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Amicus Draconis - 2nd Cycle: Cycle of the Snake

Wenn der Rote Löwe und der Grüne Drache miteinander vereint sind, dann ist das Tor zur Ewigkeit geöffnet
von

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14. Sprung from my only Hate I

January 1999, Gegenwart
 

Du hast alles zerstört, was ich einmal war...
 

Seit nachts dein Atem über meine Haut geweht,

und meine Hand dein Schoßgesträuch zerzaust,

Seit ich die Stirn an deinem schlanken Hals gekühlt,

und du mit deinem Haar ein Nest mir baust,
 

Mein Weg war so klar und deutlich wie ein Spiegel, der die Zukunft zeigt, doch du hast ihn in tausend Stücke zerbrochen. Von dem Tag an, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, gab es kein Zurück mehr zu meinem alten Leben. Du hast es mir zur Hölle gemacht!
 

Bin ich verloren ... verloren

Bin ich verloren an dich.

Für diese Welt verloren ... verloren

Ich bin verloren an dich.
 

Niemals zuvor hab’ ich mit solcher Leidenschaft gehasst, und niemals zuvor hat mich ein anderer so tief in meinem Inneren berührt.
 

Und es wird auch nie wieder geschehen...
 

Seit ich den Schierlingsbecher von dir nahm und trank

Seit ich den letzten Tropfen aufgeleckt.

Seit ich zuletzt noch zitternd deinen Namen rief

und mich die kalte Erde zugedeckt.
 

Ich wollte dich zerstören und dabei habe ich mich selbst zerstört. Ich wollte dich zu Boden werfen, dich zerschmettern, dich in Stücke reißen, dich leiden sehen, über dich herfallen, dich besitzen. Ich wollte, dass du ganz und gar mein bist!
 

Bin ich verloren ... verloren

Bin ich verloren an dich.

Für diese Welt verloren ... verloren

Ich bin verloren an dich.
 

Ich war von dir besessen und bin es noch! Von deinem Geruch, deinem Geschmack auf meinen Lippen, deinem heißen Atem auf meiner Haut. Von dem jadegrünen Funkeln deiner Augen... ein Licht, das ich zum Erlöschen bringen wollte mit meiner Finsternis.
 

Es ist mir nicht gelungen...
 

Ich bin verloren.

Ich bin verloren an dich.
 

Es hat sich tief in meine Seele gebrannt, ein alles verzehrendes, alles verschlingendes Feuer. Und es wird immer weiter brennen, solange bis nichts mehr von mir übrig ist.
 

Ich bin verloren ... verloren

Ich bin verloren an dich.

Für diese Welt verloren ... verloren

Ich bin verloren an dich
 

Du hast alles zerstört, was ich einmal war...
 

Für diese Welt verloren ... verloren

Ich bin verloren an dich.
 

Harry Potter...
 

Mein Feind ... mein Rivale ... meine Nemesis
 

Mein Schicksal ... mein Fluch
 

Meine einzige Liebe...
 


 

*
 

Opening Credits:
 

Disclaimer: Die Charaktere und ihre Welt gehören nicht mir, sondern der großen Jo Rowling, dem Bloomsbury Verlag, und Warner Brothers. Wir Fanfic Schreiber leben von Reviews, nicht von Profit. ^^ Der Opening Song von Cycle of the Snake ist das Sonett No 109 von William Shakespeare, der Ending Song ist Sleeping Sun von Nightwish. Draco’s erster Image Song ist Verloren von Subway to Sally. Der Titel für Folge 14 ist ein Zitat aus Shakespeare’s Romeo & Juliet. Weitere Disclaimer bei den Ending Credits.
 

Author: Yamato
 

Titel: Amicus Draconis – 2nd Cycle: Cycle of the Snake – Part 14: Sprung from my only Hate I

Amicus Draconis – 2. Zyklus: Zyklus der Schlange – Teil 14: Aus einz’gem Hass entbrannt I
 

Rating: PG-15 auf Britisch, FSK-16 auf Deutsch, R auf Amerikanisch. Sorry für’s höhere Rating, aber Yama will bei ...hm... gewissen Szenen nicht jedes Wort umdrehen müssen. Immerhin läuft die Story jetzt schon seit über drei Jahren und damit solltet ihr eigentlich alle alt genug sein, oder?
 

Spoiler: Ich hab’ lang überlegt, wie ich mit OotP umgehe, (dasselbe Problem werd’ ich im Juli mit HBP wieder haben *seufz*) und ich bin zu folgendem Ergebnis gekommen: Alle wichtigen Plots, die älter sind als OotP werd’ ich nicht umschreiben, sonst gibt’s nur Chaos. Kurz gesagt, Narcissa Lestrange wird nicht plötzlich Narcissa Black heißen, der Laden von Fred & George bleibt in Hogsmeade, und kommt nicht nach Diagon Alley, Sirius wird nicht plötzlich tot umfallen, und Umbridge wird nicht DADA Lehrerin im 5. Schuljahr etc. Im Prinzip verläuft das 5. Schuljahr bei mir bis auf wenige Ausnahmen komplett anders.
 

Diese Ausnahmen sind einige Storyplots, die zufällig mit Band 5 übereinstimmen. Zum Beispiel, dass Ron neuer Gryffindor Keeper wird, und Angelina Captain. Aber dass es so kommen könnte, haben wir eigentlich schon vor OotP vermutet und deshalb ist es nicht wirklich spektakulär.
 

Wisst ihr, was mich echt total überrascht hat? Dass Narcissa Malfoy und die geheimnisvolle Mrs. Lestrange tatsächlich Schwestern sind und sogar noch eine dritte Schwester haben, genau wie bei mir. Da ich leider nicht in Jo’s Kopf reingucken kann und sie es auch ned nötig hat, aus FFs zu klauen, können wir mal wieder sehen, dass Autoren total unabhängig voneinander dieselben Ideen haben. Vielleicht haben wir wirklich alle ein gemeinsames Unterbewusstsein, wer weiß?
 

Mit meiner Theorie über Neville und den Memory Charm lieg’ ich wohl falsch, jedenfalls gab’s in OotP nichts dazu. Aber die Sache mit Trelawny’s erster Prophezeiung ist bei Jo ganz ähnlich wie ich es auch geplant habe. Bisher hab’ ich’s nur in der Musicalfolge angedeutet, aber ihr werdet schon bald mehr darüber erfahren. (Ihr werdet über so einiges aus der Musicalfolge mehr erfahren *g*)
 

Die dritte Prophezeiung hab’ ich auch schon eingeplant, aber da wird mir Jo wahrscheinlich wieder zuvorkommen. *spekulier* (Band 7 erscheint garantiert noch vor dem Ende von AD)
 

Okay, jetzt das, was ich aus Band 5 übernehme: Alle neuen Charaktere (Luna, Tonks, Umbridge, Amelia Bones) können theoretisch auch bei mir auftauchen. Das Design von St. Mungo’s werd’ ich ebenfalls übernehmen, sollte es eine Rolle spielen. Das Ministerium wohl so halb/halb, je nachdem wie’s zusammenpasst. Die Gerichtsverhandlungen werden wohl auch ähnlich sein, aber wir haben ja schon in Band 4 erfahren, wie so eine Verhandlung ungefähr abläuft. Sollte ich im Laufe der Story sonst noch was übernehmen, dann schreib’ ich’s in die Credits zur jeweiligen Folge.
 

Warnings: An erster Stelle mal Shônen Ai, denn Harry und Draco sind alles andere als brav. *g* Het Pairings gibt’s natürlich auch, und vielleicht schaff ich es diesmal ein wenig von meinem Shôjo Ai Pairing rein zu bringen. Death – yep, leider werden sich wieder Charas von uns verabschieden. *seufz* Gewalt - nicht alles wird völlig harmlos sein, aber das kann man auch ned erwarten, wenn Tante Voldie und ihre Armeen Britannien erobern.
 

Summary: Was wollt ihr denn noch? Hab’ euch doch schon gnadenlos zugespoilert. *hüpf*
 

Fortsetzung: Episode 1 von 22 oder Episode 14 von 52. Sucht’s euch raus *g*
 

Feedback: Nehm’ ich immer gerne. Über Kommentare freu' ich mich besonders, aber wem fürs Reviewschreiben die Zeit fehlt, der kann auch gern favorisieren oder die Geschichte empfehlen.
 

Updates: Wer regelmäßig über Updates informiert werden will, kann entweder die Fanfic favorisieren oder Yamato's Facebookseite liken.
 

Weitere Backgroundinfos zur Story gibt’s auch in der Yahoo!Group zu Amicus Draconis
 


 

*
 

*
 

O, never say that I was false of heart,

Though absence seem’d my flame to qualify!

As easy might I from my self depart

As from my soul, which in thy breast doth lie:
 

Oh, nie sollst Du mich falsch von Herzen heißen,

Schien schwach auch, da ich fern war, meine Glut.

So leicht könnt ich vom eignen Selbst mich reißen,

Als von der Seele, die in deiner ruht.
 

That is my home of love: if I have rang’d,

Like him that travels; I return again,

Just to the time, not with the time exchang’d

So that myself bring water for my stain.
 

Dort ist der Liebe Heim. Irrt ich auch weit,

Getrieben hat mich’s doch, zurückzueilen

Zu rechter Zeit, nicht anders durch die Zeit;

Selbst bring ich Tropfen, die mein Arges heilen.
 

Never believe, though in my nature reign’d

All frailties that besiege all kinds of blood,

That it could so preposterously be stain’d

To leave for nothing all thy sum of good;
 

Beherrschen alle Fehler auch mein Ich,

In deren Bann jedwedes Menschenblut,

Doch für so urteilslos nicht halte mich,

Für Nichts zu opfern dich, das höchste Gut.
 

For nothing this wide universe I call,

Save thou, my rose; in it thou art my all.
 

Nichts ist dies weite Weltall meinem Sinn,

Du, meine Rose, bist mein Alles drin.
 

*
 

*
 

Amicus Draconis
 

*
 

Second Cycle: Cycle of the Snake
 

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Part 14: Sprung from my only Hate I
 

London, July 31st, 1991
 

Im Grunde genommen lief es alles auf eine äußerst simple Frage hinaus. Sollte er es tatsächlich wagen, einen Rennbesen mit nach Hogwarts zu schmuggeln?
 

Oder sollte er es lieber bleiben lassen?
 

Mit sehnsüchtigen Augen bestaunte er den brandneuen Nimbus 2000 im Schaufenster ... den frisch polierten Griff, das in einem satten warmen Rotbraun glänzende Holz des Stiels, die mit äußerster Präzision und Sorgfalt angeordneten Zweige. Natürlich war es Erstklässlern verboten, einen eigenen Rennbesen mitzunehmen und sicher hatte das auch seinen Sinn. Schließlich konnte man kleine Kinder, die keine Ahnung vom Besenfliegen hatten, ja die vielleicht noch nicht mal wussten wozu so ein Ding überhaupt gut war, nicht einfach so in der Gegend rumschwirren lassen.
 

Aber dass unter dieser Vorschrift auch diejenigen leiden mussten, die seit ihrem dritten Geburtstag auf einem Besen saßen, das war eine bodenlose Frechheit! Impertinenz, würde Vater dazu sagen.
 

Er schubste ein paar Kinder aus dem Weg, um einen besseren Blick zu bekommen und presste die Nase gegen die Fensterscheibe. Immer dasselbe! Man kriegt erst mit elf seinen Zauberstab, man darf sich in Hogwarts sein Haus nicht aussuchen, und jetzt darf man noch nicht mal einen eigenen Rennbesen haben. Und das alles nur wegen dieser blöden Mudblood Bälger! Die keine Ahnung von gar nichts haben und sich wahrscheinlich selbst in die Luft sprengen würden, wenn sie einen Zauberstab auch nur schief anguckten.
 

Na, sollen sie doch! Dann müsste sich ein reinblütiger Zauberer mit einem Stammbaum bis ins Mittelalter wenigstens nicht mit solchem Gesocks rumärgern!
 

Da er im Moment keine bessere Möglichkeit besaß, seinem Unmut Luft zu machen, musste er sich fürs erste damit begnügen, den zwei kleinen Mädchen neben ihm finstere Grimassen zu schneiden. Eingeschüchtert wichen die zwei kleinen Mädchen zurück und bedachten ihn mit ehrfürchtigen Blicken. Das wäre auch beinahe ein Grund gewesen, um wieder besserer Laune zu werden, wenn nicht...
 

“Spatz? Jetzt trödel’ doch nicht so, wir müssen noch deinen Zauberstab und deine Schulroben kaufen!“
 

Klasse! Vertrau auf Mutter, dass sie mir diesen glorreichen Augenblick ruiniert!
 

Wieso konnte sie sich eigentlich keine besseren Spitznamen für ihn ausdenken? ’Mein kleiner Drache’ zum Beispiel, das klang doch richtig angenehm. Aber auf solch originelle Ideen kam sie natürlich nicht.
 

Oh nein, bitte nicht auch noch an die Hand! Bloß das nicht! Diese Schande ist ja nicht zu ertragen....
 

Mit einem raschen Schritt zur Seite wich er der mütterlichen Bedrohung aus, reckte stolz die Nase in die Höhe, und bemühte sich verzweifelt, das Gekicher der zwei kleinen Mädchen hinter seinem Rücken zu ignorieren. Ein Malfoy stand schließlich über solchen Dingen. Ihm machte das gar nichts aus.
 

Blöde Ziegen! Na wartet, wenn ich erst meinen Zauberstab habe, dann...
 

Aber bevor es soweit war, würde er zuerst das wohl Schauderbarste und Grauenerregendste über sich ergehen lassen müssen, was man einem elfjährigen Jungen an einem schönen Sommertag in Diagon Alley antun konnte: Klamotten kaufen!
 

Stundenlanges Stillstehen, während irgendwelche Hexen aufgeregt schwatzend und raschelnd um einen herumwuselten, mit knubbeligen Fingern an einem herumzupften, und dabei mit allerlei seltsamen Messgeräten wedelten, die eher so aussahen, als könne man damit Hauselfen foltern. Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken einen richtig schönen Wutanfall zu bekommen, doch wenn Vater dabei war, wagte er es nicht, sich so aufzuführen. Außerdem, das mit dem neuen Rennbesen hätte er dann komplett vergessen können.
 

“Wir holen dich in einer halben Stunde wieder ab, Liebling. Sei schön brav!“
 

“Wieso kriegt der schon wieder neue Roben, und ich nicht! Das ist voll umpfair!“
 

“So benimmt sich eine Dame nicht, Lucy...“
 

Die Schritte seines Vaters, die vorwurfsvolle Stimme seiner Mutter und das Gequengel seiner kleinen Schwester verklangen hinter der Eingangstür, vermengten sich mit dem übrigen Lärm draußen auf der Straße. An ihre Stelle trat nun das Lachen und Schwatzen der alten Madam Malkin und ihrer Tochter, das Knattern von Messbändern, das Rascheln von Stoff, hektische Betriebsamkeit, die nur durch ein weiteres Klingeln der Türglocke unterbrochen wurde.
 

Ein zweiter Junge stand wie angewurzelt im Türeingang, beinahe so, als habe er nicht die geringste Ahnung, wo er hier überhaupt gelandet sei. Der Junge wirkte wie bestellt und nicht abgeholt mit seinen schlabberigen verwaschenen Muggle Klamotten, dem leicht dümmlichen Ausdruck auf seinem Gesicht, und einem Kopf, der nur aus Haaren zu bestehen schien.
 

“Hogwarts, mein Lieber?“ Madam Malkin führte ihn nach hinten und beförderte mit einem Wink ihres Zauberstabes einen zweiten Schemel herbei. “Haben alles hier wie du siehst, ein weiterer junger Mann wird gerade ausgestattet.“
 

Der fremde Junge erklomm den Schemel, und hob brav die Arme, damit Madam Malkin ihm eine Robe überstreifen konnte. Er war viel magerer, als die weiten Klamotten zunächst vermuten ließen, staksig wie ein Rehkitz auf langen dürren Beinen. Mit diesen Zahnstochern brauchte er sich jedenfalls keine Gedanken über eventuelle Rennbesen zu machen.
 

“Hallo. Auch Hogwarts?“
 

“Ja,“ sagte der Junge.
 

“Mein Vater ist nebenan und kauft mir meine Bücher und meine Mutter ist weiter die Straße hoch, um sich Zauberstäbe anzusehen.“ Nicht, dass er eine Ahnung hatte, was seine Eltern gerade taten, doch das brauchte dieses Wischmoppwesen ja nicht unbedingt zu wissen. “Danach werd’ ich sie zu den Rennbesen mitschleppen. Ich seh’ nicht ein, warum Erstklässler keine eigenen haben sollten. Ich glaub’, ich werd’ Vater so lang nerven, bis er mir einen kauft, und dann schmuggl’ ich ihn irgendwie rein.“
 

Er hatte Bewunderung erwartet, oder doch zumindest Erstaunen, immerhin war das ein äußerst kühner, um nicht zu sagen, verwegener Plan, den er da gerade vor dem Wischmopp ausbreitete. Doch dieser Einfaltspinsel schien die Genialität seines Gesprächspartners überhaupt nicht erfassen zu können.
 

“Hast du deinen eigenen Besen?“
 

“Nein.“
 

“Spielst du überhaupt Quidditch?“
 

“Nein.“
 

Aber dann, unter all diesen Haaren war vermutlich auch nicht besonders viel Platz für ein Hirn.
 

“Ich schon, Vater sagt, es wär’ ein Verbrechen, wenn ich nicht ins Team meines Hauses gewählt werde, und ich muss zugeben, ich bin seiner Meinung. Weißt du schon, in welches Haus du kommst?“
 

“Nein.“
 

Einen übermäßig großen Wortschatz schien das Wischmoppwesen wohl nicht zu besitzen.
 

Nicht, dass ihn das weiter störte, er hörte sich ohnehin am liebsten selbst reden.
 

“Nun, keiner weiß das wirklich bevor er hinkommt, aber ich weiß, dass ich in Slytherin sein werde, meine ganze Familie war dort – stell dir vor, du wärst in Hufflepuff gelandet, ich würd’ die Schule verlassen, du etwa nicht?“
 

“Mhm...“ Der Strubbelkopf verlagerte sein Gewicht von einem staksigen Stocherbein aufs andere, vielleicht weil Madam Malkin gerade mit einem ihrer bedrohlichen Messgeräte wedelte. Vielleicht aber auch nur, weil es so anstrengend gewesen war, ein neues Wort für die Unterhaltung zu finden.
 

Draußen vor dem Fenster stand ein riesiges Ungetüm und wedelte mit zwei Eistüten.
 

“Schau dir bloß diesen Kerl an.“
 

Das Ungetüm grinste und ließ dabei seine Wildschweinhauer sehen. Ein sicheres Zeichen für jeden, der sich in Reichweite dieses Atems befand, sofort Reißaus zu nehmen oder die Konsequenzen zu ertragen.
 

“Das ist Hagrid. Er arbeitet in Hogwarts.“
 

Die Wischmoppvisage konnte sprechen?
 

“Oh. Von dem hab’ ich gehört. Ist so ’ne Art Dienstbote, oder?“
 

“Er ist der Wildhüter.“
 

Wild traf es auf alle Fälle. Das ’...schwein’ musste man sich halt noch dazu denken.
 

“Ja, genau, ich hab’ gehört, er ist so ’ne Art Wilder – lebt in ’ner Hütte auf dem Schulgelände, und ab und an besäuft er sich, versucht zu zaubern, und fackelt stattdessen sein eigenes Bett ab.“
 

“Ich finde ihn brillant.“
 

“Ach ja?“
 

Verwirrt wandte er sich dem anderen Jungen zu. Er war es nicht gewohnt, dass andere Jungen ihm widersprachen. Normalerweise, wenn sie nicht gerade aufmerksam und voller Hingabe seinen Worten lauschten, waren sie damit beschäftigt, Laute der Zustimmung von sich zu geben.
 

“Warum ist er mit dir hier? Wo sind deine Eltern?“
 

“Sie sind tot.“
 

Ihre Blicke trafen sich, und verwundert stellte er fest, dass er in funkelndgrüne Augen blickte. Nicht dieses Schmutziggrün wie der olle Hauself, der ihn morgens immer weckte, nein, ein klares tiefes Grün, schillernd wie die Schuppen einer Schlange. Er hätte nicht gedacht, dass Menschen überhaupt solche Augen haben konnten.
 

“Oh, tut mir leid.“ Leicht nervös wandte er den Blick ab. “Aber sie waren wie wir, oder?“
 

Ein furchtbarer Verdacht beschlich ihn. Vielleicht war der Typ ja eins von diesen Muggle Fratzen, wegen denen er keinen Rennbesen haben durfte. Zwar mussten die Klamotten noch lange nichts heißen, und dass er mit diesen Zahnstochern kein Quidditchspieler sein konnte, war ebenfalls ziemlich klar, aber...
 

“Sie waren eine Hexe und ein Zauberer, falls es das ist, was du meinst.“
 

Merlin sei Dank. Einer von uns.
 

“Meiner Meinung nach sollten sie die anderen gar nicht erst reinlassen. Sie gehören nicht zu uns, sind nicht mit unserer Art zu leben aufgewachsen. Stell dir vor, einige haben ja noch nicht mal von Hogwarts gehört, bevor sie den Brief gekriegt haben. Ich finde, es sollte alles in den alten Zaubererfamilien bleiben. Wie heißt du eigentlich mit Nachnamen?“
 

“Und fertig sind wir, mein Lieber.“ Mit breitem Lächeln trat Madam Malkin einen Schritt zurück und der Junge hopste auf seinen staksigen Rehkitzbeinen vom Stuhl.
 

“Nun, dann sehen wir uns wohl in Hogwarts.“
 

Gelassen sah er zu wie Wildschwein und Wischmoppvisage gemächlich Eis schlabbernd die Straße entlang trotteten, bis sie hinter der nächsten Ecke verschwunden waren.
 

Und verschwendete keinen Gedanken mehr an Rennbesen.
 

* * *
 

Kann es möglich sein? Ist die Zeit wirklich so schnell vergangen?
 

Nachdenklich folgten Narcissa’s Augen dem geschäftigen Treiben um sie herum, dem Stimmengewirr, den flatternden Umhängen und Roben, den fröhlichen, oft auch ein wenig gestressten Gesichtern. Jetzt, kurz vor Beginn des neuen Schuljahrs herrschte uneingeschränkter Hochbetrieb in Diagon Alley; fast die Hälfte der aufgeregt umherhastenden Menschen schienen Kinder im Schulalter zu sein. In weniger als einem Monat würden all diese Kinder in den Zug steigen, um für lange Zeit zu entschwinden.
 

Das Haus würde still sein, ohne Draco. Selbst wenn Lucy genügend Lärm für zwei machte. Sie würde ihren Jungen sehr vermissen...
 

Was soll ich eigentlich mit der ganzen übrig gebliebenen Zeit anfangen?
 

Mit großen Augen hing Lucy am Arm ihres Vaters; sie war zu weit weg, um zu verstehen, was ihre kleine Tochter auf ihn einplapperte, doch ihren Bettelblick kannte sie nur zu gut. Sie selbst war inzwischen immun dagegen, Lucius jedoch fiel immer wieder darauf herein. Es schien ihr seltsam, dass derselbe Mann, der stets so kühl und beherrscht schien, wenn es um seine eigenen Ziele und Pläne ging, so beharrlich darauf bedacht seine Gefühle vor anderen zu verbergen, um keinesfalls einem potentiellen Gegner eine Blöße zu geben, sich von den närrischen Wünschen eines Kindes würde leiten lassen. Aber dann, nach über zwölf Jahren Ehe war er ihr noch immer ein Rätsel geblieben.
 

Vor dem Schaufenster eines Modedesigners holte Narcissa die beiden schließlich ein, Lucius war stehen geblieben, um eine schwarze Seidenhose nebst dem dazugehörigen Hemd näher in Augenschein zu nehmen. Sie hätte ihm auch sicher gut gestanden, nur leider würden diesen Winter die geschlossenen Roben wieder in Mode kommen, nachdem die Pressesprecherin von Gladrags einen Schmähartikel für den Daily Prophet verfasst hatte, in welchem sie Hemden und Hosen als Muggle Kleidung verteufelte; ohne Zweifel ein Angriff auf ihren schärfsten Konkurrenten, den französischen Modekonzern Rêve. Der Artikel war noch nicht erschienen, aber wozu hatte man schließlich Beziehungen?
 

Konnte man Hosen wieder tragen, so war der Schnitt von dieser unter Garantie unmodern geworden. Lucius seufzte hörbar auf, und wandte sich dem nächsten Schaufenster zu, dem eines Uhrenladens.
 

Ob Draco’s Schulkleidung inzwischen fertig war? Sollten sie sich nicht langsam auf den Rückweg machen?
 

Gerade wollte Narcissa ihren Mann darauf ansprechen, als ihr ein unangenehm scharfer Geruch in die Nase stach. Es musste sich um etwas Schwefelartiges handeln, womöglich eine Mischung mit Salpeter wie beim Abbrennen eines Feuerwerkes. Doch so genau war das nicht auszumachen, mit dem nächsten Windhauch schon, schien der Geruch wie weggefegt. Verschwunden, um dem kitschig-süßlichen Vanillearoma eines Räucherstäbchens Platz zu machen.
 

Zu ihrer Linken lag der schmale Eingang in die Knockturn Alley, welcher sich zwischen den hohen Häuserfronten unter einem Torbogen hindurchschlängelte. Trotz des hellen Tageslichts lag die Gasse im Halbdunkel; die mächtigen Gemäuer hielten die Sonnenstrahlen weitgehend ab und ließen lediglich ein graues Dämmerlicht auf die trutzig in den Boden gehauenen Pflastersteine herabsickern.
 

Das vordere der beiden Häuser hatte nur ein verriegeltes Fenster zur Straße hin, doch in dem hinteren befand sich die Auslage eines Ladens. Etliche Male musste sie bereits daran vorbei gegangen sein ohne diesem auch nur einen Blick zu schenken und heute wäre es nicht anders gewesen, hätte sie nicht hinter der schweren Eichenholztür die Ursache des seltsamen Geruchs vermutet. Mit einem Nicken zu Ehemann und Tochter, welche sich noch immer den Uhren auf der anderen Straßenseite widmeten, drückte sie den kugelförmigen Messingknauf nach unten und trat ein.
 

Pompöse, leicht verblasste und an einigen Stellen verschlissene Wandteppiche schmückten den vor ihr liegenden Raum, welcher sich nach hinten in einer Reihe von Bücherregalen verlor. Wie bei magischen Häusern nicht anders zu erwarten, schien auch hier das Innere größer zu sein als das Äußere, niedrige voll gestopfte Tischchen, Pulte, und Schaukästen reihten sich aneinander und eine hölzerne Treppe führte hoch auf die Galerie, wo sich weitere Stücke zum Verkauf befanden. Unterhalb dieser Empore schwebte eine Weltkugel im leeren Raum, umgeben von zwölf Monden in ihren verschiedenen Phasen. Der dreizehnte Mond wurde soeben von einem gewaltigen Drachen verschlungen, den man für echt hätte halten können, wären nicht seine starren Edelsteinaugen und mechanischen Bewegungen gewesen.
 

Ihr Blick fiel auf die Wandteppiche zu ihren Seiten, ihre Darstellungen waren ihr durchaus nicht unbekannt. Einmal die sieben Stufen der Himmelsleiter mit ihren Entsprechungen in den sieben heiligen Planeten und den dazugehörigen Metallen, zum anderen eine altägyptische Veranschaulichung des Lebensbaumes Ezhachaim. Jede der zehn Sephiroth war durch die Illustration eines Gottes geschmückt: Horus, Isis, Ptah, Bastet, und schließlich Ammun Re, der von seinem Thron in der Sephira Kether aus alle anderen Wesenheiten überstrahlte. Verbunden durch die Pfade der Tarotkarten bildete der Baum nicht nur eine Einheit der Göttlichkeit, sondern auch des menschlichen Daseins.
 

Vorbei ging es an Büchern, an Schriftrollen und zerfledderten Manuskripten von Flamellus, Paracelsus, Agrippa, Maria Judaica, an kleinen Würfeln mit Zahlen- oder Buchstabenrätseln, an großen Schaubildern der Retortengenese. Ein Kupferstich des menschlichen Körpers und seiner Chakren. Ein Plan des Schicksalsrades von Lady Gwynhyfar, das noch niemals gebaut werden konnte, geschweige denn funktioniert hätte. Dann allerhand Schmuckstücke - ein sorgfältig gearbeitetes, vermutlich assyrisches Amulett zeigte ihr ein Bildnis des Sonnenwagens, welcher von sechs feurigen Löwen über die Himmelspfade gezogen wurde. Der Gott, welcher den Wagen lenkte, stand hoch aufgerichtet am Bug und hielt ihre Zügel, während die majestätischen Raubkatzen unbeirrt ihren Weg fortsetzen, das strahlende Licht der Sonnenscheibe blendend in ihren Mähnen.
 

Einmal blieb sie stehen und runzelte die Stirn, als sie in einer Auslage eine Schrift von Nicolas Rémy entdeckte. Kein anständiger Zauberladen sollte irgendetwas von diesem Schlächter führen, aber dann, war es nicht gut, wenn man sich zeitweise daran erinnerte, warum man die Muggles verachtete? Bei dieser lächerlichen Verunstaltung, die sich Geschichtsunterricht schimpfte, schien es ein wahres Wunder, dass all diese Dinge nicht schon längst in Vergessenheit geraten waren. Jegliches Interesse der Schüler an der Vergangenheit wurde ja schon im Keim erstickt.
 

Kein Zufall, wenn man Lucius’ Worten Glauben schenken durfte. Der alte Narr auf dem Direktorstuhl von Hogwarts wusste immer genau, was er tat...
 

Im hinteren Teil des Ladens, abgeschirmt durch diverse Sternenkarten und das Monddrachenmodell, glaubte sie schließlich die Ursache des Schwefelgeruches entdeckt zu haben. Von der Galerie aus konnte sie einen Verkäufer sehen, einen älteren Zauberer mit spiegelblanker Glatze und Ziegenbärtchen, der einem potentiellen Kunden eine bizarre Apparatur vorführte. Ein rauchiges Gebräu brodelte in einem Kessel vor sich hin, vermengte sich mit schillerndem Dampf, welcher ihm durch eine gläserne Röhre zugeführt wurde, und bildete schließlich eine rotsilberne Flüssigkeit, welche langsam, aber stetig in einen Kolben tropfte.
 

Bevor sie jedoch Gelegenheit bekam, sich darüber zu wundern, tat es einen lauten Knall und das Ding zerbarst vor ihren Augen. Glasssplitter, Metallteile und wütende Tropfen sprühten überall im Raum umher, als die beiden Magier sich erschrocken hinter einen der Monde duckten. Mit einem Wink seines Zauberstabes reparierte der Ladendiener den entstandenen Schaden, die Apparatur selbst jedoch wurde davon nicht wieder heil. Stattdessen sammelten sich die einzelnen Teile zusammen und türmten sich zu einem Trümmerhaufen auf.
 

Sie überließ den Unglücklichen seinem Missgeschick und wandte sich den Stücken auf der Galerie zu. In einer Vitrine vor ihr befand sich das Relief eines unförmigen menschenähnlichen Geschöpfes auf Klauenfüßen, eingeritzt in eine Holzplatte. Angeblich handelte es sich dabei um eine der Originaldruckplatten von Siphra di-zniutha, dem Buch der Geheimnisse, welches als verschollen galt. Nur drei Kopien sollte es davon geben, informierte die Tafel an der Vitrine, und allein der Besitz sollte einem Magier Reichtum, Unsterblichkeit und immerwährende Macht verleihen.
 

Sie hätte am liebsten laut aufgelacht, als ihr Blick über diese Worte glitt. Eine der drei Kopien stand seit ewigen Zeiten in der Bibliothek ihres Mannes, und außer etwas Kopfzerbrechen und ein paar schlaflosen Nächten hatte es ihm niemals etwas verliehen, ihm nicht und auch nicht seinem Meister. Man sollte eben nicht alles glauben, was über Zauberbücher gesagt wurde.
 

