Let's have a talk
Ein langer Abend.
Noch nie hatte ich Kaiba so natürlich erlebt. Es war nicht so, als wäre er plötzlich nett geworden. Das hätte mir ja eher Angst eingejagt! Nein. Er hatte sich schlicht und einfach wie ein normaler Mensch benommen. Für alle die Seto Kaiba nicht kennen: Der Typ ist NICHT normal!!!!!
Das Gespräch war so...so freundlich verlaufen. Im Nachhinein lief mir bei dem Gedanken ein Schauder über den Rücken. Aber irgendwie hätte ich doch damit rechnen können. Immerhin hatte er von seinem Bruder erzählt. Zum ersten Mal fiel mir wirklich auf, wie nah sich die beiden Brüder standen.
Alles hatte Kaiba mir jedoch nicht erzählen wollen. Wahrscheinlich um Mokubas Privatsphäre zu respektieren.
Moment mal! Warum respektiert der Kerl eigentlich meine Privatsphäre nicht?
Oh ja, warum bekomm' ich nicht gleich den nächsten Wutausbruch? Was ging denn hier ab? Normalerweise würde ich nie so reagieren. Schon immer als ruhiger Mensch bekannt, war ich früher nie so schnell ausgerastet. Dieser Kaiba...tja, was eigentlich? Was machte er mit mir?
Mal war er nahezu erschreckend freundlich, dann fies wie der Fürst der Finsternis und plötzlich und am Schlimmsten, leidenschaftlich, dass es einem die Schuhe auszog!
Welche seiner Maschen war sein wahres Ich? Wie sollte ich mich nur verhalten? Ich konnte genau spüren, dass nicht nur ich mit meinen Gefühlen zu kämpfen hatte. Ich verstand nicht warum Kaiba gerade auf mich ein Auge geworfen hatte. Jemand wie er; gut aussehend, verdammt, zum Anbeißen; Geld wie Sand am Meer; was wollte er mit mir? Ich hatte nichts und ich war nichts!
Du machst mich neugierig! ; Ich hätte nicht gedacht, dass ich so etwas noch einmal empfinden könnte!
Mmh, was war damit gemeint?
Völlig in Gedanken versunken, die ich mir geschworen hatte nicht mehr zu denken, lief ich geradewegs in jemanden hinein.
"Scheißdreck! Ach, Verzeihung! War meine Schuld!" Vermutlich wieder einer von Kaibas Bediensteten.
Als ich aufblickte, um festzustellen bei wem ich mich gerade entschuldigt hatte, bemerkte ich zwei schwarze Augen.
Sie sahen mich traurig an.
"Mokuba?"
Jetzt veränderten sie sich.
Ein Flehen?
"Robin? Ehm, könnte ich mit dir sprechen?"
Oh ja, er hatte doch tatsächlich Angst vor mir. Ich hätte mich vor Lachen beinahe wegschmeißen können. Na gut, ich war aber auch wie ein wildes Tier auf ihn und Rika losgegangen. Obwohl; den meisten Dampf hatte ich bei Kaiba abgelassen.
Ich fragte mich immer noch wieso.
"Wenn's sein muss!" Ich konnte nicht anders. Es war in Gewisserweise eine Genugtuung Mokuba in dem Glauben zu lassen, ich könnte gewalttätig werden.
Bei meinen Worten schreckte er zusammen.
Oh, süße Rache!
Meine Güte, wie viel war noch von Kaiba auf mich abgefärbt? Ich benahm mich ja schon beinahe so wie er! Petrus habe erbarmen mit einem armen Menschlein und öffne das Tor!
Also gut!
"Nun sag' schon, Mokuba! Ich warte!" Diesmal klang ich etwas netter. Ich konnte von Gott und Konsorten keine Hilfe erwarten, wenn ich selber sündigte.
Mokuba ergriff meine Hand. Er fühlte sich warm an.
Ich erlag, wie immer, seinem Blick. Ich konnte ihm wirklich nicht böse sein; egal wie ich mich auch drehte und wendete. Es gab kein Entrinnen.
Er zog mich zu seinem Zimmer und schloss hinter mir die Tür. Ich befand mich zum ersten Mal in Mokubas Reich. Sein Zimmer war fast genauso geschnitten wie meines, unterschied sich jedoch in der Ausstattung völlig.
