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Nur ein Spiel

von

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Überraschende Antworten

Eine junge Gestalt näherte sich mit wackligen Beinen, und ein wenig schimpfend, einem stürmischen Ufer, wo gewaltvoll Meerschaum an die Brandung schwappte. Er war nicht weit entfernt von der fröhlichen Jugendherberge, wo die Leute alle glücklich waren, dass die verschollenen Menschen lebten, dass es jenen wieder gut ging. Dort, wo der Held erneut gesiegt hatte. Aber der Jugendliche auf seinen dunklen Wegen konnte sich nicht an dem Glück der Menschen erfreuen, denn für sein unsterbliches Ziel, für seinen Wunsch, seine große Bitte, die er an das Böse gerichtet hatte, war gerade der Erfolg von Link, dem großen Helden, hinderlich. Sein Ziel, welches auch nur der Verzweiflung eines vernachlässigten Jungen entsprang, war nun wieder weitentfernt, und das alles nur wegen Link, diesem verdammten Helden…

Die Nacht legte sich düster nieder. Graue, gespenstige Wolken tummelten sich am Horizont und wühlten das Meer vor dem Jugendlichen auf. Etwas Unsichtbares, unberechenbar Kaltes, ähnlich einem Geist schlich über die grauen Vulkangesteine, auf denen der Junge Spuren hinterlassen hatte. Und der Schatten, zischend näherte er sich, türmte sich vor dem Jugendlichen auf, vervollständigte sich zu einer großen Gestalt, blieb aber dennoch rauchig.

„Du hast versagt“, fauchte es.

„Ich weiß“, weinte der Jugendliche und setzte sich trübsinnig nieder, stützte seinen traurigen Schädel auf seine Arme. „Ich weiß, dass ich versagte, was sollte ich denn tun…“

„Deine Aufgabe war es den Helden zu beobachten, ihn auszuspionieren, ihm zuzureden, ihn in die Fallen hinein zu locken und was nun? Alles ist jämmerlich gescheitert! Du unsäglicher, trostloser Tropf“, zischte es erneut.

Der Junge brach vor dem geisterhaften Wesen auf die Knie und klagte bitterlich: „Bitte gebt mir noch eine Chance, Lord.“

„Und warum sollte ich das tun?“, fauchte er angewidert.

„Bitte“, wimmerte der Jugendliche.

„Du bekommst noch eine Chance, versagst du erneut, dann bist du unserer Hilfe nicht würdig.“

Seinen Stolz und seine Selbstachtung hatte der traurige Junge schon lange aufgegeben, doch nun verlor er sogar noch den letzten Funken Menschlichkeit mit der Dummheit, in den Lauf der Dinge eingreifen zu wollen, er verlor sich selbst durch einen ungerechtfertigten Wunsch, den aber nicht einmal das Böse ihm erfüllen würde…
 

Mit Sians hilfreicher Unterstützung trottete Link gähnend und genervt von seinen fiesen Wunden und blauen Flecken zurück zum mit himmelblauer Farbe bemalten Bungalow. Die nässende Beule an seiner Stirn war leicht geschwollen und ein herber langer Kratzer zierte seine rechte Wange. Sian verhielt sich auffallend besorgt und fragte sich, ob Link sich nicht vielleicht von einem Arzt behandeln lassen sollte, aber er ließ sich die heftigen Schmerzen, die er sicherlich hatte, kaum anmerken. Er war erschöpft, das gab er zu, mehr aber auch nicht. Er schwieg, während sie zu dem Bungalow tapsten, und er schwieg auch noch, als sie in das Gebäude eintraten. Seufzend lehnte er sich an die kiesige, graue Wand im schwach beleuchteten Korridor und sah aus wie ein gefoltertes Gespenst. Seine blassblaue Jeanshose war teilweise zerrissen, übersät mit Blutspuren und violettem Schleim von dem Körper des Drachen. Sein grünes T-Shirt sah ebenfalls zum Fürchten aus. Es sah aus, als wäre er in ein Nest von Blutsaugern hineingeraten, war teilweise zerfetzt. Selbst in Links blondem, völlig zerzaustem Haar hing Blut und nach Schwefel stinkender Schleim.

„Was für ein Kampf…“, brachte Link über die leicht verwundeten Lippen und begriff nur schwerlich, dass er diese Hölle überlebt hatte.

„Du solltest dich etwas ausruhen, deine Wunden versorgen“, meinte Sian sachlich und zauberte aus dem Nirgendwo einen riesigen Verbandskasten.

Link grinste schwach. „Du denkst ja wahrlich an alles.“ Er lachte und verstummte sogleich mit einem kurzen Aufschrei. Ein paar Prellungen an seinem Rücken ließen ihn gerade mürbe werden.

Gerade da trat Patrick van der Hohen in den gelblich beleuchteten Flur, erstarrte, als er den Heroen erblickte und wusste nicht, was er sagen sollte. Er wirkte hilflos und stotterte unbeholfen vor sich hin. „Beim lieben Gott im Himmel… Link!“

Benommen erblickte Link seinen besorgten, neuen Bekannten, dem just in dem Moment das Entsetzen in die Augen drang. „Was ist passiert?“, sprach er erschüttert. „Das… wurdest du erneut angegriffen?“

Link schüttelte abtuend den Kopf, krallte sich den Verbandskasten von Sian und verschwand ohne weitere Worte im Badezimmer. Der erschöpfte Held brauchte neben einer stärkenden Mahlzeit vermutlich noch drei weitere Dinge: eine Dusche, einen Berg Verbandszeug und frische Kleidung! Mit einem tiefen Seufzer trat er ins Bad ein, riss sich sein T-Shirt vom Körper und quälte sich dabei. Seine Glieder taten ihm allesamt weh, aber mit einem dümmlichen Lacher interpretierte er den Schmerz in den Muskeln als gutes Zeichen noch am Leben zu sein. Er wollte sich duschen, entschied sich dann dagegen und legte sich erschöpft in die Badewanne. Gemächlich floss angenehmes, warmes und heilendes Wasser in die Wanne, spülte Blutreste hinfort, beruhigte brennende Wunden und sorgte für Entspannung. Er schloss lethargisch die schweren Augen und wünschte sich gerade nichts sehnlicher als sich nach diesem mörderischen Kampf anlehnen zu können, jemanden hier zu haben, der sein momentanes Gefühlschaos verstehen könnte und der einfach nur zuhörte. Ob Zelda ihm zuhören würde, wenn er darum bat? Ob er demnächst um ihre Unterstützung bitten konnte? Er hatte gerade den innigen Wunsch, dass sie einfach nur da war und irgendetwas Liebevolles in seine Ohren flüsterte… Über eine halbe Stunde lag er in der Wanne, dachte träumerisch an seine Seelenverwandte und musste sich zusammenreißen nicht in den Schlaf zu sinken. Murrend erhob er sich, unterließ jedoch den notwendigen Schmerzensschrei, der in seiner Kehle gehrte.
 

Vor dem Badezimmerspiegel betrachtete sich der Kämpfer die blauen Flecke an seinem gestählten Oberkörper, fuhr über wenige brennende Kratzer und Schrammen und schüttelte seinen dunkelblonden Kopf. Noch immer konnte er nicht glauben, was in der Höhle geschehen war…

,Ich habe einen Drachen besiegt’, dachte er, begriff das Entsetzen bei diesen Worten. Als wäre der Heroe aus einem langen Traum erwacht, verstand er, was er mit seinen eigenen, menschlichen Händen getan hatte, wie elegant er gekämpft hatte, wie treu er seinen Lebenssinn verfolgt hatte, wie edel sein Herz war… Er hob seine Hände in die Höhe und starrte sie ungläubig an. Mit diesen jungen, menschlichen Händen hatte er das unglaubliche getan, hatte Leben gerettet und dem dunklen Lord in der Kirche Schicksalshorts, der diesen Angriff wohl geplant hatte, ein weiteres Mal gezeigt, dass er ihm und seinen finsteren Plänen standhielt. Er verband die schlimmsten Wunden, fand in dem Verbandskasten außerdem ein rotes Getränk, das er einmal von Dar Gordon erhalten hatte und schüttete es die Kehle hinab. Der fruchtige Geschmack ähnlich wie Erdbeeren war ihm vertraut und er hoffte, es half seinem Körper zu genesen.

Link tauchte ein in sein ernstes Spiegelbild, überzeugt, dass dieses ansehnliche Gesicht, unverbesserlich grinsend, nicht sein wahres Ich preisgab. „Komm schon, Link. Du hast es überlebt. Freu’ dich doch ein bisschen“, sagte er zu der Fratze, die ihn aus dem Spiegel anstarrte. „Link, ich rede mit dir!“ Und er selbst zog eine dämliche Schnute, zerrte eine schräge Mimik und hoffte, es half ihm den Alptraum von vorhin zu vergessen. „Schon besser“, meinte er, grinste ein wenig und war zufrieden, dass seine Taktik funktionierte. „Verrückt… jetzt fange ich schon an mit mir selbst zu reden.“ Erfrischend tauchte er sein Gesicht in kaltes Wasser. Er grabschte nach dem Badetuch, erwischte es unbeholfen und steckte sein Gesicht in flauschigen Stoff. Er versuchte die unangenehmen Gedanken, die mit diesem Kampf nachhallten, ruhen zu lassen, aber Mollys Tod und diese gefahrprophetischen Dinge, die sie gesagt hatte, ließen sich nicht abschütteln… Was wohl dieser verdammte Meister im Sinn hatte, von dem sie sprach? Handelte es sich tatsächlich um den Hünen, der in der Kirche Schicksalshorts hauste? Und welche Bedienstete der Göttinnen hatte den Heroen damals vor dem Brand in seinem Elternhaus bewahrt?

Erneut betrachtete er benommen sein Spiegelbild, wollte grinsen, dieses Gedankenkarussell vergessen, aber als er die Augen erneut öffnete, konnte er sein leicht gebräuntes, ansehnliches Gesicht, seine Kratzer darauf nicht mehr entdecken. Stattdessen erschien ihm das Gesicht eines kleinen Jungen. Eine verrückte Magie spielte ihm einen Streich, erschuf das Abbild des Burschen, der ihm schon einige Male vorher begegnet war. Ein honigblonder Fratz mit wunderschönen, strahlenden Augen, die ihn aufmerksam und beinahe liebevoll musterten. Er war niedlich und zwinkerte ihm zu.

Link rieb sich die brennenden Augen, keuchte und stemmte sich mit beiden Händen auf das Waschbecken. Ob er nicht vielleicht doch eins zu viel abbekommen hatte?

„Ich bin echt, du hast keine Halluzinationen“, sprach er erheitert, ließ seine glockenhelle Kinderstimme erklingen und seine Stimme beruhigte Links aufgeregtes Herz.

„Da bin ich mir nicht so sicher, ich meine, dass ich nicht doch mittlerweile durchdrehe“, sprach Link brummend und klatschte ein weiteres Mal eiskaltes Wasser in sein Gesicht. Er nahm einen kühlen Lappen und drückte diesen an seine juckende Beule.

„Und was möchtest du von mir?“, setzte der Jugendliche hinzu. Er wollte nicht unwirsch klingen, tat ihm die Anwesenheit von diesem Wicht doch irgendwie gut.

„Ich wollte nach dir schauen“, sprach er piepsig und wurde schwach rot um die Wangenknochen. Verdattert ließ sich Link auf einen Schemel sinken und blickte tiefsinnig in die wohlwollenden Kinderaugen, die der Spiegel darstellte. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Ein fremdes Bürschchen, das er nicht kannte, machte sich Sorgen um ihn.

„Und ich wollte dir sagen, dass du dieses Gefecht sehr gut ausgetragen hast“, meinte er und sendete mit einer zufriedenen Mimik Stolz und Bewunderung an den jugendlichen Heroen. Es war das erste Mal, das Link ein Lob für das bekam, was er geleistet hatte. Das erste Mal, das ihn jemand für das wertschätzte, was er überstanden hatte… für die Wunden auf seiner Haut und in seiner Seele.

„Du gibst mir ein Lob… ehrlich?“ Link lächelte leicht und fühlte eine überwältigende Nähe zu diesem Kind, das ihn mehrfach besucht hatte, ihn vor einiger Zeit bereits warnen wollte.

„Das war alles, was ich dir sagen wollte“, entgegnete er und lächelte über beide Ohren. „Du hast Mollys Seele erlöst. Sie ist dir dankbar und wird dir sicherlich irgendwann einmal helfen können.“

Link trat vorsichtig auf die Beine, rückte näher an das Spiegelbild, so nah, dass seine spitze Nase an das Glas stieß. „Wie meinst du das? Molly ist erlöst… sie musste sterben in diesem wahnsinnigen Kampf. Wie soll sie mir irgendwann noch einmal helfen können?“

Dann grinste der Knirps genauso hinterhältig und frech wie Link es des Öfteren tat, lachte und sprach abschließend: „Das wirst du schon noch herausfinden.“ Und plötzlich verebbte sein Anblick wie gläserne Wellen, die in der Ferne untergingen und die geheimnisvolle Spiegelmagie verschwand.

Plötzlich klopfte jemand an die knarrende Holztür ins Badezimmer und riss den Helden aus seinen Gedanken. „Link, führst du etwa Selbstgespräche? Beeil’ dich, wir wollen noch ins NiceInn“, meinte Sian. Der Angesprochene seufzte, zog sich langsam frische Kleidung über und öffnete die Tür.
 