Das nächste Stück erschien ihr weitaus interessanter, ein silberner Ring in Form eines Ouroboros, der Schlange, die sich selbst in den Schwanz biss. Sowohl aus dem europäischen, asiatischen, wie auch dem arabischem Raum stammend, war sie ein Symbol für die Ewigkeit, die stetig wiederkehrenden Kreisläufe von Natur und Geist und den zyklischen Aufbau der Welt.
 

Der Tafel zufolge sollte der Ring angeblich Salazar Slytherin persönlich gehört haben. Wenn dies auf alle Gegenstände zutraf, die den vier Hogwartsgründern zugeschrieben wurden, so mussten diese allesamt leidenschaftliche Sammler von Tand und Trödel gewesen sein. Die Geschichtsbücher erzählten jedoch anderes.
 

In ihrer Mitte erweiterte sich die Galerie zu einem kreisförmigen Rondell in dessen Zentrum sich eine einzelne Statue erhob. Nein, zwei Statuen, so eng ineinander verflochten, dass es auf den ersten Blick schwierig zu sagen schien, wo die eine der beiden endete und die andere begann. Zwei machtvolle Kreaturen, umschlungen in tödlichem Kampf
 

Der Löwe stand aufrecht auf seinen Hinterpfoten, den geschmeidigen Körper im Sprung erhoben. Seine Flanken bebten, die Sehnen spannten sich unter dem schimmernden Fell, Flammen loderten in der prächtigen Mähne. Trotz der vielen blutigen Wunden schien sein Kampfgeist ungebrochen; ein wildes Brüllen entrang sich seiner Kehle, als er Fänge und Klauen tief in den schuppigen Leib seines Todfeindes grub.
 

Doch der Drache gab sich nicht geschlagen. Die gewaltige Schlange wand sich noch enger um die sich aufbäumende Raubkatze, drückend, würgend, schlingend, ihrer Nemesis die Kraft und den Atem raubend. Schillernde Schuppen brachen das kalte Licht starrer Augen, ledrige Schwingen peitschten die stickige Luft, besudelt von Blutgeruch und giftigem Odem. Es war ein Ringen ohne Anfang und ohne Ende; die Zeit schien vollkommen still zu stehen.
 

Leo rubeus, Draco viridis. Roter Löwe, Grüner Drache. Tag und Nacht, Sonne und Mond, Gold und Silber, Licht und Dunkelheit. Zwei kosmische Prinzipien in ewigem, alles verschlingendem Kampf. Feuer und Wasser, Erde und Luft, das Feste und das Flüchtige, das Brennende und das sich Lösende, Schwefel und Quecksilber, Materie und Geist. Sie kämpften als riesige Konstellationen im Sternenhimmel und als winzige energetische Reaktionen im menschlichen Körper. Null und Eins, Yang und Yin, Sulphur und Mercurius – System der Dualitäten. System der Gegensätze, und doch – nur vereint konnten sie den Kosmos erschaffen. Verbindung, Verschmelzung, Fusion, Conjunctio, Chymische Hochzeit. Ein niemals endender Kreislauf, der aus sich selbst heraus entstand, in sich selbst verging, und dröhnend im Universum widerhallte, von den mächtigen Glockentönen der ewigen Galaxien bis hinunter ins kleinste, flüchtige Elektron.
 

Si ruber leo dracoque viridis conjuncti erunt, porta aeternitatis aperietur.
 

Sie hatte den Blick gesenkt, um den einzelnen lateinischen Satz zu entziffern, welcher in den steinernen Sockel des Monuments gehauen war. Ein Schatten war hinter sie getreten, die unangenehme Wärme einer menschlichen Präsenz, das Flüstern einer menschlichen Stimme: “Es bedeutet: ’Wenn der Rote Löwe und der Grüne Drache miteinander vereint sind, ist das Tor zur Ewigkeit geöffnet.’“
 

“Ich weiß, was es bedeutet.“ Ein geheimnisvolles Lächeln huschte über Narcissa’s Gesicht, und ohne dem Verkäufer weitere Beachtung zu schenken, verließ sie den Laden.
 

* * *
 

September 1st, 1991
 

10.33
 

Echt gut, dass wir so früh da sind, jetzt haben wir ein Abteil ganz am Anfang vom Zug, wo sonst nur die Größeren sitzen. Crabbe darf meinen Koffer schleppen und Goyle den Uhu. Ich brauch’ schließlich beide Hände frei, damit ich meiner doofen Schwester die Zunge rausstrecken kann. Sie ist sooo eifersüchtig, weil ich nach Hogwarts darf und sie nicht!
 

10.45
 

Vater hat mich doch tatsächlich umarmt. Das hat er nicht mehr getan seit vorletztem Sylvester.
 

10.48
 

Warum muss Mutter nur ein solches Theater veranstalten? Ich steh’ absolut nicht drauf in aller Öffentlichkeit geschmust und abgeknutscht zu werden. Na ja, ich lass’ es über mich ergehen, damit sie zufrieden ist, und ich mehr Süßigkeiten kriege. Crabbe und Goyle, die blöden Trottel, hängen am Fenster rum und grinsen sich einen ab.
 

10.49
 

Werfe meinen Kaugummi nach Crabbe und Goyle (als Mutter grad nicht hinsieht). Er explodiert direkt vor Goyle’s Nase. Ha!
 

11.00
 

Wir fahren.
 

11.03
 

Wir fahren immer noch. Mir ist langweilig.
 

11.05
 

Hunger hab’ ich auch.
 

11.19
 

Das Praktische an Crabbe und Goyle ist, dass man ihnen alles dreimal erzählen kann und sie merken’s nicht. Wahrscheinlich sind sie so doof, dass sie’s immer gleich wieder vergessen haben. Oder sie sind so damit beschäftigt mir zuzustimmen, dass sie zum Zuhören gar keine Zeit haben.
 

11.23
 

Mir ist trotzdem langweilig. Ich ärgere den Uhu.
 

11.45
 

Endlich was zu Essen! Die Speisewagenhexe ist da. Wir futtern Pastete und versuchen den Uhu mit Schokofröschen voll zu stopfen. Aber er will sie nicht fressen, das Dummviech!
 

11.46
 

So ’n Hasenzahn taucht auf und sucht ihre Kröte. Wer hat denn heute noch Kröten? So was von out!
 

11.49
 

Warum will der blöde Uhu die blöden Schokofrösche nicht fressen?
 

11.51
 

Vielleicht sollt’ ich’s mal mit Zuckermäusen probieren.
 

11.52
 

Ich könnt’s aber auch lassen, nicht, dass er uns noch das ganze Abteil voll kotzt.
 

12.00
 

So, bin endlich satt. Zeit für einen kleinen Rundgang durch die Gemeinde. Größere – Größere – Noch mehr Größere – Kenn ich nicht – Kenn ich auch nicht, sind wahrscheinlich alles Mudblood Fratzen. Oh, Marcus Flint und seine Clique, denen sollte ich ’Hallo’ sagen, auch wenn es Größere sind – Noch mehr Größere – Weasleys, igitt! – ein Haufen kichernder Mädchen. Ich sollte ihnen meinen Uhu zeigen. Doofe Hufflepuffs. Wo sind die ganzen coolen Slytherins hin?
 

12.32
 

Beinah’ auf eine Kröte getreten. Ganz aus Versehen, natürlich. War leider schneller als mein Fuß, ist unter ein Rohr geschlüpft.
 

12.41
 

Endlich Slytherins gefunden. Waren damit beschäftigt, einen Erstklässler ins Klo zu tunken. Hab’ sie dann doch nicht angesprochen, weil ... mir eingefallen ist, dass ich was ganz Wichtiges zu erledigen hab’.
 

12.55
 

Wir hocken ein bisschen bei Theodore Nott und Blaise Zabini rum und gucken ihnen beim Go Spielen zu. Langweiliges Spiel. Im Abteil nebenan ist Pansy Parkinson soeben zum dritten Mal schlecht geworden. Sie liegt wie ein sterbender Schwan auf einem Haufen Kissen und seufzt theatralisch, während eine ganze Schar Mädels hektisch um sie rumwuselt, sie fächelt, und ihr was zu trinken bringt.
 

13.03
 

Ich überlege, ob mir auch schlecht werden soll. Schon merke ich, wie sich mein Magen verkrampft und mir ganz heiß wird.
 

13.07
 

Hören uns die neueste Gerüchteküche an. Zabini’s großer Bruder ist Slytherin Präfekt. Neville Longbottom hat auch eine Kröte verloren. Hosen sind Muggle und Bäh. Und Harry Potter ist hier irgendwo im Zug.
 

13.14
 

Hab’ beschlossen, dass mir nun doch nicht schlecht wird. Bei einem Jungen käme das vielleicht etwas peinlich. Außerdem, wenn ich will, dass Crabbe und Goyle mich fächeln und mir was zu trinken bringen, muss ich es ihnen einfach nur anschaffen.
 

13.58
 

Schauen wir mal weiter im Zug rum. Vielleicht sollte ich Harry Potter später noch einen Besuch abstatten? Wär’ doch passend, wenn wir Freunde werden.
 

Schließlich ist er fast ebenso berühmt wie ich...
 

* * *
 

Das Abteil, in welchem sich Harry Potter befinden sollte, war das Drittletzte des Zuges; Draco konnte nicht verstehen, warum. Jeder, der etwas auf sich hielt, versuchte doch so weit wie möglich nach vorn zu kommen. Wie es schien, brauchte Harry Potter ein wenig Image Beratung oder Benimm-Nachhilfe, und er war natürlich wie immer gern bereit, sein Wissen und seine Erfahrung an weniger Privilegierte weiterzugeben.
 

Draußen war die Sonne bereits untergegangen. Der Himmel glühte in einer gespenstischen Mischung aus Rot und Violett, und in den Gängen und Abteilen flackerten die magischen Öllampen auf. Eine seltsame Unruhe hatte den Zug ergriffen, überall rannten Schüler auf und ab, und traten sich gegenseitig auf die Roben. Draco beachtete sie nicht weiter, Crabbe und Goyle würden schon dafür sorgen, dass ihm niemand in die Quere kam.
 

Genau wie seine beiden Begleiter, welche in dem engen Korridor einen halben Schritt hinter ihm blieben, trug er bereits seine Hogwarts Schulkleidung. Er war lange, fließende Roben gewohnt und hatte keinerlei Probleme sich darin richtig zu bewegen. Ein Blick (oder auch zwei...) in den Spiegel der Fensterscheibe verrieten ihm, dass sein Umhang perfekt saß und im passenden Rhythmus seiner Schritte hinter ihm herflatterte. Noch zeigte das Emblem auf seiner Brust alle vier Wappentiere, doch das würde sich in wenigen Stunden ändern.
 

Er schob die Abteiltür auf und trat, gefolgt von Crabbe und Goyle, ein.
 

Dann blinzelte er verwirrt. Vor ihm auf dem beigefarbenen Sitzpolster hockte doch tatsächlich kein anderer als der Struwwelpeter aus Madam Malkin’s. Das Gestrüpp auf seinem Kopf stand wie gehabt in alle Richtungen ab und hinter den runden Brillengläsern funkelten die leuchtendgrünen Augen.
 

Schlangenaugen....
 

“Ist es tatsächlich wahr?“ Er trat einen Schritt näher. “Überall im Zug sagen sie, Harry Potter sitzt in diesem Abteil. Du also bist es, nicht?“
 

“Ja.“ Harry Potter’s Blick streifte ihn nur kurz, um dann an seinen Begleitern hängen zu bleiben. Ein misstrauisches Stirnrunzeln huschte über seine Gesichtszüge.
 

“Oh, das ist Crabbe und das ist Goyle,“ stellte Draco die beiden vor. “Und mein Name ist Malfoy, Draco Malfoy.“
 

Natürlich hatte er auf eine Reaktion gewartet, der Name Malfoy war in Zaubererkreisen schließlich nicht gerade unbekannt. Die Reaktion kam auch, allerdings nicht von Potter, welcher offensichtlich mehr als nur ein wenig Benimm-Nachhilfe nötig hatte. Sie kam von dem zweiten Insassen des Abteils, einem schlaksigen, sich mit Süßigkeiten voll stopfenden Rotschopf, dem Draco bisher keine Beachtung geschenkt hatte.
 

Der Rotschopf hustete. Man brauchte keinen Kennerblick, um hinter seiner vorgehaltenen Hand das schlecht verborgene Kichern zu erkennen. Draco musterte ihn verächtlich, sein Blick glitt über das sommersprossige Gesicht, die schmutzige Nase, die alte vom Waschen gebleichte Schuluniform. Secondhand, sogar ein geflickter Riss in der Robe. Und zu kurz obendrein. Jämmerlich.
 

“Du findest meinen Namen also witzig, hm? Wer du bist, brauch’ ich gar nicht erst zu fragen. Mein Vater sagt, die Weasleys haben allesamt rote Haare, Sommersprossen, und mehr Kinder, als sie sich leisten können.“
 

Das verschlug dem Rotschopf die Sprache. Beschämt schlug er die Augen nieder und Draco konnte sich endlich wieder seinem Gesprächspartner zuwenden.
 

“Du wirst schon bald merken, dass einige Zaubererfamilien sehr viel besser sind als andere, Potter. Du willst dich doch nicht mit den Falschen anfreunden.“
 

Er streckte ihm die Hand entgegen. “Ich kann dir dabei behilflich sein.“
 

Aber Harry Potter ergriff sie nicht. Irgendetwas passte hier nicht zusammen.
 

Einen kurzen Moment lang wandte Potter den Blick ab, sah zu dem rothaarigen Weasley hinüber, welcher immer noch in seiner abgetragenen Flickenrobe da hockte und schweigend in den Boden starrte. Als er seine Augen wieder auf Draco richtete, hatten sie sich verengt, und ein wütendes Funkeln erleuchtete das tiefe Grün. “Ich glaub’, ich weiß selbst, wer die Falschen sind, vielen Dank auch,“ entgegnete er kühl.
 

Draco stand wie erstarrt. Im ersten Augenblick glaubte er, sich verhört zu haben. Hatte dieser unverschämte Kerl soeben tatsächlich seine Freundschaft ausgeschlagen? Das hatte noch keiner gewagt! Diese ... Impertinenz würde Potter ihm büßen müssen. Die Wischmoppvisage würde noch vor ihm am Boden kriechen und um Gnade winseln. Davor würde er sorgen!
 

“Ich wär’ an deiner Stelle vorsichtig, Potter,“ zischte er. “Wenn du nicht etwas höflicher bist, endest du noch genauso wie deine Eltern. Die wussten nämlich auch nicht, was gut für sie war. Wenn du weiter mit solchem Gesocks wie den Weasleys und diesem Hagrid rumhängst, färbt das nämlich auch auf dich ab.“
 

“Sag’ das noch mal.“ Wischmopp und Flickenrobe waren gleichzeitig aufgesprungen, die Hände zu Fäusten geballt.
 

Es sah nicht besonders eindrucksvoll aus. Vielleicht hätte er sogar darüber lachen können, wäre er nicht so entsetzlich wütend gewesen.
 

“Oh, ihr wollt euch mit uns schlagen, hm?“ höhnte er. Im Hintergrund verzogen Crabbe und Goyle drohend die Mienen und knackten mit ihren Knöcheln.
 

“Es sei denn, ihr verschwindet sofort.“ Schützend stellte sich Potter vor sein Anhängsel. Für jemanden, der in wenigen Minuten ein neues Gesicht verpasst bekommen würde, nahm er den Mund reichlich voll.
 

Draco zog spöttisch die Mundwinkel nach oben. “Aber wir haben noch keine Lust zu gehen, stimmt’s, Jungs? Wir haben unser ganzes Essen schon aufgegessen und bei euch scheint’s noch was zu geben.“
 

Mit einem Kopfnicken deutete er auf die Süßigkeiten, die überall im Abteil verstreut herumlagen. Goyle fackelte auch nicht lange, sondern griff mit gierigem Gesichtsausdruck zwischen die bunten Papiere.
 

Und schrie vor Schmerzen auf. An seinem Finger baumelte ein Etwas, ein kleines Fellbündel. Was immer es sein mochte, Draco wollte es lieber nicht herausfinden. Die Zeit war reif für einen taktischen Rückzug. Die Stunde seiner Rache würde schon noch kommen und seine Rache würde fürchterlich sein.
 

Harry Potter hatte sich heute einen Feind geschaffen.
 

* * *
 

Monday, September 2nd
 

Potter ist doch tatsächlich in Gryffindoof gelandet. So ein Loser! Aber so wie der sich aufführt, war’s nicht anders zu erwarten. Jetzt kann er rumrennen und sich toll vorkommen. Unser Präfekt sagt, die Gryffindödel sind die schlimmsten Angeber, die man sich vorstellen kann. Und er hat Recht.
 

Der Unterricht hier ist ein Witz. Unser Verteidigung-gegen-die-Dunklen-Künste-Prof kriegt kaum zwei zusammenhängende Worte raus, der von Betörungsmagie ist eine Kreuzung zwischen einem Hauself und einem Wichtelmännchen, und in magischer Geschichte haben wir einen Geist. Einen Geist! Vater sagt, es ist ein wahres Wunder, dass an dieser heruntergekommen Anstalt überhaupt noch normale Zauberer unterrichten. Mein einziger Lichtblick an diesem ganzen ätzenden Tag war die Astronomiestunde.
 

Oh Mutter, warum hast du mich nicht nach Durmstrang gehen lassen?
 

Tuesday, September 3rd
 

Der Uhu bringt Kuchen. Weil ich schon so satt bin, dürfen Vince und Greg das meiste davon essen. Pansy kriegt nichts, weil sie mich gestern mit ihrem dummen Gekicher genervt hat.
 

McGonagall hat mir doch tatsächlich fünf Punkte für Slytherin gegeben, weil ich ihr den Unterschied zwischen einem Verwandlungszauber und einem Betörungszauber erklären konnte. Ganz schön dumm, wo sie doch Hausvorstand von Gryffindoof ist. Und ich hatte nicht mal ’ne Ahnung, wovon ich überhaupt rede.
 

Ich hasse Kräuterkunde. Man wird dabei dreckig.
 

Wednesday, September 4th
 

Hab’ einen Spitznamen für Potter und Weasley erfunden: Potty und das Weasel. Ganz schön clever, nicht?
 

Auch Nott und Zabini waren begeistert. Ich wollte ihnen erzählen, was ich mir sonst noch für tolle Spitznamen ausgedacht hab’, aber da fiel Blaise plötzlich ein, dass er seinen Essay für Sprout noch nicht fertig hat, und Theodore musste ganz dringend einen Brief losschicken.
 

Hab’ das Miano immer noch nicht ausgepackt. Hoffe, Mutter vergisst es einfach.
 

Thursday, September 5th
 

Endlich bringt der dumme Uhu mir wieder ein paar Süßigkeiten. Ich dachte schon, Mutter hätte mich vergessen. Der Uhu mag immer noch keine Schokofrösche, aber Porridge futtert er weg wie nix. Am Gryffindooftisch hocken Potty und das Weasel und stopfen sich mit Toast voll. Vielleicht kriegt Potty ja einen Potbelly, das würde zu seinem Namen passen.
 

Und zu seiner potthässlichen Visage. Hab’ ich schon erwähnt, dass meine Wortwitze brillant sind? Ja, ich liebe sie auch.
 

Leider immer noch kein Brief von Vater.
 

Morgen haben wir endlich Zaubertränke, das ist das Fach, worauf ich mich schon die ganze Woche freue.
 

Friday, September 6th
 

Er. Ist. So. Cool.
 

Er ist der Inbegriff aller Coolness. Er ist einfach nur Wahnsinn. Das wusste ich schon am ersten Abend, als ich ihn da oben an der Hohen Tafel sitzen sah. Diesen nachtschwarzen Augen entgeht nichts. Und wie er sich immer gedankenverloren übers Kinn streicht! Und wie schafft er es immer nur, dass sich seine Roben so perfekt auffächeln, wenn er sich auf dem Absatz herumdreht? Whoosh! Ich will das auch können!
 

Aber das Beste war, wie er heute Potter fertig gemacht hat! Harry Potter – unsere neue Berühmtheit. Niemand kann das mit soviel Sarkasmus sagen wie er. Tut – tut, wie es scheint, ist Ruhm eben doch nicht alles. Und das Potty ist knallrot geworden, hat in den Boden gestarrt, und für den Rest der Stunde keinen Piep mehr von sich gegeben. Yes!!!
 

Da lohnt es sich doch, ein Fach zusammen mit den Gryffindoofköpfen zu haben. Das wird so genial! Und ich bin auch noch auf dem besten Weg, sein Lieblingsschüler zu werden. Der ganzen Klasse hat er gezeigt, wie perfekt ich meine gehörnten Nacktschnecken geschmort habe! Ich bin ein Vorbild, hat er gesagt.
 

Besser hätte das alles gar nicht laufen können. Na ja, ich werd’ jetzt erstmal ein bisschen durch den Gemeinschaftsraum stiefeln und Robenfächeln üben. Whoosh!
 

Er hat mir übrigens Grüße an Vater aufgetragen. Wusste ja gar nicht, dass die beiden sich kennen.
 

* * *
 

Malfoy Manor, May 1991
 

Es mochte gut zehn Jahre her sein, dass er das Anwesen zum letzten Mal betreten hatte, aber alles war noch genauso wie in seiner Erinnerung. Das schmiedeeiserne Tor, die riesigen Parkanlagen, die Allee aus Magnolienbäumen, welche die Straße zum Haupthaus säumte. Um diese Jahreszeit blühten sie noch nicht, aber winzige schimmernde Knospen verbargen sich bereits zwischen ihren grünen Blättern.
 

“Master Snape, Sir, bitte einzutreten, Sir, Dobby wird Master Malfoy sogleich Bescheid geben...“
 

Lucius wartete in der Bibliothek auf ihn. Vertieft in einen ledergebundenen Wälzer saß er auf dem Canapé, entspannt ins Sitzpolster zurückgelehnt, die Beine übereinander geschlagen. Da es ziemlich warm war, hatte er die kreuzförmigen Schnürungen seines Hemdes gelöst, und fächelte sich mit einer Hand Luft zu, während sich seine Brust in tiefen entspannten Atemzügen hob und senkte.
 

“Ah, Severus. Ich freue mich, dass du meiner Einladung Folge leisten konntest. Möchtest du deinen Tee hier nehmen, oder lieber im Salon?“
 

“Wie es dir beliebt, Lucius.“
 

Seine Stimme – seine ganze Art, war immer noch diejenige eines Mannes, der sich nichts anmerken ließ. Die Aurori hätten ihn inmitten einer ganzen Stadt toter Muggles aufgreifen können, den rauchenden Zauberstab noch in den Händen, und er hätte nichts weiter getan, als seine Augenbrauen zu heben und ihnen zu versichern, er habe keine Ahnung, was er hier tue und wie er überhaupt hierher gekommen war.
 

Und sie hätten es ihm geglaubt. Ja, das hätten sie.
 

Es war die richtige Entscheidung gewesen, nicht gegen diesen Mann auszusagen. Seltsam, dass es ihm ausgerechnet in diesem Moment klar wurde, wo Lucius doch nichts weiter tat als ihn zu begrüßen wie einen alten Freund.
 

Und nur gut, dass es Dumbledore schon zehn Jahre früher klar gewesen war.
 

Lucius klatschte in die Hände und ein niedriges Tischchen erschien vor ihnen, bereits komplett gedeckt mit Keksen, Kuchenstücken, und einer Kanne dampfenden Tees. Einen Augenblick lang befiel Severus Panik, auch wenn er genau wusste, dass sein alter ’Freund’ niemals so dumm wäre, ihm hier etwas anzutun.
 

Nicht, dass Lucius dazu überhaupt einen Grund gehabt hätte. Offiziell waren sie beide Unschuldige, die vor langer Zeit in eine etwas missliche Lage geraten waren. Es war ihnen jedoch gelungen, sich aus dieser Lage zu befreien und in ein normales Leben zurückzukehren. Würde Lucius heute endlich das Schweigen brechen und auf die Geschehnisse der Vergangenheit zurückkommen?
 

“Ich hatte natürlich einen Grund, dich einzuladen,“ begann Lucius schließlich, nachdem der üblichen Höflichkeiten Genüge getan war. Genau genommen kam er sogar außergewöhnlich schnell auf den Punkt; Severus hatte mit weitaus längeren Gesprächen über Nichtigkeiten gerechnet. Es bestand immerhin die Möglichkeit, dass Lucius ihn für einen Verräter hielt. Aber dann, war er das nicht selbst? Keiner von beiden hätte wirklich sagen können, wo der andere stand, und keiner wäre unvorsichtig genug gewesen, zuviel über die eigene Position zu verraten. Zwar hatte Severus mit dem Gedanken gespielt, ein wenig über die guten alten Zeiten zu plaudern und Loyalität zu heucheln, aber er hatte diesen Gedanken schnell wieder verworfen. Solange der Dunkle Lord machtlos und möglicherweise tot war, würde Lucius sich nicht zu ihm bekennen, und für jemanden, der dies in einer solchen Situation tat, hätte er allenfalls ein müdes Lächeln übrig. Nein, es war besser darauf zu warten, ob Lucius von sich aus auf das Thema zu sprechen kam.
 

“Sieh nach draußen, Severus.“ Lucius deutete auf das große Flügelfenster zu seiner Rechten, welches den Blick in die Parkanlagen freigab. Hinter einer Gruppe von Bäumen lag das Malfoy’sche Quidditchfeld. Severus hatte sich oft gefragt, ob es jemals genutzt wurde, denn Lucius hegte nur ein sehr geringes Interesse an diesem Sport. Vermutlich war es eher eine Prestigesache, dass zu einem prächtigen Anwesen eben auch ein Quidditch Pitch gehörte.
 

Aber wie es schien, gab es tatsächlich einige Dinge, die sich inzwischen geändert hatten. Bälle sausten über die Wipfel, gefolgt von einer Schar Kindern auf Besen. Es mochten vier oder fünf Jungen sein – das Mädchen unter ihnen war nicht auszumachen – und sie jagten mit halsbrecherischer Geschwindigkeit in die wolkigen Höhen, nur um im nächsten Moment wieder unter dem Dach der Baumwipfel zu verschwinden.
 

“Du erlaubst doch?“ Mit Hilfe seines Zauberstabes zog Severus einen magischen Kreis vor sich in der Luft, welcher es ihm gestattete, die ganze Szenerie aus der Nähe zu betrachten. Einer der Jungen fiel ihm besonders auf; sein hellblonder Schopf hob sich deutlich gegen das tiefe Blau des Himmels ab, als er mit einem der Bälle unter dem Arm auf die drei Ringe zujagte. Er war ein sicherer Flieger; es bereitete ihm keinerlei Mühe, den Angriffen der anderen auszuweichen und den Ball an ihnen vorbei ins Ziel zu bringen.
 

Severus zoomte noch ein wenig näher heran, und sah sich unerwartet mit einer jüngeren Version von Lucius konfrontiert. Dieselben spitzen Gesichtszüge, dieselben kühlen grauen Augen, lediglich der Ausdruck darin schien ihm ein wenig ungewohnt. War Lucius jemals so ungezwungen einem Spiel nachgegangen? Damals in der Schule schon, hatte er wie ein kleiner Erwachsener gewirkt, und das obwohl der Altersunterschied zwischen ihnen gerade einmal zwei Jahre betrug.
 

“Es wäre schön, wenn Draco sich seinen Büchern mit demselben Eifer widmen würde,“ sagte Lucius mit einem Hauch von Missbilligung in seiner Stimme.
 

Draco. Bei der Nennung dieses Namens lief Severus ein leiser Schauer über den Rücken; wusste er doch nur allzu gut, zu wessen Ehren Lucius seinem Erstgeborenen den lateinischen Namen für Drache, beziehungsweise Schlange gegeben hatte. Lucius war ein Meister subtiler Andeutungen, er konnte die Dinge beim Namen nennen, ohne sie wirklich auszusprechen.
 

“Dein Sohn wird dieses Jahr eingeschult, nicht wahr?“ fragte Severus, obwohl er die Antwort bereits kannte. Deshalb hatte Lucius ihn also eingeladen, er wollte nicht über die Vergangenheit sprechen, sondern über die Zukunft. “Wirst du ihn nach Hogwarts schicken?“
 

“Narcissa besteht darauf.“ Diesmal war es mehr als nur eine Spur von Missfallen und Severus fragte sich, wie es Narcissa Lestrange gelungen sein mochte, Lucius in einer solch wichtigen Sache die Entscheidung abzunehmen. Vielleicht war er ihr etwas schuldig, immerhin hatte er sie gezwungen, sich öffentlich von ihrer Familie loszusagen.
 

Andererseits hatte es ihr nur Vorteile gebracht; sie lebte hier in Saus und Braus, während ihr Vater, ihre Schwester und deren Ehemann in Azkaban vor sich hinschmachteten.
 

“Nun, Severus, ich vermute, du weißt aus erster Hand, dass es mit Hogwarts ... nun, sagen wir mal nicht zum Besten steht. Zwar werde ich ab diesem September den Vorsitz des Elternbeirats übernehmen – die erforderlichen Schritte sind bereits in die Wege geleitet – aber auch ich kann keine Wunder bewirken. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Draco in dieser Schule Einflüssen ausgesetzt sein, die sich für seine weitere Entwicklung als schädlich erweisen könnten. Meine Aufgabe als sein Vater ist es nun, diese Einflüsse möglichst gering zu halten.“
 

Severus’ Miene hatte sich nicht verändert, lediglich der Ansatz eines gequälten Lächelns war über seine Lippen gehuscht, als Lucius die Zustände in Hogwarts bemängelt hatte. “Natürlich kannst du auf meine Hilfe zählen,“ versicherte er und überlegte dabei wie lange es dauern würde, bis Dumbledore’s Name ins Spiel kam. Zu Anfang hatte Lucius es noch nicht gewagt, einen der ’Helden der magischen Welt’ öffentlich anzugreifen, doch in letzter Zeit war er kühner geworden. Nicht alles, was Dumbledore tat, stieß in der Öffentlichkeit auf Zustimmung, und genau dort konnte man einhaken.
 

“Ich denke, wir können mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass Draco in Hogwarts unter deiner Obhut sein wird, Severus.“
 

Lucius trat auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Schulter. “Es wird also an dir liegen, mein alter Freund, weiterzuführen, was ich begonnen habe, und ihn sorgfältig in den Normen und Werten unseres Standes zu erziehen.“
 

* * *
 

Saturday, September 7th, 1991
 

Endlich frei. Hocke mit den anderen im Gemeinschaftsraum rum, und erzähle ihnen wie toll es ist, ein Malfoy zu sein. Pansy futtert Kuchen, hab’ beschlossen, dass sie diesmal welchen kriegt. Aber Crabbe kriegt keinen, auf den bin ich grad mächtig sauer. Weiß bloß nicht mehr warum, aber eigentlich ist es auch egal.
 

Millicent Bulstrode sitzt direkt am Fenster, sie stiert raus zu den Fischen und guggt ihnen beim Schwimmen zu. Wenn sie plötzlich anfängt, komische Auf und Ab Bewegungen mit dem Mund zu fabrizieren, dann wird’s allmählich Zeit, sich Sorgen zu machen.
 

Ich bin beinahe mit meinen Ausführungen fertig und will grad wieder von vorne anfangen, als Nott und Zabini mich darauf aufmerksam machen, dass Longbottom was Fieses über meine Frisur gesagt hat. Schade, sie haben sich sicher schon darauf gefreut, mir weiter zuzuhören, aber jetzt muss ich losziehen und der Dumpfbacke ’ne Lektion erteilen. Oder besser gesagt, Crabbe und Goyle müssen ihm eine Lektion erteilen, und ich muss dabei zugucken.
 

Hab grad beschlossen, dass ich nicht mehr sauer auf Vince bin.
 

Sunday, September 8th
 

Mache meine restlichen Hausaufgaben und schreibe einen Brief an meine Eltern. Die Bibliothek ist riesig, man könnte sich drin verlaufen. Aber an die Bücher, die ich am meisten lesen will, darf ich nicht ran, ohne Erlaubnis.
 

Ist genau wie daheim.
 

Nächste Woche sind die Quidditch Tryouts, aber als Erstklässler darf man sich noch nicht für sein Team bewerben. Bescheuerte Regel! Vater soll sie ändern, wozu ist er schließlich im Elternbeirat?
 

