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Two Souls Destiny

von

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7. Schwere Verluste

Der nächste Morgen war recht kühl und Tau glitzerte auf den Grashalmen und Bäumen. Es war ca. acht Uhr dreißig und Ravan war auf dem Weg nach Hause. Seine Gedanken kreisten noch immer über der vergangenen Nacht, als er an einer Roten Ampel halten musste. Ihm wurde heiß, wenn er an Yamato dachte und ihm stieg noch immer die Röte in den Kopf, wenn er daran dachte, was dieser mit ihm angestellt hatte. An sich hatte es Ravan überrascht wozu Männer, beim Liebesspiel miteinander, im Stande gewesen waren, aber eins wusste er genau: "In Deutschland gibt es da so ein Sprichwort... -mein Arsch bleibt Jungfrau-." ER musste grinsen, als er so darüber nachdachte, aber er musste auch zugeben, dass Yamato recht gehabt hatte. Der Sex mit einem Mann füllte Ravan tatsächlich mehr aus als mit einer Frau. Das wusste er jetzt, aber da blieb noch ein Problem: Er hatte sich jetzt für sich selbst geoute, aber wie würde sein Umfeld darauf reagieren? Ravan kam zu dem Entschluss, dass es im Moment keinen Sinn machte, darüber nachzudenken.

An eben diesem Morgen sollte das Schicksal die Wege von Ravan und Mamori wieder miteinander verknüpfen.

Denn auch Mamori war unterwegs. Kleine Kieselsteine auf dem Gehweg knirschten unter seinen Sohlen und ordneten sich danach neu, um irgendwann wieder von einer anderen Person von ihrem Platz verdrängt zu werden.

Mamori war von einem Mantel umhüllt und die Mütze auf seinem Kopf hatte er fast bis an die Augen gezogen. Sein hellbraunes Haar quoll unter ihr hervor und umhüllte sein Gesicht sanft, wenn ein Windstoß durch die Straßen fegte. Seine dunklen Augen schauten leer und traurig durch die Gassen und auch Mamori selbst schien völlig in Gedanken versunken.

Erst als er wankend eine Kreuzung überqueren wollte, riss ihn das Hupen eines Autos für einen Moment in die Wirklichkeit zurück.

"Kannst du nicht aufpassen Kleiner?", hörte er wie aus der Ferne eine wütende, tiefe Stimme. "Die Fußgänger haben rot!"

Ein abweisender Blick in das Gischt eines Mannes, welcher mit seinem Auto direkt vor ihm stand, war seine Reaktion. Völlig fern jeder Realität, registrierte er nicht mal, dass es Ravan war, den er da mit leeren Augen anstarrte. Ravan war überrascht. Keine Regung, kein Wort. Nur ein verlassener Blick, der ihn da ansah. Ravans Wut verflog auf der Stelle, und so richtig wusste er nicht, was er tun sollte. Schließlich hatten sie sich das letzte Mal im Streit getrennt, aber er konnte Mamori dort nicht einfach so stehen lassen, also ließ er die Fensterscheibe seines Wagens herunter und sagte mit sanfter Stimme: "Sei vorsichtig Ta... Mamori. Du hast nur dieses eine Leben." ER ließ die Fensterscheibe wieder hoch- fahren und sah, wie sich Mamoris Lippen unter Tränen bewegten. Dann ging er weiter, ohne einen Blick zurück zu wenden. Ravans Brust hatte sich innerlich zusammengeschnürt, denn er hatte erkannt, was Mamori gesagt hatte. "Ich weiß...", waren die Worte, die Mamoris zitternden Mund verlassen hatten und Ravan hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache.

Mamori wusste nicht, ob seine Tränen nun getrocknet waren, oder ob sie ihm der Wind nur aus den Augen trieb. Aber er war endlich an seinem Ziel angekommen. Einen Moment noch blieb er vor dem Eingang stehen und schloss die Augen für einen Moment um Kraft zu sammeln. Dann betrat er das Nagoya - Universitäts- krankenhaus.