Als Link mit seiner frischen Kleidung in das Wohnzimmer trat, sah er völlig verändert aus, schien innerhalb von Sekunden zu gesunden, auch wenn die rötlich, braune Beule an seiner Stirn und der tiefe Kratzer an der Wange noch deutlich sichtbar waren. Aber er fühlte sich besser und wollte nur noch seinen Magen füllen und sich dann in seinem warmen, weichen Bett verkriechen.

Pat saß erbleicht in der Stube und schienen irgendwie kein Wort mit Link reden zu wollen. Links selbstlose Tat, und das Gefühl, dass dort in der Höhle unter dem See schreckliche Dinge geschehen waren, brachten ihm ein Gefühl von Hilflosigkeit und Verzweiflung. Ein Gefühl, das sein Weltbild auf den Kopf stellte und das ihn darüber belehrte, dass die Zeit, die er auf dieser Welt hatte, nur geliehen war und er sie mit angenehmen Dingen, nicht mit dem Ärger wegen Patrizia, seiner damaligen Freundin, füllen sollte…

„Pat…“, begann der junge Heroe, wollte seine Pflicht erfüllen den jungen van der Hohen nicht im Unklaren zu lassen, und erhielt einen fragenden Blick von seinem neuen Bekannten. Link kratzte sich an seinem dunkelblonden Haaransatz und fand schließlich einige Worte um sich zu erklären. „Es ist in letzter Zeit einiges sehr Verrücktes passiert… nicht nur hier in Irland, sondern auch dort, wo ich herkomme.“ Erst nachdem er die Worte gesagt hatte und darüber nachsann, wurde ihm bewusst, dass er nicht mehr genau sagen konnte, wo er herkam. Ja, seine Worte ließen die Möglichkeit offen, dass er von einer anderen Welt stammte. „Ich habe kämpfen müssen…“, setzte er leise fort. „ Das ist ja wohl kaum zu übersehen, und ich weiß, dass du und vielleicht viele andere Leute gerne wüssten, was wirklich geschehen ist. Nur…“ Er holte tief Luft. „Ich kann es nicht zu deinem Gesprächsthema machen, ich sollte dich wohl darum bitten, es einfach hinzunehmen, auch wenn das sicherlich halbherzig klingt…“ Link wollte sich nicht rechtfertigen, aber er musste zumindest einen Weg finden sich und auch andere in dieser Irrfahrt des Bösen zu schützen.

Pat brach sorgenvoll sein Schweigen, spürte Links Wunsch es zu erklären. „Es war kein Zufall, dass du von diesen dämonischen Wölfen angegriffen wurdest, was?“

„Scheint so…“, murmelte Link.

„Und es war kein Zufall, dass du die Leute aus dem See gerettet hast…“, fragte Patrick ebenfalls.

„Nein, auch das war kein Zufall. Es war meine Pflicht.“ Sian stand währenddessen im unbeleuchteten Flur, hatte den Kopf trübsinnig zu Boden gesenkt und lauschte Links melancholischen Worten andächtig. Seine rubinroten Augen schillerten mit Mitgefühl. Ja, der Kampf war Links heldenhafte und bittere Pflicht…

„Es gibt noch Helden in dieser Welt, das verstehe ich jetzt… und es macht irgendwie Hoffnung“, meinte Patrick und wendete weiterhin seinen Blick ab. Verunsichert hing er auf dem Sofa, konnte seine eigenen Gedanken nicht verstehen und versuchte die Wahrheit über Links Heldentaten in keinerlei phantastische Theorie einzuordnen, aber dies fiel ihm ungeheuer schwer. Da traf er als vernarrter Zeldafan einen jungen Burschen, der nicht nur so aussah wie der Held der Zelda-Legende, sondern so hieß und schließlich noch mit mittelalterlichen Waffen kämpfte. „Aber diese Geschehnisse stellen dermaßen mein Weltbild auf den Kopf…“

„Ja… meines auch…“, murmelte Link deprimiert.

„Aber du bist einer von diesen Helden“, sprach Patrick deutlich. „Du musst nichts beweisen, du solltest dich für nichts rechtfertigen. Du solltest einfach nur tun, was du für richtig hältst.“ Und damit erhob sich der lange, blonde Patrick van der Hohen, lächelte aufheiternd und klopfte Link auf die Schulter. Jener nickte erleichtert und atmete tief durch.

„In dieser Höhle unter dem See… sind schlimme Dinge passiert, nicht wahr?“, sprach Pat.

„Ja…“

„Mehr sollte ich nicht erfahren, was?“

Und ein Kopfschütteln verriet alles, was Link nicht sagen konnte.

„Es ist ausreichend… ich weiß zumindest, dass eine heldenhafte Tat vollbracht wurde. Und das, allein schon dieses Wissen, ist eine gute Sache“, endete er. Abermals nickte Link und ließ einen nachdenklichen Patrick van der Hohen im Bungalow zurück. Sian hatte ein Taxi für die Fahrt zum NiceInn bestellt, welches in jenem Moment hupte. Und es war dann, dass sich Link und Sian in die nächste Ortschaft begaben.
 

Gemeinsam mit Sian saß der junge, erschöpfte Heroe auf dem Rücksitz des Taxis. Der schweigsame, scheinbar uralte Taxifahrer, der aussah wie ein Joggingkleidung tragender Weihnachtsmann, hatte bisher nur einmal seine geschmeidige Stimme erhoben, fuhr gelassen auf den schmalen Straßen Irlands und ließ sich von keinem Geräusch in der Wildnis irritieren. Eine dröhnende, schwungvolle Volksmelodie rauschte aus dem Radio, zu welcher der weißbärtige Fahrer ab und an pfiff. Er schien sich nicht darum zu kümmern, dass zwei junge Kerle in dem Wagen saßen, bretterte dahin und lachte.

Die Sonne stand nur noch knapp über den Bergen, erhob sich wie ein rotglühendes, rundes Amulett auf dem rosagefärbten Horizont, als Link einen zaghaften Blick in Richtung des schattenhaften, gefahrvollen Waldes am Wegesrand warf. Er konnte die zürnenden Bestien dort in der verschlingenden Ferne heulen hören, sah für Sekundenbruchteile ihre giftigen Klauen und Reißzähne aufblitzten. Wie eine Flut rollten die Bilder der letzten Kämpfe über ihn hinweg. Die Skelettritter mit ihren mörderischen Waffen. Die nackthäutigen Wölfe mit ihren Klauen aus Stahl. Er schloss die Augen krampfhaft, versuchte die Angstattacken der letzten Wochen wegzuschieben, und doch scheiterte er innerlich. Folternd drangen die besiegten Dämonen in seinen Geist, rissen an ihren tödlichen Ketten, wollten lebendig sein in seiner Erinnerung. Er ballte beide Hände zu Fäusten und spürte plötzlich eine beruhigende Hand auf seiner Brust, die ihm jegliche Anspannung nahm, ihn beruhigte und die Dämonen in seinem Kopf verscheuchte. Sians glühendrote Augen musterten ihn mit Besorgnis, aber auch Wissen und es war wie, als hatte seine kurze Berührung den Helden in die Realität zurückgebracht.

„Danke…“, murmelte Link, verstand, dass Sian ganz genau wusste, wie er dem Heroen helfen konnte. Wenn Link es nicht besser wüsste, würde er annehmen der athletische, blonde Irländer war nicht nur ein Kämpfer und Meister im Kampf mit zwei Dolchen, sondern womöglich noch begabt in der Vorsehung und ein Heiler.

„Ich wurde von einigen eher unkonventionellen Schamanen ausgebildet und weiß, dass in dieser Welt besiegte Kreaturen sich oftmals noch andere Wege zurück in diese Welt bahnen möchten. Es ist schwer sie immer abzuschmettern.“

Link atmete so tief durch, als begann er mit jedem Luftzug heilende Energie einzusaugen. „Du meinst… es ist völlig normal, dass ich ab und an getötete Feinde in meinem Kopf sehe?“

„Normal sicherlich, aber was ist schon normal… in letzter Zeit sollte sich deine Definition von normal sehr gewandelt haben.“

„Meine Definition von normal ist nicht mehr normal“, grinste er und lehnte sich entspannter in den Sitz. Auch Sian grinste ansatzweise. Es machte seine gesamten jungenhaften Gesichtszüge um Jahre jünger, als legte er eine faltige Maske ab, die er mit seinen weisen Worten heraufbeschwor.

„Glaubst du eigentlich, dass es richtig ist hier so spät noch entlang zu fahren“, fragte Link leise, wissend der Taxifahrer interessierte sich kaum für ihre Unterhaltung. Er rieb sich die brennende Stirn und gähnte.

„Warum nicht? Hast du ein Problem damit?“

„Nein… nicht wirklich. Aber…“, seufzte er.

„Ach so, du meinst die Wölfe“, sagte Sian bestimmt und beäugte Link intensiver. Er zog eine sandgelbe Augenbraue verwundert nach oben. „Du wirst mit diesen Viechern doch locker fertig, wenn du einen Drachen besiegen kannst, oder?“

„Du weißt es…“ Link stutzte, aber dachte gleichzeitig daran, dass er vor Sian wohl nichts verheimlichen konnte.

„Und ich bewundere es zutiefst… mit der Vernichtung eines Urzeitmonsters hast du dir wahrlich das Recht verdient ,Held der Erde‘ genannt zu werden. Es war deine Prüfung und du hast jene erfolgreich überstanden.“

„Erfolgreich nenne ich etwas anderes…“, sprach er bitter, aber ging nicht weiter darauf ein. Er hätte seine Tat als Erfolg verbuchen können, wenn Molly überlebt hätte… wenn er sie hätte heilen können von diesem Dämon in ihrem kindlichen Herzen.

„Wie auch immer… und was diese Wölfe angeht, ich übernehme keine Haftung für Dutzende Wolfsleichen auf der Straße.“

Erneut bildeten sich Lachfalten im Gesicht Sian Johnsons, die er versuchte zu übertünchen. Er bewunderte Link für seine Tapferkeit und seinen Willen, selbst mit Zweifeln und Sorgen, ein heiteres Gemüt ausdrücken zu können.

„Aber da fällt mir ein…“, begann der Heroe und verschränkte die Arme vorsichtig. Seine Muskeln fühlten sich beinahe wie betäubt an. „Die Sache ist die, dass ich mein Schwert verloren habe, als das Wasser mich mitgerissen hat…“

„Was? Das sagst du jetzt erst? Mensch, mein Vater kann dir sicherlich eines geben“, sprach Sian aufgeregt. „Ein Held ohne Schwert kann niemals seine Aufgabe zu Ende führen.“

Mit Überraschung in seinen erschöpften Gesichtszügen drehte Link den Kopf in Sians Richtung. „Dein Vater hat eine Waffenkammer? Dann sind die Gerüchte wohl wahr, dass er irgendetwas in seinem Schlosskeller bunkert.“

„Mmh… ja, in gewisser Weise schon“, sprach Sian abschließend, aber ließ weitere Geheimnisse unenthüllt.
 

Das Taxi erreichte brummend das von wenigen Straßenlampen erhellte Fischerdörfchen, wo lediglich aus dem NiceInn Geräusche drangen. Gelassen traten die beiden Jugendlichen ins NiceInn ein, setzten sie sich in dem prallgefüllten Lokal in eine hinterste Ecke, um sich in aller Ruhe über Hyrule und die zurückliegende Vergangenheit unterhalten zu können, ohne, dass fremde Ohren von Angelegenheiten Wind bekamen, die sie nichts angingen. Die Stimmung war heiter in dem kleinen stickigen, dunklen Pub, wo der Rauch von Pfeifen in der Luft hing. Einige, vor allem ältere Kerle mit runden Bäuchen erzählten vergnügt am Stammtisch über unwichtige Sachen. Touristen, darunter sogar Japaner, saßen an weiteren Tischen und genossen irische Klänge von Geigen, einer Harfe und Flöten einer kleinen Musiktruppe.

Anja NiceInn, die hübsche Besitzerin des Pubs, stand an der Bar und kam dann, als sie Link und Sian entdeckte, vorbei. „Na ihr zwei, was darf es sein“, meinte sie mit dem leichten irischen Akzent, den sie sich unbewusst angeeignet hatte. Erst dann musterte sie Link eindringlich mit ihren verständnisvollen, freundlichen Augen und sprach aufgeregt: „Meine Güte, Link, was ist denn mit dir passiert?“

„Äh, das ist eine unheimlich lange Geschichte“, redete er sich heraus und versuchte zu lächeln.

„Das sieht echt übel aus“, bemerkte sie. „Brauchst du etwas für die Schrammen?“ Link bedankte sich, aber auch hier schien er weitere Hilfe auszuschlagen und Sian beobachtete sein Verhalten erneut auffallend. Link zeigte keinerlei Verzweiflung, nahm sein Schicksal auf diese tapfere Weise an, die ihn beinahe bestürzte. Wie konnte Link diese Kämpfe und Grausamkeiten einfach so ertragen? Er machte niemandem einen Vorwurf für seine Rolle in den Ereignissen, nicht einmal Zelda gegenüber, was Sian ebenfalls spürte. Aber jeder könnte verstehen, wenn er es täte… Links reife Seele überforderte den eher draufgängerischen, exzentrischen Irländer beinahe…

„Und was möchtet Ihr beide bestellen?“, meinte Anja schließlich und hielt einen Zettel für die Bestellung griffbereit.

„Einen Tee und die Fischsuppe, bitte“, sagte Sian.