Monday, September 9th
 

Der Tag fängt schon mal gut an: Mutter hat das Miano nicht vergessen, ich hab’ jetzt zweimal die Woche Musikunterricht. Und das bei dem ganzen Stress, den ich sowieso schon hab’. Das ist so was von unfair! Ich hab’ doch Wichtigeres zu tun, als das blöde Ding zu zupfen. Pling! pling! Viel lieber würde ich Quidditch spielen.
 

Vielleicht sollte es ganz zufällig kaputt gehen. Aber das bringt nichts, Vater würde mir einfach ein neues kaufen.
 

Die Gryffintrottel haben jetzt Verwandlung. Vielleicht sollte ich Potter abpassen und ihm auch eine Lektion erteilen?
 

Tuesday, September 10th
 

Endlich einen Brief von Vater bekommen. Er rät mir, nicht überall herumzuplärren wie sehr ich Potter hasse, er ist schließlich der Junge, der lebt und der Held der Zaubererwelt, bla bla bla. Toll. Will er mir das einzige Vergnügen nehmen, das man in diesem Saftladen noch hat, außer den Uhu ärgern und Crabbe und Goyle auf sinnlose Botengänge schicken? Das macht alles überhaupt keinen Spaß.
 

Er hat mir außerdem was für Filch mitgeschickt. Ich wollte in die Schachtel reinspitzen, aber sie ist magisch versiegelt.
 

Hab’ mir die Quidditch Tryouts angesehen. Sie waren ein totaler Witz, da unser Team gar keine neuen Leute braucht. Aber Flint verriet mir, dass sie die alten Leute rauskicken, falls neue auftauchen, die’s besser können.
 

Wednesday, September 11th
 

Will Kuchen. Uhu, bring welchen!
 

Magische Geschichte war wieder mal stinklangweilig, also die perfekte Zeit zum Pläneschmieden. Wir überlegen, was wir tun können, damit Potter von der Schule fliegt. Vielleicht sollten wir ihm ein bisschen Firewhiskey in seine Tasche schmuggeln und ihn dann bei McGonagall anschwärzen? Greg’s Plan ist auch nicht schlecht, er meint, wir sollten ihn heimlich von einer Zinne runter schubsen, dann wär’n wir ihn endgültig los.
 

Oder wir sperren ihn in den Verbotenen Korridor im 3. Stock. Wenn wir sehr viel Glück haben, tritt genau das ein, was unser verlauster Direx prophezeit hat, er wird einen qualvollen Tod erleiden. Das wär’ doch was.
 

Thursday, September 12th
 

Haben heute unsere erste Flugstunde. Mit den Gryffindödeln. Das hab’ ich eigentlich gar nicht nötig, aber so kann ich wenigsten allen zeigen, wie gut ich schon bin.
 

Außerdem ist mir heute Nacht endlich der perfekte Plan eingefallen, um Potter loszuwerden...
 

* * *
 

Draco Malfoy’s erster Plan um dafür zu sorgen, dass Harry Potter von der Schule flog, war natürlich – wie das seine Pläne so an sich hatten – brillant und unfehlbar, und sollte während der ersten Flugstunde in die Tat umgesetzt werden. Alles was er zur Ausführung brauchte, war eine Gelegenheit, Potter zum richtigen Zeitpunkt auf einen Besen zu locken und ihn dann bei der Fluglehrerin anzuschwärzen.
 

Und die Gelegenheit kam...
 

“Nein, Mr. Malfoy, Sie dürfen ihr Handgelenk nicht so verkrümmen, dadurch belasten Sie es nur unnötig. Sehen Sie ... ganz locker, nicht verkrampfen. Unsere Besen merken, wenn wir Angst vor ihnen haben.“
 

’Angst? Ich und Angst?’ hätte Draco am liebsten losgeschimpft. ’Ich sitz’ schon auf einem Besen, seit ... seit bevor ich laufen kann, du olle Schrulle!’
 

Aber natürlich sagte er das nicht. Stattdessen senkte er fügsam den Blick, ließ ein braves “Ja, Madam Hooch,“ ertönen, und begnügte sich damit, der Fluglehrerin von hinten eine Grimasse zu schneiden, als sie weiterging um sich dem nächsten Schüler zuzuwenden. Einige Slytherins lachten pflichtbewusst, aber trotzdem konnte sich Draco des Verdachts nicht erwehren, dass nicht allein seine Grimasse der Grund für ihre plötzliche Heiterkeit war.
 

Er hob den Kopf und seine Augen verengten sich zornig, als er das schadenfrohe Grinsen auf Potter’s Gesicht sah. Dieser Trottel konnte ja nicht einmal fliegen; wetten dass dieses Muggleblag noch nie einen Besen aus der Nähe gesehen hatte? Er würde es ihm schon noch zeigen.
 

“Also, sobald ich pfeife, stoßt ihr euch vom Boden ab, und zwar richtig,“ Madam Hooch’s gebieterische Stimme riss Draco aus seinen Gedanken. “Ihr haltet den Besen grade, steigt ein paar Fuß nach oben, und kommt dann wieder runter indem ihr euch ein Stück nach vorn lehnt. Auf meinen Pfiff – drei – zwei...“
 

In diesem Moment stieg ein einzelner Besen nach oben, und schlingerte haltlos in der Luft herum. Natürlich wieder einmal Longbottom, die alte Dumpfbacke. Man mochte nicht glauben, dass dieser Blödmann tatsächlich aus einer reinblütigen Familie stammte.
 

“Komm runter, Junge! Komm da sofort wieder runter!“
 

Mit Sicherheit war da irgendwo ein Troll dazwischen geraten.
 

“Aaaaah!“
 

Oder vielleicht ein Goblin?
 

“Aaaaah!“
 

Ein Hauself? Das würde definitiv seine Feigheit und seine hässliche Visage erklären.
 

“Oh je, ein gebrochenes Handgelenk. Nicht so schlimm, mein Junge, kommen Sie, stehen Sie auf.“
 

Mit Mühe verbiss sich Draco das Lachen; erst als Madam Hooch eine heulende und schniefende Dumpfbacke in Richtung Krankenflügel abgeschleppt hatte, prustete er los: “Habt ihr sein Gesicht gesehen? Dieses Weichei!“
 

“Halt die Klappe, Malfoy,“ kam es von irgendwoher aus den Reihen der Gryffindors, doch er brauchte sich gar nicht zu bemühen, Pansy brachte die Nervensäge schon zum Schweigen. Wozu waren Lakaien schließlich da?
 

Vor ihm im Gras glitzerte etwas. Mit einer schnellen Bewegung bückte er sich und hob den Remembrall auf, den die Dumpfbacke heute Morgen mit der Post gekriegt hatte. “Schaut mal, da ist das blöde Ding von Longbottom’s Oma!“
 

“Gib das her, Malfoy!“
 

Strike!
 

Mit einem Mal verstummte das Lachen und Schwatzen der anderen, um sie herum war es mäuschenstill geworden. Alle Augen wandten sich den beiden Kontrahenten zu. Draco widerstand der Versuchung, sich sofort umzudrehen um den Anblick von Potter’s wutentbranntem Gesicht zu genießen. Stattdessen wartete er einen Augenblick ab und betrachtete mit versonnenem Blick den Glitzerball in seiner Hand. “Ich denke, ich versteck’ ihn irgendwo, und lass Longbottom danach suchen ... wie wär’s mit ... einem Baum?“
 

“Gib’s her, Malfoy!“ schrie Potter, doch Draco war bereits mit einem Satz auf den Besen gesprungen, und stieß sich kräftig vom Boden ab. Er schoss wie ein Pfeil in die Luft und wendete seinen Besen erst, als er etwa die Höhe des nahe liegenden Eichbaumwipfels erreicht hatte. Hämisch grinsend schaute er auf Potter’s winzige wütende Gestalt hinunter. “Komm und hol’s dir, Potter!“
 

Potter griff nach seinem Besen. “Nein!“ schrie eins der Gryffindor Mädchen. “Madam Hooch hat gesagt...“
 

Na los, Potter, worauf wartest du noch? Flieg von der Schule, oder fall wenigstens vom Besen und brich dir das Genick!
 

Verdammt, der Kerl konnte fliegen. Was war das, wieso konnte der fliegen, das war doch seine erste Unterrichtsstunde?
 

Fassungslos starrte Draco der immer näher kommenden Gestalt entgegen. Mit Leichtigkeit dirigierte Potter seinen Besen in die Höhe, als habe er sein Lebtag nichts anderes getan. Es schien ihm sogar Spaß zu machen; seine wutschnaubende Miene wich einem Lächeln, während er sein Gesicht dem Himmel zuwandte, und Haare und Umhang im Flugwind flattern ließ.
 

Blöder Angeber!
 

Eine plötzliche Panik befiel Draco, als Potter seinen Besen in der Luft herumriss und nur wenige Yards entfernt von ihm zum Stehen brachte. “Gib’s her, Malfoy!“ rief er ein drittes Mal, “oder ich schubs’ dich von deinem Besen!“ Unwillkürlich umklammerte Draco seinen Besenstil fester; mit aller Kraft darauf bemüht, sich bloß nichts anmerken zu lassen. “Tatsächlich?“ fragte er zurück und stellte mit Erleichterung fest, dass seine Stimme nicht zitterte.
 

Im nächsten Moment kam Potter wie ein Pfeil auf ihn zugeschossen. Die Druckwelle allein hätte ausgereicht, um Draco’s Besen kräftig ins Schwanken zu bringen, nur seinen guten Reflexen hatte er es zu verdanken, dass ihm gerade noch rechtzeitig ein Ausweichmaneuver gelang. Potter sauste so dicht an ihm vorbei, dass er den Schlag eines Umhangs zu spüren glaubte, und kam mit einer schneidigen Kehrwendung zum Stehen. Die Menge unter ihnen tat dem Gryffindor mit diversen ’Ahs’ und ’Ohs’ ihre Bewunderung kund, einige klatschten sogar.
 

Das war ja echt nicht mehr auszuhalten!
 

“Kein Crabbe und Goyle hier oben um dir den Hals zu retten!” rief Potter mit triumphierendem Blick.
 

Draco wog seine Chancen ab. Je länger er hier oben herumgondelte, desto größer war die Chance, dass Madam Hooch oder einer der anderen Lehrer davon Wind bekamen. Selbst wenn er aus diesem Katz und Maus Spiel als Sieger hervor ging, was hatte er davon, wenn er von der Schule flog? Die Lehrer sollten Potter sehen, nicht ihn.
 

“Fang’s doch, wenn du kannst!“ schrie er und warf den kleinen Glitzerball so hoch wie möglich in die Luft, bevor er gemächlich zum Boden zurückschwebte.
 

Potter jagte dem Remembrall hinterher, als wäre er ein kleiner Hund, der ein Stöckchen zurückbringen sollte. Ohne jede Vorsicht preschte er zwischen den Burgzinnen hindurch, achtete gar nicht auf Lehrer oder weitere mögliche Beobachter, alles was zählte, war das Ziel vor Augen. Er war zu weit weg, als dass man sein Gesicht noch hätte erkennen können, aber Draco würde darauf schwören, dass es diesen angespannten eindringlichen Blick hatte, den er immer im Unterricht aufsetzte, wenn er sich konzentrierte. Nicht, dass der ihm groß was genützt hätte, er hatte seine Brandblasenlotion ohnehin verbockt.
 

Du kriegst ihn nicht, du kriegst ihn nicht, dukriegstihnnicht...
 

Potter schoss jetzt senkrecht nach unten, folgte dem Remembrall an der Burgmauer entlang, während seine ausgestreckte Hand sich immer weiter dem Ball annährte. Noch zehn Fuß ... noch fünf ... noch zwei ... und schnapp!
 

So ein Mist aber auch!
 

“HARRY POTTER!”
 

Nein, doch nicht Mist! Strike!
 

“Niemals ... in all meinen Jahren in Hogwarts ... wie können Sie es wagen ... Sie hätten sich den Hals brechen können!“
 

So schade, dass er’s nicht getan hat.
 

“Potter, kommen Sie sofort mit!“
 

Das war’s dann für den Held der Zaubererwelt ... winkewinke...
 

Draco Malfoy’s zweiter Plan um dafür zu sorgen, dass Harry Potter von der Schule flog, hätte eigentlich gar nicht ungesetzt werden sollen, denn er war nur zur Reserve gedacht. So für den Fall, dass irgendein unvorgesehener Umstand den ersten trotz all seiner Brillanz und Unfehlbarkeit zunichte machen sollte. Alles, was er dazu brauchte, war eine Gelegenheit, Potter zum falschen Zeitpunkt aus seinem Bett zu locken, und ihn dann beim Hausmeister anzuschwärzen.
 

“Henkersmahlzeit, Potter? Wann nimmst du den Zug zurück zu den Muggles?“
 

“Du bist sehr viel mutiger, jetzt wo wir auf dem Boden sind und du deine kleinen Freunde bei dir hast.“
 

“Ich kann’s jederzeit mit dir allein aufnehmen. Heute Nacht, wenn du willst…”
 

Am nächsten Morgen brauchte Draco Malfoy einen dritten Plan um dafür zu sorgen, dass Harry Potter von der Schule flog.
 

* * *
 

.......................................................................................…………………………………………………Friday, September 20th
 

Lieber Vater,
 

Etwas ganz Unerhörtes ist passiert. Potter hat mit der Post einen Besen bekommen. Nicht irgendeinen Besen, einen Nimbus 2000 obendrein. Das ist doch verboten! Natürlich hab’ ich sofort gemeldet, dass hier ein Regelverstoß vorliegt, aber Flitwick meinte nur etwas von besonderen Umständen. Dann bin ich gleich zu Professor Snape gegangen, aber er meinte, dass man da nichts machen kann.
 

Kannst du nicht etwas machen? Ich meine, du bist schließlich Vorsitzender vom Elternbeirat. Und es geht doch nicht, dass Potter einfach so einen Nimbus 2000 kriegt.
 

Potter kriegt sowieso so viele Extrawürste, alle denken, dass er ach-so-toll wäre. Dabei ist er nur ein blöder kleiner Angeber mit einer hässlichen Narbe im Gesicht. Potter ist doof. Und hässlich. Und überhaupt.
 

In der Schule läuft alles gut, ich hab’ diese Woche schon wieder 5 Punkte für Slytherin bekommen. Sag’ Mutter einen schönen Gruß von mir. Ihr Zitronenkuchen war wieder ausgezeichnet.
 

In Liebe,

Dein Sohn Draco
 

P.S. Kann ich nicht auch einen Rennbesen haben? Einen noch besseren?
 

Der Junge hatte einfach keinen Stil, ihm fehlten Feinsinnigkeit und Raffinesse. Mit einem Seufzer faltete Lucius den Brief zusammen und legte ihn auf den wachsenden Stapel in einer der unteren Schubladen seines Schreibtisches. Draco schrieb mehre Male pro Woche, zumeist um sich über dieses oder jenes zu beschweren, seltener auch um von schulischen Erfolgen zu berichten. Die Briefe glichen einander wie ein Ei dem anderen. Mir passt dies nicht ... mir passt jenes nicht ... ich hasse Harry Potter...
 

Lucius schloss für einen Moment die Augen. Hatte er seinem Sohn nicht erst vor kurzem lang und breit erklärt, dass eine offene Feindschaft mit Harry Potter nicht unbedingt förderlich war? Es war ihm sehr zuwider, Dinge zweimal sagen zu müssen, aber dann, Draco war leider nicht der Hellste. Er verstand einfach nicht, worauf es ankam, hatte noch nie wirklich um etwas kämpfen müssen.....
 

* * *
 

Malfoy Manor, November 1988
 

In einer einzigen fließenden Bewegung drehte Lucius sich um die eigene Achse, zog dabei den Zauberstab dicht am Körper vorbei, um ihn schließlich mit der charakteristischen ruckartigen Drehung des Handgelenks gegen den Angriffszauber eines imaginären Gegners zu richten. Die Bewegungsabläufe dieser Form waren ihm Routine, er brauchte sich nicht wirklich zu konzentrieren. So konnte er aus den Augenwinkeln sehr schön sehen, was für eine Katastrophe sein Sohn neben ihm fabrizierte.
 

Draco hatte große Mühe das Gleichgewicht zu halten; sein Bogen war unnötig groß, und anstatt des Handgelenks drehte er gleich noch den halben Unterarm mit.
 

“Zweihundertsiebzig Grad, Draco, dein Gegner steht rechts von dir. Und halt den Zauberstab dichter am Körper. Bei so großen Bewegungen verlierst du unnötig Zeit. Und was hab’ ich dir übers Handgelenk erzählt?“
 

“Ich kapier’ das eh nicht,“ murrte Draco vor sich hin und ließ den Stab sinken. “Warum krieg’ ich nicht endlich einen echten Zauberstab, anstatt diesem dummen Stecken?“
 

“Dieses dummen Steckens,“ verbesserte Lucius automatisch und zog eine Augenbraue hoch. “Wie willst du überhaupt etwas zaubern, wenn du noch nicht einmal richtig sprechen gelernt hast? Zurück in die Ausgangsposition, wir machen es noch mal von vorn.“
 

“Konzentrier’ dich,“ ermahnte Lucius, als Draco neben ihm die Anfangstellung einnahm. “Schau nicht nach unten, die Beinarbeit muss automatisch funktionieren. Achte auf dein Ziel!“
 

Draco schwang den Stab nach links und fuchtelte wild damit herum. “Deflecto! Expelliarmus!“
 

Nur der drohende Verlust seiner Würde hinderte Lucius daran, sich die Haare zu raufen.
 

Im Grunde genommen bestand die ganze Form nur aus zwei Bewegungen, dem Entwaffnungszauber als Angriff und dem elementarsten Deflektorzauber als Abwehr. Einfacher ging es kaum mehr. Jeden Spruch für sich konnte Draco auch einigermaßen, nur in der Kombination warf er grundsätzlich alles durcheinander. Weil es ihm nicht gelang, seinen Geist zu fokussieren.
 

Lucius brauchte nur die gelangweilte Miene seines Sohnes zu betrachten, um zu erkennen, dass der Junge mit seinen Gedanken überall war, bei seinem Spielzeug, seinen Süßigkeiten, seinen dummen Kindereien – alles, nur nicht im Jetzt und Hier. Er hielt diese Übungen für Zeitverschwendung und Magie für etwas, das mit lautem Krach und bunten Funken zu tun hatte und wohl vor allen Dingen dazu diente, sich das Leben angenehmer zu gestalten...
 

“Der Spruch kommt erst im letzten Drittel der Drehung,“ setzte Lucius wieder zu einer Erklärung an, “du willst deinen Gegner schließlich nicht vorwarnen, was du tust. Du ziehst den Zauberstab von hinten nach vorne durch und der Flick kommt aus dem Handgelenk, Draco, nur aus dem Handgelenk. Jede unnötige Bewegung kostet dich Zeit.“
 

“Aber ich versteh’ immer noch nicht, was das soll.“ Fragend hob Draco den Kopf und blickte seinen Vater an. “In einem richtigen Kampf stellen sich die Gegner doch nicht so einfach in einer Reihe auf und warten drauf, dass ich sie fertig mache.“
 

“Nein, das natürlich nicht.“ Geradezu mühelos fuhr sein Zauberstab nach links und rechts, als er weitersprach. “Diese Formen sind natürlich stark ritualisiert. Aber je besser du sie beherrscht, desto besser kannst du die einzelnen Bewegungsabläufe später auch im Kampf einsetzen. Die Bewegungen müssen aus deinem Körper kommen, die Magie aus deinem Geist. So einfach ist das.“
 

Er führte die letzte Bewegung in die Gegenrichtung aus, so dass sein Zauberstab nun direkt auf Draco’s Kehle zeigte, und bemerkte mit Befriedigung wie der Junge erschrocken zusammenzuckte. “Die Kampfkunst ist die Kunst der Täuschung. Vergiss das nie.“
 

* * *
 

Wednesday, January 15th
 

1992 hat schon mal gut angefangen, ich hab endlich die Beinfessel hingekriegt. Dumpfbacke musste durchs halbe Schloss hopsen, bis er jemanden gefunden hat, der ihn wieder davon losmacht. Passt zu ihm, jetzt kann er mit seiner Kröte synchronwabbeln.
 

Saturday, February 22nd
 

Ich bring ihn um! Ich bring ihn echt noch mal um!
 

Nein, diesmal nicht Potter. (Den werd’ ich auch noch umbringen, aber alles zu seiner Zeit.) Ich mein’ dieses widerliche Weasel. Wir haben uns geprügelt, als die blöden Gryffintrantüten auch das zweite Spiel gegen Hufflepuff gewonnen haben, (Ja, Potter, dich werd’ ich auch noch umbringen!) und er hat mir ’n Veilchen verpasst. Das gibt Rache! Ich muss noch einen weiteren Plan schmieden, damit Weasley auch von der Schule fliegt.
 

Thursday, April 23rd
 

Unser Wildschw ...Wildhüter ist ja noch bescheuerter als ich dachte. Heute morgen beim Frühstück, hab’ ich was mitgekriegt (rein zufällig natürlich, hab’ schließlich Besseres zu tun, als mir den Blödsinn anzuhören, den Potty und das Weasel so verzapfen, aber das konnte man gar nicht überhören.) Sie haben sich nämlich mit diesem Schlammblut Gör mit dem sie neuerdings immer rumhängen gestritten, ob sie die erste Stunde schwänzen sollen, und ich konnte die Worte Hagrid und Ei und Schlüpfen aufschnappen.
 

Wenn ich Verwandlung bei der McGonagall blau mache, lässt die mich garantiert nachsitzen, also hab’ ich gewartet, bis es geläutet hat, und bin sofort losgerannt. Bei Kräuterkunde kann ich ruhig zu spät kommen, die Sprout wird mich höchstens vorwurfsvoll angucken und das juckt mich nicht.
 

Potter and sein Anhang waren schon da, als ich an der Hütte ankam. Sie waren drinnen um den Tisch versammelt und um etwas, das ich nicht sehen konnte, weil das fette Wildschwein war nämlich im Weg. Schließlich krachte und knisterte es (auf dem Tisch, nicht das Wildschwein) und dann hüpfte da ein hässliches schwarzes schleimiges Etwas herum.
 

Ein Drache? So sieht ein Drache aus? Hab’ ich mir anders vorgestellt. Na ja, der wird sicher noch größer.
 

Oder vielleicht auch nicht *fiesgrins*
 

Oh, ich glaub’ das Wildschwein hat mich gesehen. Schnell weg hier!
 

Tuesday, May 5th
 

Ich hab’ mich entschieden, das mit dem Drachen noch nicht sofort zu melden, es macht nämlich viel viel mehr Spaß der Potter Bande beim Sich-vor-Angst-in-die-Hosen-Machen zuzugucken. Die ganze Woche rennen sie jetzt schon mit besorgten Mienen rum, tuscheln und blicken sich ängstlich um, ob jemand mithört. Wenn Potter’s Blick dabei auf mich fällt, lächle ich ihn wissend und überlegen an. Dann kriegen seine Augen wieder dieses wütende Funkeln, als wolle er im nächsten Moment auf mich losstürmen und mich verprügeln.
 

Ich hoffe, er versucht es wirklich mal. Das wär’ für mich dann das Stichwort den Kessel hochgehen zu lassen.
 

Thursday, May 7th
 

Rache ist süßer als jeder Zitronenkuchen. Das Vieh hatte Bock auf etwas Weasel zum Nachtisch, und jetzt hängt der Kerl im Krankenflügel rum mit ’ner dicken fetten lilablassblau geschwollen Hand. Yes!!!
 

Woher ich das weiß? Na, weil ich natürlich da war. Hab’ der Pomfrey erzählt, ich will mir’n Buch von ihm borgen, so als Cover Story. Sie hat zwar etwas dubios geguckt – immerhin sind Slytherins und Gryffindoofköpfe ja nicht unbedingt dafür bekannt, dass sie sich gegenseitig Sachen ausleihen, aber am Ende hat sie’s doch geschluckt. Ich bin halt clever, ich kann so was.
 

Und ich konnte mich eine halbe Stunde mit dem Weasel amüsieren. Muss das jetzt gleich in allen Einzelheiten Crabbe und Goyle erzählen. Und Zabini. Und Pansy. Und eigentlich jedem, der zuhört.
 

Ich hab’ wirklich ein Buch mitgenommen, muss ja schließlich mein Cover schützen. Ein Malfoy denkt eben an alles!
 

Saturday, May 9th
 

Wenn ich Potty und seine Hohlköpfe wirklich hochgehen lassen will, muss ich mich aber ziemlich beeilen. Heute Abend, als wir beim Abendessen in der Großen Halle hockten, und alle schon ganz begierig darauf waren, noch einmal die ruhmreiche Mär von meinem Triumph über das Nagetier zu hören, hab’ ich in dem alten zerfledderten Buch was Interessantes gefunden. (Normalerweise würd’ ich so ein dreckiges Weaselbuch ja nicht mal mit ’nem Levitationszauber anfassen, aber mein sechster Sinn verriet mir, es genauer zu untersuchen.)
 

Ein Brief. Von einem anderen Weasel an dieses Weasel. Das andere Weasel schickt ein paar Weaselfreunde, die heute um Mitternacht auf dem Astronomieturm das Drachenvieh abholen. Bleiben mir also nur noch ein paar Stunden Zeit um endlich aktiv zu werden.
 

Nur wie fang’ ich das jetzt an? Wenn ich einfach zu einem Lehrer renne, glauben die mir im besten Fall nicht, und im schlimmsten krieg’ ich Ärger, weil ich so lange nichts gesagt habe. Also hilft nur eins, ich muss Potter auf frischer Tat ertappen.
 

Vince und Greg nehm’ ich diesmal nicht mit, die beiden machen mir zuviel Krach. Es ist besser, wenn ich das allein durchziehe. Filch wird’ mich garantiert nicht kriegen, ich bin zu clever. Mein Gang ist so leise und geschmeidig wie der einer Raubkatze, meine Augen durchdringen selbst die tiefste Finsternis, und außerdem hab’ ich einen sechsten Sinn für Gefahr. Mir kann wirklich nichts....
 

Au Backe, wo kommt plötzlich die McGonagall her?
 

Tuesday, May 26th
 

Nachsitzen mit Potty, Dumpfbacke, dem Schlammblut und dem Wildschwein. Was könnt’ ich mir Schöneres vorstellen?
 

Ich glaub’, ich geh’ sterben!
 

* * *
 

Das kann nicht wahr sein. Das kann einfach nicht wahr sein!
 

Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen starrte Draco auf die nachtschwarze Front aus undurchdringlichem Dickicht und turmhohen Bäumen, welche sich vor ihnen erhob. Obwohl im ersten Moment alles still schien, fielen ihm allerlei kleine Geräusche auf; ein Rascheln in den Blättern, ein plötzliches Knacken im Unterholz, ein düsteres Raunen in den fernen Wipfeln.
 

Wer kam bloß auf diese hirnrissige Idee eine Gruppe Erstklässler nachts in den Verbotenen Wald zu schleifen?
 

“Ich geh auf keinen Fall in diesen Wald,“ fauchte er Hagrid an, den Kopf in den Nacken gelegt, um dem riesigen Wildhüter ins Gesicht sehen zu können. Es interessierte ihn nicht, dass die Gryffindors zuhörten, es interessierte ihn nicht, dass er unhöflich war. Alles was er wollte, war so schnell wie möglich ins Schloss zurückzukehren und dieses schwarze Labyrinth hinter sich zu lassen.
 

“Doch, das wirst du, wenn du in Hogwarts bleiben willst. Du hast Mist gebaut, Junge, und jetzt musst du dafür büßen.“
 

Der grimmige Tonfall in Hagrid’s Stimme ließ ihn zusammenzucken, doch er war entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen. Was bildete sich dieser Knecht eigentlich ein, so mit ihm umzuspringen? “Dafür sind Schüler nicht zuständig, wofür gibt’s denn Personal,“ entgegnete er entrüstet. “Ich dachte, wir müssen Strafarbeit schreiben oder so. Wenn mein Vater wüsste, was ich hier mache, würde er...“
 

“...dir sagen, dass es genau so läuft in Hogwarts,“ grummelte Hagrid. “Strafarbeit schreiben! Was bringt denn das? Du machst dich nützlich, oder du verschwindest von hier. Wenn du glaubst, es ist deinem Vater lieber du fliegst raus, dann verzieh’ dich und pack’ deine Sachen. Los, los!“
 

Vater würde sehr ungehalten reagieren, falls er tatsächlich von der Schule flog. Das wusste Draco und so blieb ihm nichts anderes übrig als zu schweigen und Hagrid’s Namen der langen, langen Liste an Leuten hinzuzufügen, denen er es eines Tages so richtig heimzahlen würde.
 

Ihre Schritte knirschten unangenehm auf dem geschwungenen Pfad. Hagrid stapfte ihnen voraus, dicht gefolgt von seinem tapsenden und sabberndem Jagdhund. Dann und wann riskierte Draco einen Blick hinter sich, zu Potter und dem Schlammblut-Mädchen, welche besorgt miteinander flüsterten. Longbottom hielt sich dicht bei ihnen und wandte den Blick ängstlich nach links und rechts in die Dunkelheit.
 

Einhornblut, hatte der Wildhüter gesagt. Irgendetwas fiel die Einhörner im Wald an, um ihr Blut zu trinken. Der Gedanke allein ließ es ihm kalt den Rücken hinunterlaufen, was konnte so gewaltig sein, diese mächtigen Geschöpfe anzugreifen? Jedes Kind wusste doch, dass Einhörner praktisch unverwundbar waren und selbst wenn es jemandem gelänge, sie zu verletzen, so brachte es großes Unheil, ihnen Leid zuzufügen.
 

Er schrak zusammen, als er vor sich eine weiße Gestalt zu sehen glaubte, doch es war nur ein fahler Streifen Mondlicht, der an den langen glatten Stämmen hinunterfiel.
 

’Nichts in diesem Wald wird euch angreifen, solange Fang oder ich bei euch sind.’ Für wen hielt der Kerl sich eigentlich? Er war ja noch nicht einmal ein richtiger Zauberer. Und er brauchte die Hilfe von Erstklässlern um mit seinen Problemen fertig zu werden. Armselig, würde Vater dazu sagen.
 

Sie erreichten die erste Weggabelung, an der sie sich wie besprochen aufteilten. Einer der Pfade wand sich wie eine geschwungene Schlange um die hohen Baumriesen, der andere führte ins dichte Unterholz. Ohne lange zu überlegen wählte Draco den rechten, Monster hin oder her, es gab keinen Grund, sich von den niedrigen Zweigen Haut und Klamotten zerkratzen zu lassen.
 

Nein, verdammt, er hatte keine Angst. Nicht so wie Longbottom, diese Pfeife, und Hagrid’s sabbernder, tapsender Loser von einem Köter, die bei jedem Knistern oder Rascheln zitternd und jaulend zusammenfuhren.
 

Bestimmt gab es in diesem Wald nicht mal was Gefährliches. Alles nur blöde Ammenmärchen um kleine Kinder zu ängstigen und nur Trottel fielen darauf herein. Solche wie Longbottom!
 

Draco warf einen kurzen Blick in Richtung Kreuzung zurück, um sich zu vergewissern, dass Potter und sein Anhang bereits außer Sichtweite waren, dann duckte er sich blitzschnell hinter einen der Bäume. Longbottom bemerkte nichts davon, auch dann nicht als Fang stehen blieb und am Baumstamm zu schnüffeln begann. Die Augen des Gryffindor Jungen waren angstvoll in die Ferne gerichtet; sie folgten etwas, das Draco nicht sehen konnte und das vermutlich auch gar nicht existierte.
 

Aber er würde schon bald einen Grund haben sich zu fürchten, schon sehr bald....
 

Draco’s Hand schoss hinter dem Baum hervor und packte Neville am Kragen, ein kurzer kräftiger Ruck, bevor er sie wieder zurückzog. Longbottom drehte sich nicht um, er stieß ein Quieken aus, taumelte einige Schritte vorwärts und schlug der Länge nach hin. Ha! Volltreffer!
 

Der Triumphblick auf seinem Gesicht verblasste, als Longbottom seinen Zauberstab hervorkramte und rote Funken nach oben schickte – das vereinbarte Zeichen, falls etwas schief ging. Na und wenn schon! Was sollte das Wildschwein ihm schon tun können, es konnte ihm ja nicht mal Punkte abziehen. Der Kerl war schließlich kein Lehrer.
 