Mamori ging den langen, weißen Flur der Intensivstation entlang und suchte mit den Augen die Zimmernummern ab. Dann erblickte er die Nummer fünfundvierzig und das beleuchtete Schild flackerte wie ein Morsecode.

Mamori legte die Hand and die Türklinke und atmete noch einmal tief durch, ehe er das Krankenzimmer betrat.
 

Es war noch dunkel im Raum, nur das Licht, dass durch die Ritzen der Vorhänge drang, erhellte das Zimmer matt.

Mamori legte Mantel und Mütze ab und trat ans Krankenbett. Das kindliche Gesicht eines Mädchens war in die Kissen gebettet und sah aus wie das einer Puppe. Doch Schläuche, die aus Mund und Nase ragten und zu diversen Geräten führten, verun- stalteten das Bild und riefen in die Realität zurück. Dieses kleine Mädchen war Nanami, Mamoris elfjährige Schwester und das Piepen des Monitors, welcher die Herztöne anzeigte, verriet dass sie noch lebte.

Mamori setzte sich auf den Bettrand und strich sanft über Nanamis blassen Wangen, die noch vor wenigen Tagen so rosig waren.

Die Nachricht des Unfalls kam gestern wie ein Schock. Seine Großmutter hatte ihn angerufen und erklärt, dass Nanami auf einen Baum an einem Abhang geklettert war, um sich ein Vogelnest anzusehen. Der dünne Ast konnte jedoch ihr Gewicht nicht halten und sie stürzte fünf Meter in die Tiefe. Mit dem Kopf schlug sie auf einen Stein und verlor sofort das Bewusstsein. Erst eine Stunde später wurde sie von Spaziergängern gefunden und sofort ins Krankenhaus nach Nagoya geflogen. Die Ärzte veranlassten sofort eine Notoperation, aber sie konnten die Blutungen nur eindämmen, aber nicht stoppen.

Langsam öffnete Nanami die Augen. Sie sah Mamoris Gesicht vor sich und ein Lächeln umspielte sofort ihre Mundwinkel. Mamori lächelte ebenfalls. Die sonst so leuchtenden Augen von Nanami waren trübe und Mamori hatte Mühe, seine Sorgen zu verbergen. Nanami runzelte leicht die Stirn. "Was ist denn mit dir los, Brüderchen?", fragte sie mit schwacher Stimme. "Du siehst ja furchtbar aus." Mamori grinste. Er bewunderte seine Schwester für ihren Mut. "Wie geht's dir Maus?", fragte er nun ernster. "Hast du Schmerzen?"

Nanami schüttelte den Kopf. "Nein", antwortete sie, "Die haben mich heute Nacht mit Schmerzmitteln zugepumpt. Ich hab lauter Farben gesehen." Mamori lachte auf, denn Nanami hatte ihre Augen ganz merkwürdig verdreht, was wohl ihren geistigen Zustand symbolisieren sollte. "Sei nicht so frech", mahnte er dann aber, "Die Ärzte wollen nur das beste für dich." Das kleine Mädchen nickte lachend.

Nanami war so bewundernswert. Niemand wusste, wann ihr Ende kam, aber es nahte und zwar unaufhaltsam und schnell. Nanami wusste das nur zu gut, aber trotzdem konnte sie noch lachen. Mamori währe selbst gern so stark gewesen, doch je mehr Zeit verging, desto weniger Hoffnung gab es.