„Und du, Link?“

„Ähm, ich glaube ich nehme das vom letzten Mal, als ich her war. Also: Irish Stew, bitte, und eine große Flasche Wasser.“

„Alles klar.“ Sie lächelte mit ihrer herzlichen Art und ging wieder zur Bar zurück.
 

„Du kennst Anja schon“, sprach Sian Johnson, stemmte sein Kinn auf die angewinkelten Arme und lauschte melancholisch der irischen Volksmusik.

„Jep, aber es ist überraschend, dass du bei all den Dingen, die du scheinbar weißt, diese Tatsache nicht wusstest.“

Sian grinste, schloss kurz die Augen und schien mit seinen rubinroten Augen in dem Schauspiel der Musikanten zu versinken. „Ich bin kein Allesseher, jedoch ist es erheiternd, was du mir zutraust.“

Auch Link grinste und lehnte sich zurück. „Ich würde dir wohl einiges zutrauen, schätze ich. Und ich bin mir sicher, dass ich dich irgendwo schon einmal gesehen habe.“ Tiefsinnig musterte der junge Heroe seinen neuen Bekannten und fragte sich, ob sein leiser Verdacht, dass es sich bei Sian um Shiek handeln könnte, tatsächlich Wahrheit war.

„Das würde uns beide nicht wundern“, sprach Sian amüsiert.

„Womöglich…“, murmelte Link, obwohl er nicht wusste, was er mit Sians Aussage anfangen sollte, und begann lauthals zu gähnen. „Sorry, ich könnte auf der Stelle einschlafen.“

„Dann würde ich vorschlagen, du erzählst mir etwas über den Drachenkampf…“, meinte Sian. „Das ist wohl ein Thema, das dich nicht einschlafen lässt.“

Link verzog eine Augenbraue desinteressiert. „Das sollte aber nicht lustig sein, gerade eben, was?“ Sian musterte ihn erneut geheimnistuerisch, aber unterließ es zu antworten.

„Willst du wirklich etwas über diesen Kampf wissen?“, sprach der Heroe schließlich, gähnte erneut herzhaft und riss seinen Mund dabei weit auf. Seine Augen tränten vor Erschöpfung.

„Na sicher. Es gibt weitaus mehr Menschen, die etwas mit Hyrule zu tun haben, als du glaubst.“

Link stutzte: „Wie darf ich das verstehen?“ Aber noch immer blieb das Geheimnis über Sians wahre Identität unenthüllt.

„So wie ich es gesagt habe“, schloss Sian ab.

Neugierig verschränkte Sians Gegenüber die Arme. „Das machst du wohl sehr gerne, wie?“

„Was denn?“

„Leute veräppeln.“

„Das tue ich doch gar nicht.“

„Nein?“ Einmal mehr ließ Link seinen herzensbrecherischen Charme spielen. Er grinste auf eine dämliche und doch liebreizende Weise, die selbst den so kühlen und selbstbewussten Sian Johnson verunsicherte. Er räusperte sich und versuchte ein merkwürdiges Schamgefühl abzuschütteln. „Du bist dir nicht bewusst, wie du mit deiner Art auf die Damen in deinem Umfeld wirkst, was?“, meinte Sian konternd und grinste ebenfalls.

Link zwinkerte mehrfach und verstand nicht ganz, wie Sian auf dieses Gesprächsthema kam. „Was meinst du denn jetzt schon wieder?“

„Nun ja, du hast schon einige Herzen gebrochen, das von Zelda vielleicht auch.“

Irritiert verzog sich das herzensbrecherische Grinsen in Links Gesicht zu Ärger. Wollte Sian ihn jetzt verbal angreifen? Er hatte Zelda niemals verletzt und ihr Herz gebrochen schon gar nicht! „Jetzt reimst du dir aber einen gewaltigen Quatsch zusammen“, sprach Link bestimmt.

Aber Sian schüttelte gemächlich mit dem Kopf. „Du bist dir dessen nicht bewusst, aber ihr beide wart immer gut darin euch gegenseitig zu verletzen. Ich rede nicht von der Gegenwart, sondern von der Vergangenheit.“

Aufgeregt breitete Link die Arme auseinander und sprach lauter als er es wollte. „Ich habe mit der verdammten Vergangenheit nichts zu tun, ich weiß ja nicht einmal, ob ich der Held bin, den Zelda damals gekannt hat!“ Da war Schmerz in Links tiefblauen Augen verborgen, welcher Sian auffallend bestürzte. Ein Schmerz, der ihn sich schuldig fühlen ließ.

„Es tut mir leid, Link, dass wir zu einem solchen Gesprächsthema gekommen sind, war nicht meine Absicht.“

Die Augen schließend lehnte sich Link zurück und seufzte. Er wischte sich über seine trockenen Lippen und hatte gerade den Appetit auf das gut duftende Irish-Stew, das in der Küche von Anja vor sich hin schmorte, verloren. Sian ignorierend lauschte er dem lieblichen und doch leidvollen Gesang einer silbernen Flöte, fühlte sich damit noch elender.

„Ich würde mir wünschen, wenn ich es könnte… ich würde mir wünschen mich an die Vergangenheit zu erinnern und zu wissen, was damals passiert ist, was ich getan habe und was Zelda getan hat… Verdammt, Sian, glaubst du, ich sehe nicht deutlich, dass etwas mit Zelda nicht stimmt, unabhängig davon, dass sie sich an dieses Leben kaum gewöhnen kann?“

Sian nickte etwas mitleidig, aber aufrichtig. „Manchmal schieße ich über das Ziel hinaus mit dem, was ich sage… ich wollte dich nicht demotivieren.“

„Das hast du nicht“, sprach Link, und neben dem Schmerz erstarkte der Mut, der sich in dem tiefblau so erschreckend spiegelte. „Aber ich möchte nicht von jemandem, der sich geheimnisumwittert gibt und seine Rolle in den Ereignissen verbirgt, über meine Fehler aufgeklärt werden.“ Links Worte mochten hart klingen, aber solche Aussagen wie gerade eben gingen ihm an die Nieren. Er würde niemals Zeldas Herz brechen! Niemals! „Das zwischen mir und Zelda ist eine Sache, die dich nichts angeht.“

„Vielleicht ja doch…“, bemerkte Sian spitz, aber nickte schließlich. „Wie auch immer… Du hast Recht, Link. Es gibt zu viele Dinge, die uns allen nicht klar sind.“

„Ja, es gibt wohl einige Dinge, die offen sind“, murmelte er. „So viele Fragen, die nicht geklärt sind… wie ich sagte, ich weiß nicht, ob ich überhaupt Zeldas Held bin…“

„Das bist du… garantiert.“

Noch ehe Link darauf antworten konnte, brachte die brünette Anja die Getränke an den Tisch, lächelte so freundlich wie immer, aber schien irgendwie abgelenkt. Sie verwechselte die Getränke, schob Link den heißen Tee und Sian das Wasser unter die Nase und hetzte schleunigst zurück zur Theke. War sie mit den vielen Gästen überfordert?
 

Lethargisch schloss der junge Heroe die Augen, stützte den schweren Kopf auf den Armen ab und fühlte sich belästigt von der unangenehmen, schweren Gedankenwelt, die ihn zurück nach Hyrule zog, zurück an einen Ort, der überwältigend schön sein musste, nur hatte er für den Wunsch an diese Welt gebunden zu sein, ein Abenteuer zu erleben, bereits bitter bezahlt… Er rieb sich die Stirn und strich mit den Händen durch sein dickes, blondes Haar, bis er den schweigsamen und schuldbewussten Sian ein weiteres Mal musterte. „Sag‘ mir, Sian, warum wolltest du über diesen Kampf informiert sein?“

„Mmh?“

„Ich verstehe nicht, was es bringen soll, dass ich dir diesen Kampf ausführlich erkläre…“

Der rotäugige Irländer rückte ein wenig näher und sprach beschwichtigend. „Es dient dazu, dass du es selbst für dich wahrnehmen und akzeptieren kannst. Kämpfe müssen erzählt werden, wenn derjenige, der überlebt hat, sie verdauen will.“ Er machte eine kurze Pause und schien Link noch intensiver mit seinen bedrohlichen, feurigen Augen anzustarren. „Der zweite Punkt ist der, dass ich mich darum kümmere, dass die Angelegenheit unter Dach und Fach gerät und nicht in der Presse landet.“

„Ich verstehe nicht… warum sollte das in der Presse…“, begann der Heroe und brach sogleich ab. Die Menschen, die er gerettet hatte, sie würden doch nicht irgendwelchen Reportern berichten, was er getan hatte! Link begann unruhig auf seinem Platz herumzurutschen und sah erledigt und hilflos zugleich drein. Sofort schien er die Menschen in dem Pub zu mustern, versuchte auffällige Blicke aufzuspüren und hatte das Gefühl beobachtet zu werden. „Verdammt… die Menschen, die ich gerettet habe, du glaubst doch nicht, dass jemand von denen alles einem schmierigen Reporter mitteilt?“ Link sah völlig aufgelöst aus, fragte sich in Sekundenschnelle, wie die Menschen in Schicksalshort reagieren würden, wenn er plötzlich in der Klatschpresse landen würde. Was würden seine Freunde dazu sagen? Er sprang aufgelöst von seinem Platz.

„Link, beruhige dich, die Menschen, die du gerettet hast, werden Schweigen bewahren. Ich habe mich darum schon gekümmert.“

„Aber wie…“ Ein dankbares Grinsen im Gesicht ließ sich der Held wieder tiefer in den Sessel sinken. „Du hast mit den Leuten gesprochen?“

Sian nickte wohlwissend.

„Und du hast sie völlig überzeugt?“

Abermals nickte der Irländer.

„Du bist spitze“, murmelte Link und lächelte. Es machte sein Heroengesicht trotz der Schürfer und Kratzer ansehnlich. „Und was ist mit Patrick… meinem Mitbewohner?“

„Ich habe versucht ihn herauszuhalten. Er wird dein Geheimnis aber sicherlich lüften. Immerhin ist er Zeldafan…“

„Wohl oder übel“, meinte der Held. „Aber das gefällt mir nicht.“ Er goss ein ganzes Glas Wasser seine Kehle hinab und stellte das Glas mit einem lauten Klacken auf den Tisch.

„Was ist denn so schlimm daran?“, meinte Sian. „Du kannst dein Geheimnis nicht auf ewig bewahren. Sowohl deine Bekannten als auch deine Freunde und deine Familie werden irgendwann Bescheid wissen.“

„Aber genau das kann ich nicht zulassen, Sian.“ Mit starker, fester Stimme erhob er das Wort, sprach wie ein Anführer. Er dachte an seine Familie, an seine wunderbare Schwester Sara, an seine Eltern und seine Freunde. Er konnte nicht zulassen, dass jemand von ihnen sich einmischte oder zu Schaden kam. „Diese Kämpfe betreffen nur uns etwas, diejenigen, die mit Hyrule etwas zu tun haben. Wir können Unschuldige, wie Pat und Trolli, nicht damit hineinziehen.“ Sian nickte bloß, aber machte große Augen. Er war überrascht über Links Weitsicht und Rücksichtnahme. Und obwohl ihm der Held Hyrules von vornherein sympathisch war, und er sich eingebildet hatte, einige Dinge über ihn zu wissen, so erkannte er einen Bruchteil von dieser heroischen Natur, die tatsächlich in dem Grünbemützten steckte. Und da war weitaus mehr als Kampfbereitschaft und Intelligenz. Da waren ein reines Herz und die Fähigkeit Mitgefühl zu zeigen und zu vergeben…
 

„Erzähl‘ es mir, Link…“ Sian ließ erneut nicht locker. Es war wie als wollte er mit seinem Anliegen den Heroen von sich in die Erinnerungen einnistender Dämonen befreien alles nötige tun, um eine Schuld abzugleichen. „Die Last, die du mit dir herumschleppst, wird nicht leichter, wenn du das alles versucht zu vergessen.“

„Zum Teufel, Sian, jetzt rede nicht wie ein stümperhafter Hobby-Psychologe.“ Link ließ seinen müden Kopf erneut auf seine angewinkelten Arme sinken und setzte murrend hinzu: „Sorry… Es ist okay, ich wäre wohl dankbar, wenn ich diesen Mist loswerden kann.“

Der aschblonde Irländer biss sich auf die Lippen und lauschte andächtig. „Und vielleicht kannst du es damit sortieren?“

„Vielleicht…“ Link funkelte Sian eindringlich an, tauchte ein in dieses glühende Feuer seiner Augen, spürend eine wärmende Wonne, die sich über seinen Verstand legte. Und als die Sekunden zu zerschmelzen schienen, begann der Heroe mit seiner Geschichte, realisierend, wie notwendig es war, die Kämpfe zu verstehen.