“Verdammt, du kleine Rotznase, willst dich in noch schlimm’re Schwierichkeiten bringen!“ dröhnte Hagrid, als er mit lautem Poltern angestapft kam. Draco schob trotzig die Unterlippe vor; von diesem Gebrüll ließ er sich mit Sicherheit nicht einschüchtern. Wenn nur seine blöden Knie nicht so gezittert hätten...
 

“Gut, wir wechseln Gruppen. Neville, du bleibst bei mir und Hermione. Harry, du gehst mit Fang und diesem Idioten. Tut mir leid, aber...“ Hagrid lehnte sich nach vorne und flüsterte Potter etwas ins Ohr, das er nicht hören konnte. Gut, dass es ihn ohnehin nicht interessierte.
 

Sie redeten nicht miteinander, als sie tiefer und tiefer ins Herz des Waldes vordrangen. Wozu auch, es gab nichts, was Potter und er sich zu sagen hätten. Je eher und je weiter er von diesem Gryffintrottel weg war, desto....
 

Mistkerl! Blödmann! Narbengesicht!
 

“Hier.“ Potter kniete sich neben einer silbernen Pfütze hin, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. Er hatte sein Gesicht abgewandt, nur die wirren dunklen Haare standen in alle Richtungen empor, so als wäre sein Kopf selbst einer der schwarzen Büsche, die ihren Weg säumten.
 

Wischmoppvisage! Möchtegern-Held! Dumbledore’s kleiner Liebling!
 

Er trat näher heran, doch er wagte es nicht, die schimmernde Flüssigkeit zu berühren. Das Blut des Einhorns war verflucht, wer konnte schon genau wissen, welche Auswirkungen es haben mochte? Einen Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, Potter einfach einen Stoß zu verpassen, aber ein verfluchter Potter war möglicherweise ein noch größeres Problem als ein normaler Potter. Was, wenn er durchdrehen und ihn anfallen würde? Und außerdem war er sich nicht sicher, ob er allein den Rückweg finden würde.
 

Und weiter ging es. Dichter und dichter rückten die Büsche und Bäume an den Pfad heran, als wolle der Wald selbst die Eindringlinge verschlingen. Schwankende Zweige versperrten ihnen den Weg, knorrige Wurzeln ragten überall aus dem Boden hervor, holprige, ineinander verschnörkelte Stolperfallen, die mit hölzernen Fingern nach seiner Robe griffen.
 

Mit einem Mal blieb Fang stehen. Er zog die Lefzen hoch, und sein Fell sträubte sich.
 

“Schau, dort – “ Potter streckte seinen Arm aus und Draco wäre beinahe dagegen gerannt. Eigentlich wollte er dem Gryffindor einen empörten Blick zuwerfen, aber dann wandte er die Augen nach vorne, wo die Baumriesen zu einer Lichtung auseinander wichen. Etwas lag dort am Boden, etwas Schneeweißes, etwas Leuchtendes...
 

Es war das Einhorn, und es war tot.
 

Er hatte noch nie ein Einhorn gesehen, außer auf Bildern. Es war nicht unbedingt kleiner als ein Pferd, aber zierlicher gebaut, die langen schlanken Beine mit den gespaltenen Hufen wirken wie die eines Rehs, oder einer Ziege. Jetzt waren sie freilich seltsam verkrümmt und ragten wie abgestorbene Zweige in die Luft empor. Vom Kopf des Tieres war nicht viel zu sehen, seine lange schillernde Mähne verbarg das Gesicht und die starren Augen. Nur das Horn ragte daraus hervor, deutete wie ein anklagender Zeigefinger auf die Büsche hinter ihnen.
 

Und die Büsche bewegten sich.
 

Etwas kam daraus hervor. Es krabbelte wie ein Insekt oder eine Spinne mit ausgerissenen Beinen, denn es besaß deren nur vier. Seine klauenförmigen Vorderfüße krallten sich ins verdorrte Laub und schleppten einen schwarz verhüllten Körper vorwärts, welcher wie abgestorben dazwischen hing, und mit einem ohrenbetäubenden Kratzen und Scharren über den Boden schleifte. Zweige knackten, Blätter raschelten, die noch lebenden Gräser bogen sich zur Seite, als wollten sie es vermeiden mit einer solch widernatürlichen Ausgeburt in Berührung zu kommen.
 

Es hob den Kopf, einen Kopf, der an der falschen Stelle zu sitzen schien, und beugte ihn über die furchtbare Wunde, die es in den Körper des Einhorns gerissen hatte. Zähne blitzen auf, gruben sich in das samtweiche Fell, schmierige Klauen fuhren durch die perlweiße Mähne, durchbrachen ihren leuchtenden Schimmer mit schmutziger Schwärze. Ein saugendes schlürfendes Geräusch...
 

“AAAAAAAAAAARGH!“
 

Er spürte die Zweige nicht, die ihm ins Gesicht schlugen, nicht die Wurzeln, die an seinem Umhang rissen. Er rannte, hastete, taumelte, stürzte, rappelte sich hoch und rannte weiter. Die Schwärze des Waldes war jetzt kein namenloses Dunkel mehr, sie war erfüllt von Klauenhänden, aufblitzenden Zähnen, und unförmigen schleifenden Körpern.
 

Und Augen. Glühenden roten Augen.
 

Es sollten über fünf Jahre vergehen, bis er diese Augen wiedersehen würde und er sollte dieselbe Furcht dabei empfinden. Doch in seinen Alpträumen glühten sie weiter und weiter und schienen bis auf den Grund seiner Seele zu blicken.
 

* * *
 

Amicus Draconis – 2nd Cycle: Cycle of the Snake – Part 14: Sprung from my only Hate I
 

[font color="#663399"]XI. Der Narr
 

Eine außergewöhnliche Karte. Mögen die anderen Karten die verschiedenen Stufen einer Reise darstellen, so ist er derjenige, der sie unternimmt. Jung, naiv, optimistisch, sein Bündel über der Schulter, nur den treuen Hund als Begleiter stürzt er sich Kopf voran ins Abenteuer – und springt über die nächste Klippe.
 

Jämmerlich. Er ist eben, wie sein Name schon sagt, ein Narr.
 

Sein Element ist die Luft und manchmal frage ich mich, ob dieses Element sich nicht zufällig auf den Inhalt seines Kopfes bezieht.
 

Eine außergewöhnliche Karte, gewiss, und gerade deshalb hoffnungslos überschätzt. Zu Beginn unserer Reise sind wir alle Narren, solange bis die Erfahrung die Unschuld zunichte macht, und versucht, uns auf einen anderen Weg zu geleiten. Denn der Weg des Narren über die Klippe führt ins Nichts. Er ist die Verbindung von Chockmah zu Kether und führt damit zur Auslöschung jeden Seins. Das Aleph ist somit nicht der Beginn des Universums, sondern sein Ende. Nichts ist gleich Null und Null ist gleich zwei. Mein Ziel ist es, eben diesen Zyklus zu durchbrechen, und den Sturz ins völlige Nichts zu verhindern.
 

Man sollte meinen, es wäre nicht schwer, einen geeigneten Kandidaten für den Narren zu finden, schließlich ist die Welt ihrer voll. Aber vielleicht fiel es mir gerade darum so schwer, meine Wahl zu treffen.
 

Einer, der aufbricht zu einer langen Reise. Einer, der bereits durch die Dunkelheit ging, und dennoch nicht von ihr berührt würde. Einer, der unschuldig ist, und zugleich erfahren. Einer, der am Ende seiner langen Wanderschaft immer noch den entscheidenden Schritt über die Klippe tut, ohne an die Konsequenzen zu denken.
 

Kurz gesagt, einer wie Harry Potter.
 

Doch leider ist es mir aus wohlbekannten Gründen nicht möglich, Harry Potter für mein Vorhaben zu verwenden, und deshalb musste ich eine andere Wahl treffen.
 

Amicus Draconis - 2. Zyklus: Zyklus der Schlange – Teil 14: Aus einz’gem Hass entbrannt I
 

* * *
 

London, August 19th, 1992
 

Im Grunde genommen lief es alles auf zwei simple Fragen hinaus. Wie würde er Vater dazu kriegen, ihm einen neuen Rennbesen zu kaufen und wenn er den neuen Rennbesen erstmal hatte, wie würde er dann Flint dazu kriegen, ihn ins Team aufzunehmen?
 

Mit sehnsüchtigen Augen bestaunte er den brandneuen Nimbus 2001 im Schaufenster ... den frisch polierten Griff, das tiefschwarz glänzende Holz des Stiels, die mit äußerster Präzision und Sorgfalt angeordneten Zweige. Der Nimbus 2001 flog schneller, höher, und wendiger als es der Nimbus 2000 je getan hatte und sah zudem auch noch besser aus. Ein Prachtstück. Ein wahrer Besen für einen wahren Champion.
 

Der perfekte Besen um Potter, diese Pfeife, so richtig alt aussehen zu lassen.
 

“Draco?“ Vater’s Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, er stand mit verschränkten Armen neben ihm und trommelte ungeduldig mit den Fingerspitzen gegen den weiten Stoff seines Ärmels. “Komm.“
 

Vater zu verärgern war nicht die beste Möglichkeit, um seinen Willen durchzusetzen, also riss Draco sich schweren Herzens von dem Anblick los, und sah wehmütig zu wie der Nimbus immer kleiner wurde und schließlich zwischen dem Trubel verschwand. Wie immer so kurz vor Schulbeginn war ziemlich viel los in Diagon Alley, plärrende Schulkinder an der Hand ihrer Eltern, besorgte Mütter, fröhlich schwatzende Teenager. Immer wieder spähte er angestrengt in die Menge hinein, doch bisher war ihm kein bekanntes Gesicht aufgefallen. Auch von Potter und seiner Bande war nichts zu sehen – zum Glück! Aber da, wo er jetzt mit Vater hinging, hatten kleine Gryffindoofköpfe ohnehin nichts verloren.
 

Knockturn Alley war um einiges schmaler als Diagon Alley. Auch hier waren viele Leute unterwegs, doch sie redeten nicht miteinander, blickten einander kaum an. Einige schienen sich sogar dafür zu schämen, hier zu sein, sie wandten ihre Augen überall hin, nur nicht auf die Gesichter der anderen. Wieder andere hielten ihre Gesichter unter Kutten oder hinter Schleiern verborgen.
 

Wie anders dagegen Vater. Er bewegte sich mit der größten Selbstverständlichkeit durch die Massen, den Kopf hocherhoben, die Kapuze zurückgeworfen, so dass sein blondes Haar auf dem Schwarz seines Umhangs weithin sichtbar schimmerte. Seine hellen wachen Augen glitten über die vorbeilaufenden Hexen und Zauberer, einigen nickte er zu, während er andere mit kühler Gelassenheit ignorierte. Wie immer kam sich Draco an seiner Seite klein und unbedeutend vor, auch wenn er wichtigtuerisch die Nase in die Luft reckte und versuchte Gang und Haltung seines Vaters so gut wie möglich zu imitieren.
 

Vielleicht war es doch am besten, die Sache mit dem Rennbesen gleich über die Bühne zu bringen? Wenn sie erstmal bei Borgin & Burkes waren, hatte Vater sicher andere Dinge im Kopf und wie seine Laune danach sein würde, hing ganz vom Erfolg oder Misserfolg seiner ’Geschäfte’ ab.
 

“Hast du den Nimbus 2001 gesehen?“ begann Draco und holte zu einer ausführlichen Beschreibung aller Vorzüge des Rennbesens aus. “Er ist...“
 

“Schon gut,“ winkte Vater ab, “ich hatte sowieso nicht vor, dich mit deiner alten Bürste nach Hogwarts zu schicken. Wie sähe das denn aus?“
 

Draco blieb der Mund offen stehen. So einfach hatte er sich das nicht vorgestellt. Er war es zwar gewohnt, seinen Willen durchzusetzen, wenn es um materielle Dinge ging, aber oft war das auch mit ziemlichen Diskussionen verbunden und manchmal stellte Vater sich auf stur. Dann war nichts zu machen und jeder weitere Überredungsversuch würde nur Schwierigkeiten nach sich ziehen.
 

“Danke, Vater.“ Ein kurzes Nicken war alles, was er zur Antwort bekam; die Rennbesen schienen Vater’s Gedanken bereits wieder entschwunden zu sein. Auch er selbst dachte nur noch einen Augenblick länger daran, denn Borgin & Burkes lag jetzt vor ihnen und bereits die Auslage war mit faszinierenden Talismanen aus Knochen und schrumpeligem Leder bestückt. Draco konnte es kaum erwarten, über die Schwelle zu stürmen und alles in Augenschein zu nehmen.
 

Das Innere des Ladens war dunkel, schon allein der Atmosphäre wegen. Masken und Schrumpfköpfe hingen an den Wänden und starrten mit leerem Grinsen auf die Besucher hinunter. Hoch über ihren Köpfen baumelten seltsame metallenen Apparaturen, an welchen der Rost klebte, oder vielleicht auch andere Ausdünstungen – so genau war das nicht auszumachen und eigentlich wollte er es auch gar nicht wissen.
 

Und Regale. Regale von oben bis unten voll gestopft mit schwarzmagischen Gegenständen.
 

“Nichts anfassen,“ warnte Vater aus dem Hintergrund. Draco’s Hand zuckte zurück, noch bevor er das gläserne Auge berührt hatte, welches vor ihm in der Vitrine lag. Das Auge drehte sich herum, um ihn eingehend zu fixieren.
 

“Ich dachte, du kaufst mir was.“ Nicht, dass er dieses Ding unbedingt in seinem Schlafzimmer haben wollte, aber vielleicht konnte man es ja benutzen, um Leute auszuspionieren. Potter zum Beispiel.
 

“Ich sagte, ich würde dir einen Rennbesen kaufen,“ berichtigte Vater. Also hatte er es nicht vergessen. Aber ein Besen war noch lange keine Garantie, dass er auch wirklich ins Quidditch Team aufgenommen wurde und gegen Potter antreten konnte.
 

“Was bringt mir das, wenn ich nicht in der Hausmannschaft bin?“ maulte er. “Harry Potter hat letztes Jahr einen Nimbus 2000 gekriegt. Sondererlaubnis von Dumbledore, damit er für Gryffindor spielen kann...“
 

Die Erinnerung versetzte ihn erneut in Rage, als die Bilder vor seinem geistigen Auge wiederauferstanden. Harry Potter, der als feuriger Blitz durch die Lüfte jagte; seine Brillengläser funkelten im Sonnenlicht, der Wind riss an seinem wirren schwarzen Haar und hinter ihm flatterte sein roter Umhang gleich einer zuckenden Flamme. Er lehnte sich auf seinem Nimbus nach vorne, streckte die Hände nach dem Snitch aus, und unter ihm begann die Menge zu jubeln.
 

Jedes verdammte Spiel hatten die verdammten Gryffindors dank ihm gewonnen, bis auf das letzte gegen Ravenclaw. Nur gut, dass Potter da im Krankenflügel gelegen hatte, sonst hätte er am Ende auch...
 

“Dabei spielt er nicht mal gut, es ist nur weil er so berühmt ist ... berühmt wegen einer dämlichen Narbe in der Visage ...“
 

Verdammt, wie er diesen Mistkerl hasste, diesen verfluchten Angeber. “... jeder denkt, er ist so toll, der wundervolle Potter mit seiner Narbe and seinem Besenstiel – “
 

“Das hast du mir nun schon mindestens ein Dutzend Mal erzählt.“ Vater warf ihm einen ungehaltenen Blick zu. “Wenn ich dich daran erinnern dürfte, dass es weder klug noch vorsichtig ist, eine offene Abneigung gegen jemanden zur Schau zu tragen, den ein Großteil von uns als den Helden ansieht, der uns vom Dunklen Lord befreit hat ... ah, Mr. Borgin.“
 

Gutes Timing, jetzt war Vater mit seiner Liste beschäftigt und hatte keine Zeit mehr für lange Belehrungen. Es war jedes Mal dasselbe, wann immer er sich über Potter beschwerte, kam Vater mit derselben alten Leier. ’Stell’ deine Gefühle nicht so zur Schau, sei vorsichtiger, tu wenigstens so als würdest du ihn mögen.’
 

Ebenso gut könnte Vater verlangen, er solle einen widerlichen kleinen Hauselfen mögen, oder so tun als mache es ihm Spaß am Boden herumzuhocken, während dieser Widerling da oben seine Runden drehte. Jedes Mal wenn er auch nur an Potter dachte, drehte sich ihm der Magen um und er bekam das dringende Bedürfnis, etwas zu zerquetschen oder in die Luft zu jagen. Und Vater verlangte allen Ernstes, er solle nett zu ihm sein?
 

Nur langsam beruhigte er sich wieder, als er versuchte, die Gedanken an Potter zu verdrängen und den Kopf wieder freizukriegen. Er wanderte weiter im Laden umher und guckte sich halbherzig die magischen Artefakte an, aber irgendwie war seine Begeisterung wie weggeblasen.
 

“Kann ich das haben?“ fragte er schließlich und deutete auf eine verschrumpelte Hand mit gelblichbraunen, klauenartigen Fingernägeln, welche auf einem staubigen Kissen ruhte. Nicht, dass er gewusst hätte, was damit anzufangen war; eigentlich ging es ihm nur darum Vater’s Aufmerksamkeit wieder auf sich zu ziehen.
 

Manus Gloriae, die Hand des Ruhmes!“ Mr. Borgin ließ die Liste Liste sein und schlurfte zu ihm hinüber. “Steck eine Kerze hinein, und sie wird nur demjenigen leuchten, welcher die Hand trägt. Der beste Freund aller Diebe und Plünderer. Ihr Sohn hat einen guten Geschmack, Sir.“
 

“Ich hoffe mein Sohn eignet sich einmal zu mehr als einem Dieb oder Plünderer, Borgin,“ unterbrach Vater die ölige Schmeichelrede und Borgin brach sofort in Entschuldigungen aus. Doch Draco blieb nicht einmal Zeit darüber zu schmunzeln, denn im nächsten Moment traf ihn schon ein eisiger Blick. “Obwohl, wenn seine Noten sich nicht verbessern, mag das vielleicht alles sein, wozu er fähig ist.“
 

“Es ist nicht meine Schuld,“ versuchte Draco sich zu rechtfertigen Das war so typisch für Vater; immer dann wenn man es am wenigsten erwartete, verschoss er solche Spitzen. “Die Lehrer haben alle ihre Lieblingsschüler, diese Hermione Granger...“
 

“Man sollte doch meinen, du schämst dich dafür, dass dich ein Mädchen, welches nicht aus einer Zaubererfamilie kommt, in jeder einzelnen Prüfung übertroffen hat.“
 

Draco fühlte wie ihm die Röte ins Gesicht schoss und er senkte den Blick, um seinem Vater nicht in die Augen sehen zu müssen. Er wusste nichts zu erwidern; eine Möglichkeit sich zu verteidigen fiel ihm nicht ein und eine freche Bemerkung würde nur Konsequenzen nach sich ziehen.
 

Warum musste Vater ihn in aller Öffentlichkeit so niedermachen! Es war schon bitter genug, wenn er es zu Hause tat, aber hier vor Fremden trafen seine spitzen Bemerkungen ungleich schlimmer. Draco wäre am liebsten einfach aus dem Geschäft gerannt und hätte dem Nächstbesten, der ihm in die Quere kam, seine Faust ins Gesicht geschlagen. Doch er hatte gelernt, solche Wutausbrüche unter Kontrolle zu halten und so verfiel er in brütendes Schweigen, während Vater und Mr. Borgin sich wieder ihren Geschäften zuwandten.
 

Sieh mal an, ein Strick mit einer Schlinge. In alten Zeiten hatten Muggles so etwas benützt, um Hexen und Zauberer umzubringen. Oder sich auch gegenseitig; diese primitiven Geschöpfe waren nichts anderes als ein Haufen schmutziger kleiner Ratten, welche sich aus Dummheit und Langeweile gegenseitig zerfleischten.
 

Vorsicht: Nicht berühren. Verflucht – hat bis zum heutigen Tage 19 Mugglebesitzern das Leben gekostet.
 

Na, das war doch mal ein wirklich interessantes Halsband...
 

Er wandte sich ab und sah sich plötzlich einem großen schwarzen Schrank gegenüber. Nein, kein Schrank, eigentlich sah es eher aus wie eine Mischung aus altägyptischem Sarkophag und Eiserner Jungfrau. Es schien innen hohl zu sein; bestimmt war darin ein Skelett oder eine Mumie oder etwas ähnlich Interessantes. Er streckte die Hand aus, um die Tür zu öffnen...
 

“Komm, Draco!“
 

Einen Augenblick lang kämpfte er mit sich; einerseits wollte er unbedingt wissen, was in dem Sarkophag war, aber andererseits wollte er keinen Ärger mit Vater riskieren, sonst bekam er vielleicht den Rennbesen nicht.
 

Schließlich siegte die Vernunft und er folgte seinem Vater hinaus auf die Straße. Er verstand nicht, warum dieser so in Eile war, sie hatten doch noch den ganzen Nachmittag Zeit, um den Rest der Einkäufe zu erledigen. Aber irgendetwas schien ihn zu beschäftigen. So, als müsse er unbedingt etwas ganz Bestimmtes erledigen. Etwas, das keinen Aufschub duldete.
 

Diagon Alley schien irgendwie leerer geworden zu sein. Nachdem sie neue Schulroben, Schreibzeug und frische Zutaten für den Zaubertränkeunterricht gekauft hatten, verstand Draco auch warum; die halbe Zaubererschaft Englands schien sich nämlich im Buchladen Flourish & Blotts versammelt zu haben. Autogrammstunde von einem Kerl namens Lockheart oder so ähnlich. Mutter hatte ein paar Bücher von ihm als Abendlektüre, welche sie tunlichst vor Vater versteckte.
 

Da er nicht wirklich Lust darauf hatte, sich mit dieser Menge herumzuschlagen, übergab er seine Bücherliste für Hogwarts einem fahrigen Verkäufer und zog sich auf die Galerie zurück, um sich das ganze Spektakel aus sicherem Abstand anzusehen. Vater wurde sogleich von einer Schar Hexen und Zauberer in Beschlag genommen, die eifrig schwatzend und händeschüttelnd auf ihn einredeten. Darauf, lieb zu lächeln, höfliche Konversation zu machen und das Paradepferd zu spielen hatte er in seiner gegenwärtigen Stimmung noch viel weniger Lust; also machte er, dass er wegkam. Am liebsten wäre er jetzt zu Hause in seinem Zimmer gewesen, wo er keins von diesen dummen Gesichtern hätte sehen müssen.
 

“Nicht möglich, es ist Harry Potter!“
 

Unten schienen plötzlich alle den Verstand verloren zu haben. Lockhart war von seinem Platz aufgesprungen und stürmte in die Menge, welche flüsternd und schwatzend auseinander wich. Ein dürrer kleiner Reporter hüpfte mit einer riesigen Kamera herum, klickte ein Photo nach dem anderen und erfüllte den Raum mit nervtötenden grellen Blitzen und lilafarbenen Rauchwolken.
 

Und inmitten des gesamten Trubels stand der blöde Harry Potter mit seiner blöden Wischmoppvisage und schüttelte wieder und wieder Lockhart’s Hand, während dieser ihm lächelnd seine Bücher überreichte und etwas von “Berühmtheit“ und “Titelseite“ murmelte, bevor er sich wieder der Menge zuwandte, um eine großkotzige Rede halten. Den Arm hielt er dabei wichtigtuerisch um Potter’s Schultern gelegt ... was bildete er sich eigentlich ein, dieser Lackaffe? Ein aufgeblasener affektierter Gockel und Draco konnte ihn schon jetzt nicht ausstehen.
 

Er wartete bis Potter sich mit den Büchern in eine Ecke des Raumes zurückgezogen hatte, und hastete dann die Treppe hinunter um ihn abzupassen. “Ich wette, das gefällt dir, stimmt’s, Potter?“
 

Er trat noch einen Schritt näher, drang bewusst in den persönlichen Raum seines Gegners ein. “Der berühmte Harry Potter. Kann noch nicht mal in einen Buchladen gehen, ohne gleich auf der Titelseite zu landen.“
 

Potter antwortete nicht, doch er wich auch nicht zurück, sondern hielt Draco’s Blick eisern stand. Das bekannte grimmige Funkeln war in seine grünen Augen getreten, so wie immer wenn er aufgebracht war. Selbst wenn er so tat, als würden die Gemeinheiten einfach an ihm abprallen, so verriet dieses Funkeln doch seine wahren Gefühle.
 

“Lass’ ihn in Ruhe, er wollte das alles nicht.“ Das rothaarige Mädchen, welches neben Potter stand und den Kessel mit seinen Büchern schleppte, starrte ihn wütend an. Eine schmutzige kleine rothaarige Weaseline und Draco konnte sie schon jetzt nicht ausstehen.
 

“Sieh an, Potter, hast dir ’ne Freundin angelacht.“ Die Weaseline wurde knallrot im Gesicht und senkte den Blick, aber ihre Verstärkung war schon im Anmarsch. Ein weiteres Weasel kämpfte sich durch die Menge und blieb neben seiner Schwester stehen. “Ach, du bist es. Ich wette, du bist überrascht, Harry hier zu sehen, eh?“
 

“Nicht so überrascht wie dich in einem Laden zu sehen, Weasley.“ Er ließ seinen Blick über die Bücher schweifen, die das Weasel auf den Armen trug und grinste. “Ich wette deine Eltern müssen einen ganzen Monat hungern um den Krempel zu bezahlen.“ Das Weasel wurde ebenso knallrot wie die Weaseline und warf seine Bücher ebenfalls in ihren Kessel, so dass sie unter dem Gewicht fast zusammenbrach. Von der Bücherlast befreit, wollte es auf Draco losstürzen, aber Potter und das Schlammblut hielten es am Kragen fest.
 

Toll. Noch mehr Weasels. Aus allen Löchern kamen sie gekrochen, eine richtige Invasion.
 

“Sieh’ an, Arthur Weasley.“
 

“Lucius.“
 

Draco hatte von klein auf gelernt, dass alle Weasleys arm und schmutzig und Blutsverräter und eine Schande für die Zaubererschaft seien. Er hatte nie daran gezweifelt, nie die Aussagen seines Vaters hinterfragt. Doch jetzt als Vater und Weasley senior sich gegenüberstanden und der Hass zwischen ihnen fast greifbar schien, begann er sich zum ersten Mal in seinem Leben zu fragen, ob Vater ihm wirklich die ganze Wahrheit erzählt hatte. Manchmal brauchte man zwei Menschen nur anzusehen, und man wusste, dass sie eine gemeinsame Vergangenheit hatten.
 

Etwas war zwischen diesen beiden Männern vorgefallen und hatte die Feindschaft zwischen ihnen angefacht, ebenso wie ein Windstoß einen einzelnen Funken in ein Feuer verwandeln konnte.
 

* * *
 

Ministry of Magic, 23. January 1982
 

Das Flüstern einzelner Stimmen vermengte sich zu einem undurchdringlichen Raunen, welches sich wie zähflüssiger Nebel über die düsteren Steinwände des Verlieses legte. Ein Hauch von Erleichterung war über die angespannten Mienen geglitten, als sich die Torflügel wieder geschlossen und somit die unheilvollen Gestalten der Dementoren aus ihrem Blickfeld genommen hatten. Alle Augen richteten sich jetzt auf den einzelnen Mann in der Mitte des Gerichtsaals.
 

“Fortsetzung der Verhandlung am 23. Januar 1982 gegen Lucius Dorian Abraxas Malfoy,“ verkündete die tiefe, dröhnende Stimme der Vorsitzenden des Wizengamots. “Den Vorsitz führt Amelia Susan Bones, stellvertretende Ministerin für Justiz und Einhaltung magischer Gesetze in Abwesenheit unseres hochgeschätzten Ministers Bartemius Crouch.“
 

Ein weiteres Murmeln lief durch die Menge, als Crouch’s Name fiel. Es war seltsam ungewohnt seine aufrechte Gestalt nicht dort oben im Richterstuhl sitzen zu sehen, seine wachsamen Augen auf sich ruhen zu fühlen und seinen leidenschaftlichen Worten zu lauschen. Crouch war ebenso zu einem Teil dieses Verhandlungssaales geworden wie das Holz und der Stein um sie herum, hart, unnachgiebig, und von einer unbeugsamen Kälte erfüllt. Er bekämpfte Furcht mit Furcht, Feuer mit Feuer, und Terror mit Terror, und doch war er einer der wenigen gewesen, der ihnen Hoffnung in die düsteren Zeiten hatte bringen können.
 

“Dem Angeklagten wird Folgendes zur Last gelegt.“ Leise knisterten die Blätter der Anklageschrift, als Madam Bones sie zwischen ihren dürren Fingern ordnete. “Das wissentliche und willentliche Eintreten in die Gefolgschaft desjenigen, dessen Name nicht genannt werden darf, desweiteren die Teilnahme an den geheimen Treffen dieser Gefolgschaft, den sogenannten Todessern, und in diesem Zusammenhang die Involvierung in die Planung diverser Verbrechen gegen sowohl die Zauberer-, als auch gegen die Mugglegemeinschaft, unter anderem Erpressung, Folter und Mord unter Beihilfenahme der drei unverzeihlichen Flüche, fürderhin die Beteiligung an dem Überfall auf und der anschließenden Ermordung von Mr. Gideon Prewett, seiner Frau Mrs. Kathleen Prewett, und seinem Bruder Mr. Fabian Prewett. Angeklagter, bekennen Sie sich schuldig?“
 

Überraschung machte sich auf den Mienen breit und das Geräusch schnell eingesogenen Atems fuhr wie der Zischlaut einer Schlange durch die stickige Luft. Die beiden ersten Punkte waren weithin bekannt, doch der letzte Punkt kam als eine Überraschung für sie alle. Malfoy’s Name war schon mehrmals im Zusammenhang mit Todessern gefallen, aber bisher hatte es noch nie einen Hinweis auf ein konkretes Verbrechen gegeben, an dem er beteiligt gewesen sein sollte. Gespannt wartete die Menge darauf, wie er sich zu diesem letzten Vorwurf äußern würde.
 

“Nicht schuldig im ersten Punkt, teilweise schuldig im zweiten Punkt und zum dritten Punkt ist es mir leider nicht möglich, eine Aussage zu machen.“
 

“Erläutern Sie diese Äußerungen bitte genauer.“ Madam Bones senkte das Bündel Blätter ein Stück weit, so dass sie über dessen Rand in Lucius’ Malfoy’s Gesicht sehen konnte. Dieser erwiderte ihren Blick ohne zu blinzeln oder ihren forschenden Augen auszuweichen.
 

Die Menge schwieg; dies war definitiv nicht das, was Crouch getan hätte. Crouch hätte Malfoy’s Äußerungen zunächst mit einer spöttischen Bemerkung abgetan und anschließend eine seiner feurigen Reden gehalten, ehe er den Angeklagten erneut zu Wort kommen ließ, ihn dann mittendrin unterbrach und jeden seiner Sätze zerpflückte. Natürlich mochte man dies als Beeinflussung bezeichnen, aber vielleicht war der Begriff Gegenbeeinflussung zutreffender. Die andere Seite scheute sich ja auch nicht, das Wizengamot unter Druck zu setzen und ihre Methoden waren weitaus weniger kultiviert. Wer konnte schon genau sagen, wie viele Todesser durch Erpressung und geheime Drohungen gegen Familienmitglieder freigekommen waren?
 