Der Fußboden wies einen honigfarbenen Eichenton auf, der ausgezeichnet mit dem warmen Dunkelgrün der Wände harmonierte. Eine Wand wurde von dem gewaltigsten Fernseher eingenommen, den ich je gesehen hatte. Der kleine Kamin verfügte über eine Einfassung aus beigefarbenem Granit und honigfarbenen Eichenholz. Darüber befand sich ein breiter, massiver Sims.
"Du meine Güte, das ist ja wunderschön." Ich ließ den Finger über den Kaminsims gleiten und ertastete das seidenglatte Holz unter der Staubschicht. "Oh, und die Wand neben dem Fenster."
Es wurde von Regalen umrahmt, die aus dem gleichen mit Ornamenten verzierten Holz bestanden wie der Kaminsims. Vor der letzten Wand, die weit in den Raum reichte, stand ein Schlagzeug auf einer Art Podest. Daneben standen noch weitere Instrumente.
Da kam wieder mal der Musiker durch.
Es schien mir so, als wäre wirklich jedes Zimmer individuell eingerichtet. Ich hatte im ganzen Haus Keines gefunden, das wie das Andere aussah. Selbst mein einfaches Gästezimmer gab es nicht zweimal und wer wusste schon wie viele Räume diese Villa besaß.
"Robin, lass mich bitte erklären..."
"Was? Was willst du denn noch erklären Mokuba? Ich weiß doch schon den Grund für deine Lügerei. Tze, wie könnte ich dich verurteilen? Ich habe doch selbst gelogen. Vergiss' es einfach."
Erneut wandte ich mich von ihm ab. Meine Worte entsprachen zwar der Wahrheit, dennoch tat es weh. Mokuba hatte mich belogen. Ich verstand seine Gründe und ich glaubte ihm sogar, dass er mir, nachdem er mich kennen gelernt hatte, nichts mehr vormachte, aber ich konnte mir nicht helfen. Warum musste es denn ausgerechnet Mokuba sein? Weshalb denn gerade der, dem ich ohne es zu wissen, mein Vertauen und sogar mein Herz geschenkt hatte?
Mokuba schien etwas Ähnliches zu denken. Er sah mich ungläubig an.
"Hör' zu! Ich finde es ziemlich stark von dir mir zu verzeihen. Ich habe mich echt mies benommen. Es tut mir leid! Doch ich bin nicht blind, Robin. Ich kann sehr wohl sehen und spüren, dass zwischen uns etwas zerbrochen ist. Ich möchte dir wieder so nah sein wie vorher. Ich weiß auch, dass das nicht so einfach geht. Trotzdem. Ich habe mir gedacht, da Seto dir ja schon ein paar Einzelheiten über mich und Rika berichtet hat, dass ich dir doch am besten die ganze Geschichte erzähle. Was meinst du?"
Im ersten Moment fehlten mir die Worte. Woher wusste Mokuba jetzt schon von dem was Kaiba mir eben erst gesagt hatte?
Kaiba!!!
Der hatte auch wirklich überall seine Finger im Spiel. Wunderte mich gar nicht mehr, dass weder Mokuba noch Rika mir, seit ihrem Geständnis, begegnet waren.
Kaiba!!!
Irgendwann, vielleicht nicht heute und vielleicht nicht morgen, aber irgendwann würde ich diesem fiesen Wiesel den Kopf vom Hals reißen!
Warum konnte er es nicht einmal lassen sich einzumischen? Natürlich, er musste seinen Bruder wieder mal in Schutz nehmen, aber ich hatte doch das Gefühl, dass es Mokuba beinahe peinlich war, immerzu von seinem großen Bruder verteidigt zu werden. Oder hatte Kaiba noch andere Beweggründe? Aber da wären wir mal wieder! Das große Geheimnis um Seto Kaiba. Hey, das klang wie ein richtig interessanter Filmtitel.
Mit schnellen Schritten trat ich auf Mokubas Bett zu und setzte mich. "Na dann, schieß mal los."
Etwas irritiert setzte auch Mokuba sich in Bewegung und ging vor mir in die Hocke. Lange sah er mich an bevor er zu sprechen begann.