Die Zeit verging und die Uhr zeigte nun schon halb zwölf an. Mamori hatte die Zeit über aus einem Buch vorgelesen, welches Nanami immer sehr gern mochte, doch Mamori merkte, dass sie der Handlung keine Aufmerksamkeit schenkte. Nanami war abwesend geworden und plötzlich unterbrach sie ihren Bruder: "Du hör mal Mamori-chan... ich hab mit Oma und Opa gesprochen." Mamori hörte auf zu lesen und sah die Kleine ernst an. Sie hatte die Worte so ernst gesagt. "Du hast mir gesagt, als du bei uns warst, dass du gern in Nagoya bleiben willst.", fuhr Nanami fort, "ich hab Oma und Opa gebeten, das zu akzeptieren und sie haben es verstanden. Sie haben gesagt, dass sie die Pension selbst betreiben wollen, solange sie noch können und dann wollen sie eine Fachkraft einstellen, die die Pension dann weiterführt." Mamori wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Darüber machte sich Nanami in ihrer Situation Gedanken? Mamori musste zugeben, dass er sie unterschätzt hatte. "Außerdem möchte ich dich bitten, Joshua ganz lieb von mir zu grüßen", fügte Nanami hinzu. "Klar", entgegnete Mamori nervös, "Aber er kommt morgen mit mir zusammen her." "Du brauchst morgen nicht herzukommen", entgegnete Nanami leise, "Oma und Opa kommen, das reicht." In Mamori kroch ein panisches Gefühl hoch. Was redete Nanami denn da? Warum wollte sie ihn und Joshua nicht sehen? "Na...", setzte Mamori an, doch seine Schwester unterbrach ihn. "Ich bin müde", bat sie kaum hörbar, "würde es dir was ausmachen zu gehen?" Mamori wusste nicht, was er davon halten sollte. Er legte das Buch zur Seite und stand auf. "Na gut", willigte er schließlich ein und beugte sich zu Nanami hinunter. Mit einem sanften Kuss auf die Stirn verabschiedete er sich. "Ich hab dich sehr lieb Maus. Sayonara."

"Ich dich auch Mamori-chan", entgegnete die Kleine und schon im nächsten Moment vielen ihr die Augen zu. Gerade als Mamori das Zimmer verlassen wollte, sagte sie noch: "Ich melde mich." Dann schlief sie ein und nur der beruhigende Ton der Herzüberwachungsmaschine erfüllte den Raum.
 

Als Mamori das Krankenhaus verließ, war es wieder ein warmer Sommertag geworden. Die Sonne blendete, denn im Krankenhaus war alles recht dunkel gewesen und seine Augen waren noch nicht an diese Helligkeit gewöhnt.

Mamori ging in Richtung Haupttor und traute seinen Augen kaum, als er Ravan, an einen Torpfeiler gelehnt, entdeckte. Was wollte der denn hier? Mamori versuchte seinen bedrückten Ausdruck aus dem Gesicht zu verbannen und ging dann geradewegs auf den Älteren zu. Er war sich unschlüssig, was er tun sollte. Einfach vorbeigehen, oder wenigstens grüßen? Doch Ravan nahm ihm die Entscheidung schon ab, indem er Mamori ein paar Schritte entgegen ging und ihn freundlich, mit einem Lächeln, begrüßte. Doch er merkte sofort, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.

"Hey Mamori-kun", sagte er und versuchte nicht besorgt zu klingen. Der Jüngere sah ihn nur an, ohne etwas zu erwidern. Na gut, damit musste Ravan rechnen, aber er hatte nicht vor, Mamori so einfach gehen zu lassen.

"Du warst stundenlang da drin", meinte Ravan nun, "ich hab mindestens zwanzig Zigaretten weggeknallt."

"Ich hab dich nicht gebeten zu warten." Diese Worte klangen zwar hart, aber insgeheim freute Mamori sich ein bisschen.

"Nein"...", entgegnete Ravan. "Was ist denn los?"

"Geht dich nichts an."

"Ach so...."

"Iczh muss dann los."

"Okey... CU."

Teilnahmslos ging Mamori an dem Älteren vorbei. Diesem behagte die ganze Sache gar nicht, aber wenn Mamori nicht reden wollte...
 

Am späten Abend lag Mamori noch wach in seinem Bett. Ihm gingen Nanamis Worte nicht aus dem Kopf und je länger er darüber nachdachte, desto unbehaglicher wurde ihm und er fühlte sich hilflos und einsam.