“Mein Eintritt in die Gefolgschaft von Sie-wissen-schon-wem geschah weder mit meinem Wissen noch mit meiner Zustimmung,“ begann Malfoy mit seiner Verteidigung. “Ich wurde durch den Imperiusfluch dazu gezwungen.“
 

Er machte eine kurze Pause, als das ungläubige Gemurmel der Menge drohte seine Stimme zu übertönen und wartete, bis Madam Bones den Saal zur Ordnung gerufen hatte, ehe er fortfuhr: “An Treffen in diesem Zusammenhang kann ich mich vage erinnern, allerdings sind es nicht mehr als ein paar unzusammenhängende Bilder von maskierten Gesichtern und Gestalten in langen schwarzen Roben. Was Verbrechen angeht, die ich unter dem Einfluss des Fluchs begangen haben soll, so kann ich mich an keinen konkreten Fall erinnern; ich kann jedoch auch nicht ausschließen, dass solche Verbrechen stattgefunden haben. Alles, was ich dem Wizengamot versichern kann ist, dass ich mich gegen den Imperiusfluch gewehrt habe und dass ich mich, sobald es mir möglich war, ihn abzuschütteln, ohne jedes Zögern dem Ministerium gestellt habe. Unter allergrößtem Risiko für mein eigenes Leben, das Leben meiner Frau, und das Leben meines Kindes.“
 

Als er sie erwähnte, suchten die vielen Augen ungeniert nach seiner Familie, der dünnen blassen Frau in dem hochgeschlossenen Kleid und dem schlafenden kleinen Jungen, der auf ihrem Schoß hockte, seinen Rücken an die Brust der Mutter gelehnt. Mit ihrer fahlen Gesichtsfarbe und ihren müden Augen wirkte sie wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe, doch mit dieser Unschuldsmasche konnte sie niemanden hinters Licht führen. War sie nicht die Tochter eines gefürchteten Todessers? War nicht ihre ganze Familie vor einem Monat bei einem grauenvollen Verbrechen auf frischer Tat ertappt und verhaftet worden? Nun, sie selbst war an dem Verbrechen nicht beteiligt gewesen; sie hatte ein Alibi, welches über jeden Zweifel erhaben war. Aber hieß es nicht umsonst, Blut sei dicker als Wasser?
 

“Soweit entsprechen Ihre Aussagen denjenigen, die in meinem Protokoll verzeichnet sind.“ Madam Bone’s Stimme lenkte die Aufmerksamkeit der Zuschauer wieder nach vorne. “Sie bleiben also bei der Aussage, die Sie schon zuvor bei den Aurori gemacht haben? Oder haben Sie dem noch etwas hinzuzufügen?“
 

“Ich habe nichts hinzuzufügen, Madam Vorsitzende,“ entgegnete Malfoy knapp.
 

“Gut, dann beginnen wir nun mit der Vernehmung der Zeugen.“ Sie wandte sich an eine stämmige junge Frau, welche am Rand der vordersten Bank saß. “Aurora Carrow, holen Sie bitte Minister Fudge herein.“
 

Cornelius Fudge, vermerkte die Menge, vor kurzem zum Minister der Abteilung für Magische Katastrophen befördert worden, da es ihm gelungen war, einen berüchtigten Todesser der Gerechtigkeit zuzuführen. Jung, sympathisch, pflichtbewusst, mit bürgerlichem Familienleben, besaß er einen tadellosen Ruf und die Ambition, Zaubereiminister zu werden. Und jetzt, seit dieser unglücklichen Sache mit Barty Crouch junior hatte er auch tatsächlich eine reelle Chance, die Wahl zu gewinnen. Vorausgesetzt natürlich, er war vorsichtig und ruinierte sich sein Ansehen jetzt nicht durch diese Malfoy Geschichte. Wirklich, es war ausgesprochenes Pech für ihn, dass die Malfoys ausgerechnet ihn in diese Sache hineingezogen hatten. Hätten sie nicht einfach zu jemand anderem fliehen können?
 

“Ihr voller Name ist Cornelius Oswald Fudge?“
 

“Ja, Madam Vorsitzende.“
 

“Alter: 47 Jahre, Beruf: Minister für Magische Katastrophen, wohnhaft in London, Familienstand: verheiratet, zwei Kinder?“
 

“Ja, Madam Vorsitzende.“
 

“Gut, Mr. Fudge, dann schildern Sie dem Wizengamot doch bitte, was sich am Abend des 31.Oktobers 1981 bei Ihnen zu Hause zugetragen hat.“
 

Befreite Atemzüge, als die Gedanken sich jener schicksalhaften Nacht zuwandten. Sicher, es war furchtbar, was mit den Potters geschehen war. Die armen Eltern und der arme kleine Waisenjunge bei dem niemand so genau wusste, wo er jetzt eigentlich lebte. Es war entsetzlich. Doch es war die Nacht gewesen, in der sie alle von Lord Dingsbums befreit worden waren und endlich die schrecklichen Zeiten vergessen konnten, die hinter ihnen lagen. Endlich durften sie das ruhige, friedliche Leben führen, das ihnen so lange verwehrt geblieben war.
 

“Nun, wir ... meine Familie und ich waren an diesem Abend zu Hause. Die Mädchen wären gerne Süßigkeiten sammeln gegangen, aber Sie wissen ja, in diesen Zeiten war das unmöglich.“
 

Er verzog die Lippen zu einem traurigen Lächeln und konnte sich damit der Sympathie seines Publikums gewiss sein. “Also haben wir zu Hause gefeiert und sie durften ein wenig länger aufbleiben. So gegen zehn haben wir sie dann zu Bett gebracht und uns anschließend ebenfalls schlafen gelegt. Das muss etwa gegen elf gewesen sein. Wir sind bald eingeschlafen und erst wieder aufgewacht, als der Alarm losging.“
 

“Und was geschah weiter?“
 

“Wir waren zunächst sehr erschrocken und haben überlegt, ob wir lieber die Aurori benachrichtigen sollen, anstatt selbst nachzusehen. Aber als wir dann mithilfe eines Beobachtungszaubers sahen, dass die Malfoys vor unserem Anwesen standen und uns verzweifelt um Einlass baten, haben wir sie hereingelassen. Mr. und Mrs. Malfoy waren beide sehr aufgewühlt und ihr kleiner Sohn weinte, also hat meine Frau sich um das Kind gekümmert, während Lucius Malfoy mir schilderte, was vorgefallen war. Er bat mich, sofort die Aurori und einen Heiler zu verständigen, da er Hilfe benötige. Er sagte, er habe sich soeben von einem Imperiusfluch von Lord ... Dingsbums befreit und sei jetzt auf der Flucht vor ihm und seinen Todessern. Er ging davon aus, dass sie bald bei ihm zu Hause erscheinen würden, um entweder den Fluch zu erneuern oder ihn und seine Familie zu töten.“
 

“Und daraufhin haben Sie St.Mungos und die Aurori verständigt?“
 

“Ja, Madam Vorsitzende.“
 

“Haben Sie bis zu diesem Zeitpunkt irgendeinen Hinweis darauf, oder einen Beweis dafür finden können, dass Mr. Malfoy unter einem Imperiusfluch stand?“
 

Für einen Moment lang stand die Anspannung wie Zunder im Raum, eingefroren, aber bereit durch jedes winzige Fünkchen in eine Flammenhölle auszubrechen. Fudge’s nächste Worte konnten entscheidend sein, entscheidend für das Schicksal des Angeklagten und ebenso für seinen eigenen Lebenslauf.
 

“Eindeutige Beweise gibt es nicht, wie Sie wissen.“ Der junge Minister begann langsam und vorsichtig, als versuche er, möglichst viel Zeit zu herauszuschlagen, bevor er eine konkrete Antwort geben musste. Sein Gesicht war ruhig, aber dem geschulten Auge entging nicht, dass er nervös seine Hände knetete. “Wäre es möglich so etwas zu beweisen, so hätte unser Ministerium bedeutend weniger Schwierigkeiten, nicht wahr?“
 

Sein müder Versuch zu scherzen entlockte niemandem auch nur den Hauch eines Lächelns, doch Fudge schien sich dadurch wieder gefangen zu haben. Seine Stimme klang jetzt fester und sicherer als er fortfuhr: “Allerdings gibt es gewisse Anzeichen, die bei Hexen und Zauberern auftreten können, wenn sie diesem Fluch für längere Zeit ausgesetzt waren. Zu diesen Anzeichen gehören beispielsweise erweiterte Pupillen, unkontrollierte Körperbewegungen wie das Zittern der Hände oder das Zucken der Knie und eine vorübergehende geistige Verwirrung bis hin zu Gedächtnisverlust.“
 

“Diese Anzeichen sind uns bekannt, Mr. Fudge. Beantworten Sie nun bitte meine Frage: Haben Sie oder haben Sie nicht, am Abend des 31.Oktobers solche Anzeichen bei Mr. Malfoy feststellen können?“
 

“Ja, Madam Vorsitzende.“ Fudge antwortete, bevor die Menge Zeit hatte, sich in eine erneute Spannung hineinzusteigern und fuhr sogleich fort: “Mr. Malfoy befand sich in einem äußerst schlimmen Zustand. Er zitterte wie im Fieber und war zunächst kaum in der Lage, einen zusammenhängenden Satz von sich zu geben. Claudia ... meine Frau verabreichte ihm schließlich einen Beruhigungstrank, damit wir erfahren konnten, was geschehen war. Er blieb jedoch weiterhin äußerst nervös und ließ es nicht zu, dass seine Familie sich aus seinem Wahrnehmungsbereich entfernte. Als meine Frau den kleinen Draco in die Küche bringen wollte, um ihm etwas zu trinken zu geben, stürmte er hinterher und versuchte, ihn ihr zu entreißen. Er schien furchtbare Angst um seine Familie zu haben.“
 

Fudge holte tief Luft: “Natürlich sind eindeutige Beweise nicht möglich, aber meines Wissens nach, sagt Mr. Malfoy die Wahrheit. Er ist kein Todesser, sondern eines ihrer Opfer. Er ist unschuldig.“
 

Das Stimmengewirr, welches nun im Saal losbrach, war nicht übermäßig laut, aber ohrenbetäubend wie ein schriller Kanon pfeifender Vögel, eine Dissonanz lärmender Misstöne. Es war nicht so sehr die Frage von Malfoy’s Schuld oder Unschuld, denn diese Frage hatte die Menge entweder schon längst entschieden oder würde sie einfach dem Gericht überlassen. Es war eher die Tatsache, dass Fudge sich soeben in ein Bett von Nesseln gesetzt hatte, aus dem er möglicherweise nicht mehr herauskam. Sollte Malfoy in dieser Verhandlung schuldig gesprochen werden, so konnte Fudge seine Karriere an den Nagel hängen. Es wäre nicht nötig gewesen, ein solches Risiko einzugehen.
 

Glaubte der Mann wirklich an das, was er sagte? Oder wusste er etwas, das die anderen nicht wussten?
 

Madam Bones brauchte mehrere Minuten, bis sie die Ruhe soweit wiederhergestellt hatte, dass sie die nächsten Zeugen aufrufen konnte. Die Aussage von Claudia Fudge deckte sich ziemlich genau mit der ihres Mannes. Danach folgten die vier Aurori, welche die Familie Malfoy anschließend in Gewahrsam genommen hatten. Einen Heiler von St.Mungo’s hatte es nicht gegeben, der Befehl der Aurori hatte gelautet, die Malfoys unverzüglich in Untersuchungshaft zu nehmen und nach Azkaban zu bringen. Einige Tage später durfte Narcissa Malfoy dann mit ihrem Sohn nach Malfoy Manor zurückkehren.
 

“Wollen Sie damit sagen,“ fragte Amelia Bones den jungen Auror, der vor ihr saß, “dass eine junge Frau gegen die keinerlei Anklage vorlag und ein knapp zweijähriges Kind 48 Stunden lang in Azkaban festgehalten wurden?“
 

“In Gewahrsam genommene Personen müssen spätestens nach 48 Stunden wieder freigelassen werden, sofern keine Anklage gegen sie vorliegt,“ wich der Auror ihrem Vorwurf elegant aus. “Ich bin mir sicher, Sie sind bestens mit dem Gesetz vertraut, Madam Vorsitzende.“
 

Mit purer Dreistigkeit war ihm gelungen, was an diesem Morgen noch niemandem geglückt war, er hatte die angespannte Atmosphäre durchbrochen und die Menge zum Schmunzeln gebracht. Madam Bones schien allerdings weniger amüsiert zu sein; sie schürzte die Lippen und bellte: “Wenn Sie sich bitte darauf konzentrieren würden, meine Fragen zu beantworten...“
 

“Selbstverständlich, Madam.“ Das Grinsen im Gesicht des Aurors war einem fast entschuldigenden Gesichtsausdruck gewichen, doch dieser wirkte sehr aufgesetzt. Unter den zusammengezogenen Brauen des jungen Mannes funkelten zwei lebhafte gelbliche Augen, deren Anblick keinen Zweifel aufkommen ließ, dass ihr Besitzer sich nur zu gerne auf ein Wortgefecht mit der stellvertretenden Justizministerin eingelassen hätte. Doch die Diskussion darüber, was die Aurori tun oder nicht tun durften, war in den letzten Jahren schon zu oft geführt worden und diese Gerichtsverhandlung schien kaum der passende Rahmen zu sein, um einen erneuten Streit vom Zaun zu brechen.
 

“Wenn ich richtig informiert bin, waren Sie auch für die Durchsuchung des Malfoyschen Anwesens, der umliegenden Ländereien, und der Feriendomizile zuständig.“ Der Auror nickte und Madam Bones fuhr fort: “Zu welchem Ergebnis sind Sie dabei gekommen?“
 

“Wir haben einige Gegenstände beziehungsweise Zaubertrankutensilien gefunden, welche in die Kategorie schwarzmagisch gerechnet werden können, jedoch nichts was die Malfoys in irgendeiner Form mit dem Ungenannten in Verbindung brächte.“
 

“Gut. Laut meinen Akten wurden keinerlei konkrete Beweise in dieser Richtung gefunden, weder bei den Durchsuchungen, noch bei den Vernehmungen. Der Angeklagte blieb standhaft bei seiner Meinung, unter dem Einfluss des Imperiusfluchs gehandelt zu haben. Allerdings gab es bei den Ermittlungen keinerlei weitere Untersuchungen diesen Fluch betreffend, ist das richtig? Auch Wahrheitstränke wie beispielsweise das Veritaserum kamen nicht zum Einsatz.“
 

“Das ist richtig. Wenn Sie mich jetzt allerdings nach den Gründen fragen, muss ich leider passen. Für die Ermittlungen war allein Minister Crouch zuständig und er war es auch, der die Verhöre führte. Durch Notstandsartikel siebzehn hatte er die alleinige Verfügungsgewalt.“ Angriffslustig und ein wenig trotzig warf der junge Auror den Kopf zurück und schüttelte seine blondbraune Löwenmähne, als erwarte er eine Rüge, die unweigerlich zu den altbekannten Diskussionen über diesen Artikel führen würde.
 

Die Menge spitzte die Ohren, doch Madam Bones machte keinerlei Versuche, sich auf eine solche Debatte einzulassen. Sie stellte dem Zeugen lediglich noch ein paar Routinefragen über die Ermittlungen, bevor sie ihn schließlich entließ.
 

Narcissa Malfoy sagte nicht aus. Sie behielt sich das Recht der Ehefrau vor, die Aussage zu verweigern.
 

Aber dann, fragten sich die Zuhörer, wer hätte ihren Worten auch Glauben geschenkt?
 

“Kommen wir nun zum dritten und letzten Punkt der Anklage.“ Die Menge horchte auf. “Das Gericht ruft in den Zeugenstand: Arthur William Weasley!“
 

William wer? Nicht jedem sagte dieser Name etwas und einige Köpfe beugten sich flüsternd zu ihren Nachbarn hinüber. Arthur Weasley, Mitarbeiter in der Abteilung gegen den Missbrauch von Muggle Artefakten, war kein Zauberer, den man sich unbedingt hätte merken müssen. Ein sympathischer, etwas überspannter und ansonsten völlig unbedeutender junger Mann mit einem Stall voller Kinder und ein paar absonderlichen Vorlieben.
 

Es war allerdings möglich, dass sich heute ein paar Dinge für ihn ändern würden. Zum Guten oder zum Schlechten.
 

“Sie sind Arthur William Weasley, 34 Jahre alt, angestellt in der Abteilung gegen den Missbrauch von Muggle Artefakten, wohnhaft in Ottery St. Catchpole, verheiratet, sechs Kinder?“
 

“Sieben, Madam Vorsitzende ... ich meine, ja, die Angaben stimmen, aber es sind sieben Kinder.“
 

Er wirkte nervös. Nervös, aber entschlossen. Die Menge musterte ihn, neugierig, angespannt, misstrauisch, aber Weasley schien ihre bohrenden Blicke kaum zu bemerken, denn seine gesamte Aufmerksamkeit richtete sich auf den Mann auf der Anklagebank. Er fixierte ihn, seine Augen verengten sich, und für einen Moment lang war sein Gesicht von Wut, Trauer, und Schmerz verzerrt, bevor sich seine Züge wieder entspannten.
 

Malfoy dagegen verzog keine Miene. Weasley hätte ein Stuhl sein können, oder ein Teil der Wand.
 

“Schildern Sie dem Gericht doch bitte, was am Abend des 11.August 1981 geschah.“
 

“Ich befand ich mich in St.Mungo’s bei meiner Frau Molly Prewett Weasley, die an diesem Abend entbunden hatte. Ihre Eltern und Brüder waren ebenfalls dort, allerdings waren Gideon und seine Frau noch nicht anwesend. Wir machten uns Sorgen, da wir uns alle dort verabredet hatten und wie Sie wissen, in diesen Zeiten vermutet man immer gleich das Schlimmste.“
 

“Das ist allerdings wahr. Fahren Sie fort, Mr. Weasley.“
 

“Wie viele andere besaßen auch die Häuser unserer Familien einen magischen Schutz gegen Apparition und auch die Verwendung von Floo Powder musste immer erst von den Bewohnern eines Hauses bewilligt werden. Wir hatten allerdings Portschlüssel für Notfälle vorbereitet. Als ich mich also per Floo Powder bei Gideon und Kathleen meldete und keine Antwort erhielt, alarmierte ich sofort Auror Moody. Gemeinsam mit ihm, einigen weiteren Aurori, und meinem Schwager Fabian Prewett verwendete ich den Portschlüssel, der uns zu Gideon’s Haus brachte.“
 

Madam Bones runzelte die Stirn. “Soweit deckt sich alles mit den Aussagen von Auror Moody, Aurora McKinnon, und Aurora Carrow. Aber seit wann ist es für Aurori üblich Zivilpersonen auf ihre Missionen mitzunehmen?“
 

“Wir bestanden darauf mitzukommen und es blieb keine Zeit für Diskussionen,“ entgegnete Weasley. “Leider kamen wir bereits zu spät. Wir fanden Gideon und Kathleen ermordet vor, und das Haus verwüstet.“
 

Weasley schwieg und starrte düster zu Boden. Als er den Kopf wieder hob, richtete sich sein anklagender Blick auf Lucius Malfoy. “Fünf Todesser befanden sich im Haus meines Schwagers und dieser Mann war einer von ihnen.“
 

“Es ist möglich, ja.“ Zum ersten Mal blickte Malfoy Weasley direkt ins Gesicht. “Sollte ich wirklich an diesem Überfall beteiligt gewesen sein, dann bedaure ich zutiefst, was geschehen ist und welche Taten ich unter dem Einfluss des Imperiusfluchs begangen habe.“
 

“Seien Sie still! Seien Sie verdammt noch mal still!“ Weasley’s Hände zitterten vor Wut, sie umklammerten die Lehnen seines Stuhles. “Ich muss mir Ihre verdammten Lügengeschichten hier nicht anhören!“
 

Die meisten der Zuhörer hatten sich auf ihren Bänken nach vorne gelehnt, atemlos verfolgten sie das Drama, das sich hier vor ihnen zu entfalten begann. Dies war eher eine Gerichtsverhandlung nach ihrem Geschmack: Sensationen, menschliche Tragödien, unterdrückte Gefühle, die sich ihren Weg nach oben bahnten. Vielleicht wurde es heute noch richtig interessant?
 

“Bitte beruhigen Sie sich, Mr. Weasley.“ Noch klang Madam Bones’ Stimme verständnisvoll, doch es hatte sich bereits ein schärferer Ton eingeschlichen. Wenn der Zeuge sich jetzt nicht zusammenriss, dann musste er damit rechnen, aus dem Gerichtssaal entfernt zu werden. Das schien auch Weasley klar geworden zu sein, denn er schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch. Schweißperlen standen in seinem geröteten Gesicht.
 

“Fünf Todesser befanden sich im Haus. Sie hatten nicht mit unserem Auftauchen gerechnet, erwiderten unsere Angriffe jedoch sofort. Zwei übernahmen die Deckung für die anderen drei, die sich nach draußen zurückzogen, um dort zu Disapparieren. Wie Sie wissen, kam einer der beiden bei diesem Kampf ums Leben und der andere wurde festgenommen. Aber einer der drei Flüchtenden feuerte einen Todesfluch auf uns ab, und tötete damit Fabian Prewett. Dieser Todesser war Malfoy. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, da er wie die anderen Kapuze und Maske trug, aber ich habe seine Stimme erkannt.“
 

“Laut unseres bisheriges Wissens ist es nicht möglich, unter Imperius einen Todesfluch zu verwenden.“
 

“Nein, das ist es nicht, Madam Vorsitzende. Man kann durch Imperius jemanden dazu zwingen, den Cruciatusfluch zu verwenden, oder mit einer Waffe auf andere loszugehen, aber wenn ein Schwarzmagier den Todesfluch einsetzt, tötet er mit seiner bloßen Gedankenkraft, verstärkt durch die eigene Magie. Man muss dazu einen echten, inneren Wunsch besitzen, jemanden zu töten, und dieser Wunsch kann nicht künstlich durch Magie hervorgerufen werden.“
 

“Das ist richtig, Mr. Weasley. Nachdem Sie Ihre Aussage zu Protokoll gegeben hatten, befragte das Wizengamot zu diesem Thema Experten, die mit dem Imperiusfluch bestens vertraut sind und diese sind zu demselben Ergebnis gekommen. Es gibt allerdings einen Zweifelsfall. Angenommen, die Erinnerung eines Zauberers wird künstlich verändert, so dass er durch falsche Erinnerungen dazu gebracht wird, eine bestimmte Person zu hassen, so wäre es unter Umständen möglich, diesen Hass durch Imperius künstlich zu verstärken. Dies wäre jedoch ein äußerst schwieriger Prozess und bisher gibt es keinen solchen Fall, der uns bekannt wäre.“
 

“Das mag sein, aber die Todesser konnten ja gar nicht wissen, dass wir sie überraschen würden,“ entgegnete Weasley. “Somit war es reiner Zufall, dass ausgerechnet Gideon und ich Malfoy verfolgten.“
 

“Sie sind also davon überzeugt, dass es der Angeklagte war, der ihren Schwager mit dem Todesfluch belegte. Nun, dann hätte ich noch eine letzte Frage an Sie. Der Überfall geschah im August. Sie haben jedoch erst im November eine Aussage gegen Mr. Malfoy gemacht, als er bereits verhaftet worden war. Warum haben Sie ihn nicht angezeigt, Mr. Weasley?“
 

“Dazu möchte ich mich nicht äußern, Madam Vorsitzende.“
 

“Gut. Haben Sie ihrer Aussage noch etwas hinzuzufügen?“
 

Weasley antwortete nicht sofort. Seine Augen wanderten durch die Menge der Zuhörer, als suchten sie unter ihnen ein bestimmtes Gesicht. Einen Moment später wandte er sich wieder dem Wizengamot zu, und schüttelte den Kopf.
 

“Gut. Damit ist die Beweisaufnahme abgeschlossen. Mr. Malfoy, Sie haben das letzte Wort.“
 

“Ich hätte genügend Kraft besitzen müssen, mich gegen den Fluch zu wehren.“ Lucius Malfoy’s Stimme war nicht sehr laut, es schien als spräche er eher zu sich selbst. “Das wäre ich meinem guten Namen schuldig gewesen.“
 

In der Stille, die diesen Worten folgte, erwachte der kleine Junge auf Narcissa Malfoy’s Schoß und begann lauthals zu schreien. Nach einigen erfolglosen Versuchen, ihn mit Schnullern und Süßigkeiten zum Schweigen zu bringen, stand sie schließlich auf und ging in Richtung Ausgang. Die Blicke der Menge folgten ihr, als sie mit dem Kind an der Hand zwischen den Reihen hindurchging und die steinernen Stufen zur Tür hinaufstieg. Draco Malfoy weinte immer noch und versuchte, sich von seiner Mutter loszureißen, das winzige Händchen nach seinem Vater ausgestreckt...
 

Mit einem Kopfnicken bedeutete Madam Bones der jungen Aurora Carrow den beiden zu folgen, dann wandte sie sich an die Mitglieder des Wizengamot. “Sind Sie bereit für die Abstimmung, oder benötigen Sie noch etwas Zeit um sich zu beraten?“
 

Natürlich benötigte das Wizengamot Zeit. Heftige, im Flüsterton geführte Debatten brachen zwischen seinen Mitgliedern aus, Akten wurden nochmals herumgereicht, und Aussagen miteinander verglichen. Wie es schien hatten sich die meisten der Hexen und Zauberer bereits eine Meinung gebildet und versuchten nun, andere von derselben zu überzeugen.
 

Endlich verebbten die Gespräche und die Anspannung, die wieder von dem ganzen Saal Besitz ergriffen hatte, stieg noch weiter, stieg ins Unermessliche. Die Hände der Mitglieder des Wizengamots zitterten, als sie sich zur Abstimmung erhoben. Wie viele Hände waren es, waren es mehr als die Hälfte? Oder weniger?
 

“Damit ist die Entscheidung gefallen.“ Madam Bones’ dröhnende Stimme klang wie Donnerhall durch eine steinerne Schlucht. “Lucius Malfoy wird von allen Vorwürfen freigesprochen.“
 

* * *
 

September 1st, 1992
 

10.46
 

So ein Mist, wir hätten echt früher da sein sollen. Jetzt sind die guten Abteile schon alle weg. Na ja, dann müssen Crabbe und Goyle halt irgendwo ein paar Erstklässler rausschmeißen. Es ist ja so praktisch ein Zweitklässler zu sein, endlich gibt’s Jüngere die man herumkommandieren kann und die tun müssen, was man ihnen anschafft.
 

10.49
 

Konnte mich wieder mal erfolgreich vor Mutter’s Knutschattacke retten. Ha!
 

10.55
 

Vater hat gar keine Zeit mir richtig tschüss zu sagen. *schmoll* Warum muss er denn schon wieder mit diesen doofen Ministeriumsmenschen palavern! Man könnte glatt meinen, er kommt wegen der Leute mit zum Zug und nicht wegen mir.
 

11.00
 

Wir fahren. Ich hab grad beschlossen, dass mir diesmal auch nicht langweilig wird. Schließlich gibt es Erstklässler zum ins-Klo-tunken, den Uhu zum mit-Schokofröschen-vollstopfen und Potter zum Drauf-rum-hacken. Was will man mehr?
 

11.01
 

Apropos, Potter, wo steckt der überhaupt? Am Bahnhof hab’ ich ihn gar nicht gesehen.
 

11.07
 

Crabbe und Goyle haben jetzt mächtigen Ärger am Hals. Bei den Erstklässlern, die sie rauskicken wollten, war die Weaseline dabei. Was ja an sich kein Problem wäre, wenn die nicht so viele Weaselbrüder hätte. (größere Weaselbrüder) Einer von denen ist Präfekt. Ich wette, Crabbe und Goyle dürfen jetzt fünfhundert Mal schreiben: Ich soll keine Kakerlaken kicken!
 

11.08
 

Ich glaub’, ich hock mich lieber erstmal zu Blaise und Theodore ins Abteil, bis sich das alles ein wenig beruhigt hat.
 

11.21
 

Außerdem können Blaise und Theodore es bestimmt kaum abwarten, endlich meine tollen neuen Meisterpläne zu hören, mit denen ich dieses Jahr dafür sorgen werde, dass Potter von der Schule fliegt! Natürlich erst, nachdem ich ihn spektakulär im Quidditch geschlagen habe. Sonst macht es ja keinen Spaß.
 

12.16
 

Mittagessen. Auf einem vollen Magen plant es sich doch gleich viel leichter.
 

12.56
 

Blaise und Theodore sind auch der Meinung, dass ich Potter schlagen kann. Sie haben sogar eine großartige Idee. Sie meinen, ich könnte ein bisschen die Augen schließen, mich entspannt zurücklehnen und mir in allen Einzelheiten meinen Sieg ausmalen.
 

13.04
 

Ich kann mir das richtig schön vorstellen, wie ich hoch über der Menge fliege, den Snitch in meiner Hand und alle jubeln mir zu. Und Potter, dieser Loser, haut vor Wut seinen Besen ins Eck.
 

13.08
 

Crabbe und Goyle sind aufgetaucht. Das Präfektenweasel hat ihnen Nachsitzen aufgebrummt fürs Weaseline aus dem Abteil kicken. Sie müssen jetzt hundertmal schreiben: “Ich werde mich meinen Mitschülern gegenüber anständig benehmen.“
 

13.09
 

Das mit den Kakerlaken hätte aber viel besser gepasst.
 

13.13
 

Crabbe und Goyle haben Potter auch nicht gesehen. Niemand hat Potter gesehen. Wahrscheinlich hat der Kerl soviel Angst vor mir, dass er sich irgendwo versteckt hat, die feige Nuss. Und so was schimpft sich dann Gryffindor. Komm endlich raus, du Narbengesicht, und stell dich!
 

13.20
 

Zeit für meinen Rundgang. Irgendwo muss dieses blöde Pottervieh doch stecken. Außerdem ist es jetzt schon Nachmittag und ich hab’ noch nicht einen einzigen Erstklässler ins Klo getunkt.
 

13.21
 

Das heißt, Crabbe und Goyle haben noch keinen einzigen Erstklässler ins Klo getunkt. Als Malfoy macht man sich natürlich nicht selbst die Hände schmutzig.
 

14.00
 

Wir haben tatsächlich ein paar Erstklässler gefunden und ich hab’ ihnen ausführlich erklärt, was für schwierige Tests man bei der Auswahlzeremonie bestehen muss. Einen Boggart muss man besiegen und gegen einen Troll ringen und die riesige Sphinx beißt jedem, der auch nur einen winzigen Tropfen Muggleblut in sich trägt, die Eier ab. Die Erstklässler haben geheult und sich unter den Sitzen verkrochen. *muharharharharhar*
 

14.37
 

Ach, Erstklässler sind doch stinklangweilig. Ich will Potter!
 

16. 49
 

Er ist nicht da, er ist wirklich nicht da. Er steckt nirgendwo in dem ganzen verdammten Zug. In keinem der Abteile, auf keinem der Klos, auch nicht in irgendeinem Winkel verkrochen. Was soll das? Hat der Trottel den Schulanfang verschlafen oder was? Ist seine Narbe geplatzt? Oder haben seine Muggleverwandten ihn endlich nach St.Mungos geschickt, wo er hingehört?
 

Oder ist das Monster aus dem Stein der Weisen zurückgekommen und hat ihn gefressen? Schön wär’s. Vielleicht hab’ ich ja Glück und er kommt gar nicht mehr nach Hogwarts zurück. Dann muss ich mich nie wieder mit ihm rumärgern.
 

Das Weasel ist auch weg, aber bei dem wundert’s mich nicht. Wahrscheinlich können seine Eltern es sich nicht mehr leisten, ihn nach Hogwarts zu schicken und sie brauchen ihn daheim zum Hühnerfüttern und Schweinestall ausmisten.
 

Und was soll jetzt aus meinen ganzen Plänen werden? Blöder Mistpotter, wie kannst du es wagen, nicht nach Hogwarts zurückzukommen, wenn ich so tolle Pläne hab’ um dich rauszuschmeißen?
 

Es ist schon fast fünf, ich muss zu Flint und mit ihm wegen der Besen reden. Vater hat gemeint, es reicht nicht aus um ins Team zu kommen, wenn ich als Einziger dort mit meinem Nimbus 2001 aufkreuze, da muss ich schon etwas mehr bieten. ’Noch mehr Nimbusse?’ hab’ ich gefragt und er hat gemeint, ich müsse noch sehr viel lernen, bis ich etwas vom Leben verstehe.
 

Bis jetzt sieht alles gut für mich aus. Bei neuen Besen fürs ganze Team kann Flint eigentlich gar nicht nein sagen und mit den allerbesten Besen werden wir die anderen Häuser auch so was von wegputzen. Ich werde hoch über der Menge fliegen, den Snitch in meiner Hand, und alle werden mir zujubeln.
 

Und was bringt das alles, wenn Potter nicht da ist, und vor Wut seinen Besen ins Eck haut?
 