„Als ich… in diese Höhle mitten im See eintauchte… als ich dort herunter kletterte, war ich mir gar nicht sicher, was mich veranlasste hinabzugehen. Es kam mir vor, als träumte ich, als ging ich mit einem anderen Teil von mir in diesen Kampf, einen Kampf, den ich noch immer kaum verstehen kann.“

„Du hattest das Gefühl, irgendjemand leitet dich?“

„Nicht direkt… es ist kompliziert.“ Mit einer abwehrenden Handbewegung ließ sich der junge Held wieder tiefer in den Sessel sinken und schloss die Augen vor Müdigkeit. „Es war einfach nicht real… so als steuerte ich mich von einer anderen Dimension aus, so, als säße ich vor der Wii und steuerte einen Helden. Ich hatte nur dieses eine Ziel: die vermissten Menschen zu finden.“

„Wie gelang es dir sie zu finden?“

„Ich bin weitergelaufen, immer weiter in das unterirdische Reich, bis ich ein großes Gewölbe erreichte. Aber dort erwartete mich mehr als lediglich einige Menschen, die der See verschleppt hatte. Moblins lauerten dort… kannst du dir das vorstellen? Moblins, detailgetreu und unglaublich echt. Keine merkwürdigen Comicfiguren, sondern gefährliche und stinkende Kreaturen mit Rüstungen und scharfen Waffen.“

„Sie sind genauso echt wie alles, was wir über Hyrule wissen, Link.“

„Es kommt mir vor, als verstehe ich erst jetzt das Ausmaß von allem… wie blind war ich nur…“ Er spülte ein weiteres Glas sprudelndes Wasser seine Kehle hinab.

„Du warst niemals blind, Link. Du hast dich ohne zu zögern in dieses Abenteuer begeben, du hast immer Verantwortung für deine Taten übernommen. Ohne dich hätten wir mittlerweile die Hölle auf Erden. So blind kannst du also gar nicht sein.“

Er grinste schwach, aber wollte die Worte, die Sian sprach nicht detaillierter ausführen. „Ich bin wirklich die Wiedergeburt des Helden aus Hyrule, so wie ich hier sitze, was?“

„Hundertprozentig. Keine Einbildung.“

„Und ich bin begabt darin mit den unterschiedlichsten Waffen umzugehen, richtig?“

Sian lachte kurz auf und wirkte beinahe menschlicher mit seinem Lachen. Bisher wirkte er eher wie ein Elf. „Dachtest du etwa, du hast dir deine Fähigkeiten nur ausgedacht?“

„So in etwa…“, und auch Link grinste. Das Gespräch mit Sian tat nun doch angenehm gut. Es war hilfreich einige Zweifel klären zu können.

„Was ist dann passiert?“

Link seufzte und kam den entscheidenden Dingen, die sich in sein Herz brannten, näher. „Ich konnte die Moblins zu einem großen Teil ohne weiteres Aufsehen zu erregen ausschalten, und erblickte die gefesselten Menschen wie auch ein kleines Kind, das wahnsinnige Reden anstimmte. Es war Molly, das kleine Mädchen, das seit einigen Wochen vermisst wird.“

Sian wirkte das erste Mal, seit Link ihn kannte, wirklich überrascht und zupfte sich an seinem Kinn. „Verstehe… jetzt fügen sich die Puzzleteile zusammen. Sie wurde von einem Dämon besetzt, nicht wahr?“

Link nickte, sah innerlich die kleine Molly vor sich. Sie tanzte mit ihrem irischen Kleidchen über eine Blumenwiese und winkte ihm zu. Sie war erlöst… es ging ihr garantiert gut, aber er hätte sich dennoch gewünscht sie retten zu können. „Sie war so unschuldig und klein… sie war nur ein Kind. Es war grausam, was ihr angetan wurde und was ich schließlich tun musste.“ Er biss sich auf die Lippen, hob den Kopf und war mit den Gedanken erneut im Kampfgeschehen inbegriffen. Er spürte die Eiseskälte, spürte die feurigen Fontänen, und die Schärfe seines eigenen Schwertes. „Sie mutierte… auf eine schrecklich Weise und alles, was ich tun konnte, alles, was ich bereit war zu tun, war sie zu töten. Ich konnte sie nicht von dem Dämon befreien, es war zu spät…“

„Du konntest sie erlösen, das ist alles, was wichtig ist.“

„Es wäre wichtiger gewesen sie zu retten, Sian.“

Doch der Irländer schüttelte beschwichtigend den Kopf. „Bei allem, was du jetzt über die Weltengesetze weißt, Link, und bedenke, du weißt mehr als manch gewöhnlicher Mensch, weißt du doch, dass wir wiedergeboren werden, dass es dort draußen in der weiten Ferne einen viel größeren Plan gibt, als es Menschen sehen können, glaubst du nicht, es war Bestimmung, dass Molly gehen musste?“

„Ich weiß es nicht.“

„Sie hatte ihre Aufgabe… und dort, wo sie jetzt ist in der Vergebung ihrer Ahnen, hat sie es besser als in einer Welt, die noch sehr viel ertragen wird.“

„Es wird noch viel schlimmer, habe ich Recht“, sprach Link trübsinnig.

„Das, was mir prophezeit wurde… was die Weisen sehen können… ist entsetzlich…“ Auch Sian wirkte trübsinnig, schien so tief berührt, dass er den Tränen nahe kam. Er war alles andere als ein gewöhnlicher, junger Bursche. Er war in sich völlig ruhend und in der Lage seine Emotionen perfekt auszubalancieren, auch dies erkannte Link nun.

„Es stehen Kämpfe an, Reisen an anderen Orte und es geht auch in deiner Geschichte um legendäre Taten“, erklärte er.

„Zelda und ich sind legendär, hm?“, meinte Link aufheiternd, fühlte eine Woge des Trostes über sich hinweg schwappen. Es war tröstlich mit Sian zu reden, so ungemein tröstlich…

„Es heißt ja, die Legende von Zelda… nicht wahr?“

Link nickte abschließend und beobachtete erneut melancholisch die Musikgruppe, die hochkonzentrierten Gesichter, diese Harmonie in den Klängen und dem Gesang, der Herzen berührte. Irische Musik hatte es bisher stets geschafft ihn hinfort zutragen, ihn gefangen zu nehmen, zum Träumen zu bringen wie auch jetzt. Sein Blick wandelte sich von der Kampfbereitschaft und den Zweifeln zu einer angenehmen Wärme, Sorge, und Bedächtigkeit.

„Es ist einfach zu…“ Er suchte nach dem richtigen Wort, das es für all’ die Geschehnisse des letzten halben Jahres nicht gab. „… verrückt. Alles… restlos alles. Ich bin der Held Hyrules, wiedergeboren auf der Erde, als Mensch. Ich habe das wohl tollste Mädchen des Planeten in den Wäldern gefunden… Und habe mir vorher immer ein Abenteuer gewünscht, mir gewünscht etwas Besonderes zu leisten, und nun, da es alles wahr wurde, bin ich mir nicht mehr sicher, den ganzen Dingen gewachsen zu sein. Ich meine, wie kann das alles sein…“

„Link. Ich bin mir sicher, du schaffst es. Egal, was auf dich zukommt. Wer sonst außer dir hätte den Mut gehabt, so zu kämpfen?“ Hoffnungsvoll sahen die tiefblauen Augen Links auf. Himmel, selbst von Sian Lob zu erhalten, tat unglaublich gut.

„Nur du kannst verhindern, dass das Böse diese Welt beherrscht. Nur du, denn das Blut des Schicksals gerinnt nicht in den Händen der Zeit…“

„Es ist ja nicht zu fassen, du machst es schon wieder!“, sprach Link amüsiert.

„Was denn bitte schön?“

„Du redest schon wieder so geschwollen, dass man dich nicht verstehen kann.“

„Mmh, ein paar Macken hat wohl jeder von uns“, lachte diesmal auch Sian und schüttelte das blonde Haar aus seinem edlen Gesicht.

„Das lässt sich nicht abstreiten“, schmunzelte Link. Was wohl Zeldas Macken waren, fragte er sich? Vielleicht diese unscheinbare Armbewegung, wenn sie sich aufregte oder das Glitzern in ihren Augen, wenn sie etwas tief berührte? Beim Deku, er vermisste sie so sehr…

„Nun gut, Link, gibt es noch etwas, dass ich dir mitteilen kann?“

Dann schlug Link unerwartet auf den Tisch. „Aber sicher. Das wichtigste haben wir noch nicht besprochen!“

„Und das wäre?“

„Von welchem Bösen sprichst du eigentlich, Sian? Ich meine, ich habe gegen Moblins, Wölfe, Skelettritter und sogar schon gegen einen Drachen gekämpft, aber wer steckt dahinter?“

„Das weißt du nicht?“

„Nein, woher denn?“

„Link… zähl’ doch einfach eins und eins zusammen. Wenn es Zelda gibt, wenn es dich und Impa gibt, folgt daraus nicht die Existenz eines gewissen Schreckensfürsten?“ Link starrte, geschockt über Sians Worte und seine eigene Dummheit, nicht früher daran gedacht zu haben, in die roten Augen seines Gegenübers.

Ihm entkam ein simples: „Du meinst Ganondorf?“

„Oder sagen wir die Wiedergeburt des Todbringers? Du kannst dir aussuchen, wie du ihn nennen willst…“ Auch Sian lehnte sich nun zurück und fokussierte mit seinen roten Augen die fleißige Anja NiceInn, die gerade mehrere Teller auf ihren Händen und Armen balancierte. Erschöpft wirkend trat sie in die Richtung der beiden jungen Kerle.

„Was macht Ganondorf in dieser Welt?“, bemerkte Link, aber wurde in dem Gesprächsthema von der netten Pub-Besitzerin unterbrochen. Geschwind servierte sie das heiße, deftige Essen. „Guten Appetit wünsche ich euch“, sagte sie schwach, versuchte eine marternde Besorgnis, die in ihrem schönen Gesicht abzulesen war, zu verbergen.

„Ist alles okay, Anja?“, sagte Link und gähnte erneut. Doch versunken in ihre Gedanken reagierte die Dame nicht weiter auf ihn, lächelte kurz und nickte bloß. Sie hatte es eilig und verschwand wieder hinter dem Tresen. Gerade da erschien Kevin McMayor, der Verlobte von Anja, ein sehr verärgertes Gesicht ziehend und stapfte mit schweren Stiefeln an den Gästen vorüber. Sein schwärzliches Haar klebte zottelig und ungewaschen an seinem unrasierten Gesicht. Überhaupt sah er aus, als hätte er seitdem sein Auto von den Wölfen verschrottet wurde, nicht mehr geschlafen. Mürrisch tapste er auch an Link vorbei, grüßte weder Sian, noch den Heroen oder die anderen Gäste und verschwand in der Küche. Anja folgte ihm hektisch und blickte hilflos in Links Richtung, bis sie von der Küchentür verschluckt wurde.
 

Link bemerkte sehr wohl, dass etwas im Argen war, aber entschied sich zunächst unauffällig zu verhalten. Mit einem beneidenswerten Grinsen krallte er sich das Besteck und stopfte sich auf eine genüssliche Weise, so als hätte er noch nie etwas im Magen gehabt, das Essen in den Mund. Sian beobachtete ihn mit hochgeschobenen Augenbrauen, aber lachte dann. Wenn Link so zuhauen konnte, würde er sicherlich schnell wieder fit werden und auf die Beine kommen, dachte er.

„Sian, ich danke dir für deine vielen Ratschläge und ich weiß, ich kann dir vertrauen… aber ich habe ein Anliegen“, sprach Link mit vollem Mund.

„Und das wäre?“

„Jetzt mal ehrlich, was hast du mit Hyrule zu tun?“ Er schluckte einige Bissen herunter und legte kurz das Besteck zur Seite. „Ich weiß ja, dass es mich nicht unbedingt was angeht und mir ist schon klar, dass du dich nicht ohne Grund so geheimnisumwitterst verhältst… aber…“

Sian grinste und unterbrach Link: „Und darum machst du so einen Wind? Du hättest mich ruhig früher fragen können…“ Er machte eine kurze Pause und trank einen Schluck Tee. „Es ist so… Eigentlich… existierte ich in der legendären Welt Hyrule nur für sieben Jahre und ich bin der Sohn einer großartigen Persönlichkeit, die vermutlich neben Zelda die wichtigste Stellung in der alten Welt hatte.“

„Für sieben Jahre? Heißt das, du bist…“

„Ja genau. Verstehst du nun, weshalb ich einiges über dich und Zelda weiß?“

„Shiek? Das gibt’s nicht. Du bist wirklich Shiek? Ich habe es geahnt!“ Links Stimme wurde ein wenig laut, sodass sich einige Leute verwundert nach ihnen umblickten.

„Sorry“, flüsterte er, so leise, dass selbst Sian es nicht verstanden hatte.

„Ich teilte mit Zelda sozusagen eine Persönlichkeit. Ich war nicht mehr als ein Schatten. Doch nun, habe ich ein ganzes Leben vor mir und dafür bin ich dankbar. Natürlich habe ich keine Erinnerungen, keine wirklichen. Aber mein Vater hat mir alles erzählt, als ich eine Verbindung zu Zelda spüren konnte… Ich weiß im Grunde genommen alles über sie, und ich weiß daher auch, wie emotional gebrochen sie gerade ist. Verstehst du?“

Link nickte und kratzte sich an einer dunkelblonden Augenbraue. „Ich glaube, ich kann es irgendwie verstehen, nun ja inwieweit man das überhaupt verstehen kann.“ Erneut tadelte er sich in Gedanken für die blinde Sichtweise, mit der er an seine Prinzessin und alles, was mit Hyrule zusammenhing, herangetreten war. Er wusste so vieles nicht… und wusste im Grunde genommen noch weniger als das, was er gehofft hatte zu wissen. Er dachte, Zelda könnte sich, wann immer sie wollte in Shiek verwandeln, eventuell auch jetzt. Er hatte sogar geglaubt, sie wäre ihm hinterher gereist und hätte sich als Sian ausgegeben. Er verstand endlich die Zusammenhänge, verstand, wie gefährlich es für sie in dieser Welt war. Sie konnte sich nicht einfach verwandeln und gegen ihren Erzfeind kämpfen, genauso wenig wie im Spiel. Er schüttelte frustriert den Kopf, begreifend, dass er Hyrule immer noch als ein einfaches Spiel ansah…

„Zelda hatte wahrlich nur einmal die Chance sich als Shiek auszugeben, durch Impas Hilfe, die selbst ein Shiekah war, damals in der weitzurückliegenden, grausamen Vergangenheit. Irgendwie hat sie diese Hälfte jedoch abgespalten. Sonst würde ich ja gar nicht existieren.“

„Mmh…“, meinte Link und versuchte sein Gedankenwirrwarr abzustellen. Gemächlicher aß er weiter.
 

