0.0 - Ein hasserfülltes Ich Liebe Dich
0.0 - Ein hasserfülltes Ich Liebe Dich
"Oh Gott! Ich habe mir solche Sorgen um Dich gemacht! Was ist nur geschehen?"
Wieso hat es nicht geklappt? Ich verstehe es einfach nicht. Wozu bezahlen ich diese Penner eigentlich, wenn sie nicht in der Lage sind, einen einfachen Auftrag auszuführen? Bin ich Krösus oder was?
"Rei... Alles in Ordnung? Sprich doch mit mir..."
Verrecke, Bastard.
"Soll ich einen Arzt rufen? Rei... bitte... sag doch etwas..."
Am liebsten würde ich Dich jetzt sofort mit einem Kissen ersticken, Du Idiot.
"Rei... Rei... Was ist nur geschehen?... Ich hatte solche Angst um Dich..."
Verdammt, wieso bist Du nicht tot? Warum haben die das vermasselt?
Eine Lüge. Eine verdammte Lüge. Sie log ihm ins Gesicht und spielte die Freundin, die Geliebte, die Liebende. Doch in ihr brodelte der Hass für ihn. Sie ahnte nicht, dass er ihn genau so gut wie sie selbst mitbekam. Und dass er ihn zerstörte. Alles in ihm brach in diesem Augenblick auseinander, in viele kleine Puzzelteile. Niemand wäre jemals wieder in der Lage, das Puzzle zusammenzubauen.
"Rei? Soll ich vielleicht noch mal einen Arzt rufen? Bitte sag doch etwas... Schatz..."
Du bist ein kleiner verlogener Penner, der für nichts zu gebrauchen ist. Ich will Dich nie wieder in meinem Leben sehen, Du männliche Schlampe. Ich hoffe, Du stirbst. Du bist der einzige Dorn in meinem Auge.
"Tut es sehr weh?"
Am liebsten würde ich Dir bei lebendigem Leibe alle Knochen aus dem Körper reißen.
"Was machst Du nur für Sachen, Rei-chan..."
Mir wird schon schlecht, wenn ich nur in Dein Gesicht sehe. Ich hasse Dich. Ich verabscheue Dich. Und Du denkst tatsächlich, ich würde Dich lieben. Was für ein Idiot Du bist!
Er wollte nicht hören, was sie dachte. Er wollte nicht weiter von ihr berührt werden. Er wollte das glauben, was sie ihm ins Gesicht sagte, doch er kannte ihre andere Seite. Die Seite, auf die er schon so lange aufmerksam geworden war und die er trotz allem immer der Liebe wegen toleriert hatte. Doch wo hatte es ihn hingebracht?
"Ich kann echt nicht glauben, dass Dich tatsächlich auf der Straße ein Auto angefahren hat. Hast Du denn nicht geschaut, als Du über die Straße gehen wolltest? Du weißt doch, dass so was so oft passiert, Rei. Aber Gott sei Dank bist Du ja noch mal mit dem Leben davon gekommen."
Verrecke.
"...aber Gott sei Dank ist alles gut ausgegangen. Nicht auszudenken was alles hätte passieren können. Man hört ja immer böse Sachen..."
Wieso? Wieso er?
"Schatz... sprich mit mir... bitte... ich halte diese Stille nicht aus..."
Ich könnte diese Idioten dafür umbringen, dass sie meinen Auftrag nicht ausgeführt haben, wie ich es verlangt habe.
Das einzige, was über seine Lippen kam, war ein lautloses Schluchzen. Der Schmerz in seinem Inneren, der dort schon so lange hauste, war mit einem Male so stark geworden, dass es ihm schien, als könnte er es nicht mehr länger ertragen. Er wünschte sich, sie, seine Freundin, seine Geliebte, würde verschwinden; verschwinden im ewigen Nichts. Irgendwo hin, wo er ihre Gedanken nicht mehr spüren konnte, wo sie ihm nicht mehr durch Knochen und Fleisch gingen. Wo sie fern waren. Wo sie selbst fern war. Und er frei.
"Rei... Wenn es Dir recht ist, dann lasse ich Dich jetzt ein wenig in Ruhe... Du brauchst ja auch Ruhe, haben die Ärzte gesagt... Aber Du kannst mich jederzeit anrufen, okay? Schatz, ich will nicht, dass Dir etwas passiert."
Was mach ich jetzt nur?
Die Tür schwang auf, sie schwang zu. Sie verschwand. Die Stille blieb. Die Gedanken waren fort. Sie hatte seine Hand losgelassen, ihn nicht mehr an ihren Gedanken teilhaben lassen. Sie hatte es doch gar nicht gewusst. Nicht gewusst, was er hörte, was er fühlte, was er von ihren Gedanken mitbekam. Sie wusste nichts. Es war besser so, hatte er sich geschworen.
Doch...
Lange konnte er mit dieser Lüge nicht mehr leben. In jeder möglichen und unmöglichen Situation spürte er ihre Lüge, ihren Hass ihm gegenüber und so vieles, was er nicht einschätzen konnte, wovon er aber wusste, dass es negativ ihm gegenüber gestimmt war. Am Anfang hatte er dagegen kämpfen wollen, doch nun war er sich bewusst geworden, dass es keine Chance mehr für ihn gab. Vielleicht hatte er tatsächlich sterben sollen. Er wusste es nicht. Er wusste nicht, was er denken sollte. Es gab so vieles, was er in die Kategorien "Vielleicht" und "Doch nicht" einordnen konnte.
Doch...
Es blieb ihm nicht mehr viel übrig, an was er denken konnte. Seine Gedanken waren gefüllt mit ihren und mit denen der Krankenschwestern, des Arztes. Der Mann, der sich von der Oberschwester angezogen fühlte, jedoch einen Drachen von Ehefrau zuhause besaß und sich fragte, was eigentlich Reis Begleitung am Abend vorhätte, jetzt wo er ihr Freund ja im Krankenhaus lag und von oben bis unten eingegipst war.
Menschen, dachte Rei, sind so etwas Scheußliches. Sie geben vor, Mitgefühl zu haben und andere zu lieben. Doch im Grunde verfolgen sie nur ihre eigenen Wünsche, ihre eigenen Begierden. Jeder Mensch war für den anderen nur ein Mittel zum Zweck. Wie dumm, dachte Rei, dass ich selbst einer bin.
Seit sie gegangen war, war alles dunkel. Sie kam auch nicht wieder, brachte nicht wieder das Licht mit sich, keine entschuldigenden Reuegedanken; - nichts. Er jedoch brachte alles, was sie frei gegeben hatte, nicht von sich los, es schwirrte immer und immer wieder in seinem Kopf herum und versuchte ihn zu quälen.