe, erschließt sich mir, dass der "fiese Held" eigentlich gar kein Held ist, sondern ein Antiheld. Auch wenn er es gut meint, ist er zum Versagen verdammt, schafft es nicht, die Welt auch nur ein Stück zu verändern und alles was bleibt, sind die Verletzungen, die er den anderen zugefügt hat. Er will zuviel und frustriert sich nur selbst. Und wenn er sich doch verändern sollte, sieht er, dass er in der Zeit ein Totalversager war. Er ist also kein Held, sondern nur ein armes Würstchen, das zu schwach war, um im Leben zurechtzukommen.