Mononoke-Bericht im Extrateil der SZ
Die Seele des Gezeichneten
Gewalt, Leidenschaft und Poesie - Eine Schönschrift des Kinos: Miyazakis
Animationsfilm "Prinzessin Mononoké"
Anime, so nennt man die spezifisch japanische Variante des Animationsfilms,
die das Genre mit neuen Geschichten und ausgefeilter Technik weltweit
beeinflusst hat. Als großer Anime-Meister gilt der 60-jährige Hayao Miyazaki. In
seinen märchenhaften Filmen, die so zerbrechlich, aber auch so ungestüm sind
wie Träume, setzt sich die Tradition japanischer Kalligrafie fort. Miyazakis
Hauptwerk ist sicherlich das bereits 1997 fertiggestellte Fantasy-Epos
Prinzessin Mononoké, das in Japan sämtliche Kassenrekorde brach. Jetzt kommt die
aufwändige Produktion auch in unsere Kinos. Auch wenn Miyazaki und sein Studio
Ghibli hier vermehrt mit Computertechnik gearbeitet haben, wirkt der
farbenprächtige Film geradezu handgemacht: als sei er gemalt fürs Kino.
(...)
Im Grunde geht es in "Mononoké" wie in allen Miyazaki-Filmen um
schmerzlichen Wandel: um Veränderung, die verbunden ist mit Chancen und Verlust, mit
Verletzungen und Hoffnung. Miyazaki schafft poetische Momentaufnahmen, die in
der Animation lebendiger wirken als jegliche Live Action-Szene. Es hat den
Anschein, als wolle er die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs Animation
zurückerobern. Er rückt das Anime also in die Nähe des Animismus, der Beseeltheit.
Eine solche beseelte, schöne Szene ist die, in der wir durch die Augen des
jungen Helden Ashitaka die Titelfigur zum ersten Mal sehen. Mononokés Mund ist
blutverschmiert, in der Hand hält sie einen Dolch. Ein Bild der Barbarei,
meint man. Doch sie hat nur Gift aus der Wunde eines geliebten Tieres gesaugt.
Ein Bild der Zuneigung, denkt man jetzt. Und man ahnt den Zusammenhang von Sein
und Schein, von Liebe und Gewalt.
Hans Schifferle
----------