Sein Blick viel immer wieder auf die große Wanduhr, die ihm seine Eltern hinterlassen hatten und mit jeder Minute klackte der Zeiger ein Stückchen weiter, um dann wieder für einen Moment Ruhe zu finden. Es war genau einundzwanzig Uhr fünfundvierzig. Mamori schien wie in Trance, denn das Klacken des Zeigers kam ihm unendlich laut vor, so als ob nichts auf dieser Welt im Moment wichtiger für ihn währe. Einundzwanzig Uhr sechsundvierzig... klack; siebenundvierzig... klack; achtundvierzig... klack; neunundvierzig... Stille! Ganz langsam und lautlos war der Zeiger auf die Neunundvierzig geklettert und in diesem Moment traf es Mamori wie ein Schlag. Instinktiv wusste er, dass der Zeiger die Fünfzig nie erreichen würde und in Mamoris Kopf war nur ein Gedanke: NANAMI! Hatte sie das gemeint mit "ich melde mich"? Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Im nächsten Moment spürte Mamori einen eisigen Windhauch, der seinen Körper sanft durchzog. Er zitterte am ganzen Leib und wie in Panik hastete er, unter Tränen, aus der Wohnung.
 

Ravan bereitete sich gerade auf einen seiner Klaviergigs vor. Mit den Notenblättern unter dem Arm wollte er sich gerade auf den Weg machen,, doch als er die Appartementtür öffnete, stand zu seiner Überraschung Mamori völlig verschwitzt und atemlos vor ihm. Er war durch die Nacht gerannt und aus irgendeinem Grund bei Ravan gelandet. Mamori sah hilflos aus und Ravan wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. "Mamori...", wollte er sagen, doch im nächsten Augenblick warf sich der Jüngere weinend gegen Ravans Brust. "Sie ist tot!", schrie er immer wieder verzweifelt und alle Gefühle die sich in ihm angestaut hatten brachen jetzt hervor. Wut, Trauer, Verzweiflung Hass... einfach alles.

Ravan wusste mit dieser Situation nicht umzugehen. Wie sollte er sich verhalten? Mamori presste sich an seine Brust wie ein ängstliches Kind. Mit der Faust trommelte er wieder und wieder gegen den Oberkörper des Älteren und das einzige was er stets wiederholte war, dass sie tot sei. Ravan verstand gar nichts, aber zweifellos hatte es etwas mit dem Krankenhausbesuch zutun. Mamori wollte sich einfach nicht beruhigen. Er weinte aus voller Seele und Ravan konnte seinen Schmerz fühlen. Sanft legte Ravan seine Arme um Mamori und hielt ihn fest umschlungen. Sachte streichelte er dem Jüngeren über das hellbraune Haar. "Schhhhh...", versuchte Ravan ihn zu beruhigen und Mamori wurde tatsächlich ruhiger. Langsam führte Ravan ihn ins Appartement und schloss die Tür. Er drückte Mamori etwas von sich und sah ihm in die tränenleeren Augen. Ihm schnürte sch innerlich die Brust zu. So viel Leid lag in den sonst so kindlich fröhlichen Augen und Ravan wurde in diesem Moment bewusst, dass er diese dunklen Augen nie mehr weinen sehen wollte.

Ravan führte Mamori ins Wohnzimmer und ließ ihn sich auf´s Sofa setzen. Er selbst setzte sich ihm gegenüber auf einen Sessel. Ravan wusste nicht, ob er etwas sagen sollte, also beschloss er erst einmal etwas zu trinken und eine Decke zu holen. Sanft legte er Mamori die Decke um die Schultern und stellte das Glas Wasser auf den Sofatisch. Mamori zeigte jedoch keine Regung. Er saß einfach nur da, mit seinem von Tränen durchtränktem Gesicht. Als Ravan sich wieder auf den Sessel setzte, brach Mamori endlich das Schweigen. "Tut mir leid", sagte er leise, "du wolltest doch gerade weg, oder?"

Das mit dem Gig hatte sich jetzt zwar erledigt, aber dass würde Ravan dem Jüngeren natürlich nicht auf die Nase binden. 2Schon okey", erwiderte er deshalb, "war nicht so wichtig." Mamori entgegnete nichts. Ravan hätte ja zu gern ge- fragt, was vorgefallen war, aber Mamori hatte sich gerade erst beruhigt und so hielt Ravan seine Neugierde zurück.

"Was hältst du davon, wenn du heute Nacht hier pennst?", schlug er schließlich vor. "Ich hol dir noch ein Kissen, und dann sehen wir morgen weiter, okey?"