* * *
 

Slytherin, Second Year Dormitory, September 5, 1992
 

Draco erwachte schon sehr früh, da der Riesenquid mit seinen Tentakeln von draußen gegen die Scheibe hämmerte. Am liebsten hätte er dem Vieh ein schmerzhaftes Stinging Hex auf den nicht vorhandenen Pelz gebrannt, aber damit würde er vermutlich das Fenster beschädigen, und in einer Brühe schwarzgrünen Wassers zu ertrinken war eigentlich nicht das, was er für heute Morgen im Sinn hatte. So wälzte er sich denn mühsam aus dem Bett und marschierte in Richtung Badezimmer.
 

Zwanzig Minuten und ein paar mühsam in Form gebrachte Haare später trottete er in den Gemeinschaftsraum hinauf, warf sich in einen Sessel, und wartete auf Flint und den Rest der Mannschaft. Natürlich würden sie erst dann zum Quidditchfeld gehen, wenn die Gryffindors bereits mit ihrem Training begonnen hatten, sonst machte es ja auch keinen Spaß. Er freute sich schon auf ihre dummen Gesichter wenn er dort mit seinem eigenen Team aufkreuzte. Nun ja, genau genommen war es immer noch Flint’s Team, aber so genau wollte er das jetzt gar nicht nehmen.
 

“Malfoy? Kommst du frühstücken?“
 

“Später.“ Er schüttelte den Kopf und machte eine abwehrende Handbewegung, als seien Crabbe und Goyle lästige Fliegen, die er verscheuchen müsse. Die beiden zuckten nur mit den Schultern und stapften davon; sie waren dieses Verhalten bereits von ihm gewohnt und nahmen es nicht weiter zur Kenntnis.
 

“Zicken? Nein, hätt’ ich noch nichts bemerkt, die Kleine schnurrt wie eine Katze.“
 

“Na vielleicht kommt das erst, wenn man sie eine Weile geritten hat.“
 

Im ersten Moment blieb Draco der Mund offen stehen und leider schaffte er es nicht mehr rechtzeitig ihn zu schließen, bevor Marcus Flint und Adrian Pucey den Gemeinschaftsraum betraten. “Besen, Malfoy, wir reden über Besen,“ grölte Flint und Pucey verzog das Gesicht zu einem wissenden Grinsen. “Was hast denn du gedacht, Kleiner?“
 

Draco hatte schon eine schnippische Antwort parat, doch dann besann er sich darauf, dass er es hier nicht mit Crabbe und Goyle zu tun hatte, sondern mit älteren Schülern, die ihm durchaus Schwierigkeiten bereiten konnten, wenn er sie gegen sich aufbrachte. Deshalb war er auf dem Weg zu den Umkleideräumen auch eher schweigsam und redete nur dann, wenn Flint oder einer der anderen Jungen eine Frage an ihn richteten.
 

Higgs’ Quidditchroben waren ihm ein wenig zu groß. Das war auch kein Wunder, schließlich war der ehemalige Sucher auch zwei Jahrgänge über ihm. Einen Augenblick lang fragte sich Draco, ob sich das Team auch ohne das großzügige Geschenk seines Vaters für ihn entschieden hätte, doch dann schob er den Gedanken beiseite. Er kannte die Antwort und eigentlich wollte er sie erst gar nicht wissen.
 

Er trat vor den Spiegel um sich in der neuen Aufmachung zu begutachten. Ein wenig fremd sah es aus, aber es machte ihn viel erwachsener. Er warf sich in die Brust und stolzierte ein paar Mal vor dem Spiegel auf und ab.
 

“Nur nicht so eingebildet, Junge,“ kommentierte dieser trocken.
 

Die Gryffindors waren derart in ihr Spiel vertieft, dass sie die Neuankömmlinge zunächst gar nicht bemerkten. Erst als das Slytherin Team bereits in die Mitte des Feldes marschiert war, wandten sich die Gesichter und Besenstiele ihnen zu, und einen Augenblick später kam der gegnerische Captain mit Karacho auf sie heruntergeschossen. “Flint,“ brüllte er. “Das ist unsre Trainingszeit! Wir sind extra dafür aufgestanden! Ihr könnt gleich wieder verschwinden!”
 

Inzwischen war auch der Rest des Gryffindor Teams gelandet. Draco äugte an Bletchley vorbei und erkannte Potter, welcher verwirrt zwischen zwei Weaseln stand. Die Gryffindors scharten sich enger um ihren Captain und warfen den Slytherins feindselige Blicke zu.
 

“Genug Platz für uns alle, Wood.“ Flint ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
 

“Aber ich hab’ das Feld gebucht,“ schimpfte Wood zurück und man konnte deutlich hören wie sich mit jedem Wort seine Wut steigerte. “Ich hab’ das Feld gebucht!“
 

“Aha,“ gab Flint gelangweilt zurück und Draco grinste in sich hinein. “Aber ich habe hier eine Sondererlaubnis von Professor Snape.“ Er zog eine Schriftrolle aus der Innentasche seiner Robe und begann den Inhalt vorzulesen – sehr langsam und deutlich als spräche er zu einem geistig Minderbemittelten oder einem kleinen Jungen. “Ich, Professor S. Snape, verleihe hiermit dem Slytherin Team die Erlaubnis, heute das Quidditch Feld zu nutzen, um ihren neuen Sucher zu trainieren.“
 

“Ihr habt einen neuen Sucher?“ Wood zuckte zusammen wie ein verschrecktes Huhn. “Wo?“
 

Die sechs Jungen traten beiseite und im nächsten Moment fühlte Draco mit Genuss alle Aufmerksamkeit auf sich gerichtet. Einige der Gryffindors schienen verwirrt, sie wussten offensichtlich nicht mit wem sie es hier zu tun hatten. Potter allerdings, nun es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass sein Gesichtsausdruck unbezahlbar war. Seine Lippen formten den Namen Malfoy, und seine Augen starrten in vollendeter Fassungslosigkeit, bevor sie sich langsam zu wütenden Schlitzen verengten. Unwillkürlich trat Draco einen Schritt nach vorne und erwiderte den Blick mit unnachgiebiger Härte.
 

“Bist du nicht der Sohn von Lucius Malfoy?“ fragte eines der Weasel, doch Draco reagierte nicht darauf.
 

“Nun, weil du Draco’s Vater gerade erwähnst,“ sagte Flint höhnisch, “lass mich dir doch das großzügige Geschenk zeigen, das er dem Slytherin Team gemacht hat.“
 

Den Blick immer noch auf seinen Erzfeind gerichtet, hob Draco den Nimbus 2001 und der Rest des Teams tat es ihm gleich.
 

“Das neueste Modell, erst letzten Monat erschienen,“ fuhr Flint mit seiner Lobeshymne fort. “Soweit ich weiß, übertrifft es die alte Zweitausender Serie um einiges. Und was die alten Cleansweeps angeht, die putzt es mit Leichtigkeit weg.“
 

Die Gryffindors waren absolut sprachlos. Zwar senkten sie ihre Blicke nicht, doch die Niedergeschlagenheit war ihren Augen deutlich anzumerken. Eine vernichtende Niederlage, eine Niederlage auf der ganzen Linie. Und sie war erst der Vorgeschmack auf die eigentliche Niederlage, die sie im Spiel erleiden würden.
 

“Oh, seht mal,“ sagte Flint. “Eine Invasion.“
 

Es waren die beiden Lakaien die Potter immer nachliefen. Das jüngste Weasel und diese Schlammblutgöre Granger. Offenbar hatten sie das Training von den Zuschauerbänken aus verfolgt, und kamen jetzt angerannt um zu sehen, was ihrem Boss Schreckliches widerfahren war. “Was ist los?“ wollte das Weasel von Potter wissen. “Warum spielt ihr nicht? Und was tut der denn hier?” Er musterte Draco mit einer Mischung aus Verachtung und Überraschung, die einen albernen Ausdruck auf sein Gesicht zauberte. Aber dann, wann hätte er jemals nicht albern ausgesehen?
 

“Ich bin der neue Slytherin Sucher, Weasley.“ Draco genoss die Möglichkeit, seinen Triumph für ein weiteres Publikum zu verlängern. “Alle sind gerade dabei die neuen Besen zu bewundern, die mein Vater unserem Team gekauft hat.“
 

Das brachte das Weasel zum Schweigen. Es konnte nur noch mit offenem Munde die Rennbesen anstarren.
 

“Sie sind gut, nicht wahr?“ setzte Draco noch einen drauf. “Aber vielleicht schafft es das Gryffindor Team ja, an ein bisschen Gold zu kommen. Ihr könntet versuchen, die alten Cleansweep Fives zu versteigern; es würd’ mich nicht wundern, wenn ein Museum dafür bietet.“
 

Flint, Pucey und die anderen lachten los, dabei war der Witz nicht einmal besonders gut gewesen. Er hatte schon bessere gemacht, das war ihm sogar selbst klar. Doch egal, Hauptsache, er hatte sie beeindruckt. Mit Leuten aus den höheren Klassen herumzuhängen, das war doch etwas anderes als diese dämlichen Kinder in seinem eigenen Jahrgang.
 

“Zumindest musste sich ins Gryffindor Team niemand einkaufen. Sie wurden alle ihres Talents wegen aufgenommen.“
 

Draco fuhr herum. Diese verdammte Granger hatte genau das ausgesprochen, was er vergeblich zu verdrängen versucht hatte, und das vor dem ganzen Team. “Niemand hat dich nach deiner Meinung gefragt, du dreckiges kleines Schlammblut,“ fauchte er los, ehe er sich beherrschen konnte.
 

Das Chaos brach aus. Zwar jagte Flint rechtzeitig nach vorne und konnte erfolgreich verhindern, dass sich die Gryffindors auf ihn stürzten, aber an seinem wütenden Blick erkannte Draco, dass er zu weit gegangen war. Eine Schlägerei oder gar ein Kampf waren eigentlich nicht geplant gewesen, doch jetzt war das wohl kaum noch zu vermeiden. Die Jungen ballten ihre Fäuste, die Mädchen kreischten mit schrillen Stimmen durcheinander und Weasley riss als erster seinen Zauberstab heraus. “Dafür bezahlst du, Malfoy,“ schrie er wutentbrannt.
 

Ein Krachen hallte im Stadion wieder, doch Draco konnte nicht sehen, was geschah. Ängstlich hatte er die Augen zugekniffen, als sich die Spitze des Stabes auf sein Gesicht richtete. Doch anstatt Schmerz vernahm er lediglich lautes Poltern und einen Schrei. Als er die Augen wieder öffnete, sah er, dass Weasley rückwärts ins Gras gefallen war und sich den Magen hielt.
 

Er hatte sich mit seinem eigenen Hex erwischt. So dumm konnte doch noch nicht mal ein Weasley sein.
 

Aber es kam noch besser. Als er den Mund öffnete, um etwas zu sagen, klatschten anstatt Worten drei fette ekelige Nacktschnecken vor ihm ins Gras.
 

Die Slytherins brüllten vor Lachen. Selbst die Gryffindors wichen angewidert zurück; aus Furcht vor dem Fluch schien niemand mit Weasley in Berührung kommen zu wollen. Draco selbst konnte kaum mehr an sich halten, und als Potter ihn mit der Schulter zur Seite stieß um zu seinem Lakaien zu gelangen, verlor er vor lauter Lachen das Gleichgewicht und landete auf allen Vieren. Schniefend und prustend hämmerte er mit den Fäusten auf den Boden. Ausnahmsweise bestand diesmal kein Anlass für Rachepläne, denn diesmal hatten seine Feinde sich selbst abgeschossen.
 

So perfekt hätte er das mit seinem besten Racheplan nicht hingekriegt.
 

* * *
 

Monday, September 7th
 

Draco Malfoy,

Prinz von Slytherin
 

Hm... klingt gut, aber dann quengelt Pansy mich voll, dass sie die Prinzessin sein will.
 

Draco Malfoy,

Drache von Slytherin
 

Klingt auch gut, aber dann will das Wildschwein mich als Haustier. Igitt!
 

Draco Malfoy,

Sexgott von Slytherin
 

Klingt bescheuert.
 

Warum ist es so einfach, sich Namen für andere auszudenken, und so schwer einen passenden für sich selber zu finden? Am besten klingt immer noch: Draco Malfoy, Erbe von Slytherin, aber Mutter sagt, ich solle mich hüten. Das ist wer anders.
 

Tuesday, September 8th
 

Es regnet und regnet, aber wir haben heut’ Abend trotzdem Quidditch Training. Ich hab’ so was von überhaupt keine Lust mich schon wieder nass und dreckig zu machen. Die schlammschmeißenden Alraunen von heut früh haben mir gereicht. Den blöden Snitch krieg’ ich auch ohne, dass ich mir täglich eine Extra Dusche verpassen lasse.
 

Aber was tut man nicht alles, um dem blöden Pottervieh eins reinzuwürgen?
 

Wednesday, September 9th
 

Hab’ einen Brief von Vater gekriegt. Sehr seltsam, normalerweise lässt er sich Zeit mit dem Schreiben. Ob auf Hogwarts etwas Ungewöhnliches passiert sei? Nein, abgesehen davon, dass wir einen wandelnden Witz zum DADA Lehrer haben und dass Weasley Nacktschnecken spuckt, ist eigentlich alles wie immer.
 

Tja, wenn es wenigstens richtige Schnecken wären, dann könnte seine Familie jetzt französisch essen anstatt hungern zu müssen.
 

Thursday, September 10th
 

Was? Schon wieder Quidditch Training?
 

Friday, September 11th
 

Ich hab’ der McGonagall erzählt, dass ich meine Hausaufgaben nicht machen konnte vor lauter Quidditch Training, aber sie hat es nicht gelten lassen und mir eine Strafarbeit aufgebrummt. Noch nicht mal, dass ich erkältet bin und Madam Pomfrey’s Pepperup Potion trinken muss, hat sie interessiert, diese dumme Ziege. Vater soll sich bei der nächsten Elternbeiratssitzung über sie beschweren.
 

Saturday, September 12th
 

Ich hab’ beschlossen, an meinem Image zu arbeiten. Wenn ich jetzt so viel mit Flint und den Größeren herumhänge, muss ich mich auch erwachsener benehmen. Kein kindisches Herumrennen mehr und keine Süßigkeiten-Fressorgien in der Großen Halle und im Gemeinschaftsraum. Sollen sich doch Crabbe und Goyle mit den Zitronenkuchen voll stopfen. Und mit den Schokomuffins. Das heißt die Schokomuffins behalte ich lieber. Ich kann sie ja nachts heimlich im Schlafsaal...
 

Nein, Schluss aus! Cool sein ist angesagt. Ab morgen fang’ ich damit an. Und gleich als allererstes werd’ ich zum Frühstück Kaffee trinken, anstatt Kakao. Schwarz. Ohne Zucker.
 

Kakao ist was für Weicheier. Echte Männer müssen was trinken, das grässlich schmeckt.
 

Sunday, September 13th
 

Bäh, Hausaufgaben. Warum können wir DADA eigentlich nicht mit den Gryffindoofs zusammen haben? Ich will so gern sehen wie Potty für Lockhart den babbelnden Bauern spielt.
 

Ich wette, der Weaseline würde das auch sehr gefallen. Oder dieser korinthenkackenden Mistkäferkröte Creevey, die Potter die ganze Zeit wie ein Hündchen hinterherläuft. Oh, Harry, mein Held! Darf ich deine Tasche tragen, Harry? Darf ich dir die Schuhe lecken, Harry? Oh biiittee!!! *würganfall krieg*
 

Sunday, September 13th, Nachtrag
 

A propos Würganfälle. Ab morgen trink’ ich wieder Kakao. Das bin ich meinem guten Namen schuldig. Als Malfoy ist man schließlich ein Trendsetter und kein Mitläufer.
 

Monday, September 14th
 

Das gibt’s doch nicht. Das gibt’s einfach nicht! Das kann Vater doch echt nicht bringen. Nicht an Weihnachten!
 

Er und Mutter verreisen für zwei Wochen nach Japan. Nach Japan! Normalerweise hätt’ ich gesagt, tolle Idee, dann könnt ihr gleich mit diesen ganzen unlöblichen Blutsverrätern aufräumen, die unseren Modestil so schamlos unter den Muggles verbreiten. Aber doch nicht an Weihnachten!
 

Wir haben bis jetzt noch jedes Weihnachten alle zusammen zu Hause gefeiert. Und jetzt soll ich hier einsam und allein in Hogwarts versauern, während meine tollen Eltern in der Weltgeschichte herumgondeln und meine doofe Schwester bei Großmama rumhängt und mit Geschenken überschüttet wird? Hah, ich wette, ihr passt es auch nicht, dass sie nicht zu Hause sein kann.
 

Weihnachten ist schließlich ein Fest für die Familie...
 

* * *
 

Ministry of Magic, 21. December 1981
 

“Guten Abend, Amos, treten Sie doch näher. Vielen Dank für die Plätzchen, Aislinn, einer unserer Hauselfen wird sie Ihnen gleich abnehmen und zum Buffet rüberbringen. Cornelius – ich hatte noch gar keine Gelegenheit Ihnen zu Ihrer Beförderung zu gratulieren, Claudia, Sie sind sicher sehr stolz auf Ihren Mann. Arthur, Molly – oh danke, aber das wäre doch gar nicht nötig gewesen. Albus, Sie sind tatsächlich gekommen.“
 

Die Augen der alten Ministerin leuchteten vor Freude auf, als sie Albus Dumbledore ihre faltige Hand hinstreckte. Sie hatte nicht mehr wirklich mit seinem Kommen gerechnet, es war ja allgemein bekannt, dass Dumbledore sich von den gesellschaftlichen Zusammenkünften des Ministeriums eher fernzuhalten pflegte.
 

“Nun, Millicent, ich dachte, da wir in den letzten Jahren so wenig Gelegenheit zum Feiern hatten...“ Mit einer galanten Verbeugung ergriff Albus ihre Hand und berührte sie mit den Lippen. “Außerdem, wer könnte bei solch köstlichen Weihnachtsleckereien schon ’nein’ sagen?“ Er zwinkerte ihr zu, und wandte sich dann zu Claudia Fudge, um klammheimlich eines ihrer Plätzchen zu naschen. “Dumbledore, Sie sind ein Schelm.“
 

“Frank, wie schön dass Sie kommen konnten.“ Millicent Bagnold wandte sich ihren nächsten Gästen zu. “Und Alice – Sie sehen wie immer bezaubernd aus. Ist Augusta denn gar nicht mitgekommen?“
 

“Keine Sorge, Mutter geht es gut.“ Frank Longbottom hatte den besorgten Ausdruck im Gesicht der Ministerin richtig interpretiert. “Sie lässt sich entschuldigen. Sie hatte dieses Wochenende den Kleinen und hat die Weihnachtsfeier einfach als Entschuldigung genommen ihn noch einen Tag länger zu behalten.“
 

“Warum überrascht mich das nicht?“ scherzte die Ministerin. “Augusta ist ganz vernarrt in den Jungen, grüßen Sie sie bitte von mir. Genießen Sie die Feier.“
 

Sie warf einen Blick in Richtung der Fahrstühle, doch wie es schien, hatte sie erst die Hälfte der Schlange hinter sich gebracht. So sehr es sie auch freute, dass ihre Gäste so zahlreich erschienen waren, im Moment sehnte sie sich nach nichts mehr als einem gemütlichen Lehnstuhl und einer Tasse heißem Tee.
 

Das Atrium glänzte in festlichem Licht. Hunderte goldener Kerzen strahlten von den prächtigen Kronleuchtern an der pfauenblauen Decke. Da blau und golden hier die vorherrschenden Farben waren, hatte man hauptsächlich auf das traditionelle Rot-Grün verzichtet, und in Blau-Gold-Silber dekoriert. Funkelnde Weihnachtsgirlanden und silbrige Lamettaregen zierten die Decke, wanden sich um die Kronleuchter und die duftigen Zweige der Tannenbäume. Tanzende Lichter, schimmernde Kugeln, schwebende Glitzersterne – bei all ihrer Pracht wirkte die Eingangshalle des Ministeriums doch ein wenig überladen. Als ob es nicht hell und leuchtend und strahlend genug sein könne.
 

Die Ministerin senkte den Blick. Ihre Welt hatte zu lange im Dunkel leben müssen.
 

“Bartemius, was für eine Freude. Und Préah, Sie haben uns einen Ihrer leckeren Kuchen mitgebracht.“ Ihr Blick glitt an der jungen Frau vorbei zu der braunäugigen Hauselfe, auf deren winzigen Ärmchen sich ein riesiger Weihnachtskuchen auftürmte. “Und Ihnen, Barty, wie gefällt Ihnen Ihr Praktikum? Wenn Sie Fragen haben, können Sie sich jederzeit an mein Büro wenden, das wissen Sie.“
 

“Danke, ich komme zurecht.“ Barty junior warf einen nervösen Seitenblick zu seinem Vater, dessen Gesichtszüge sich bei dem Wort Praktikum unwillkürlich verhärtet hatten. Vater hatte ihm nie verziehen, dass er es nicht geschafft hatte, gleich nach seinem Schulabschluss ins Trainingsprogramm für Aurori aufgenommen zu werden. Dieses so genannte Praktikum beim Ministerium war lediglich eine Übergangslösung, bis es ihm gelungen war das passende Hintertürchen zu finden. Oder zu öffnen.
 

“Winky, würdest du bitte den Kuchen zum Buffet stellen?“ wandte Préah sich mit einem freundlichen Lächeln an die Hauselfe. “Danach brauchen wir dich erstmal nicht mehr. Du darfst nach Hause zurückkehren, oder hier mit den Hauselfen verkehren, ganz wie es dir beliebt.“
 

“Wie Sie wünschen, Mistress Préah,“ quiekte Winky. Sie wollte sich schon abwenden, als Barty senior sie noch einmal zurückrief. “Ist die Bibliothek schon abgestaubt?“
 

“Liebling, das hat doch morgen noch Zeit.“ Préah legte eine Hand auf den Arm ihres Ehemannes. “Winky hat so wenig Gelegenheit Zeit mit anderen Hauselfen zu verbringen.“
 

“Préah.“ Barty vergewisserte sich, dass die Ministerin außer Hörweite war, bevor er weitersprach. “Die Hauselfen hier sind alle mit der Weihnachtsfeier beschäftigt. Und ich sehe wirklich nicht ein, warum ich die Arbeitskraft meiner Hauselfe so einfach ans Ministerium verleihen sollte, wenn es in meinem eigenen Haushalt genug zu tun gibt.“
 

Bei dem Ausdruck ’meinem Haushalt’ glitt ein schelmisches Lächeln über Préah’s Gesicht und sie hob zweifelnd die Augenbrauen. Barty stieß einen Seufzer aus und hob abwehrend die Hände. “Ganz wie du meinst, Liebes. Winky, tu was die Mistress dir aufgetragen hat.“
 

“Wie Sie wünschen, Master Barty,“ quiekte Winky.
 

“Préah, wie schön dich zu treffen. Was macht die Arbeit, Barty?“
 

Während seine Eltern sofort vom nächsten Menschenauflauf in Beschlag genommen wurden, schnappte sich Barty junior ein Glas Perlenchampagner und schlenderte gelangweilt in Richtung Buffet. Vater würde ihn nicht vermissen, ganz im Gegenteil, er würde froh sein, sich nicht mit ihm beschäftigen zu müssen. Seit der Katastrophe mit dem Abschlusszeugnis hatten sie kaum das Nötigste miteinander geredet.
 

Manchmal fragte er sich wie Mutter die ganze Situation ertrug. Zwar hatte sie ein echtes Talent dafür, zwischen Vater und ihm zu vermitteln, und bisher hatte sie auch immer mit unendlicher Geduld dafür gesorgt, dass der Familienfrieden gewahrt blieb. Aber konnte ein Mensch ewig den Puffer für andere spielen? Würde das wackelige Gleichgewicht ihrer kleinen Familie nicht irgendwann zerbrechen?
 

“... und in der Grand Loge Alpina herrscht wieder mal dicke Luft, wie man hört. Nun, Genaues konnte ich nicht erfahren, hab’ ja nicht viel mit den Züricher Gnomen und ihren Machenschaften zu tun. Aber ich gehe jede Wette ein, dass der finanzielle Einbruch irgendwie mit dem Fall von ... na ja, du weißt, wen ich meine zusammenhängt.“ Amos Diggory wandte den Kopf nach links und rechts, und als er feststellte, dass sie nicht beobachtet wurden, streckte er die Hand nach einem Plätzchen aus.
 

“Nichts da.“ Frank Longbottom haute ihm auf die Finger.
 

Diggory sah ihn empört an, doch Longbottom lachte nur. “Als Auror muss ich schließlich Recht und Gesetz wahren, oder etwa nicht?“
 

Ein wenig ernster fügte er hinzu: “Vermisst du’s nicht manchmal? Ich meine, sich mit Goblins und Hauselfen herumzuärgern, das kann’s doch nicht gewesen sein.“
 

Barty wusste genau, wovon die beiden sprachen. Frank Longbottom war einer der Aurori, die für Vater arbeiteten, und Amos Diggory war bis vor etwa einem Jahr sein Partner gewesen. Er hatte den aufstrebenden jungen Gryffindor unter seine Fittiche genommen, als dieser frisch von Hogwarts in die Ausbildung kam, hatte ihn trainiert, und ihn auf den Kampf mit den Schwarzmagiern vorbereitet. Dank seiner Hilfe hatte Longbottom die Ausbildung als einer der Besten abgeschlossen, gemeinsam mit Alice Clearwater, die jetzt seine Frau war.
 

Und dann hatte Diggory die Aurori ganz plötzlich verlassen und stattdessen einen Schreibtischjob in der Abteilung für Magische Geschöpfe angenommen. Wie hatte Vater sich doch darüber aufgeregt. ’Er wirft seine Karriere weg, dieser Narr,’ hatte er geflucht. ’Diese Hufflepuffs sind doch alle gleich, nicht einen Funken Ehrgeiz.’
 

An diesem Tag war Barty wieder einmal mehr darüber froh gewesen, dass der Auswahlhut ihn nach Gryffindor gesteckt hatte.
 

“Ich bin zufrieden mit meinem Job, Frank,“ gab Diggory zurück und es klang aufrichtig. “Ich weiß, dass es die richtige Entscheidung war.“
 

Barty horchte auf. Vater hatte nie erwähnt aus welchen Gründen Diggory die Aurori verlassen hatte, und der Junge fragte sich, was einen Mann dazu bringen konnte, seine Karriere derart in den Wind zu schießen. Barty selbst hätte alles darum gegeben bei den Aurori aufgenommen zu werden, damit Vater nur endlich stolz auf ihn sein konnte.
 

“Du weißt, dass Aislinn es nicht länger ertragen konnte. Diese ständige Furcht, diese Angst, mich zu verlieren. Zu viele Aurori haben im letzten Krieg ihr Leben lassen müssen, ebenso wie die Mitglieder von Dumbledore’s Orden. Und was noch schlimmer war, die Todesser haben ihre Familien angegriffen. Du weißt, was den McKinnons passiert ist, den Prewetts, den Potters. Glaubst du, ich wollte eines Nachts nach Hause kommen, und meine Frau und meine beiden kleinen Söhne ... aber bitte sprechen wir nicht von solch dunklen Dingen, es ist Weihnachten. Du solltest nur eines wissen, alter Freund, das Wichtigste im Leben, das Allerwichtigste ist deine Familie. Alles andere ist nur zweitrangig.“
 

Frank Longbottom nickte langsam. “Ja, damit hast du Recht, aber genau das ist der Grund, warum ich überhaupt Auror geworden bin. Meine Eltern haben mir beigebracht, dass ich die Menschen, die ich liebe beschützen muss. Ich möchte nicht, dass meine Kinder in einer Welt aufwachsen müssen, die von Todessern regiert wird.“
 

Barty stand wie erstarrt. Ein Mann, der seiner Familie wegen die Karriere aufgab? Kein Wunder, dass Vater sich darüber lustig machte. Ein weiterer Mann, der seinen Beruf nur deshalb gewählt hatte, um seine Lieben zu schützen? Auch das würde Vater nicht verstehen. Ihm ging es doch nur um seinen beruflichen Erfolg. Noch eine Beförderung, noch mehr Einfluss, noch mehr Macht...
 

Warum konnte Vater nicht ein wenig von Longbottom’s Edelmut und Diggory’s Opferbereitschaft besitzen?
 

Nein! Nein, so etwas durfte er gar nicht erst denken. ’Dein Vater liebt dich,’ versicherte Mutter ihm immer wieder, ’dein Vater liebt dich. Er kann es nur nicht so zeigen.’
 

Nein, es war ganz sicher nicht Vater’s Schuld. Es war nur seine eigene. Was hatte er denn bisher getan, um Vater’s Liebe zu verdienen? Er hatte doch immer wieder nur versagt. Anstatt Vater mit Stolz zu erfüllen, hatte er ihm nichts als Enttäuschungen bereitet. Wie sollte man einen solchen Sohn lieben können? Wie denn?
 

Das unangenehme Klirren von Metall auf Glas rang ihm in den Ohren. Ministerin Bagnold hatte mit der Fassung ihres Zauberstabes gegen ihr Glas geschlagen, um sich Ruhe zu verschaffen.
 

“Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde,“ begann die Ministerin ihre Rede. “Es ist mir eine große Ehre, Sie heute Abend auf unserer Weihnachtsfeier willkommen heißen zu dürfen. Da wir uns alle auf ein ausgezeichnetes Weihnachtsbuffet freuen, möchte ich mich kurz fassen und nicht viele Worte machen. Einige Dinge jedoch gibt es, die ich sagen möchte: nämlich, dass die schreckliche Zeit des Krieges jetzt zu Ende ist, und wir uns gemeinsam auf eine neue Ära des Friedens zubewegen. Und in diesem Sinne möchte ich Ihnen eine Entscheidung mitteilen, über die ich lange nachgedacht habe und welche ich jetzt für den richtigen Schritt halte: Ich werde als Ministerin für Zauberei zurücktreten.“
 

Ein leises Raunen durchfuhr die Menge, doch Millicent Bagnold sah keine Überraschung auf den Gesichtern der Menschen. Sie hatten mit dieser Entscheidung gerechnet. Unter normalen Umständen wäre die alte Dame vielleicht schon ein, zwei Jahre früher in ihre wohlverdiente Rente gegangen, doch solange sich die Zaubererwelt in einer solchen Krise befand, war dies undenkbar gewesen. Doch nun war die Krise vorbei und sie konnte in Würde abtreten.
 

“Ich bin die Ministerin des Krieges gewesen,“ fuhr sie fort, “ich habe viele harte Entscheidungen treffen müssen, und erst die Zeit wird zeigen, ob ich richtig gehandelt habe. Doch nun will ich ein deutliches Zeichen des Friedens setzen. Als meine letzte Amtshandlung erkläre ich hiermit den Notstandsartikel 17 außer Kraft gesetzt. Es besteht nicht länger die Notwendigkeit für unsere Aurori Hexen und Zauberer ohne Anklage festzunehmen oder gar von solch schrecklichen Methoden wie den Unverzeihlichen Flüchen Gebrauch zu machen.“
 

Diese alte Füchsin! Barty Crouch senior umklammerte sein Glas so fest, dass er fürchtete, es zu zerbrechen. Da musste sie ihm doch kurz bevor sie das Zepter an ihn weiterreichte, noch einen Stein in den Weg legen. Natürlich konnte er ihre Entscheidung wieder rückgängig machen, wenn er erst Minister geworden war, doch ohne einen Krieg und einen Dunklen Lord im Hintergrund würde es äußerst schwer werden, eine Rechtfertigung für solche Sondervollmachten zu finden.
 

Trotzdem, er würde einen Weg finden. Mit etwas Glück und der richtigen Propaganda ließen sich die Leute schon überzeugen.
 

Etwas anderes bereitete ihm im Moment viel größere Sorgen. Warum war Albus Dumbledore zu dieser Weihnachtsfeier erschienen? War dies etwa ein Zeichen, dass sich Dumbledore wieder für die Vorgänge im Ministerium interessierte, ja vielleicht sogar erwog, sich für den Posten des Ministers zur Verfügung zu stellen?
 

Bisher hatte Dumbledore es immer abgelehnt, sich zur Wahl zu stellen, auch wenn viele ihn dazu gedrängt hatten. Er wollte seinen Posten als Schulleiter von Hogwarts nicht aufgeben. Aber vielleicht hatte er seine Meinung inzwischen geändert. Macht war verführerisch. Mochte der alte Kauz ruhig den Bescheidenen spielen, ihn, Bartemius Crouch konnte er damit nicht täuschen. Er erkannte einen Puppenspieler, wenn er ihn sah.
 