Die Zeit tickte dahin, hier in dem gemütlichen Pub im Süden Irlands, wo ein salziger Sommerwind wehte. Der kleine, gemütliche Pub war noch immer erfüllt von einem wohligen Aroma rauchender Pfeifen und den Klängen der irischen Band. Wenige Touristen verließen die Kneipe, genossen die Nähe zum kühlen Meer hier zu später Stunde. Gerade da, als sich der Pub langsam leerte, konnte man im Hintergrund aufgebrachte Stimmen vernehmen. Aus der Küche erklang ein Lärm, als zerschmetterte jemand Porzellan und als tobte der Jähzorn in Menschengestalt an diesem Ort. Link und Sians überraschte Blicke trafen sich. Es war vor allem Kevin McMayors Stimme, die herum wütete wie ein wilder Stier. Etwas musste geschehen sein, was Kevins ganze Wut geschürt und zum Ausbruch gebracht hatte.

„Der hat einen schlechten Tag, oder?“, murmelte Link irritiert und fragte sich allmählich, ob er einschreiten sollte, aber da kehrte erneute Ruhe ein. Kevins laute Stimme war nicht mehr vernehmbar. Link blickte in Richtung Küche, spürte dennoch ein ungutes Gefühl in sich und hoffte, er bildete sich nicht mittlerweile Gefahren an Orten ein, wo keine waren. Er trank ein weiteres Glas Wasser und rieb sich seinen vollen Magen. Das Essen im Magen fühlte sich wie das beste Essen seines Lebens an.

„Sag mal, Sian, weißt du irgendetwas, von den Dingen, die Hyrule zugestoßen sind? Warum sind wir als Reinkarnationen hier? Warum sind Zelda hier, Impa, du und ich? Wie kann das sein?“

„Link, ich weiß, du willst alles so schnell wie möglich wissen, aber sollte nicht vielleicht Zelda dir erzählen, was damals geschehen ist?“ Im ersten Augenblick war der Siebzehnjährige ein wenig enttäuscht, als aber Zeldas Name fiel und er sie mit ihrem sanften Lächeln vor sich sah, war dieses Gefühl wieder verschwunden.

„Du hast Recht, Sian.“ Und er lächelte tiefsinnig.

„Zelda wird sicherlich mit dir reden… ich weiß nicht, wann sie dazu bereit ist, aber sie braucht dich… und es gibt etwas, worum ich dich bezüglich ihrem Seelenheil bitten muss.“ Der junge Irländer bekräftigte diese Bitte mit einem festen Händedruck. Irritiert blickte Link auf die blasse Hand Sians und schließlich wieder in dessen rubinrote Augen.

„Auf Zelda liegt etwas… wie ein dunkler Schatten, den ich nicht beseitigen kann, den ich nicht einmal erklären kann, etwas, das die Vergangenheit ihr mitgegeben hat. Und dieses Übel muss durch irgendetwas aus der Vergangenheit entstanden sein… ich bitte dich, Link, als Freund, und weil ich eine enge Verbindung zu Zelda spüren kann, bring‘ sie dazu sich dir zu öffnen.“

Sians ernste und doch mitreißende Worte schienen dem jungen Heroen beinahe den Atem zu rauben. Er löste sich aus dem festen Händedruck und starrte trübsinnig ins Leere. „Sag‘ mir, wie ich das schaffen soll…“

„Du bist der einzige, den sie nah genug an sich heranlässt.“

„Das ist keine Antwort auf meine Frage.“ Verunsichert erhob er sich, trottete zwei Meter vor dem Tisch auf und ab. Links sonderbares Verhalten schien die wenigen Gäste, die noch geblieben waren, kaum zu interessieren.

„Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit an Zelda heranzukommen…“

„Und die wäre?“

Sian lehnte sich zurück, holte selbst eine Pfeife aus seiner Hosentasche und zündete sich ein sehr krautig riechendes Gewürz an. Link war nicht annähernd so entsetzt darüber, dass Sian qualmte wie darüber, was er gleich von ihm verlangen würde. Sian nahm einen genüsslichen Zug, wirkte noch lässiger als ohnehin schon und es war wie, als hüllte ihn das seltsame Räucherwerk in eine schattenhafte Gestalt, die weitere Geheimnisse auffraß. Tonlos sprach er: „Schenk‘ ihr Liebe, Link.“

,Schenk‘ ihr Liebe‘, wiederholte der blonde Schönling in seinen Gedanken um es einigermaßen zu verstehen. Was zum Teufel hatte Sian für eine Vorstellung von einer Art von Beziehung, die er und Zelda führten? Vor lauter Fassungslosigkeit ließ sich der Heroe wieder auf den Sessel sinken und bat den Irländer die Worte zu wiederholen.

„Du hast mich verstanden. Zelda kann nur heilen, wenn sie das Gefühl hat geliebt zu werden. Und von wem sollte sie sich das mehr wünschen als von dir?“ Sian rasselte die Worte herunter, als kannte er keinerlei Schamgefühl.

„Und…“, stotterte Link und spürte das Blut in seinen Wangen sprießen. „Und… was genau verstehst du darunter: ich soll ihr Liebe schenken?“

Sian antwortete nicht auf diese Frage, sondern zog genüsslich ein weiteres Mal an seiner Pfeife. „Hast du eigentlich den Verstand verloren, Shiek?“, brummte der Heroe, nahm die Pfeife ungeduldig an sich und erhielt überraschend wieder Sians Aufmerksamkeit.

„Es ist nicht mein Problem, dass du scheinbar mehr in meine Worte interpretierst als gemeint ist. Ich habe nicht gesagt, du sollst Zelda verführen. Du sollst ihr das Gefühl geben, dass sie geliebt wird, sicher ist.“

Mit großen Augen wich Link zurück, schaute dümmlich an die Decke und ertappte sich bei seinen eigenen detailreichen und verwunderlichen Ideen. Hatte er wahrlich angenommen, mit Zelda schlafen zu müssen um ihr eine Form von Liebe zu schenken. „Äh… dann ist ja gut…“, er brabbelte unbeholfen vor sich hin. „Es ist gut… dass wir das geklärt hätten…“

Sian lachte erheitert auf und grinste.

„Das ist nicht lustig…“, sprach Link eingeschnappt, verschränkte die Arme und gähnte.

„Ach nein?“

„Nein.“

„Oh doch, es ist lustig, dass du auf die Idee kommst mit Zelda schlafen zu müssen.“

Link schnaubte entrüstet und trank erneut von seinem Wasserglas, diesmal so heftig, dass er sich beinahe verschluckte. Er fragte sich, ob ihm Wasser bei diesem Unsinn, den sie daher redeten, noch reichte. Vielleicht sollte er seinen Frust in Wein ertränken oder in einer anderen Droge, so wie Sian es tat… Um vom Thema abzulenken, suchte Link nach einer weiteren Frage: „Kannst du mir denn sagen, weshalb ich Zelda damals halb durchgefroren in den Wäldern gefunden habe.“

„Ich kann dir darauf keine Antwort geben. Aber ich kenne jemanden, der das vielleicht könnte, Link.“

Der neue und alte Held grinste. „Gut, vergiss aber nicht ihn mir vorzustellen.“

„Wird erledigt.“
 

Die kleine Musiktruppe beendete ihren Auftritt mit einer wonnevollen und friedvollen Ballade, die wie ein Wiegenlied von der Sehnsucht nach Träumen erzählte. Harfe und Flöte spielten ein Duett, das in Märchen lebendig wurde, verbanden sich beinahe liebevoll in den wenigen melancholischen Tönen. Wie hypnotisiert lauschte Link den Klängen, die ihm von seinem Schicksal erzählten, von Wärme und einer Geborgenheit, die er in einem anderen Leben gefunden hatte. Und mit der wärmenden Melodie, schwermütig und doch hoffnungsvoll schallte sie durch den kleinen Pub, verbanden sich Bilder, die er zunächst in seinem Herzen spürte und dann deutlich mit seinem inneren Auge sehen konnte. Auf grünem Hügel, an einem kleinen Palast, der vollkommen aus Glas bestand und das Licht der Sonne sich in Regenbogen ergoss, wenn es das Glas berührte, saß er einst, spielte die Okarina in Begleitung der zarten Harfe. Er spürte dieses Bild in sich, so deutlich, dass es mehr sein musste als eine Erfindung seines Geistes. Es war wie als ließ die Okarina im Duett mit der Harfe Lichtstrahlen tanzen und als rettete manchmal eine Melodie die Welt…
 

„Es wird Zeit, dass wir aufbrechen, Link…“, meinte Sian und einmal mehr leuchtete Besorgnis in seinen rubinroten Seelenspiegeln. „Es wäre mir lieber, wenn du sobald wie möglich Schlaf findest.“ Und jetzt, wo der Irländer es ansprach, erinnerte sich Link an die vielen Prellungen und Wunden, die noch an seinen Kräften zehrten. Er gähnte und konnte nur zustimmten. Sian telefonierte kurz und bestellte den als Taxifahrer getarnten Weihnachtsmann erneut, erhob sich dann und beglich die Rechnung bei Anja. Sie bedankte sich auffallend, blickte jedoch ängstlich drein, beinahe so, als wollte sie Sian und Link nicht gehen lassen. Träge erhob sich der Heroe ebenfalls, spürte einige schmerzhafte Stiche in seinem Rücken und tapste vorsichtig in Richtung Tresen. Gerade da kam der sonst so hilfsbereite und gut gelaunte Kevin die Treppen herunter gestürzt, fokussierte Anja mit einem bärbeißigen Blick, den Link bei noch keinem Monster gesehen hatte, ignorierte sowohl Sian, als auch Link und fuhr seine Verlobte ohrenbetäubend an: „Anja, was habe ich vor über fünf Minuten gesagt?“

Die hübsche Brünette blickte hilfesuchend zu Link und Sian und schien sich für Kevins Auftritt zu schämen. „Es tut mir leid… du weißt doch, wir haben noch Gäste.“ Und sie blickte zu den wenigen Touristen, die sich daraufhin ebenfalls erhoben.

„Und wenn wir fünfhundert Gäste haben, interessiert mich das nicht. Ich habe gesagt, du bringst mir ein Guinness und wenn ich das sage, hast du das auch zu erledigen!“ Sein Tonfall wurde immer harscher und aufbrausender. Er trat direkt vor sie und donnerte ein großes Bierglas auf den Tisch. Anja zuckte zusammen, als er das Glas ein weiteres Mal auf die Theke knallte. „Ich will das Guinness, sofort!“

Anja blickte nervös zur Seite, hatte gläserne Augen und lehnte sich verängstigt an die Wand. Aber selbst diese nervöse Geste schien Kevin McMayor nicht zu beeindrucken. Brummend und stapfend trat er an seine Verlobte heran und hob eine Hand.

In dem Augenblick entschied sich Link einzuschreiten und packte den eher dürren Arm des Bürgermeistersohnes mit einem gewaltvollen Ruck. „Reiß‘ dich zusammen, oder wir klären das auf andere Weise!“, brummte Link und fragte sich, ob er eine Schlägerei mit Kevin in seinem bemitleidenswerten Zustand noch durchhalten würde. Er hätte niemals gedacht, dass sich der sympathische und auf den ersten Blick so ehrenwerte Mann auf diese Weise gehen lassen würde.

Mit genauso viel Wut, wie er sie Anja NiceInn entgegen schmetterte, blickte er Link entgegen. „Was willst du?“

„Was wohl? Denkst du, ich sehe hier selbstgefällig mit an wie du deine Verlobte niedermachst?“ Kevin grinste lediglich, so als wäre er nicht bei Sinnen und riss sich aus Links Zugriff los. Die restlichen Gäste verschwanden derweil aus dem Lokal, drückten einige Scheine auf den Tresen und verzichteten auf das Wechselgeld.

„Du entschuldigst dich auf der Stelle bei ihr!“, betonte der Heroe und blickte zu Anja, die anfing zu weinen.

„Sie weint wegen dir, Kevin… Ich würde mich schämen, wenn ich jemanden, der mir so nahe steht, zum Weinen bringen würde“, sprach Link leise und erhielt ein dankbares Lächeln von Anja für sein Einmischen.