"Ich will keine Umstände machen. Ich weiß ja nicht mal, warum ich hier bin", entgegnete Mamori trocken.

Ravan wusste nicht, was er sagen sollte, doch er wollte Mamori jetzt nicht allein lassen. Er stand auf ung ging zu Mamori, der ihn mit leeren Augen ansah. Ravan legte Mamoris Beine behutsam auf das Sofa, so dass dieser sich unweigerlich hinlegen musste, doch er ließ es geschehen. Mit einer Handbewegung legte er dem Jüngeren die Decke über den Körper und lächelte ihn liebevoll an. 2Du machst mir keine Umstände", meinte er bloß und drückte die Decke an Mamoris Schultern fest, "ich hol dir noch ein Kissen."

Als Ravan mit dem Kissen ins Wohnzimmer zurückkam, war Mamori bereits eingeschlafen. Sanft hob Ravan Mamoris Kopf etwas an und legt das Kissen vorsichtig darunter. "Schlaf dich aus Ta-kun", flüsterte Ravan und ließ sich in den Sessel fallen, so als wolle er über Mamoris Schlaf wachen.
 

Am nächsten Morgen wachte Mamori mit schmerzenden Augen auf. Die Sonne war noch nicht vollständig aufgegangen und tauchte das Wohnzimmer in ein tiefes Rot. Neben ihm, im Sessel, saß Ravan, den er nun mühselig erkennen konnte. Er schlief noch tief und fest und der Gedanke daran, dass er die ganze Nacht über Mamori gewacht hatte, schmeichelte selbigem etwas. Eine Weile lang beobachtete Mamori den Schlafenden und musste wieder feststellen, dass Ravan wirklich zu niedlich aussah. Die schwarzen Haare, die sanft seine Wangenknochen umspielten und der halb offene Mund...

Bei genauerem hinsehen, erkannte Mamori, dass Ravan wohl etwas frohr, denn er hatte eine leichte Gänsehaut auf den Armen und so legte der Jüngere die Decke, die ihm eben noch Wärme gespendete hatte, über Ravans kalten Körper.

Mamori wollte die Wohnung so schnell wie möglich verlassen. Er hatte Ravan, seiner Meinung nach, schon genug Umstände bereitet. Er suchte nur noch Zettel und Stift um eine Nachricht zu hinterlassen. Gerade als er sich zum Gehen aufrichtete murmelte Ravan etwas im Schlaf. "Nein... ich will mit Ta-kun hier bleiben... verschwindet...", waren die leisen Satzfetzen, die seinen Mund verließen. Sie klangen besorgt und auch etwas verzweifelt. Mehr war nicht zu verstehen, aber das reichte schon. Mamori errötete leicht, doch was meinte Ravan mit "hier blei- ben"? Egal. Er hatte keine Zeit jetzt darüber nachzudenken. Zu Hause machte sich Joshua bestimmt schon Sorgen. Mamori musste sich beeilen.
 

Ravan wachte in einer Wohligen Wärme auf. Angenehm rekelter sich in dem Sessel, doch schon im nächsten Moment war alles wieder da. Schlagartig öffnete er die Augen und musste feststellen, dass Mamori nicht mehr da war. Nur das Kissen lag noch auf dem Sofa, denn die Decke lag ja auf Ravan selbst. - Dann hat Ta-kun mich wohl zugedeckt-, schlussfolgerte er, aber wo war Mamori jetzt? "Mamori?! Mamori?! Steckst du hier irgendwo?!", rief Ravan durch die Wohnung, doch er erhielt keine Antwort. Eilig stand er auf und durchsuchte das ganze Appartement. Keiner da. Als er ins Wohnzimmer zurückkam, entdeckte er den Zettel, den Mamori hinterlassen hatte. "Vielen Dank, dass ich bei dir schlafen konnte. Ich hoffe, ich habe dir nicht all zu viele Umstände gemacht. Bis dann." Mehr stand dort nicht. Keine Telefonnummer, Keine Adresse, Nichts. Musste Ravan etwa schon wieder auf das Schicksal hoffen? Er konnte ja nicht wissen, wie schwer er das nächste Mal auf das Selbige treffen sollte.
 