“... alle notwendigen Papiere liegen bereits unterzeichnet in meinem Büro. Am ersten Tag des neuen Jahres werden die Kandidaten für den Ministerposten bekannt gegeben.“
 

Die Kandidaten? Also doch. Ein bitteres Lächeln umspielte Barty Crouch’s Lippen. Albus Dumbledore würde also wirklich gegen ihn antreten. Nun, dann konnte er sich warm anziehen. Er, Bartemius Crouch würde sich ganz sicher nicht von einem Posten vertreiben lassen, den er für sich selbst vorgesehen hatte.
 

“Minister Crouch,“ flüsterte eine Stimme in sein Ohr. Er wandte den Kopf zur Seite, und sah, dass seine Sekretärin neben ihn getreten war. “Sie haben einen Gegenkandidaten.“
 

Sie machte eine Pause, um ihren Worten Gewicht zu verleihen, und Crouch spitzte die Ohren. Das Nützliche an Bertha Jorkins war, dass sie immer über den neuesten Klatsch informiert war, Geheimnisse an den unmöglichsten Stellen ausbuddelte, und eine Nase für Informationen hatte, um die jeder Spion sie beneiden konnte. Leider brachte sie auch ihre Nachteile mit; sie konnte nichts, aber auch gar nichts für sich behalten Und ihre Klatschgeschichten erwiesen sich auch nicht immer als zutreffend.
 

“Es ist Fudge.“ Bertha’s Stimme klang sehr selbstzufrieden. “Der Minister der Abteilung für magische Katastrophen. Der vor kurzem befördert worden ist, weil er diesen Black ... Sie wissen schon.“
 

“Bertha, ich weiß wer Cornelius Fudge ist.“ Crouch’s Augen suchten seinen potentiellen Gegner in der Menge, welche bereits angeregte Flüstergespräche führte und immer wieder zum Buffet hinüberschielte. Niemand schien mehr wirklich die Geduld für die langwierige und weitschweifende Rede der Ministerin aufbringen zu können. Auch Fudge war in eine Unterhaltung mit seiner Sekretärin vertieft, deren breites krötenartiges Grinsen so gar nicht zu ihrer mädchenhaften Haarschleife passen mochte. Crouch’s Blick wanderte weiter und fiel stattdessen auf seinen Sohn, welcher gedankenverloren am Buffettisch lehnte und mit glasigen Augen in die Ferne starrte.
 

“Des Weiteren möchte ich bekannt geben, dass in der Abteilung für magische Spiele und Sportarten...“
 

Einen Augenblick lang fühlte der junge Crouch den Blick seines Vaters auf sich ruhen, doch er wagte es nicht, sich umzuwenden und diesen zu erwidern. Was würde es ihm helfen, ein weiteres Mal die Verachtung zu spüren, die Vater für ihn empfand? Er musste endlich eine Möglichkeit finden ... oh verdammt, warum hatte es nur mit den Aurori nicht geklappt? Seine Noten waren doch in Ordnung gewesen. Er hätte nur...
 

Als donnernder Applaus endlich das Ende der Rede ankündigte, und die Menge ihrer Ministerin falschen und ehrlichen Beifall spendete, schob sich Barty durch die Menschenmassen hindurch, bis er vor dem Brunnen der Magischen Bruderschaft stand. Stumm und gleichgültig erhoben sich die prächtigen goldenen Figuren über das Wasser, ihr eingefrorenes Grinsen wirkte grotesk, beinahe bedrohlich, als sie auf ihn hernieder blickten. Die Augen der Hexe und des Zauberers waren hohl und leer, die bewundernden Blicke des Goblins und des Kentauren eine Maske der Falschheit, ja selbst der unterwürfige Ausdruck auf dem Gesicht des Hauselfen hatte etwas Verschlagenes an sich.
 

Barty Crouch hatte schon vor langer Zeit aufgehört an die Macht der Wünsche zu glauben. Aber sie lebten jetzt in einem neuen Zeitalter, einem Zeitalter, in dem man wieder hoffen und träumen durfte. Und Weihnachten war nicht mehr fern.
 

Er nahm eine goldene Münze und ließ sie hinab ins funkelnde Wasser fallen. “Ich wünsche mir ... ich wünsche mir eine neue Chance. Eine Möglichkeit um Vater zu beweisen, dass ich kein Versager bin. Ich wünsche mir, dass mein Vater endlich stolz auf mich sein kann.“
 

Seine Augen folgten immer noch den ringförmigen Bewegungen des Wassers, als ihm die seltsame Stille auffiel, welche sich über die Eingangshalle gesenkt hatte. Der Applaus der Menge war so plötzlich verstummt, als habe man ihn wie eine Kerzenflamme gelöscht.
 

Er hob den Kopf und sah, dass alle Gesichter in dieselbe Richtung blickten.
 

Die Türen des mittleren Fahrstuhls hatten sich zur Seite geschoben um den Blick auf eine einzelne Gestalt freizugeben. Im ersten Moment konnte er nur ihre Silhouette gegen das strahlende Licht erkennen, doch einen Augenblick später schlossen sich die Türen wieder hinter ihr und sie wurde sichtbar.
 

Eine junge Frau, schlank und hochgewachsen, und mit solch blasser Haut, dass ihr zartes elfenbeinweißes Abendkleid dagegen dunkel erschien. Ihr blondes Haar war am Hinterkopf zu einem kunstvollen Knoten verschlungen, bis auf ein paar einzelne federartig schwingende Locken im Nacken und an den Schläfen. Ein kostbar bestickter Winterumhang umrahmte ihre schmale Gestalt, dessen weißer Pelzbesatz sich sanft um ihren Hals schmiegte.
 

Zweifellos wirkte ihre schlichte, geschmackvolle Aufmachung in dem mit Glitzer und Glanz überladenem Raum noch eine Spur eleganter.
 

Geflüster und Gemurmel brach aus, als sie näher trat, Gesichter musterten sie mit Neugier, Mitgefühl, oder unverhohlener Feindseligkeit. Überraschung, Unglauben, Kopfschütteln, und Bertha Jorkin’s Worte waren wieder einmal laut genug, dass sie zischend im Raum widerhallten: “Was will die denn hier?“
 

Einige wandten ihre Blicke der Ministerin zu, um ihre Reaktion abzuwarten, doch sie schien selbst noch zu fassungslos, um zu wissen, was sie tun sollte. Andere dagegen schienen eifrig zu überlegen, ob sie nicht einfach auf die Besucherin zugehen und sie begrüßen sollten, doch niemand wagte es.
 

Diese ganze verlogene Bande...
 

Plötzlich spürte Barty einen seltsamen Anflug von Ärger. Noch vor wenigen Wochen waren einige dieser Leute wie Schmeißfliegen um diese junge Frau herumgeschwirrt, hatten sie mit Komplimenten und Schmeichelreden überschüttet und sich daraus einen Vorteil erhofft. Doch jetzt, da ihr Mann in Azkaban gefangen saß und unter dem Verdacht stand, ein Todesser zu sein, hatten sie sich von ihr abgewandt. Es war ihnen vollkommen gleichgültig ob er schuldig oder unschuldig war, sie wussten nur, dass Bartemius Crouch, Minister der Abteilung für Magisches Recht und Gesetz, es sich in den Kopf gesetzt hatte, diesen Mann zu verurteilen. Und Bartemius Crouch in die Quere zu kommen war nicht nur sehr unklug, sondern auch gefährlich.
 

Nein, er durfte so nicht über Vater denken. Er durfte das nicht.
 

Was würde Mutter sagen, wenn sie von diesen schrecklichen Gedanken wüsste?
 

“Narcissa, was für eine Überraschung!“ Mit energischen Schritten trat Albus Dumbledore auf die Besucherin zu und reichte ihr die Hand. “Wie mir scheint, hat mit Ihrem Besuch heute Abend niemand mehr gerechnet. Bitte legen Sie doch ab.“ Er half ihr aus dem Winterumhang und brachte diesen, nachdem keine der zuständigen Hauselfen erschien, selbst zur Garderobe.
 

“Ich danke Ihnen, Professor.“ Narcissa Malfoy’s Stimme klang kühl und gefasst, und doch verriet ein leichtes Zittern ihre Nervosität. Jetzt, da Dumbledore das Eis gebrochen hatte, traten auch weitere Gäste auf sie zu und begrüßten sie. Auch die Ministerin schien sich wieder gefangen zu haben, und machte ihr ihre Aufwartung, auffällig-unauffällig flankiert von Longbottom und Diggory. Barty warf einen Blick zu seinem Vater hinüber, dieser beobachtete die ganze Szenerie mit steinernem Blick und vor Wut aufgerissenen Augen.
 

“Elf, stell’ den Weihnachtspudding zum Buffet.“
 

Etwas in Richtung Boden quiekte ein “Ja, Mistress!“ zur Antwort. Durch die Menge hatte Barty gar nicht sehen können, dass neben Mrs. Malfoy eine Hauselfe stand.
 

“Verzeihen Sie, Mrs. Malfoy...“ Ein junger Auror, dessen Blick fahrig zwischen Vater und der jungen Frau hin und her wanderte, (als wisse er nicht, vor wem er sich mehr fürchten sollte) räusperte sich verlegen. “Wir ... uhm ... würden gern einen Blick auf den Pudding werfen, wenn Sie ... uhm ... nichts dagegen haben. Vorschrift, verstehen Sie?“
 

“Sicher, wenn Sie nichts Besseres zu tun haben.“ Narcissa Malfoy hob die Augenbrauen und plötzlich verspürte Barty das dringende Bedürfnis, die Schale mit dem Pudding zu nehmen und diesen schnurstracks ins Gesicht des Aurors zu befördern. Zum ersten Mal in seinem Leben war er gar nicht traurig darüber, nicht in den Kreis der Aurori aufgenommen worden zu sein. Bisher hatte er die Aurori als tapfere Helden gesehen, aber dies hier war einfach nur peinlich.
 

“Wir ... uhm ... würden auch gern einen Blick in ihre Handtasche und auf sonstige mitgebrachte Gegenstände werfen,“ fügte ein weiterer Auror hinzu und zog seinen Zauberstab. “Bitte legen Sie Ihren Schmuck ab und übergeben Sie ihn uns zur Kontrolle. Sie werden selbstverständlich alles unbeschadet zurückerhalten.“
 

Das reichte jetzt aber endgültig. Natürlich führten diese Jungen nur Befehle aus, aber wenn der Job eines Aurors darin bestand, Menschen in der Öffentlichkeit zu demütigen, so war Barty sich nicht mehr sicher, dass dies wirklich ein erstrebenswerter Beruf war. Ohne lange nachzudenken, drängte er sich durch die Menge auf die schöne junge Frau und ihre beiden Peiniger zu.
 

“Wohin so eilig, mein Junge?“ Vater trat ihm in den Weg, sein Gesicht zeigte ein ungehaltenes Stirnrunzeln.
 

“Ist das wirklich notwendig, Vater?“ Barty erschrak über die Wut in seiner Stimme, er konnte sich nicht erinnern, dass er es jemals gewagt hatte, seinen Vater so anzufahren. “Wie kannst du sie nur so demütigen?“
 

“Sei still und misch dich nicht in Angelegenheiten von denen du nichts verstehst.“ Eine eisige Kälte hatte von der Stimme seines Vaters Besitz ergriffen. “Ein naives Kind wie du weiß nichts von den Machenschaften der Todesser. Du lässt dich von Aussehen und schönen Schein täuschen, aber diese Frau ist eine hinterhältige Giftschlange, und du hast nicht die geringste Ahnung, wozu sie fähig ist.“
 

“Liebling, bitte.“ Mutter trat neben Vater und legte eine Hand auf seine Schulter. Ihr unsäglich feines Gespür für Schwierigkeiten musste sie gerade zum rechten Zeitpunkt hergeführt haben. “Wir sind auf einer Weihnachtsfeier.“
 

“Das ist mir bewusst, Préah, und ich habe wirklich Besseres zu tun, als mich mit diesem Versager herumzuärgern.“ Vater warf Barty einen letzten verächtlichen Blick zu und wandte sich ab, um mit schnellen Schritten davon zu marschieren, in Richtung seines Rivalen Albus Dumbledore. Dieser war inzwischen von der Garderobe zurückgekehrt, und hatte sich von Narcissa’s Pudding genommen, ohne sich auch nur im Geringsten um die beiden jungen Aurori zu kümmern, welche jetzt wie begossene Pudel dastanden, die Zauberstäbe noch in den Händen.
 

Bertha Jorkins beäugte ihn entsetzt als erwarte sie, er würde im nächsten Moment tot umfallen, doch das schien Dumbledore nicht den Appetit zu verderben.
 

“Barty, du weißt, dass Vater es nicht so meint.“ Auch Mutter’s liebevolle Worte schienen heute Abend nicht besonders viel Trost spenden zu können. “Du weißt, unter welch furchtbarem Druck er steht und wie schwer seine Arbeit ist. Da rutscht einem leicht etwas heraus, das man später bereut.“
 

“Ja, natürlich weiß ich das, Mutter. Bitte entschuldige mich, ich muss mich nur ein wenig frisch machen.“
 

Zum Glück war der Vorraum der Toilette leer. Barty ließ ein wenig Wasser über seine Hände laufen und betrachtete gedankenverloren sein Spiegelbild, ohne es wirklich zu sehen. Was sollte er sich auch ansehen? Barty, den Versager?
 

Er ballte die Hände zu Fäusten und lehnte den Kopf an das kühle Glas. Das war ja wieder mal prima gelaufen heute. Als ob er nicht schon genug Probleme hätte. Wieder einmal hatte er es geschafft, alles nur noch schlimmer ...“
 

“Mr. Bartemius Crouch, Sir?“
 

Er wandte sich um, als er die piepsige Stimme hörte, konnte aber im ersten Moment niemanden erkennen. Erst als er den Blick senkte, sah er eine kleine Hauselfe hinter sich stehen, die ängstlich zu ihm hochblickte. Wie alle Hauselfen war sie glatzköpfig, doch eine einzelne grüne Haarsträhne fiel über ihr Gesicht, als sie sich vor ihm verneigte. Mit einer schnellen Bewegung strich sie diese hinter eines ihrer spitzen Ohren zurück.
 

“Anna soll Mr. Bartemius Crouch diesen Brief geben,“ quiekte die Elfe. “Ist sehr sehr wichtig, und sehr sehr geheim. Mr. Bartemius Crouch soll mit niemand drüber sprechen.“
 

“Ich denke wohl eher, du meinst meinen Vater.“ Verwirrt nahm Barty den Umschlag und betrachtete ihn. Außer dem Namen Bartemius Crouch stand nichts darauf, kein Absender, keine Adresse. Wahrscheinlich hatte die Elfe ihn mit seinem Vater verwechselt, schließlich trugen sie beide denselben Namen.
 

“Anna weiß nicht. Anna weiß nur, Mr. Bartemius Crouch Brief geben. Anna hat ihren Auftrag erfüllt. Anna geht jetzt.“ Mit einem leisen Plopp verschwand die Hauselfe wieder.
 

Es gab nur eine Möglichkeit, die Wahrheit herauszufinden. Kurzentschlossen riss Barty den Umschlag auf.
 

Mr. Crouch,
 

es wäre mein sicherer Tod Ihnen meinen Namen zu verraten, doch ich habe eine wichtige Information für Sie. Heute Nacht planen einige Todesser den Auror Frank Longbottom in seinem Haus zu überfallen, sobald er von der Weihnachtsfeier im Ministerium zurückkehrt. Geben Sie diese Information an niemanden weiter, auch nicht an Ihre eigenen Aurori, sonst sind die Todesser sofort gewarnt. Seien Sie vorsichtig, es befinden sich Spione unter ihren Leuten. Aber Sie müssen diesen Angriff auf jeden Fall verhindern, das Schicksal der Magischen Welt steht auf dem Spiel.
 

Ein Freund
 

Ein Angriff? Auf Longbottom? Noch heute Nacht? Beinahe wäre Barty das Pergament aus den zitternden Händen geglitten. Er musste sofort Vater Bescheid geben, es gab jetzt keinen Zweifel mehr, dass der Brief an ihn gerichtet war. Vater würde wissen, was zu tun war. Er würde...
 

Was, wenn er ihm gar nicht glaubte? Wenn er das Ganze nur für einen albernen Scherz hielt, oder einen Versuch, sich wichtig zu machen?
 

Das Schicksal der Magischen Welt steht auf dem Spiel. Die Worte hallten tief in seinem Geist wider, was wenn es zu spät sein würde? Was hatten die Todesser mit Longbottom vor?
 

Ein Gedanke wurde in ihm wach. Zunächst war es nur eine flüchtige Idee, doch allmählich nahm sie Gestalt an. Langsam aber unaufhörlich wurde ihm klar, dass er die Dinge diesmal selbst in die Hand nehmen musste. Er konnte nicht immer wie ein kleines Kind zu seinem Vater rennen und ihn um Hilfe bitten.
 

Dies war seine Chance. Seine Möglichkeit um zu zeigen, dass er kein Versager war. Seine Möglichkeit um zu beweisen, dass er seinen Platz bei den Aurori verdient hatte. Der Moment, auf den er sein ganzes Leben lang gewartet hatte.
 

Sein Wunsch war endlich in Erfüllung gegangen. Vater würde stolz auf ihn sein.
 

* * *
 

Saturday, October 31st
 

Sie ist geöffnet worden! Die Kammer der Mysterien wurde geöffnet! Slytherin’s Erbe ist nach Hogwarts zurückgekehrt! Gebt Acht, ihr Mudblood Bälger, jetzt geht es euch an den Kragen! Ihr seid als nächste dran!
 

Ich muss sofort einen Brief an Vater schreiben, damit er diese gute Nachricht erfährt.
 

Zwar verstehe ich nicht wirklich, was das Monster aus der Kammer ausgerechnet mit Filch’s Katze will, aber da wird schon irgendwie ein höheres Ziel dahinter stecken.
 

Sunday, November 1st
 

Nur gut, dass ich Vater damals auch zugehört hab’, als er mir von der Kammer erzählt hat. Nicht, dass ich ihm wirklich geglaubt hätte, dass da irgendwo ein Monster rumkrabbelt, aber wenigstens weiß ich genauestens darüber Bescheid. Während die armen Gryffindödel, Ravenklopse und Hufflepfeifen jetzt die Bibliothek stürmen müssen, können die Slytherins sich ganz gemütlich um mich scharen und meinen eindrucksvollen Worten lauschen. Die Legende um die Kammer der Mysterien, überliefert von Draco Malfoy, dem reinblütigsten aller Reinblütler.
 

Nee, da klang das mit dem Drachen aber besser.
 

Monday, November 2nd
 

Unsere werte Lehrerschaft plant, das Quidditchtraining auszusetzen. Weil es angeblich zu gefährlich für uns ist, wenn wir abends trainieren. Das Monster könnte ja angekrabbelt kommen und uns alle auffressen.
 

Nicht, dass ich was dagegen einzuwenden hätte, heute ausnahmsweise mal nicht in den eiskalten Regen raus zu müssen, aber haben diese senilen Tattergreise vergessen, dass wir Slytherins reinblütig sind? Glauben die ernsthaft, das Kammerviech kann das nicht unterscheiden? Ha, ich wette, es riecht den Gestank eines Mudbloods drei Meilen gegen den Wind!
 

Tuesday, November 3rd
 

Vater warnt mich davor, zuviel Rummel um diese ganze Kammer- und Erbenchose zu machen. Es wär’ nicht gut, wenn ich zuviel darüber weiß, sonst könnte man mich am Ende noch verdächtigen, dass ich was mit der Sache zu tun hätte. Ich soll mich lieber mit anderen Dingen beschäftigen, zum Beispiel welche neuen Fächer ich für nächstes Jahr wähle. Zwar muss ich mich erst in einem halben Jahr entscheiden, doch es ist nie zu früh um an die Zukunft zu denken, sagt Vater.
 

Nee, da hab’ ich jetzt echt keinen Nerv für. Und das werd’ ich ihm auch sagen.
 

Wednesday, November 4th
 

Alte Runen? Das ist bestimmt noch langweiliger als Geschichte der Zauberei! Arithmantik? Bloß nicht, da muss man zu viele Tabellen auswendig lernen! Sphärenharmonie? Nee, mir reicht schon das Miano! Pflege magischer Geschöpfe? Brauch’ ich wirklich noch ein Fach, wo man im Dreck rumwühlen muss? Mugglestudien? Noch mehr Dreck! Wahrsagekunst? Hab’ ich nen Schaden?
 

Laut Schulordnung würde es ja genügen, wenn ich nur zwei und keine drei Wahlfächer nehme, aber damit werden meine Eltern nicht zufrieden sein. Vater erwartet, dass ich Arithmantik nehme, weil es angeblich für die höhere Magie unerlässlich ist. Alte Runen soll ich auch nehmen, weil es mir dabei helfen könnte, verkalkte Zaubersprüche und vorsintflutliche Rituale zu entziffern. Mutter schwört auf Wahrsagekunst, weil wir doch seherisches Blut in der Familie haben und auf Sphärenharmonie, weil ihr kleiner Spatz ja angeblich so talentiert ist.
 

In den anderthalb Jahren in denen sie mich nicht hat spielen hören, muss sie wohl vergessen haben, dass es sich wie Fwoopergejaule anhört.
 

Thursday, November 5th
 

Pansy und ich haben eine Wette laufen, wen sich das Kammerviech zuerst krallt. Sie tippt auf Granger, ich auf die Mistkäferkröte. Der hab’ ich heute Nachmittag einen schönen Schrecken eingejagt, als ich ihr von hinten ein Stinging Hex verpasst habe. Da war sein Harryschatz wohl ausnahmsweise mal nicht in der Nähe, um ihn vor dem großen bösen Slytherin zu beschützen.
 

Zu schade, dass Potter und die Weasleys reinblütig sind. Aber vielleicht ist Mugglegestank ja ansteckend.
 

Friday, November 6th
 

Potter ist offensichtlich auch gut im Jaulen, oder warum sonst lässt Lockhart ihn einen Werwolf spielen? Ach, ich wäre zu gern dabei gewesen. Welch ein Glück, dass Pansy es zufällig mitangehört hat, als sich die Patil Zwillinge darüber unterhalten haben wie der heldenhafte Lockhart die Welt von Pottywolf befreit hat. Es ist nämlich nicht immer ganz leicht, an den Klatsch aus dem Gryffintrötenlager ranzukommen.
 

Hätte er nicht einfach einen Todesfluch nehmen können?
 

Nun ja, besser nicht, schließlich will ich Potter höchstpersönlich zur Strecke bringen. Und morgen ist es soweit…
 

Saturday, November 7th
 

Unsere Besen sind hunderttausendmal besser! Diese Luschen haben nicht den Hauch einer Chance gegen uns! Wir werden sie auseinander nehmen und mit ihnen das Stadion fegen!
 

* * *
 

Unsere Besen sind hunderttausendmal besser!
 

Diese Luschen haben nicht den Hauch einer Chance gegen uns!
 

Wir werden sie auseinander nehmen und mit ihnen das Stadion fegen!
 

Wie ein Mantra murmelte Draco die letzten Sätze von Flint’s Rede vor sich hin, wiederholte sie wieder und wieder und konnte doch nicht so recht daran glauben. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er vor seinem ersten Spiel dermaßen nervös sein würde.
 

Gestern Abend noch hatte er sich mit den anderen im Gemeinschaftsraum ausgemalt, wie die Gryffindors vor lauter Blödheit von ihren Besen plumpsten. Danach war er in dem sicheren Bewusstsein eingeschlafen, den Sieg bereits in der Tasche zu haben. Morgens dann, beim Frühstück, war auch noch alles okay gewesen, obwohl er sich insgeheim fragte, ob ein wenig mehr Training oder vielleicht auch ein wenig mehr Konzentration bei demselben nicht eventuell hilfreich gewesen wären. Im Umkleideraum schließlich hatte er voller Verwunderung das Zittern seiner Hände bemerkt und anschließend die besorgniserregende Tatsache, dass er versucht hatte, sich seinen Beinschützer an den Arm zu schnallen.
 

Und jetzt, da er aufs Feld hinaus marschierte, befiel ihn blindwütige Panik. Als er das Toben der Menge hörte, hätte er am liebsten wieder kehrtgemacht und wäre davongerannt.
 

In seiner Phantasie war dieser Moment immer ganz anders verlaufen. Mit stolzgeschwellter Brust war er vor seine Verehrer hingetreten und hatte sich von ihnen umjubeln lassen. Mit siegessicherem Lächeln hatte er dem Feind entgegengeblickt, und irgendwie hatte der Wind ganz wunderbar seine Roben gebauscht, so dass sie ihn wie eine Aura des Geheimnisvollen umgaben.
 

Leider war es aber windstill; die Roben hingen wie ein Sack an ihm hinunter, sein siegessicheres Lächeln war eine gequälte Grimasse, und sein Magen fühlte sich an, als ob darin ein Haufen Salamander und Feuerkrabben wild durcheinanderwuselten. ’Reiß dich zusammen,’ ermahnte er sich, ’willst du dich vor der ganzen Schule lächerlich machen?’
 

Madam Hooch ließ die Bälle frei und pfiff das Spiel an. Als Draco auf seinem Nimbus nach oben sauste, fühlte er sich sofort ein wenig ruhiger; es war klar ersichtlich, dass die Comets und Cleansweeps des Gryffindor Teams weit hinter den fortschrittlicheren Rennbesen der Slytherins zurückblieben.
 

Vom Snitch war nichts zu sehen, also nutzte er die Gelegenheit, Potter ein wenig zu ärgern. “Alles klar bei dir, Narbengesicht!“ schrie er und schoss zielsicher unter dem Gryffindor vorbei, damit dieser auch ja die Geschwindigkeit seines Besens bewundern und beneiden konnte. Allerdings hatte Potter keine Gelegenheit zu antworten, denn just in diesem Moment jagte einer der Bludger auf ihn zu. Grinsend schnitt Draco noch eine Grimasse in Richtung seines Rivalen und steuerte den Besen weiter nach oben, um sich einen guten Überblick zu verschaffen.
 

Immer noch kein Zeichen vom Snitch. Draco riskierte einen Blick zum Gryffindor Tor hinüber, wo Flint und Pucey den Quaffle (bereits zum dritten Mal wie der Punktestand verriet) durch die Ringe schleuderten. Wood, der Gryffindor Torhüter, bedachte sie mit finsteren Blicken. Auch sein Besen war natürlich nicht schnell genug, um den Angriffen Paroli zu bieten.
 

Worüber hatte er sich eigentlich Sorgen gemacht? Dieses Spiel hatten sie in der Tasche, das war so klar wie Bundimunbrühe. Es sei denn, Potter gelang es innerhalb der nächsten halben Stunde den Snitch zu fangen.
 

Apropos, Potter, wo steckte der schon wieder? Draco flog eine weitere Schleife durchs Stadion und wandte die Augen nach links und rechts, um seinen Erzfeind zu erspähen. Als er an der Slytherin Kurve vorbeikam, verlangsamte er das Tempo, um den Jubel, der ihm von dort aus entgegenschallte, ausgiebig genießen zu können. Pansy und ihre Mädchen sprangen auf und ab und kreischten in einer Tour, während sich Vince und Greg die Seele aus dem Leib brüllten.
 

Aber von den eigenen Klassenkameraden war Draco Anerkennung gewöhnt, es waren die älteren Jahrgänge nach denen er schielte. Auch sie klatschten und jubelten den Spielern zu, (wenn sie nicht gerade damit beschäftigt waren, die Gryffindors auszubuhen) und es bereitete ihm ganz besonderes Vergnügen als er unter ihren vielen Bannern auch eins mit einem Drachen entdeckte.
 

Drache von Slytherin, vielleicht sollte er sich diesen Titel wirklich zulegen? Vince und Greg waren vermutlich zu blöd, um sich einen solch langen Namen merken zu können, aber wenn er Pansy’s Klatschmaschinerie nutzte, konnte er ihn vielleicht sogar durchsetzen.
 

Ein Regentropfen klatschte ihm mitten auf den Kopf und brachte ihn zurück in die Gegenwart. Gerade als er seinen Blick wieder aufs Spielfeld richtete, erklang Madam Hooch’s Trillerpfeife. Wie es schien, brauchten die Gryffindors eine kurze Auszeit.
 

“Kein Wunder, so fertig wie die alle aussehen!“ Flint lachte schallend, als er sein Team um sich scharte und das gegnerische Lager mit spöttischen Blicken bedachte. Draco schnitt einem der Weasleys eine Grimasse und versuchte dann, Augenkontakt mit Potter herzustellen, doch dieser wandte sich ab und ignorierte ihn geflissentlich. Er fühlte einen Hauch von Unmut, doch er wollte sich auf keinen Fall die gute Laune verderben lassen.
 

Aus den einzelnen schweren Regentropfen war mittlerweile ein Platzregen geworden. Als Madam Hooch das Spiel wieder anpfiff, zog Draco seine Quidditch Robe enger um sich, doch es half nicht gegen die Kälte, welche langsam in seine Glieder kroch. Wie er diese Nässe und Kälte hasste! Hoffentlich war dieses blöde Spiel bald vorbei.
 

Dieser Bludger schien es wirklich auf Potter abgesehen zu haben. Egal wie viele Zickzackflüge, Richtungswechsel und plötzliche Umdrehungen sein Erzfeind in der Luft aufführte, der schwarze Ball sauste immer hinter ihm her wie ein kläffender kleiner Köter, der nicht loslassen wollte. Es sah einfach zu peinlich aus.
 

“Trainierst du fürs Ballet, Potter?“ schrie Draco ihm entgegen. Der andere Junge flog noch ein Stück weiter, fuhr dann plötzlich in der Luft herum und starrte ihn hasserfüllt an. Selbst in der Düsternis des Wolkenhimmels vermeinte Draco seine Augen funkeln zu sehen.
 

WHAM…
 

Mit Vollkaracho krachte der Bludger gegen Potter’s Ellenbogen und warf den Gryffindor dabei vom Besen. Oder nein, nicht ganz, es gelang dem Kerl noch, sich mit einem Bein festzuhalten, den Besenstiel fest in seiner Kniebeuge eingeklemmt. Am linken Arm zog er sich wieder hoch und plötzlich, ohne jede Vorwarnung, schoss er geradewegs auf Draco zu.
 

Im ersten Moment war er starr vor Schreck, was verdammt noch mal sollte das? Wollte Potter ihn angreifen? Hatte das Narbengesicht nun endgültig das letzte Bisschen seines Verstandes verloren? Hastig brachte Draco sich in Sicherheit und hoffte, dass Madam Hooch diesen unerhörten Ausraster gesehen hatte. Er fühlte Triumph in sich aufsteigen; jetzt hatten die Gryffindors sich endgültig ins Aus gespielt.
 

“Malfoy, du Vollidiot,“ brüllte plötzlich eine Stimme. Einen Augenblick später tauchte Flint’s wutverzerrtes Gesicht neben ihm auf. “Das verdammte Ding war neben dir! Direkt neben dir und du siehst es nicht! Du hast uns um unseren Sieg gebracht, du Blödmann!“
 

Erst als Potter mit dem kleinen goldenen Ball in der Hand zu Boden stürzte, begriff Draco. Der Snitch war die ganzen letzten Minuten dicht neben seinem linken Ohr herumgeflattert, und vor lauter Potter war er nicht ein einziges Mal auf den Gedanken gekommen, sich danach umzusehen.
 

* * *
 

Sunday, November 8th
 

Irgendwann bring ich ihn um...
 

Irgendwann wird es diese Ausgeburt an Arroganz, Anmaßung und Angeberei noch bitter bereuen, sich mit mir angelegt zu haben, ach was sag’ ich! Er wird es bereuen, dass er damals nicht hopsgegangen ist, als der Dunkle Lord ihn mit dem Todesfluch belegte. Dann wären ihm nämlich die ganzen fürchterlichen Schmerzen erspart geblieben, die jetzt noch auf ihn zukommen. Er wird es bereuen, jemals geboren worden zu sein.
 