„Das geht dich nichts an, Idiot. Wegen dir ist mein Wagen futsch. Und dieses Häufchen Elend“, er zeigte mit einem Finger auf Anja, „… macht sich ständig lustig über mich. Es wird Zeit, dass ich ihr beibringe, wie man sich als baldige Ehefrau benimmt.“

Link verlor die Worte, die er gerade noch sagen wollte vor Entsetzen. Entweder Kevin hatte einen bösartigen Zwillingsbruder, der gerade vor ihnen stand, oder er hatte sich innerhalb weniger Tage um Hundertachtzig Grad gedreht. Der sonst so bescheidene und liebeswerte Irländer hatte überhaupt nicht zugehört. Selbst die kristallenen Tränen, die an Anjas roten Wangen hinab tropften, weckten nichts außer Abscheu und dem Wunsch zu demütigen. Er knackte mit den Fäusten, holte kräftig aus, bereit dem jungen Heroen seine Rechte in das Gesicht zu rammen, doch Sian war schneller… Mit einer beneidenswerten Akrobatik packte er Kevin am Kragen, rollte ihn mit einer Federleichtigkeit durch die Lüfte und ließ ihn mit einem schmerzhaften Knacken zu Boden donnern.

„Das war Notwehr, richtig?“, grinste Sian und erhielt ein überraschtes Nicken des Heroen. ,Wahnsinn‘, dachte Link. Sian war ein Meister in allen möglichen Kampfsportarten und zusätzlich ein Heiler und das in seinem jungen Alter. Wie hatte er es geschafft sich auf diese Weise und so schnell zu entwickeln?

Kevin raunte, krümmte sich am Boden zusammen und hielt sich mit beiden Händen den Nacken. Murrend richtete er sich auf, sah ein wenig orientierungslos drein und ein leichter Schimmer der Zweifel flackerte in seinen pechschwarzen Augen auf. „Bist du wieder bei Sinnen?“, sprach Link herrisch. Seine Stimmte knallte nieder, als befand er sich auf einem Schlachtfeld. „Entschuldige dich sofort bei deiner Verlobten!“ Kevin McMayor schüttelte benommen den Kopf, sodass sein dichtes, schwarzes Haar über sein Gesicht fiel. Und als er sich die vielen zotteligen Strähnen aus dem Gesicht strich und sein Blick zu Anja glitt, war das erste Mal seit Beginn dieses Abends so etwas wie Wärme in seinen Seelenspiegeln zu finden. Er runzelte die Stirn und erhob sich. Sein Blick fiel zu Link und Sian und schließlich erneut zu seiner Verlobten, zu den Tränen und der Angst in ihren Gesichtszügen. Er wollte näher treten, aber da rückte Anja Schnurstraks an ihm vorbei, krallte sich mit einem leisen Wimmern ihre Jacke und die rote Handtasche, die Link vor einigen Tagen zurück gebracht hatte, von der Garderobe und hetzte zur Tür. „Ich bin bei meiner Schwester…“, sprach sie weinerlich, würdigte ihren Verlobten mit keinem Blick und trat hinaus in die Nacht.

„Aber Anja…“, rief der Bürgermeistersohn noch, bevor sie die Tür zuknallte. Als verstand er die Welt nicht mehr ließ er sich auf einen Barhocker sinken, starrte auf seine Hände und vermied es weiterhin mit Link und Sian zu reden.
 

Link konnte nicht glauben, was soeben passiert war. Die beiden waren doch so verliebt ineinander gewesen! Wie konnte dies so schnell und auf eine solche extreme Weise umschlagen. Was mochte passiert sein, dass Kevin so ausgetickt war?

„Link, ich will nicht drängeln… aber das Taxi wartet. Lass‘ Kevin in Ruhe nachdenken.“ Sian legte dem Heroen eine Hand auf die Schulter, bekräftigte seine Worte mit einem festen Griff.

„Es ist nur…“, sprach er leise. „Ich habe irgendwie das Gefühl, ich habe hier noch etwas zu erledigen…“

„Womöglich, aber vielleicht zu einem besseren Zeitpunkt.“

Link nickte schwach und sah ein, dass er in dieser Situation nicht mehr viel retten konnte. Er hatte bereits eine Hand auf den Türengriff gelegt, als Sian ihn noch einmal aufschreckte: „Hey, jetzt wird es interessant. Schau‘ mal auf den Nacken von Kevin.“

Geknickt saß der schwarzhaarige Irländer auf seinem ledernen Barhocker und schien mehr und mehr in sich zusammenzusinken. Er begann zu schluchzen und krallte sich nun doch noch das notwendige Bier. Mit einem Zug goss er das Getränk seine Kehle hinab und gerade als er sich wieder auf den Tresen lehnte, war eine auffällige Stelle an seinem Nacken sichtbar. Kevin besaß an jener Stelle eine kleine, dreieckige Wunde, verräterisch funkelnd wie rostendes Metall gab sie sich preis, machte aufmerksam auf ein Einmischen des Bösen. Es war das gleiche Mal, dass der Dieb trug, den Link mit der Handtasche erwischt hatte. Konnte es sein?

Sian nahm Link die Worte aus dem Mund. „Die Menschen mit dieser Wunde werden von einen auf den anderen Tag zu bösartigen Mistkerlen. Ob Kevin vielleicht dasselbe Schicksal zuteilwurde?“

Link senkte den Blick, schien nachdenklich und ballte beide Hände zu Fäusten. Für einen kurzen Moment dachte er an Mollys erschreckende Prophezeiungen. Sie hatte in dem wahnsinnigen Kampf keine Gelegenheit ausgelassen ihn mit Worten zu verunsichern, mit gefahrerzeugenden Aussagen, die ihm auch jetzt noch auf der Seele brannten und die er Sian noch nicht mitgeteilt hatte. Sie redete davon, dass ihr Meister einen viel größeren Plan hatte als es für die Streiter des Guten ersichtlich war. Sie sprach davon, dass weitaus mehr Wesen und Welten an diesem Kampf beteiligt sein könnten… Wie groß wurde dieser Kampf und wie entsetzlich sollten diese Dinge noch werden?

„Link, komm‘ schon, es ist genug jetzt… Lass‘ dein Pflichtgefühl ruhen.“ Link seufzte, aber nickte dann.
 

Sian musste den Heroen beinahe aus dem Gasthaus hinaus schleifen. Und auch das Taxi wartete bereits. Und zumindest für wenige Sekunden bewunderten die beiden den leuchtend hellen Vollmond, der den Marktplatz in einen märchenhaften, von silbernen Schimmern belegten Ort verwandelte.

„Was genau ist diese Wunde?“, kam über Links leicht trockene Lippen.

„Wenn ich das wüsste, hätten wir Kevin sicherlich gleich helfen können.“

„Ich verstehe… wir müssen also warten?“

„Ja, zumindest diese Sache ruhen lassen, bis wir Näheres wissen, Link.“

Der Heroe ließ sich ein weiteres Mal von dem gleißenden, beinahe reinigenden Schimmern des Mondes und der Sterne verzaubern. Es half ihm in sich zu ruhen, sich besser zu fühlen und gegen das ungewisse Gefühl, dass sehr bald eine Katastrophe geschehen könnte.

„Sian… danke nochmal für die Einladung. Nach diesem Horrorkampf war der Abend mit dir das Beste, was mir passieren konnte“, gab er ehrlich zu und lächelte. Sian schloss ein wenig verlegen die Augen. „Gern geschehen.“

Mit noch mehr Müdigkeit stiegen die beiden ins Taxi, ließen den Abend ausklingen und marternde Fragen über das Schicksal, über Hyrule und das Böse, zurück…
 

Im himmelblauen Bungalow der Herberge von Leon Johnson flackerte ein schummriges Licht im Wohnzimmer auf, ließ vermuten, dass selbst zu so später Stunde und es war mittlerweile nach zwölf Uhr nachts noch jemand wach war. Mit hängenden Schultern, sichtlich erschöpft und beansprucht von seinen brennenden Wunden, tapste Link in den noch dunklen Flur, dachte kurz darüber nach dem neugierigen Zeldafan Pat van der Hohen irgendwie auszuweichen, und hoffte, sich einfach nur in sein Bett fallen lassen zu können und tagelang nicht mehr aufzustehen. Es war gerade jetzt, dass der junge Heroe den Eindruck hatte, die Schmerzen in seinen Gliedern verdoppelten sich… Er grinste etwas und hängte seine Jacke mühsam an die Garderobe. Was hatte er denn auch erwartet? Dass ein Kampf genauso wie im Spiel ablief? Der Held vernichtete die Bestie ohne weitere Schwierigkeiten und war sofort bereit für die nächsten Monster?

Er stemmte sich kurz an die kahle Steinwand des Korridors, hörte Patrick im Wohnzimmer lachen und sah dann Tommy mit der Mülltüte in den Flur treten. Er ließ vor Schreck die Tüte fallen und starrte Link so an, als hätte er nicht erwartet ihn hier vorzufinden. „Oh… du bist… du bist hier?“ Er zwinkerte mehrfach und wirkte nervös.

„Wo sollte ich auch sonst sein?“, meinte Link amüsiert und konnte Trollis merkwürdige Sätze kaum ernst nehmen.

„Äh… keine Ahnung“, erwiderte er und hetzte mit der Mülltüte in der Hand an Link vorbei. Zumindest schien Tommy kaum auf die Blutergüsse und Kratzer in Links Gesicht zu achten.

Schläfrig schritt er in die Stube und sah Pat vor dem Fernseher sitzen. Aber nicht alleine… sollte man korrekterweise sagen. Eng umschlungen hatte Pat wohl im Moment nichts Besseres zu tun, als die angebliche Stalkerin Patrizia wild abzuknutschen. Eng aneinander gekuschelt lagen sie auf dem Sofa, neckten sich und lächelten sich an, bis sie erneut lange Küsse austauschten. Link gaffte die beiden beinahe verschreckt an, da er ja zugegeben ein wenig scheu und ungeschickt war, wenn es um derartige Angelegenheiten ging und blickte verlegen drein.

„Ähm… guten Abend, ihr Zwei…“, sprach er leise und schluckte den Knoten in seinem Hals herunter.

Unbeholfen lösten sich die beiden voneinander, obwohl man vorher den Eindruck hatte, ihre Lippen wären miteinander verwachsen, da sie sich minutenlang nicht voneinander gelöst hatten.

„Hallo“, meinte die angebliche Stalkerin und blickte interessiert zu Link. Sie hatte auffällig errötete Wangen und richtete sich auf.

„Hey, Link“, sagte Patrick belustigt und hüpfte schlaksig auf die Beine. Er musterte Link mit verdächtigen Blicken, sah ihn von Kopf bis Fuß an und schien auch die Wunden zu sehen, die er verheimlichte. Der Heroe wendete den Blick ab. „Hattest du nicht gemeint, Patrizia wäre eine Stalkerin und nerve dich?“, flüsterte Link verwundert,

„Also.“ Und der grünäugige Blonde schaute nur grinsend zu seiner angeblichen Stalkerin. „Wir haben uns ausgesprochen.“

„Aha, und das angebliche hinterher schnüffeln dieser Stalkerin hat sich als harmloses Interesse an deiner Person herausgestellt, was?“

Patrick nickte zufrieden. „Das war ein Missverständnis, weil eigentlich… hab’ ich Patrizia doch ganz gerne. Wir haben uns endlich ausgesprochen…“ Auch die schlanke, hochgewachsene Patrizia trat auf die Beine, hatte sich auffallend zu Recht gemacht. Sie sah flott aus in einem dunkelblauen, kurzen Kleid und mit dezentem Make-Up in ihrem Gesicht. Sie legte Patrick einen Arm um die Hüfte. „Ich bin mir bewusst, dass ich einige Dinge wieder gut zu machen habe… aber ich halte es nicht ohne ihn aus …“, sprach sie leise und drückte ihm einen kleinen Kuss auf die Wange.

Link lächelte breit und freute sich irgendwie für die beiden. Und es gab ihm ein gutes Gefühl zu sehen, dass selbst hinter den gemeinsten Taten und den schlimmsten Aussagen eines Menschen etwas ganz anderes stecken konnte. Patrizia war kein schlechter Mensch… vielleicht hatte sie nur zu viele Fehler gemacht, auch wenn das nichts entschuldigte.

„Und Link“, meinte Patrick und trat an ihn heran. „Ich muss mich wohl bei dir bedanken… ich habe begriffen, dass die Zeit auf dieser Welt viel zu kurz ist für Streit und Ärger… ich sollte einfach genießen. Diesen Gedanken hast du mir vermittelt…“ Er lächelte dankbar. Und für Link war es beinahe verrückt, dass er mit seinen Taten Menschen dazu gebracht hatte sich auszusöhnen. Vielleicht hatte er mehr Fähigkeiten als ihm selbst bewusst war und mehr Macht als er es ahnte. Er lachte: „Tja, Missverständnisse sind dazu da, aus dem Weg geräumt zu werden, nicht?“ Auch Patrick nickte, und lächelte seiner wiedergewonnenen Freundin mit einem verführerischen Augenzwinkern zu, als sie im Bad verschwand.
 

„Ähm… im Übrigen… geht es dir denn soweit gut? Bei den Wunden, die du allein schon im Gesicht hast, frage ich mich, wie du hier noch so gelassen stehen kannst.“

Link gähnte und strich sich durch das ungekämmte, blonde Haar. „Ehrlich gesagt bin ich selbst überrascht, dass ich noch durchhalte…“ Er blickte träumerisch zu Boden. „Ich sollte mich endlich ausruhen und schlafen gehen.“ So sehr wie jetzt hatte er sich noch nie auf ein Bett gefreut.

„Es tut mir… leid, Link“, murmelte Patrick noch, als Link schon auf den Weg in den Korridor war.

„Was und warum?“, fragte er leise.