Als Mamori zu Hause ankam, waren seine Großeltern schon da. Traurig und stumm saßen sie zusammen mit Joshua im Wohnzimmer. Niemand sagte etwas, als Mamori den Raum betrat. Die Gesichter waren wie versteinert und immer wieder durchbrach das Schluchzen der Großmutter die Stille. Mamori setzte sich zu Joshua. Der Großvater sah Mamori mit schweren Augenliedern an. Es schien, als währe er in den paar Tagen um Jahre gealtert. Dicke Augenränder stachen aus dem Gesicht hervor und die Furchen, die Selbiges durchzogen, schienen noch tiefer geworden zu sein.

"Mamori... wir, deine großmutter und ich, wollen den Wunsch von Nanami berücksichtigen. Du brauchst die Pension nicht mehr zu übernehmen. Deshalb wünschen wir uns, dass du deinen Schulabschluss machst und wenn du immer noch den Wunscht hast, mit dem Tanzen...", wollte der Großvater erklären, doch Mamor konnte nicht verstehen, wie sein Großvater jetzt über so etwas nachdachte. "Aber... das ist doch jetzt nicht wichtig", unterbrach er ihn deshalb, "Ist das denn jetzt nicht egal? Wir müssen uns um Nanami kümmern. Sie braucht doch eine richtige Beerdi- gung und...und..." Mamori war ganz verzweifelt. Wie konnten seine Großeltern jetzt an so was Unwichtiges denken? "Entschuldigt", sagte Mamori schon ruhiger, "ich brauche etwas Ruhe. Ich geh in mein Zimmer."

"Ist gut", stimmte der Großvater zu, "die Beerdigung ist in drei Tagen. Wir lassen sie neben deinen Eltern begraben."
 

In seinem Zimmer legte sich Mamori auf´s Bett und starrte die Weiße Decke an. Ihm gingen so viele Gedanken durch den Kopf, ganz besonders die letzten Worte seiner Schwester. -Sie wusste das sie stirbt-, war Mamori sich sicher, -ich sollte es nicht sehen, deshalb hat sie mich weggeschickt. Ja, darum. Aber wieso musste sie noch an mich denken? Tat ich ihr so leid?-

Und so lag er eine Weile da, mit den verschiedensten Gedanken. Auch über Ravan dachte er nach. Darüber, was er im Schlaf gemurmelt hatte. Es ließ ihm keine Ruhe. Nach einiger Zeit hatte er jegliches Zeitgefühl verloren und schlief über seinen Gedanken ein.
 

Joshua weckte ihn am Nachmittag. "Hey Mamori! Schlaf nicht so lange. Es ist schon sechzehn Uhr. Ich muss noch Mal weg. Essen steht auf dem Tisch", sanft streichelte Joshua seinem kleinen Bruder über das Haar. "Sei nicht so traurig. Das steht dir nicht. Ich weiß noch nicht, wann ich wiederkomme, also warte nicht auf mich. Tschüss dann."

"Tschüss", entgegnete Mamori, doch da viel seine Zimmertür schon ins Schloss.

Langsam rappelte er sich auf. Auf dem Weg zur Zimmertür stolperte er über seine Sporttasche. Schon lange war er nicht mehr beim Tanztraining gewesen und dieser Wink mit dem Zaunpfahl kam ihm gerade recht. Das Training würde ihn sicher etwas Ablehnung und so machte er sich sofort auf den Weg.

In den nächsten zwei Tagen war Mamori nun fast pausenlos beim Training. Der Chef des Come-In hatte hm auf Grund des Todesfalls freigegeben und auch diese Zeit nutzte Mamori zum Trainieren. Seiner Tanzlehrerin, Frau Tenno, gefiel das gar nicht. Deswegen trat sie einmal an ihn heran. "Mamori... was ist denn los? Ich weiß ja, dass du ein paar Stunden verpasst hast, aber das kannst du nicht alles auf einmal aufholen. Du trainierst dich über, also mach mal ne Pause."