"Du weißt ja das Seto und ich Japaner sind. Auch das wir nach dem Tod unserer Eltern lange Zeit im Weisenhaus lebten und das nach der ganzen Sache mit unserem Stiefvater, Seto die KC übernommen hat. In dieser Zeit, zwischen unserem Leben im Weisenhaus und der Einnahme der Corporation habe ich Rika Honda kennen gelernt. Sie ging auf die gleiche Schule wie Seto und ich. Seto war damals in der höchsten Klasse, die in dieser Schule zu erreichen war und ich in der Niedrigsten, der Einsteigerklasse. Rika hat mich zu dieser Zeit mehrmals von einem Grobian aus einer der höheren Klassen gerettet. Sie war schon immer die Mutigere von uns." Leicht beschämt senkte er seinen Kopf. "Ich mochte nicht mehr kämpfen. Seto hatte mich schon im Weisenhaus immer beschützt. Ich hasse es rohe Gewalt einzusetzen." Jetzt blickte er mir wieder direkt in die Augen. "Natürlich mache auch ich bei bestimmten Dingen eine Ausnahme."
Ich verstand sehr gut was er meinte. Mit bestimmten Dingen meinte er wahrscheinlich bestimmte Menschen.
"Wie dem auch sei. Als Seto unseren Stiefvater ausgebootet hatte, benötigte er dringend jemanden, der sich um mich kümmern würde. Seto selbst hatte keine Zeit und so suchte er nach einem Kindermädchen."
"Warte mal! Heißt das Rika war deine Nanny? So viel älter ist sie doch gar nicht." Es kam mir etwas merkwürdig vor. Rika war nur drei Jahre älter als Mokuba. Wie könnte Seto ein so junges Mädchen als Nanny für seinen kleinen Bruder einstellen? Das passte doch gar nicht zu ihm.
"Da hast du Recht, aber Seto kannte Rika durch ihre Hilfe mir den Typen aus ihrer Klasse vom Hals zu schaffen. Na ja..." Er verstummte wieder. Eine leichte Röte legte sich über seine Wangen. "Weißt du, damals war ich etwas in Rika verknallt."
Ich grinste breit.
Wie süß.
Langsam legte ich meine Hand auf seine und bedeutete ihm, er solle weiter sprechen. Stück für Stück kehrte sein Selbstvertrauen zurück.
"Ich überredete Seto sie als Kindermädchen einzustellen. Das würde ihr Taschengeld aufbessern und schließlich würde ich mich gut mit ihr verstehen. Sie kam also so gut wie jeden Tag vorbei und unsere Bindung wurde immer stärker. Durch Rika entdeckte ich die Liebe zur Musik." Ein weites Lächeln legte sich über sein Gesicht. "Es war eine tolle Zeit. Wir machten gemeinsam Musik. Sie war wie eine Schwester. Vielleicht sogar etwas mehr. Das werde ich wohl nie herausfinden, denn nach ein paar Jahren zog sie nach England. Ihre Mutter hatte sich entschlossen ihrem Mann zu folgen. Rika Honda wurde zu Rika Thomas und verschwand aus meinem Leben." Sein Lächeln verging und er hielt meine Hand fest an sich gedrückt. Zitterte er etwa?
Das musste eine schwere Zeit gewesen sein. Möglicherweise so schwer wie mein Abschied von Rika.
"Mokuba? Ich verstehe nicht wieso ihr den Kontakt abgebrochen habt."
Noch nie hatte ich Mokuba so finster gesehen. Er richtete sich langsam auf und setzte sich neben mich auf sein Bett. Er sah mich noch einmal eingehend an und ließ sich dann fallen.
Lange Zeit, Stunden so schien es mir, sagte er nichts mehr, sondern lag einfach nur still neben mir. Als ich etwas sagen wollte, zog Mokuba mich zu sich herunter.
Im ersten Moment wollte ich mich von ihm zurückziehen, ließ ihn dann aber doch gewähren. Mokuba hatte mir so oft Trost gespendet; ich schuldete ihm etwas.
Er kuschelte sich an mich. "Steve verbot Rika den Kontakt zu mir. Wegen Seto. Die beiden konnten sich noch nie sonderlich leiden. Seto war es ziemlich egal. Er hatte Rika nie gemocht, was ebenfalls auf Gegenseitigkeit beruhte." Er zog mich noch dichter an sich.
So langsam verstand ich besser, weshalb Mokuba Rikas Bitte zugestimmt hatte und nicht davor zurückgeschreckt hatte mich zu belügen.
Aus Angst Rika ein zweites Mal zu verlieren.
Das letzte bisschen Eis war aus meinem Herzen gewichen.