„Weil…“ Der Zeldafan suchte angestrengt nach Worten, die er nicht fassen konnte. „Weil… du diesen Kampf allein bestreiten musstest. Was immer auch dahinter steckt, ich finde, du solltest Unterstützung haben bei dem, was du tust.“

Link unterbrach ihn, bevor das Gespräch zu tief ging. „Pat, bitte, lass‘ gut sein. Du machst dir zu viele Gedanken und vielleicht auch um etwas, was so nicht stimmt.“ Er hielt sich vor Müdigkeit am Türrahmen fest.

„Aber die Angriffe… und du hast Menschen gerettet. Du bist ein Held…“, sprach er lauter. „Und wenn man nur einmal etwas weiter denkt, dann…“

Erneut unterbrach Link den jungen Zeldafan, diesmal mit Nachdruck. „Patrick, es ist genug jetzt. Ich erkläre es dir… sobald ich es selbst verstehen kann. Ich kann die Augen kaum mehr aufhalten… ich brauche Schlaf… Gute Nacht dann.“ Er seufzte und trat in den Flur, wo Tommy gerade die Eingangstür verriegelte. „Nur zur Sicherheit“, meinte er und wünschte ebenfalls gute Nacht.

Link trottete schließlich ins Schlafzimmer und hatte ein genügsames Lächeln auf den Lippen. Als er sich in sein Bett fallen ließ, fühlte er sich einfach nur selig. Er sprach noch einmal leise, leise und friedvoll: „Ich hab’s tatsächlich geschafft.“ Seine Augen fielen zu und er sank in einen eigensinnigen Schlaf…
 

Dort, wo die Welt in Trauer lag, zog es ihn hin, in Träumen, die sich eine Erinnerung suchten. Die Welt, die verlassen wurde, heilig und unfassbar schön, ruhte still, ruhte bereit ein Zeugnis abzugeben vor ihm, bereit in den Schlaf zu fallen, bereit die Finsternis anzunehmen, die sie so oft besiegte. Weite Wiesen riefen ihn heim, erfüllte den vergessenen Heroen mit lebendigen Erinnerungen an alles, was er mit seinen kräftigen Händen einst berühren durfte. In seinen singenden Träumen war er zuhause, schnupperte den süßlichen Duft vergessener Blüten in allen Farben der Welt. Dort, wo seine Seele immer Willkommen war, herrschte das satte Grün der legendären Wiesen auf alten Tälern wie Tausende Smaragde. Das Grün der Wiesen und das Grün einer unbesiegbaren Hoffnung… Sie war hier, die geheiligte, vermisste Welt, vor seinen inneren Sinnen würde sie auf ewig lebendig sein. Ein vertrautes Tal, umgeben und beschützt von einer Kette niedriger Hügel, rief ihn… es rief mit der Macht der einen Welt, die man Heimat nannte und der Heroe folgte dem Ruf…

Er spürte das Pochen des lebendigen Grases unter seinen abgenutzten Stiefeln. Das erste Mal kam ein Gefühl seiner Seele in dieser Existenz wirklich nahe, ein Gefühl der tosenden Hoffnung, die wie Leben erzeugende Hammerschläge durch die Welt donnerte… Er breitete die Arme aus, sog eine wohlschmeckende Luft ein, so rein wie er Luft noch nie in seine Lungen bringen konnte. Ein Lächeln lag in seinem Gesicht, mit stolzer Zuversicht und einem inneren Frieden, das alles überstieg, was er jemals wahrgenommen hatte… Er war hier, wo Abenteuer atmeten, wo Magie in reinster Form spielte und wo heilige Geschöpfe feierten.

Weit im Hintergrund türmten drei stolze Berge nach oben, und aus dem Gipfel des mittleren Berges quoll unaufhörlich Lava, sprießend und gefahrprophetisch. Langsamen Schrittes folgte Link einem abgelaufenen Fußweg in Richtung des Tales vor seinen sterblichen Augen, sein Blick immer noch auf den hohen Berg gerichtet, bestaunte einen pulsierenden Feuerring an jenem Gipfel, der sich wie eine Schlinge darum wendete. Die Wolken zogen gemächlich über das Land, wie Wellen aus Zuckerwatte wanderten sie weiter. Er ließ seinen Blick schweifen über diesen wahrhaftigen Ort des Seins… Ein Ort der Erinnerung… Ein Ort der unsterblichen, sehnsuchtsvollen Vergangenheit.

Und Schleier der Wolken zogen vorüber wie Wellen aus schmelzendem Eis, fluteten den Himmel und färbten sich allmählich. Tage verschwanden. Die Zeit tickte dahin und so wandelte sich der lebendige Tag in den karminroten Abend. Blutrot und schwarz wurde der Himmel, entblößte die Seele des Horizonts… Link starrte gebannt hinauf, während die dunklen Wolken über das Land fegten, die smaragdfarbene Schönheit der weiten Wiesen mit blutenden Farben überdeckte. Die Wolken tanzten, nahmen an Geschwindigkeit zu… immer und immer schneller, bis die Sonne rasch mit einem glühenden, drohenden Funkeln im Westen aufging. Es war der Tag, den man als das Ende allen Seins erkannte, der Tag, an dem Unsterbliches welkte und die Sonne im Westen aufging… und auch dieser Tag endete… Alles Sein schmolz dahin und erstand neu…

Und Link sah wie Tage innerhalb von Sekunden zerronnen. Er sah, wie Stürme über die Welt fegten, wie Jahre innerhalb Sekunden in Vergessenheit gerieten, Wiesen erblühten und verwelkten, Dörfer errichtet wurden und zerfielen, als ob er sich am Rande der Geschehnisse befand, zwischen den Dingen, die nicht sein konnten, innerhalb der Dinge, wie der letzte Geist einer untoten Welt.

Die Träume riefen ihn weiter zu sich… Wie der Geist jener untoten Welt wandelte Link mit Gedanken und Erinnerungen, ohne Körperliches, ohne Gefühl… wandelte über die sattgrünen, weiten Wiesen, die er kennen und lieben sollte. Er flog beinahe wie ein mächtiger Adler über die Welt, überquerte tiefe Schluchten, kalkige Berge, verlassene, alte Städte und erkannte weit am Horizont einen Ort der Magie, einen Ort, der noch unwirklicher schien als die Welt zu seinen Füßen. Ein stolzes, riesiges Haus, gestützt durch überdimensionale Säulen hielt es die Grundfesten des gigantischen Eigentums. Schwebend, seine Fingerspitzen ab und an verbunden mit dem kalten Gestein der Feste, schwebend und beinahe tanzend flog er hinauf zu dem schwarzen Turm des Anwesens. Der einzige Turm hier oben. Vielleicht zehntausend Treppenstufen führten ihn hinauf in einen winzigen Raum, wo ein Weinen und Wimmern die Ruhe zerstörte. Auf der Suche nach Wissen, auf der Suche nach Wahrheit schaute der Heroe durch ein kleines Spitzbogenfenster und beobachtete ein magisches Treiben, ein Ritual, geschmiedet mit dem Zauber von Unsterblichen… Ein Baby, vielleicht nur wenige Wochen alt, mit wenigen Strähnen hellblonden Haares, ruhte kreischend auf einem steinernen Altar. Ein Kind des Schicksals. Ein Kind der Hoffnung…

Drei Wesen in silbergrauen Gewändern flüsterten in dem Reigen von säuselndem Wind, flackerndem Feuer und beschwörendem Meeresrauschen die Formeln der Hoffnung. Ein Licht, silbern und erhaben, umfing das kleine Wesen, ließ den Körper wachsen, ließ den Verstand altern… bis die Drei zischend, das Ritual beendend, von einer dunklen, nur schemenhaft erkennbaren Gestalt an der Tür besucht wurden…
 

Mit einem brennenden Atemzug, als hätte er Feuer eingeatmet, erwachte der Heroe mitten in der Nacht. Er richtete sich mit einem Stöhnen auf, griff sich mit der kühlen, linken Hand an seine schweißnasse Stirn und konzentrierte sich darauf Ruhe zu finden. Er atmete gleichmäßig und tief, beobachtete die alten Schatten der Nacht in dem Zimmer, bis sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt hatten und ließ sich langsam zurück in die kühlen Laken sinken. Er erinnerte den merkwürdigen Traum in allen Einzelheiten, aber versuchte nicht weiter über die Verwirrung nachzudenken, die der Schatten der Nacht hinterlassen hatte. Diese Form von Träumen waren Zeldas Sache… er war nie so gut darin gewesen irgendetwas davon zu interpretieren.

Nur spärlich leuchtete das schummrige Licht des einsamen Mondes in das Zimmer, ließ Schatten tanzen. Link wollte sich erheben und kurz im Badezimmer nach seinen Prellungen und Schnitten schauen und richtete sich erneut auf, als er aber Patrick van der Hohen auf der Bettkante gegenüber hocken sah. Hinter seinem Rücken wälzte sich Patrizia schnurrend in dem Bett herum. Patrick jedoch starrte nostalgisch aus dem Fenster, schien verängstigt und sehr nachdenklich. Als er bemerkte, dass Link aufgewacht war, sah er durch die Dunkelheit in seine Richtung.

„Du bist wach, huch?“, flüsterte Patrick, seine Stimme klang zögerlich und durcheinander. Als Link nicht darauf antwortete setzte der zeldavernarrte Oberstufenschüler hinzu: „Ich schätze, deine Wunden haben dich aufgeweckt…“

„Es war eher ein merkwürdiger Traum…“, säuselte Links Stimme durch den Raum.

„Du träumst echt viel, was…“, sprach Patrick leise, richtete sich so weit auf, dass das Bett knarrte. Im fahlen Mondlicht zeigten sich seine besorgten Gesichtszüge…

„Naja… Träume sind manchmal wie eine zweite Realität…“

„… aber genauso erschreckend, was?“

„Pat…“, seufzte Link und ahnte, worauf jener hinauswollte. Er erhoffte sich Antworten über die seltsamen Vorfälle hier in Irland, erhoffte sich eine Wahrheit zu finden, die ihn mit Erstaunen, Faszination und Freude erfüllte. Aber die Wahrheit über Links Schicksal und die Legende um Hyrule war weder erstaunlich, faszinierend oder freudvoll. Hyrules Geschichte war oft genug mit Leid und Toten gepflastert…

„Ich habe heute in den Nachrichten gestöbert… ich meine, in den Nachrichten auf der gesamten Welt“, sprach der Zeldafan leise. „Ich wäre sehr blind und naiv, wenn ich nicht genauso wie manch ein anderer merken würde, dass irgendetwas… irgendetwas, das man nicht beschreiben kann, auf unserer Erde nicht mehr stimmt. Es ist irgendwie kaum fassbar und doch spürbar… so ganz unterschwellig.“ Er drehte sich vorsichtig zu seiner Freundin und strich ihr über die Stirn. Erst jetzt fiel ihm auf, wie sehr er sie die letzten Monate über vermisst hatte… der ganze Ärger und die vielen Missverständnisse hatten ihn völlig im Griff. „Es ist etwas in Gange, nicht wahr?“

Erneut kaum nur ein Seufzen von dem jungen Heroen. Was sollte er auch sagen? Sicherlich hatte er in letzter Zeit die Nachrichten mit einem eher unguten Gefühl verfolgt, hatte das Gefühl Mutter Natur war krank…

„Überall auf der Welt geschehen Katastrophen in einem wahnsinnigen Ausmaß… mehr als noch vor einigen Monaten… oder bilde ich mir das ein?“, sprach der van der Hohen, diesmal ein wenig lauter, sodass sich Patrizia rührte und in Richtung Wand drehte.

Nein, dachte Link. Es war keine Einbildung. Überall auf der Welt häuften sich Naturkatastrophen, die von führenden Wissenschaftlern nicht abgeschätzt werden konnten. Tornados waren an Orten aufgetreten, wo noch nie welche vorgekommen waren. Selbst die Waldbrände hatten ein extremes Ausmaß erreicht. Ob dies alles noch mit der Klimaveränderung erklärbar war, bezweifelte der Heroe stark. Denn selbst Terroranschläge häuften sich und wichtige Leute in der Politik verschwanden spurlos oder wurden ermordet aufgefunden…

„Die Nachrichtensprecher sagen, es wird immer schlimmer… es herrscht eine Stimmung auf der Welt, die uns Menschen fragen lassen will, ob wir zu weit gegangen sind… Wir sind schuld daran, nicht irgendein Teufel, oder?“, meinte Pat schluchzend. Link schwieg und spürte mit Patricks Worten eine gänsehautproduzierende Welle der Angst über sich hinweg schwappen. ,Nein‘, dachte er und ballte die Fäuste. Jetzt, da er wusste, wer hinter den Angriffen steckte, war es wohl auch zu befürchten, dass dieser Jemand irgendetwas mit der Veränderung der Welt zu tun hatte…

„Ist es wahr“, sagte der Kerl mit den aschblonden Haaren dann und sendete das eigene flaue Gefühl an den Heroen, der in seiner Unwissenheit und seinem falschen Bild einer verlorenen Welt seine Zweifel kaum verdrängen konnte. Es war nichts mehr richtig, nichts mehr okay… die vielen ungeklärten Fragen fraßen ihn regelrecht auf.
 