"Ja okey", stimmte Mamori zu, "Ich komm nachher wieder."

Frau Tenno guckte ihn streng an. "So hab ich das nicht gemeint. Übrigens haben wir bald einen Auftritt. Ich will das du die Hauptrolle tanzt."

"Ja, danke", meinte Mamori nur, "dann muss ich noch viel mehr üben."
 

Einen Tag später war die Beerdigung. Trostlos und still wehte ein leichter Wind über den Friedhof und spielte mit den Zweigen der Kirschbäume. Nur die Großeltern, Mamori, Joshua, Nanamis Lehrerin und ein paar Freunde waren anwesend und fast zu jeder Sekunde hörte man das Schniefen und Schluchzen der Trauergäste. Die Beerdigung war kurz, aber sehr feierlich und rührend. Der Großvater sagte ein paar Worte über seine kleine Enkelin und der Priester sprach ihr das letzte Geleit.

Die Trauerfeier hinterher war genauso trostlos. Die Stimmung war beklemmend und Mamori hatte das Gefühl, von der Atmosphäre erdrückt zu werden. Er verließ deshalb die Trauerfeier frühzeitig und begab sich in sein Zimmer. Am Nachmittag machte er sich wieder auf den Weg in die Tanzakademie. Takato wartete vor den Umkleiden auf ihn und sprach ihm sofort sein Beileid aus. Mamori fand das zwar sehr aufmerksam, aber er wollte jetzt nicht darüber nachdenken.

Bis in den späten Abend trainierten sie für die kommende Show und obwohl Mamori fast keine Kraft mehr in sich hatte, machte er doch unermüdlich weiter. Frau Tenno schaute ab und zu in den Saal um sich das Ergebnis des Trainings anzusehen. Mamori hatte erhebliche Fortschritte gemacht und Frau Tenno war sich sicher, dass er die Rolle meistern würde. Um zweiundzwanzig Uhr schaute sie das letzte Mal hinein. Takato war schon gegangen und Mamori trainierte nun allein in dem großen Saal. Frau Tenno schaltete die Musik aus und erst jetzt bemerkte Mamori sie. "Ich glaube, es reicht für heute Mamori-kun! Geh besser nach hause", meinte sie mit ernster Stimme. "denke ich auch Tenno-sensei", entgegnete er hastig atmend. Die Tanzlehrerin reichte Mamori sein Handtuch und mit einem Lächeln verabschiedete sie sich.

Nach dem Duschen ging Mamori sofort nach Hause. Jedenfalls wollte er das, doch wenn er daran dachte, dass seine Großeltern noch dort waren und eine einzige Trauerstimmung zu Hause herrschte, verwarf er seine Idee sofort. Der kühlende Meereswind lockte und Mamori bog wie selbstverständlich auf den Strandweg ab, der An der Meerseite von Nagoya alle paar hundert Meter zum Strand führte. Mamori liebte es, den warmen, weichen Sand unter den Füßen zu fühlen und der Salzige Geruch des Meeres schien ihm die Sorgen vom Leib zu fegen. Es war ein befreiendes Gefühl, das unendliche Meer vor sich zu sehen und die Einsamkeit des nächtlichen Strandes zu genießen. Doch diese Einsamkeit brachte Mamori auch zum nachdenken. Seine Glieder fingen vom Trainng langsam an zu schmerzen und Mamori verfluchte seine Schwäche. Nanami war auch nicht so schwach gewesen, selbst im Angesicht des Todes hatte sie noch so viel Kraft in sich, um sich um andere Menschen zu kümmern... m sich um Mamori zu kümmern. In diesem Moment wurde dem Jungen klar, das er den Tod seiner Schwester wohl niemals richtig verkraften würde. Mit dem Tanzen lief es auch nicht so gut. Zwar sagte Frau Tenno etwas anderes, aber Mamori wusste es besser als sie. Er wusste, dass er noch viel mehr leisten könnte, ihm aber die Kraft dazu fehlte. Um Ravan sah er besser auch nicht wieder. Anscheinend hatte Mamori ihm doch Probleme gemacht, denn das was Ravan damals im Schlaf gemurmelt hatte, hörte sich nicht gerade gut an. Nichts lief so, wie Mamori es geplant hatte und es war, als würde seine ganze Welt über ihm zusammenbrechen. -Mein Leben ist zu einem Haufen Müll geworden. Nichts ist so, wie es sein sollte und daran kann ich auch nichts ändern. Es ist ein ewiger Kreislauf. Alles was ich mache geht schief. Ich hab keinen Bock mehr auf den Scheiß. Ich kann nicht mehr... und ich will nicht mehr. Wozu lebe ich überhaupt? Ich hab Nanami verloren... niemand bringt sie mir wieder zurück- Mamoris Wangen benetzten Stumme Tränen und wie geleitet von einer fremden Macht wendete er den Kopf in Richtung Meer. Seine Füße trugen ihn zu dem kalten Nass, das wie eine Armee wieder und wieder gegen den Strand ankämpfte, um dann wieder in ihr eigenes Gebiet zurückgedrängt zu werden. -würde es jemanden interessieren, wenn ich nicht mehr da währe?- dieser Gedanke zog wie ein Blitz durch seinen Kopf und schon umspülte das salzige Gut des Meeres seine Füße. Wie in Trance ging er weiter und weiter in die See hinein, tiefer und tiefer, unaufhaltsam.
 