"Sag' mal, Mokuba! Jetzt wo Rika wieder bei dir ist, was machst du eigentlich noch bei mir?" Erschrocken richtete er sich auf. Er hielt mich von sich und starrte mich schockiert an.
"Wie bitte? Das ist doch jetzt nicht ernst gemeint, oder!? Warum? Gott, Robin. Schon vergessen? Ich liebe dich!"
Ein unglaubliches Gefühl rann mir durch die Glieder. Hatte ich Mokuba denn nicht ernst genommen? Wie oft hatte Kaiba mir denn schon gesagt, dass Mokuba mich liebte? Verdammt, ich bin so blöd!
"Ich ...ich..." Typisch! In so einem Moment fällt mir nichts ein, dass ich sagen könnte. Ich hätte es mir aber auch sparen können, denn Mokuba grinste schon wieder.
"Mein Gott, bist du süß!" Leicht verwirrt fand ich mich in seinen Armen wieder. "Du musst doch deswegen kein schlechtes Gewissen haben. Ich weiß doch, dass da was zwischen dir und Seto läuft." Argh, verflixt noch mal, wussten denn hier alle alles? Was meinte er überhaupt damit da läuft etwas?
"Hey, warte mal! Ich weiß ja nicht was dein Bruder dir erzählt hat, aber aus meiner Sicht läuft da nicht das Geringste!" Ich meinte es so, doch eine kleine Stimme in meinem Kopf schrie Lüge!
Mokubas Grinsen wurde breiter.
"Natürlich. Robin, denkst du denn echt ich bin blind? Das kann doch jeder sehen." JEDER? Ach du Scheiße!!! NEIN!!! Verdammt seiest du Seto Kaiba!!! Warum? Warum er?
"Ja ja, mein Bruder wird nie aufgeben, bis er hat was er will und ich schätze mal seine Priorität bist du." Mokuba schien das Ganze furchtbar witzig zu finden.
"Kannst du mir auch sagen warum das so ist?" Ha! Jetzt hörte er endlich mit seiner dämlichen Grinserei auf. Kalt erwischt, oder was?!
Noch immer auf eine Antwort wartend legte ich mich zurück und starrte an die Zimmerdecke. Nach etlichen Minuten legte auch Mokuba sich wieder zurück und stierte mit mir zusammen in die Luft.
Wir lagen einfach nur da.
Seine Nähe hatte mir so gefehlt. Es tat gut ihn wieder bei mir zu wissen. Diesmal ohne Geheimnisse.
"Es liegt eben an dir." Mokuba hatte offensichtlich seine Sprache wieder gefunden, obwohl ich seinen Satz nicht verstanden hatte. Wie war das nun wieder gemeint? Konnte hier keiner im Klartext reden?
"Geht das nicht noch deutlicher?"
"Na ja, was willst du hören Robin? Sie dich doch an! Du bist süß und schön auch wenn du es nicht glauben willst. Vielleicht hilft ja ein Blick in den Spiegel." Er sprang auf und zog mich mit sich zu einem großen Wandspiegel.
Davor gezogen, musste ich mich betrachten. Ich hatte mir eigentlich nie besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Wozu auch? Ich war nichts Besonderes.
"Mokuba, ich denke nicht das..."
"Jetzt sieh doch mal richtig hin! Sieh dich an! Kannst du nicht sehen wie hübsch du bist? Wie niedlich? Man, da komm' ich doch glatt ins Schwärmen."
"Hey, ist ja gut. Ich werd' schon rot. Na vielen Dank auch. Du bist echt ein Spinner!" Lachend drehte mich von dem Spiegel weg und lächelte Mokuba an.
"Ja, und wenn du das tust, könnt ich dich vernaschen." Mein Lächeln gefrierte. So etwas Ähnliches hatte Kaiba auch mal erwähnt.
"Dein Humor ist klasse, du bist intelligent und hast einen guten Charakter. Und was meinen Bruder betrifft; du besitzt die unglaubliche und sehr seltene Fähigkeit ihm zu wiederstehen. Das mag übertrieben klingen, aber so ist es nun mal. Seto bekommt sonst immer sofort, was er haben möchte. Du bist eine echte Herausforderung für ihn." Lachend zog er mich zu sich und wirbelte mich durch den Raum. "Wenn du nicht hier wärst, wäre es verdammt langweilig!"