
Reportage: Verloren in Tokio
Deutschland 2001; Reportage von Thomas Seekamp und Jens Fintelm; Erstausstrahlung; 26 min.
"Noch vor ein paar Monaten bin ich auf dem Weg zur Arbeit an den Obdachlosen vorbeigerannt und habe gedacht: arme Kerle" sagt OGATA Toyoji. Heute wohnt OGATA selbst auf einer Pappe in der Ikebukuro Station. 32 Jahre lang hatte er in einer Reinigung Hemden gebügelt. Dann wurde OGATA über Nacht gefeuert. Die japanische Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise. Heute leben fünf mal mehr Menschen auf den Strassen von Tokio als 1992. Im Shinjuku-Park hausen Hunderte in selbst gebauten Zelten aus blauen Mülltüten. Einige von ihnen laufen noch mit der Aktentasche unterm Arm durch Tokios City. Um den Schein zu wahren. Weil sie die Schuld fast ausschließlich bei sich selbst suchen.
Die "lifetime guarantee" für den Arbeitsplatz ist den Konzernen in der Krise lästig geworden: Ungeliebte Arbeitnehmer werden rausgeekelt. Der Computerfachmann FUJII Akira, 45, wurde in einen Kellerraum versetzt und zum Nichtstun verdonnert. Die Firma baute darauf, dass er die Nerven verlor. "So etwas ist in Japan normale Praxis," sagt er. Die Selbstmordrate in Japan ist mit dem Niedergang der Wirtschaft dramatisch angestiegen. NISHIHARA Yukiko, Leiterin des Suicide Prevention Centers, versucht nachts Anrufer dazu zu bewegen, sich nicht das Leben zu nehmen. "Für die Männer zwischen 40 und 60 hat ihre Arbeit einen viel höheren Stellenwert als ihre Familie", sagt NISHIHARA, "wenn einer von denen seinen Job verliert, haben wir praktisch keine Chance, ihm zu helfen."
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