Zur gleichen Zeit war auch Ravan am Strand unterwegs. Er hatte spontan beschlossen surfen zu gehen, soweit das Meer es zuließ. Aber er hatte glück, an diesem späten Abend schenkte ihm das Meer hohe Wellen. Ein absolut befreiendes Gefühl überzog Ravan. Das Wasser peitschte ihm ins Gesicht und das Rauschen in seinen Ohren war das schönste Geräusch, was er seit langem gehört hatte. Warum war er nicht schon eher mal Surfen gegangen? Damals in Florida gehörte die zu seiner Freizeitbeschäftigung. Die Gedanken ließen ihn los und das erste Mal seit langem, brach er aus, aus dem Gefängnis der zugeschnürten, gefangenen Seele.
 

Der Himmel war bedeckt an diesem Abend und nur der Mond schien manchmal hervor. In solch einem Augenblick erkannte Ravan etwas Dunkles im Wasser treiben. Nur etwas hundert Meter entfernt. Es war nicht genau zu erkennen und Ravan hätte sich sicher auch nichts dabei gedacht, währe er nicht von Natur aus schon neugierig und so beschloss er sich dieses "Etwas" genauer anzusehen. Zügig, aber vorsichtig paddelte er auf dem Surfbrett auf das Dunkle zu. Zuerst meinte er einen Baumstamm zu erkennen, aber bei genauerem Hinsehen, war diese Möglichkeit ausgeschlossen. Erst zwei Meter vorher erkannte Ravan, dass es sich um einen Menschen handelte. Ihm stockte der atem und hastig ruderte er den restlichen weg. Regungslos trieb die Person auf dem Bauch auf der Wasseroberfläche. Leichte Panic beschlich Ravan und auch etwas Angst. Was würde ihn erwarten? Es war dun- kel und man konnte kaum etwas erkennen, doch sofort drehte er die Person auf den Rücken und Ravans Atem stockte, als er den Jungen erkannte.

"Mamori!", schrie Ravan wie automatisch und instinktiv zog er ihn auf das Surfbrett. Nur mit Mühe konnte Ravan den Jüngeren auf das Brett der Länge nach hin- legen. Er selbst trieb nebenher im Wasser und klapste Mamori immer wieder leicht mit der flachen Hand auf die Wangen. "Wach auf, komm schon Ta-kun. Mach kein Scheiß, mach die Augen auf!", bat er, doch es regte sich nichts. Was sollte er jetzt machen? Verzweiflung machte sich breit. Das wasser war eiskalt und durch- tränkten Mamoris Klamotten völlig. Er zitterte am ganzen Körper, aber seine Haut war ganz blass und leicht bläulich verfärbt. "Verdammt!", fluchte Ravan verzwei- felt. "Du sollst die Augen aufmachen du Idiot! Ich brauch dich doch..."
 

To be continued...



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