„Was willst du jetzt von mir hören, Pat?“, flüsterte Link und obwohl er versuchte sich zu beherrschen, war ein Funken Ärger in seinen Worten hörbar. Es ärgerte ihn maßlos, dass der Zeldafan alles nötige tat ihn nun doch auszufragen. „Willst du wissen, ob ich irgendwelche Kreaturen vernichtet habe, oder was?“ Diesmal sprach er so laut, dass sowohl Patrizia, als auch Tommy beinahe aufwachten. Genervt trat Link auf seine schmerzenden Beine und spürte das Brennen der vielen Wunden noch stärker als vor wenigen Stunden. „Was hast du eigentlich davon, zu wissen, dass die Legende von Zelda wahr ist!“, ließ Link deutlich sauer über seine Lippen gleiten. „Und was interessiert es dich, ob ich dort unten in diesem Drecksloch von einem unterirdischen Kerker herum laufe und einen Drachen töte?“ Link biss sich auf die leicht entzündeten Lippen und lehnte sich gegen die Zimmertür. ,Na prima‘, dachte er. ,Dieser peinliche Ausrutscher war jetzt sehr hilfreich, du Held.‘ Er bedeckte mit beiden rauen Händen sein Gesicht, sah das Mondlicht hinter schattenreichen Wolken verschwinden und versuchte Patrick in dem wenigen Licht noch auszumachen. Aber der junge Zeldafan schwieg. Vielleicht hatte er jetzt genau die Antwort, die er brauchte…

„Argh… verdammt…“, murmelte Link leise, öffnete die Tür vorsichtig und trat zähneknirschend in den kühlen Flur. Er fühlte sich, als könnte er sich gerade zehnmal ohrfeigen, hatte er sich geschworen keinem Unbeteiligten irgendetwas von seinem Schicksal zu berichten. Er wollte jeden, der dadurch Schaden nehmen könnte heraushalten und was war passiert? Trampelnd trat er ins Badezimmer ein, brummte, als das helle, unechte Licht ihn blendete und erblickte sich im Spiegel. Er sah den jungen, einst so schüchternen und doch mutigen Burschen darin, der er vor einigen Jahren noch gewesen war. Irgendwo dort in den sturmblauen Augen war er verborgen, der nette Junge von damals, der das Abenteuer liebte, von früh bis spät in den Wäldern abgehangen und einem Wunsch nach Magie hinterher gelaufen war. Die Unschuld von damals, stille Bedürfnisse nach einem freudvollen und angenehmen Leben waren dem Wunsch gewichen etwas Besonderes zu sein, dem Wunsch der Held zu werden, der er sein wollte… Aber war es das wert?

Melancholisch ließ er die letzten Jahre seines Lebens Revue passieren und sah die Wunden in seinem ansehnlichen Gesicht, als die Erinnerungen ihn wie eine Flutwelle einholten. Die Erinnerung an seine Träume… an die unerklärlichen Ereignisse in Schicksalshort und die Erinnerung an den grausamen Kampf, den er vor wenigen Stunden bestritten hatte… Konnte das nicht endlich aufhören! Mit einem verzweifelten Schnaufen, trat er gegen einen Mülleimer im Bad, knipste das Licht aus, sodass es plötzlich krachte und die Glühbirne durchschmorte, bis er dies ignorierend die Badezimmertür aufriss und wieder zuknallte.

Mit einem verzagten Schluchzen betrat er den dunklen Flur und wollte sich in seinem Bett verkriechen, als Patrick van der Hohen mit seinen neugierigen Augen, die in der Finsternis noch wissbegieriger dreinschauten aus dem Schlafzimmer kam.

„Bist du in Ordnung, Link…“, meinte der Zeldafan, wirkte anteilnehmend und besorgt.

„Es geht schon wieder…“, sprach der heroische Blondschopf träge, fast desinteressiert und ärgerte sich über die Lügen aus seinem eigenen Mund. Da war jemand direkt vor ihm, der Anteil nehmen wollte, der ihn für alles bewunderte, was er auf dieser Welt leistete und alles, was Link fühlen konnte, war nur der klägliche Versuch den neugierigen Burschen Patrick aus der Legende Hyrules herauszuhalten…

„Ich hab‘ dich ziemlich verärgert mit meiner nervenden Fragerei, nicht wahr?“

Link seufzte, aber entgegnete nichts. Er wollte nicht noch länger diskutieren, er wollte nur schlafen… Langsam tapste er in Richtung des Schlafzimmers.

„Deine Worte vorhin… dass du einen Drachen gesehen hast… du hast das ohnehin nur so daher gesagt, oder?“

„Ja… ich habe das nicht ernst gemeint.“

„Und du musstest auch nicht gegen ihn antreten, oder?“

„Nein, natürlich nicht“, sprach Link, spielte dieses Spielchen mit. Er wusste, dass Patrick die Wahrheit schon lange erkannt hatte. Diese Art der Kommunikation sagte ihm mehr als die Wahrheit…

„Warum auch sollte ich einen Drachen vernichtet haben…“, sagte Link schauspielerisch.

„Und warum auch solltest du dir bei diesem Kampf solche üblen Verletzungen zugezogen haben…“

„Ja, genau“, stimmte der Grünbemützte mit ein. Es war für ihn angenehm die Wahrheit hinter den Worten zu verschleiern. „Als ob ich irgendetwas mit einem alten Land namens Hyrule zu tun hätte“, meinte er amüsiert. „Es gibt keine Legende von Zelda.“

„Das wäre ja auch völlig unmöglich“, stimmte Patrick mit ein und klang ebenfalls belustigt. „Stell‘ dir das einmal vor! Als würde der Held Hyrules unter uns wandeln und ungesehen von den wichtigen Leuten auf dieser Welt etwas Böses vernichten. Das ist ja wirklich einfach nur lächerlich!“

„Und völlig bescheuert, findest du nicht?“ Link lehnte sich an die Wand und grinste. Beim Deku, sein Leben war so abartig surreal geworden…

„Jap, als ob du als einfacher Jugendlicher so mir nichts dir nichts einen Drachen töten könntest. Alles, was in der Legende von Zelda vorkommt, ist schlichtweg nur Phantasie. Du könntest so einen Kampf unmöglich überleben.“

Link wippte mehrfach mit dem Kopf in der Düsternis.

„Und dass du so eine komische Sprache im Schlaf redest, das bilde ich mir sicher ein. Als ob du Hylianisch im Schlaf reden könntest.“ Da allerdings musste sich der Heroe noch einmal vergewissern, sich nicht verhört zu haben. Irritiert drehte er seinen Kopf in Patricks Richtung und knipste das Licht an. „Ich rede in einer anderen Sprache im Schlaf?“

Patrick nickte entschieden und mit so viel Ernst in den kleegrünen Augen, dass Link es ohne zu Hinterfragen glaubte. „Das ist ja… das wusste ich noch nicht.“

„Link, es sollte dich nicht wundern. Wir haben doch gerade geklärt, dass wir uns keine Sorgen machen müssen. Es gibt kein Hyrule und du redest garantiert nicht Hylianisch. Ich meine, warum solltest du auch?“

„Ja, warum auch…“, log er ein weiteres Mal, wünschte Gute-Nacht und trat schließlich in das kühle Schlafzimmer ein. Sein unechtes Grinsen war unterlegt mit schwerer Traurigkeit… Kopfhängerisch setzte sich der Heroe auf die raue Fensterbank, öffnete für etwas frische, reine Luft das knarrende Fenster und lehnte sich gegen den Rahmen. So ruhig war die Nacht, so märchenhaft schön. Keinen Funken Gefahr ließ die stille Welt hindurch. Keine Spur von Alptraum, Schicksal oder dem Verhängnis des Bösen… Die Nacht war so rein wie ein dunkelblauer, von Sternen durchzogener Kristall… Ob es gut war, dass Patrick Bescheid wusste, fragte er sich. Aber wie auch hätte er länger seine Geheimnisse kaschieren sollen? Es war gut so, entschied er. Es war unumgänglich…

Link hob seinen Kopf leicht, strahlte mit seinen tiefblauen Augen nach draußen und hielt das tiefe Bedürfnis zu schlafen noch ein wenig länger zurück. Er erinnerte sich an Sians Worte, an das furchtbare Geheimnis, das er gelüftet hatte. Der Held wusste nun endlich, dass der abscheuliche Schrecken in der Kathedrale seines Heimatortes Ganondorf war. Sein Widersacher hatte in diese Welt gefunden, terrorisierte und manipulierte diese Welt wie es ihm passte. Es war Ganondorf, dachte Link, die Wiedergeburt eines bestialischen Monsters, eines Dämons, der schier unbesiegbar war… Er seufzte, spürte seinen Herzschlag stocken angesichts des Gedankens, dass es sein Schicksal war sich ihm zu stellen, ihn zu bezwingen oder dabei zu scheitern… Irgendwann käme die Zeit, da er ihm gegenüber stehen würde, mit nichts als einem Schwert in der Hand und seiner Furchtlosigkeit, an der er langsam zweifelte. Selbst wenn er einmal ein exzellenter Kämpfer gewesen war, Ganondorf, der dämonische Fähigkeiten hatte, der vorbereitet war und sich wohl an alles aus der Vergangenheit erinnerte, könnte er niemals besiegen, nicht hier, nicht in Schicksalshort und vielleicht nicht in einmal Hyrule…

,Ich kann diesen Kampf nicht gewinnen’, sagte eine Stimme in Links Kopf. Wie auch, dachte er. Mit den winzigen Fähigkeiten, die der Jugendliche sich angeeignet hatte, sollte er einen Diener des Bösen bezwingen, der Magieattacken und eine lange Geschichte des Kampfes durchschritten hatte? Link stützte trübsinnig eine Hand an seinem schweren Kopf ab. Wie leicht es doch wäre, einfach wegzulaufen, aufzugeben, sich herauszuhalten, alle Verantwortung wegzuschieben! Aber die Wahl diesen Weg zu gehen, hatte er mit dem Wunsch für Zelda da zu sein, sie zu beschützen, lange verschmäht. Gab es überhaupt eine Wahl für Link?

Er kniff seine Augen zusammen und seufzte ein weiteres Mal. Wie sollte er diesen Kampf nur schaffen? Wenn er sich doch bloß erinnern könnte! Vielleicht hätte er dann eine Chance gegen Ganon zu bestehen. Er erhob sich träge, schloss das Fenster und warf einen letzten Blick in die wunderschöne Nacht, realisierend, dass es nichts gab, was er hoffen sollte. Es gab keine Prophezeiung, die von seinem Sieg erzählte. Es gab nur den einen Weg sich dem Teufel einer vergessenen Legende zu stellen…

,Gib mir Mut, gib mir Zuversicht und Hoffnung, Farore… Zeig’ mir die Grausamkeit der Erinnerung. Zeig’ mir meine eigenen Schatten’, Bedachte Worte liefen über Links trockene Lippen, glitten beherrscht hinaus in die Nacht, stärkten das gewisse Etwas in Links Seele, das gespeist wurde von seiner starken Persönlichkeit. Er würde nie wieder derselbe sein… Die Welt, in der er lebte, erfüllte ihn nicht mehr…
 

Gerade da tapste Patrick leise in das dämmere Zimmer. Selbst in der Düsternis war sichtbar, dass er sich wunderte, weil Link noch nicht schlief.

„Nanu?“, sprach er leise. „Wolltest du dich nicht ausruhen?“

„Schon…“, sprach der Held leise und ließ sich endlich zufrieden in die weichen Laken sinken. „Der Tag war etwas aufregend“, setzte er leicht amüsiert hinzu. Wozu noch länger schlechte Laune haben, dachte er. Er wäre nicht in der Lage Hyrules strahlender Retter zu sein, wenn er depressiv wurde…

„Da sagst du was“, lachte Patrick, lauter, als er es wollte und hielt sich beide Hände vor den Mund. Er wollte Patrizia und Tommy nicht aufwecken. „Hey, da fällt mir noch was ein“, meinte er lispelnd.

„Und das wäre?“, murmelte Link, kuschelte sich mit einem seligen Grinsen in das Bett und fragte sich, warum er nicht gleich nach dem Kampf in dieses herrliche Bett gekrochen war.

„Weißt du eigentlich, was mit Kevin los ist. Ich habe den Typen heute getroffen und er wirkte irgendwie so kalt, gemein und unberechenbar.“

Link zwinkerte unter einem herzhaften Gähnen. „Es ist besser, du gehst ihm aus dem Weg… er… er hat ein paar Probleme, die ihm im Nacken sitzen…“ Das traf es dummerweise genauer als Link es wollte.

„Mmh… na dann“, sprach der junge van der Hohen und kuschelte sich ebenfalls ins Bett. „Ach und, Link…“, setzte er leise hinzu, nicht sicher, ob der Held es noch hören konnte, aber er hatte den Wunsch es auszusprechen. „Es ist alles gut…“, flüsterte er anteilnehmend.

Link hatte die Worte sehr wohl verstanden, waren sie doch unterlegt mit so viel Güte und Bewunderung, mit so viel Mitgefühl, dass es ihm das Herz wärmte. Vielleicht hatte ein unwissender junger Zeldafan Recht. Vielleicht war wirklich alles gut…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2008-01-08T15:34:54+00:00 08.01.2008 16:34
einfach tollig*______________________________________________________*
weist du was mir gestern abend noch in den Sinn gekommen is?
Links Eltern sin ja tot(im spiel sowie in deiner FF)un im SPiel war er dann ja beim Deku-Baum(bzw. bei den Kokiris) un in deiner FF wären Meira und Eric dann sowas wie der Dekubaum...bloss als zwei personen (wie bei Zelda un Shiek...)(<~weis das gehört nich zum Kapi....XDDD)naja war aufjedenfall TOLLIG(<~wenn das reicht...XDDDD)


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