Alles hat sich verändert in Hogwarts, seit das Monster aus der Kammer zum zweiten Mal zugeschlagen hat. Diesmal hat es keine Katze erwischt, sondern endlich ein Schlammblut – diesen widerlichen kleinen Speichellecker Creevey. Leider ist er nicht tot, sondern nur versteinert, aber den Gryffindors wurde ihr unverdienter Sieg dadurch gründlich verdorben.
 

Die ganze Schule ist wie gelähmt; eine Aura der Furcht kriecht durch ihre alten Gänge und Mauern. Niemand wagt es mehr, laut zu reden oder gar zu lachen. Misstrauische Blicke wandern hin und her, jeder verdächtigt jeden, keiner traut keinem. Die Schüler haben Todesangst, die Lehrer stehen dem Ganzen vollkommen hilflos gegenüber, und jeder wartet nur auf den nächsten Angriff.
 

Hach, ich liebe es!
 

Ich will wissen, wer dahintersteckt, damit ich mitmachen kann. Ich will wissen, wer der Erbe von Slytherin ist, damit ich ihm helfen kann, unsere Schule von all der dreckigen Mugglebrut zu befreien, die unsere magische Welt vergiftet. Sie sind eine Krankheit, sagt Vater. Wir müssen sie loswerden, bevor wir uns damit anstecken.
 

Ich hoffe, dass dieses Ungeheuer endlich damit aufhört, nur herumzuspielen und endlich jemanden tötet. Zu schade, dass die Weasleys reinblütig sind, aber es gibt immer noch Potter’s Lieblingsschlammblut, diese unerträgliche Besserwisserin Granger.
 

Ich will ihn heulen sehen! Ich will, dass er dabei zusehen muss, wie alle seine tollen Freunde draufgehen. Einer nach dem anderen! Er hat sie mir vorgezogen, er hat meine Freundschaft ausgeschlagen, um sich stattdessen mit diesen Kakerlaken abzugeben. Ich will, dass er dafür büßt! Und das wird er, das wird er ganz sicher!
 

Du wirst es bereuen, Potter. Du wirst leiden, wie du noch nie in deinem Leben gelitten hast. Ich werde dafür sorgen.
 

Niemand legt sich ungestraft mit einem Malfoy an.
 

* * *
 

Azkaban Prison, November 1981
 

“Lucius Dorian Abraxas Malfoy.“ Die Stimme von Bartemius Crouch durchschnitt die Luft wie mit Messern, während der gleichmäßige Rhythmus seiner Schritte auf dem kühlen Steinboden widerhallte. “Sie wissen, welche Verbrechen Ihnen zur Last gelegt werden. Haben Sie für den, dessen Name nicht genannt werden darf, gearbeitet? Haben Sie in seinem Namen erpresst, gefoltert und getötet?“
 

“Ich sagte Ihnen doch schon, ich habe keinerlei Erinnerung an die Dinge, die ich unter Einfluss des Imperiusfluchs getan habe.“ Lucius hielt den Blick gesenkt und starrte auf seine Hände in den eisernen Fesseln. Die sonst so gepflegte Haut war rau und aufgeschürft; an den Fingerknöcheln zeigten sich die ersten Kälteschwielen, hervorgerufen durch die eisigen Temperaturen in Azkaban. “Ich möchte die Antworten ebenso gern erfahren wie Sie. Es ist immerhin mein Geist, mein Körper, der mit Gewalt in Besitz genommen und wie ein Werkzeug benutzt wurde...“
 

“Ihre Antworten interessieren mich nicht,“ entgegnete Crouch. “Das Einzige, was ich hören möchte, ist ein Geständnis.“
 

“Aber das haben Sie doch schon,“ murmelte Lucius. Er versuchte, sich nach Crouch umzudrehen, doch der Halsring, der seinen Kopf an die Lehne seines Stuhls fesselte, ließ dies nicht zu. “Ich bin freiwillig hierher gekommen. Ich habe mich den Behörden gestellt, sobald ich die Kraft hatte, mich von dem Fluch zu befreien. Ich habe...“
 

“Halten Sie mich nicht zum Narren.“ Crouch war vor Lucius stehen geblieben, und blickte voller Verachtung auf ihn hinunter. “Was glauben Sie wie viele Verbrecher hier vor mir sitzen und mir erzählen wollen, sie stünden unter dem Imperiusfluch? Dieser Fluch ist die beste Ausrede, seit: ’Ich hatte eine schwere Kindheit.’ Und natürlich haben auch alle ihr Gedächtnis verloren, aber sehen Sie, genau das ist der springende Punkt. Der Fluch an sich verursacht keinerlei Gedächtnisverlust. Aber jemand, der nie unter diesen Fluch gestellt wurde, kann darüber natürlich auch nicht Bescheid wissen.“
 

“Ich kann Ihnen nicht sagen, worauf der Verlust meines Gedächtnisses zurückzuführen ist, aber seien Sie versichert, der dessen Name nicht genannt werden darf hat Mittel und Wege sich die Verschwiegenheit derer zu garantieren, die er für seine finsteren Pläne missbraucht...“ Ein trockenes Husten unterbrach Lucius’ Worte; seine Finger krallten sich fester ins Holz des Stuhls, doch er hob stolz die Augen und hielt dem Blick seines Inquisitors stand. “Er musste wissen, dass ich mich sofort selbst anzeigen würde sobald es mir gelingt seinen Fluch abzuschütteln, er konnte nicht riskieren, dass ich etwas über seine Machenschaften verrate.“
 

“Ein Memory Charm also.“ Crouch verzog die Lippen zu einem abwägenden Lächeln, als wisse er nicht, was er von dieser Aussage halten solle. “Nun, sollte das tatsächlich der Fall sein, so gibt es Mittel und Wege sie zu brechen. Falls Teile Ihres Gedächtnisses blockiert sein sollten, so könnte ein geübter Legilimentiker die Blockaden durchbrechen und zur Wahrheit vorstoßen.“
 

Er zog seinen Zauberstab und ließ das helle, fast weiße Holz nachdenklich durch seine Finger gleiten. “Leider sind wir im Augenblick alle sehr beschäftigt, und ich kann nicht garantieren, dass es mir möglich sein wird, auf die Schnelle einen Legilimentiker zu finden, der sich um ihre Angelegenheit kümmern kann. In diesem Fall müssen wir zu anderen Mitteln greifen.“ Er machte eine Pause, um die Wirkung seiner Worte zu überprüfen, und sah an Lucius’ resigniertem Blick, dass dieser bereits wusste, wovon er sprach.
 

“Wie Ihnen ja bekannt sein sollte, hat das Ministerium schon vor längerer Zeit mehre Notstandsartikel in Kraft gesetzt unter anderem den Artikel 17, der den Aurori in Krisenzeiten besondere Rechte verleiht. Laut Artikel 17, Absatz 4 ist die Anwendung der Unverzeihlichen Flüche gegen Verdächtige zulässig, sofern es sich bei demjenigen, der den Fluch ausführt um ein Mitglied der Dark Force Defense League handelt und bei dem Verdächtigen um einen möglichen Todesser.“
 

“Das ist mir bekannt, ja.“
 

Crouch fixierte Lucius; er suchte nach irgendeinem Zeichen von Angst. Ein Zittern der Hände vielleicht, ein Scharren der Füße oder die Panik, welche normalerweise in die Augen eines Gefangenen trat, wenn man die Unverzeihlichen auch nur erwähnte. Nichts davon traf auf diesen Gefangenen zu, er schien nicht nur seine Mimik sondern seinen ganzen Körper unter Kontrolle zu haben.
 

“Natürlich gibt es genaue Regelungen für die Umstände unter denen ein solcher Fluch angewandt werden darf, aber ich kann Ihnen versichern, dass diese hier zutreffen. Die Informationen, die sich in Ihrem Gedächtnis befinden, könnten von immenser Wichtigkeit sein, Menschenleben könnten davon abhängen. Mittel wie Veritaserum können die Blockaden eines Gedächtniszaubers nicht durchbrechen, der Cruciatusfluch aber kann es.“
 

Er richtete seinen Zauberstab auf Lucius’ Gesicht. “Ihnen ist bewusst, dass Sie mir keine andere Wahl lassen, nicht wahr? Denken Sie noch einmal darüber nach, gibt es nicht irgendetwas, an das Sie sich erinnern können? Einen Ort vielleicht, an dem Sie sich befunden haben, oder ein Gesicht? Einen Namen?“
 

“Nein, es gibt nichts.“ Lucius hätte den Kopf geschüttelt, wenn der Ring um seinen Hals dies zugelassen hätte.
 

Obwohl sich der Zauberstab direkt vor seiner Nase befand, sah er ihn nicht an, seine Augen waren in die Ferne gerichtet als könnten sie durch die Steinwände des winzigen Verhörraums hindurchblicken. Dies und die Tatsache, dass sich sein Atem verlangsamte und seine Muskeln sich entspannten, waren für Crouch deutliche Anzeichen dafür, dass sein Gefangener bereits damit begonnen hatte, sich psychisch auf den kommenden Schmerz einzustellen.
 

“Sie sind mit dem Cruciatusfluch vertraut?“ Es war eher eine Feststellung als eine Frage. “Wir wissen bereits, dass hochrangige Todesser Meditationstechniken erlernen, die ihnen dabei helfen sollen, ihren Schmerz unter Kontrolle zu halten.“
 

“Aurori erlernen solche Techniken ebenfalls.“ Lucius verzog keine Miene.
 

“Mich können Sie nicht täuschen, Malfoy.“ Crouch’s Stimme war nur ein Flüstern, und doch durchdrang es die Stille hart und scharf wie ein Diamant. “Sie sind ein Todesser und ich werde den Beweis dafür erbringen. Und jetzt, da Sie-wissen-schon-wer gefallen ist, habe ich viel, sehr viel Zeit.“
 

Er wandte sich ab, ging um Lucius herum und richtete seinen Zauberstab auf die Wand hinter ihm. “Wir werden uns morgen weiter darüber unterhalten. Vielleicht sind Ihnen bis dahin ein paar Dinge eingefallen, die uns weiterhelfen können.“
 

“Sie können keinen Beweis für etwas erbringen, dass es nicht gibt,“ sagte Lucius als die Steine mit einem Scharren zur Seite glitten. “Ich bin unschuldig.“
 

“Wenn ich keine Beweise erbringen kann, so muss ich mich eben mit einem Geständnis begnügen.“ Crouch’s Stimme, soeben noch nahe seinem Ohr, verklang im Dunkel und wurde vom ächzenden Scharren der Steine verschluckt.
 

Stille und Finsternis senkten sich über den winzigen Raum. Lucius wusste nicht ob draußen Tag oder Nacht war, er wusste nicht wie viel Zeit vergangen war oder noch vergehen würde, bis Crouch oder einer seiner Leute das Verhör fortsetzten. Falsche Zeitangaben und stundenlanges Wartenlassen gehörten hier ebenso zur Verhörstaktik wie Suggestivfragen. Er war mit allen diesen Methoden bestens vertraut.
 

Crouch hatte Zeit, doch er, Lucius hatte sie ebenfalls. Seine Erinnerungen waren sicher in seinem Pensieve verwahrt, und so würde Crouch nicht auf sie zugreifen können, selbst wenn es ihm gelänge die Blockaden in seinem Geist zu durchbrechen. Einzig allein Veritaserum konnte ihm gefährlich werden, doch er glaubte nicht, dass Crouch dieses zur Anwendung bringen würde. Schließlich bestand eine, wenn auch geringe Chance, dass Lucius tatsächlich unschuldig war und dann würde das Veritaserum diese Unschuld beweisen; Crouch wäre gezwungen, ihn gehen zu lassen. Dieses Risiko würde er nicht eingehen wollen.
 

’Wenn ich keinen Beweis erbringen kann, so muss ich mich mit einem Geständnis begnügen’ – Lucius hatte ihn vollkommen richtig eingeschätzt.
 

Das Scharren der Steine riss ihn aus seinen Gedanken. War Crouch schon zurück? Seltsam, es konnte noch nicht viel Zeit vergangen sein.
 

Schon als er ihre Schritte auf dem Steinboden hörte, erkannte er sie und nur Augenblicke später hatte sie die Arme um ihn geschlungen und ihre Tränen netzten seine Haut. “Lucius,“ schluchzte sie, und als sie ihr Gesicht an seines schmiegte, dauerte es einen Moment bis ihm klar wurde, dass dies kein Traum, kein Trick, keine Halluzination seines verwirrten Geistes war, sie war tatsächlich hier bei ihm. “Narcissa,“ murmelte er und die Versuchung war groß, sich einfach fallen zu lassen, sich einfach nur in diese Arme zu schmiegen und die Welt außen herum zu vergessen.
 

Doch ganz egal, wen sie erpresst oder bestochen haben mochte um hierher zu gelangen, ihnen konnte höchstens ein paar Minuten Zeit bleiben und er durfte sie nicht vergeuden. “Narcissa, hör’ mir zu,“ versuchte er sich über ihr Weinen Gehör zu verschaffen, “hast du irgendwas über Crouch herausfinden können. Irgendetwas, das uns weiterhelfen könnte?“
 

“Nein,“ schluchzte sie, “es gibt nichts, überhaupt nichts. Oh, Lucius, es war ein furchtbarer Fehler, du hättest dich nie stellen dürfen. Wie können sie dir so etwas nur antun?“ Sie versuchte das Eisen um seinen Hals zu lockern und schrak zurück als habe sie sich daran verbrannt. “Was soll nur aus uns werden? Und aus Draco?“
 

“Bitte beruhige dich, Narcissa, wir dürfen jetzt auf keinen Fall die Nerven verlieren. Sie haben nichts gegen mich in der Hand; solange wir nur keinen Fehler machen, kann uns nichts passieren. Ich werde schon bald wieder bei euch zu Hause sein.“
 

“Doch, Lucius, sie haben etwas, es gibt eine Aussage.“ Verzweifelt blickte sie ihn an und frische Tränen füllten ihre Augen. “Jemand hat dich unter deiner Maske erkannt. Er hat mit eigenen Augen gesehen, dass du ein Diener des Dunklen Lords bist und er wird bei deiner Verhandlung aussagen.“
 

Ein Zeuge also? Mit Mühe versuchte Lucius seine Gedanken zu ordnen. Das war bedauerlich, doch es kam nicht unerwartet. Früher oder später musste sein Name in Verbindung mit dem Dunklen Lord fallen, entweder durch einen Zeugen oder einen anderen Todesser, der versuchte den eigenen Hals zu retten. Deshalb war es ja so wichtig gewesen, diese ganze Scharade aufzuziehen; er hatte sich den Behörden stellen müssen, bevor sie zu ihm kamen um ihn zu verhaften. Noch standen die Zeichen gut; das Märchen mit dem Imperiusfluch hielt stand. Ein unparteiischer Richter konnte also gar nichts anderes tun, als ihn freizusprechen.
 

Nur, dass Crouch natürlich alles andere als unparteiisch war. Es lief also immer noch alles auf diesen einen Punkt hinaus; um sich Fudge’s Aussage zu sichern und seinen Freispruch zu erreichen, musste er Crouch irgendwie loswerden.
 

“Und was noch schlimmer ist,“ murmelte Narcissa, “ich glaube nicht, dass wir uns auf Fudge’s Aussage verlassen können. Wenn er Angst hat, seine Karriere zu gefährden, macht er sofort einen Rückzieher. Er wird sich niemals gegen Bartemius Crouch stellen.“
 

“Mach dir wegen Fudge keine Sorgen,“ versuchte Lucius sie weiter zu beruhigen. “Er wird mich nicht hängen lassen; er weiß genau, dass er mich braucht um Minister für Zauberei zu werden. Wenn ich ihm seinen Wahlkampf nicht finanziere, kann er erst gar nicht gegen Crouch antreten. Ganz abgesehen davon, dass er seine Beförderung ohnehin nur deshalb bekommen hat, weil ich ihm den Tipp mit Black gegeben habe. So konnte er ihn verhaften und fürs Ministerium den Helden spielen.“
 

“Es ist noch mehr passiert,“ fügte Narcissa eilig hinzu, “vor einigen Tagen habe ich eine geheime Nachricht von meiner Schwester bekommen. Camille behauptet, dass der Dunkle Lord am Leben sei, und dass sie herausfinden könne, wo er sich befindet und wie er seine Kräfte wiedererlangen kann. Sie sagt, dies wäre meine letzte Chance meine Loyalität gegenüber dem Lord und meiner Familie zu beweisen. Glaubst du, sie hat Recht, Lucius? Könnte der Dunkle Lord wirklich noch am Leben sein? Ist dies vielleicht unsere Rettung?“
 

“Ja, vielleicht ist es das,“ sagte Lucius, “doch nicht so wie du denkst. Wir werden uns nicht an ein Phantom klammern. Aber diese Information könnte uns trotzdem nützlich sein. Versuch auf alle Fälle mehr von deiner Schwester zu erfahren. Vielleicht liegt in diesem Wissen ja der Schlüssel, wie wir uns endlich Crouch vom Hals schaffen können.“
 

Seine aufgesprungen Lippen verzogen sich zu einem leisen Lächeln. “Ich hätte da so eine vage Idee...“
 

* * *
 

Monday, December 7th
 

Mir passt es kein Stück, dass ich über Weihnachten hier bleiben soll. Als Snape heute Morgen die Namensliste durchging, haben die anderen mich angestarrt, als ob mit mir was nicht stimmt. “Hast du kein Zuhause, Malfoy?“ hat Pucey mich gefragt, und ich konnte nicht mal was Fieses darauf antworten, weil mir nichts Passendes eingefallen ist.
 

Seit dem vermurksten Quidditch Spiel sind die sowieso alle ziemlich kurz angebunden mit mir. Keiner hört mir mehr zu, wenn ich was erzähle und niemand lacht über meine Witze. Außer Crabbe und Goyle natürlich, aber die zählen ja nicht.
 

Alles Potter’s Schuld. *grummel*
 

Thursday, December 10th
 

Selbst Zaubertränke macht keinen Spaß mehr. Goyle’s Kessel ist explodiert und ich hab’ alles auf die Nase bekommen.
 

Ich will hier weg!
 

Saturday, December 12th
 

Pucey, dieser Blödmann, will mich aus dem Quidditch Team werfen. Ich hab’ zufällig mitbekommen wie er nach dem Training mit Flint und Bletchley darüber gesprochen hat. Ich glaube, wenn die Sache mit den Besen nicht wäre, dann würde Flint es tatsächlich tun.
 

Ich mag nicht mehr, ich hab’ echt keine Lust mehr auf diesen ganzen Stress. Vielleicht schmeiß’ ich einfach alles hin.
 

Sunday, December 13th
 

Endlich ist diese endlose Woche zu Ende. Da ich nicht wirklich scharf darauf bin, im Gemeinschaftsraum herumzuhängen und mich dumm anlabern zu lassen, lieg’ ich in unserem Schlafsaal auf meinem Bett und starre die Decke an. Ich kann sie kaum sehen, so verschwommen ist sie. Die anderen bleiben weg, sie sind schlau genug, mich nicht zu stören, wenn ich in solch einer Stimmung bin.
 

Nein, natürlich flenne ich nicht, niemals. Malfoys tun so etwas nicht.
 

Der Uhu landet neben mir auf dem Kopfkissen und lässt einen Brief aus dem Schnabel fallen. Vater hat mir geschrieben, aber ich lese es jetzt nicht. Noch mehr Vorwürfe kann ich jetzt nicht haben.
 

Der Uhu knabbert an meinem Ohr. Das kitzelt.
 

Manchmal bin ich richtig froh, dass es den Uhu gibt.
 

Tuesday, December 15th
 

Ich muss mich wieder fangen und aufhören mit dieser Trübsalblaserei. Die kriegen mich nicht klein, diese verdammten Großmäuler. Weder die Slytherins mit ihren Lästereien, noch die Gryffindeppen mit ihren dummen Sprüchen. Und am allerwenigsten Potter!
 

Nein, ich lass’ mir verdammt noch mal nichts anmerken. Heute bin ich schon wieder mit erhobener Nase zum Unterricht stolziert, hab’ ein Weasel angerempelt und einem Hufflepuff Mudblood den Petrificus verpasst. Und das Whoosh mit den Roben krieg’ ich mittlerweile fast ebenso gut hin wie Professor Snape. Lockhart hat mir für meine Schleimereien zehn Punkte gegeben und wenn Pucey mir mit ’nem dummen Kommentar kommt, werd’ ich ihn dezent daran erinnern, dass mein Vater den Besen unter seinem Hintern bezahlt hat und dass auch ein Viertklässler es nicht mit Crabbe und Goyle im Doppelpack aufnehmen kann.
 

Draco Malfoy ist zurück – böser und gefährlicher denn je!
 

Wednesday, December 16th
 

Diese verdammten Ministeriumslackaffen! Diese Widerlinge! Die Drachenpocken sollen sie holen, oder am besten gleich die Beulenpest. Die Puffskeins sollen ihre Vorhänge durchlöchern, der Bundimun ihre Häuser verfaulen lassen, und die Chimären sie bei lebendigem Leibe auffressen. Langsam und genussvoll.
 

Sie haben es doch tatsächlich gewagt, unser Haus zu durchsuchen. Das Malfoy Anwesen. Keine Frage dass diese Schande für die Zaubererschaft, Arthur Weasley, dahinter steckt. Das kriegen diese flohverseuchten Möchte-gern Muggles zurück! Mit Zinsen.
 

Vater sagt, ich solle meine Wut im Zaum halten, da er alles unter Kontrolle habe, aber ich denke, es ist an der Zeit, wieder einmal neue Pläne zu schmieden.
 

Thursday, December 17th
 

Ein Duellierclub? Wie der gegen Slytherin’s Monster helfen soll, ist mir schleierhaft, aber ich denke, ich werd’ mir das Spektakel mal ansehen.
 

Bin ja mal gespannt, wer uns unterrichten wird...
 

* * *
 

“Alle hier herum versammeln, meine Lieben – bloß nicht drängeln! Könnt ihr mich alle sehen? Könnt ihr mich alle hören? Wunderbar!”
 

Mit einem Lächeln, als sei er geradewegs einem Werbeplakat für Titia’s Breathtaking Toothbrushes entsprungen, stiefelte Lockhart über das goldene Podest in der Mitte der Großen Halle. Seine lange pflaumenfarbene Robe, die wie ein Pfauenschwanz hinter ihm schleifte, und ein griesgrämig dreinguckender Zaubertränkemeister gaben ihm dabei das Geleit.
 

“Nun, Professor Dumbledore hat mir die Erlaubnis gegeben, diesen kleinen Duellierclub aufzumachen, damit ich euch in der hohen Kunst der Verteidigung unterrichten kann, die ich bereits in vielen Fällen erfolgreich zur Anwendung gebracht habe – Einzelheiten dazu sind meinen Werken zu entnehmen.“
 

Er pausierte in seiner Rede und wartete auf Beifall aus dem Publikum, der von einigen Mädchengruppen schließlich auch kam. Draco rollte nur mit den Augen und warf sich demonstrativ in eine wichtigtuerische Pose. Zufrieden bemerkte er, dass sich die Slytherins über seine Lockhart-Imitation königlich amüsierten. Offenbar hatten sie es endlich aufgegeben, ihm seine Schlappe beim Quidditch Spiel nachzutragen.
 

“Ich möchte euch meinen Assistenten vorstellen: Professor Snape!“ Schwungvoll drehte Lockhart sich auf dem Absatz herum und warf dabei seinen Umhang zurück über die Schultern, eine Geste, die ein leises ’Oh’ aus den Mädchenkehlen dringen ließ. “Er hat mir berichtet, dass er selbst ein klein wenig vom Duellieren versteht, und mir darum freundlicherweise angeboten, mir bei einer kleinen Demonstration zu helfen, bevor wir mit dem Unterricht beginnen. Es besteht allerdings kein Grund zur Sorge, liebe Kinder, euer Zaubertränkemeister wird immer noch unter euch weilen, wenn ich mit ihm fertig bin. Also fürchtet euch nicht.“ Er zwinkerte in die Menge.
 

Draco, der gerade dabei war, das Umhang-über-die-Schulter-werfen zu imitieren, hob zweifelnd die Augenbrauen, während Pansy, Daphne und Tracey in ein weiteres Kichern ausbrachen. Crabbe stopfte sich die Faust in den Mund, um ein unkoordiniertes Glucksen zu unterdrücken.
 

Lockhart und Snape verbeugten sich und erhoben ihre Zauberstäbe zum Duell. Wie nicht anders zu erwarten, flog Lockhart zehn Fuß rückwärts über die Bühne und krachte gegen die Wand kaum dass Snape seinen ersten Zauber ausgesprochen hatte. Mühsam rappelte er sich auf und suchte nach seinem Zauberstab, während die Mädchen ihn mit besorgten Blicken bedachten. Draco und die Slytherins jedoch jubelten Snape ungeniert zu und würdigten Lockhart keines Blickes.
 

“Der Disarming Charm,“ versuchte Lockhart sich herauszureden, als er zurück auf das Podest kraxelte. “Eine wunderbare Idee, ihn den Schülern vorzuführen, Professor Snape, aber nichts für ungut, es war doch sehr offensichtlich, was Sie vorhatten. Wenn ich Sie hätte aufhalten wollen, wäre das nur zu einfach gewesen, aber ich dachte, es wäre lehrreich...“
 

Snape starrte Lockhart an wie die Schlange das Kaninchen, und dieser schien ausnahmsweise sogar zu merken, dass er zu weit gegangen war, denn er brach mitten im Satz ab. “Genug der Demonstration! Ich werde euch jetzt alle in Zweiergruppen aufteilen...“
 

Ob das heute noch was werden würde? Zweifelnd blickte Draco dem pflaumenfarbenen Pfauenschwanz hinterher, bevor er sich wieder Crabbe und Goyle zuwandte: “Das Niveau dieser Schule sinkt wirklich immer tiefer. Vater sagt...”
 

Es blieb ihm diesmal erspart, sich etwas einfallen zu lassen, was Vater gesagt hatte, denn in diesem Moment rief Snape seinen Namen: “Mr. Malfoy, kommen Sie hier herüber. Mal sehen, was Sie mit unserer Berühmtheit anstellen.“
 

Draco konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Vielleicht würde dieser Duellierclub am Ende doch noch ganz interessant werden. Immer wieder hatte er nach einer Möglichkeit gesucht, dem Wischmopp eins auszuwischen und jetzt durfte er ihn sogar ganz offiziell verhexen, ohne dabei in Schwierigkeiten zu geraten. Diese Gelegenheit war einfach zu schön, um wahr zu sein.
 

“Wendet euch eurem Partner zu,“ rief Lockhart vom Podest aus. “Und verbeugt euch!“
 

Verbeugen? Das fehlte gerade noch, dass er diesem Widerling irgendeine Form von Respekt erwies, also nickte er nur ein wenig mit dem Kopf, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen. Potter starrte ihm hasserfüllt entgegen und umklammerte seinen Zauberstab fester. Schob er etwa Panik?
 

Aber so ganz wohl war ihm selbst auch nicht zumute. Er zog es doch vor, Crabbe und Goyle an seiner Seite zu haben. Und ein Potter ohne Zauberstab in der Hand war ihm auch bedeutend lieber als einer mit.
 

Na ja, egal. Es würde schon irgendwie klappen.
 

“Zauberstäbe bereithalten,“ schrie Lockhart. “Sobald ich bis drei gezählt habe, zaubert ihr eure Sprüche, um den Gegner zu entwaffnen – nur entwaffnen, wir wollen doch keine Unfälle hier! Eins ... zwei...“
 

Während Potter noch treudoof auf die drei wartete, schwang Draco seinen Zauberstab und belegte ihn mit einem Stunning Spell. Allerdings musste er dabei etwas falsch gemacht haben, denn anstatt bewusstlos umzukippen, stolperte Potter lediglich ein wenig und hielt sich den schmerzenden Kopf. Draco grinste und genoss es, seinen Erzfeind so hilflos und verletzt zu sehen.
 

Er hatte es wohl einen Augenblick zu lange genossen, denn im nächsten Moment hatte Potter ihm einen Kitzelzauber auf den Hals gehetzt, und Draco brach kichernd und glucksend in die Knie. Es fühlte sich an wie Hunderte von Krabbelkäfern, die über seinen Bauch und an seinen Seiten hinunter liefen. Innerlich schwor er Rache und rang mühsam nach Atem, um diese auch ausführen zu können. “Tarantallegra!” keuchte er schließlich heraus und im nächsten Augenblick begannen Potter’s Füße unkontrolliert auf dem Boden herumzuhüpfen.
 

“Stopp! Stopp!“ schrie Lockhart und stolperte beinahe über seinen Pfauenschwanz, als er wild gestikulierend über das Podest rannte. Draco musste jedoch noch einige weitere Sekunden kitzelnde Höllenqualen ertragen, bevor Snape endlich auftauchte und den Zauber beendete.
 

Als er, immer noch verzweifelt nach Luft schnappend aufblickte, sah er, dass es den anderen Duellanten kaum besser ergangen war. Überall lagen Leute wimmernd am Boden, starrten entsetzt auf irgendwelche Fühler oder Tentakel, die ihnen aus Köpfen oder Gliedmaßen wuchsen, oder grinsten hilflos und dümmlich in der Gegend herum. Granger hatte ihren Zauberstab fallengelassen und prügelte sich mit Millicent Bulstrode auf Muggleweise, aber was wollte man von einem Schlammblut auch anderes erwarten?
 

Snape und Lockhart marschierten durch die Menge und klaubten Schüler auseinander, Snape indem er Fläschchen herumreichte und kleine Wunden heilte, und Lockhart, indem er aufmunternde Sprüche klopfte und seinen Pfauenschwanz hastig vor Blut und anderen Absonderlichkeiten in Sicherheit brachte. Endlich schienen die Aufräumarbeiten soweit bewältigt worden zu sein, dass Lockhart mit dem Unterricht fortfahren konnte. “Ich denke, ich sollte euch als Nächstes beibringen wie man unangenehme Sprüche abblockt,“ schlug er vor. “Wie wäre es mit einem Paar Freiwilliger – Longbottom und Finch-Fletchley vielleicht?“
 

Doch Snape schien einen besseren Vorschlag zu haben. “Longbottom verursacht schon mit den einfachsten Zaubern nichts weiter als Chaos; wir werden die Überreste von Finch-Fletchley in einer Streichholzschachtel zum Krankenflügel schicken müssen. Wie wäre es denn stattdessen mit Malfoy und Potter?“
 

Snape war wirklich brillant, jetzt gab es gleich noch eine weitere Chance, dem Narbenkopf eins reinzuwürgen. Grinsend kletterte Draco auf das Podest, hob den Zauberstab und warf sich unter den Beifallsbezeugungen seiner Hauskameraden in Pose. Weit unter ihm hielten einige Schüler bereits gespannt den Atem an und ein panisch gewordener Potter versuchte sich ein paar sinnlose Last-Minute-Tipps von Lockhart geben zu lassen, bevor er, blass und nervös, ebenfalls auf die Bühne stieg.
 

“Draco.” Draco zuckte zusammen, als Snape’s Stimme plötzlich dicht an seinem Ohr erklang, offenbar war der Zaubertränkemeister lautlos hinter ihn getreten. “Kennen Sie den Serpensortia-Zauber?”
 

Natürlich kannte er den, aber was sollte es bringen, Potter eine Schlange vor die Nase zu setzen? Hatte der tolle Trottelheld vielleicht am Ende Angst vor Schlangen?
 

Doch Snape gab ihm keinerlei Erklärungen, er trat wortlos zurück und nur ein wissendes Lächeln spielte um seine schmalen Lippen. Draco grinste und tat so, als wisse er über alles Bescheid.
 

“Professor, könnten Sie dieses Abwehrdings vielleicht noch einmal zeigen?“ Auch Potter war jetzt endlich auf dem Podest angekommen, doch er schien kaum erwarten zu können, es wieder zu verlassen.
 

Nun, diesem Wunsch würde nur zu bald entsprochen werden...
 

Draco beugte sich nach vorne, so dass ihre Gesichter nur noch wenige Zoll voneinander entfernt waren und flüsterte zischend: “Angst, Potter!“
 

Harry zuckte zusammen, als Draco’s Atem seine Haut streifte, doch der nervöse Ausdruck in seinen Augen war einem Blick wilder Entschlossenheit gewichen. “Träum weiter,“ fauchte er zurück und hob seinen Zauberstab.
 

“Drei – zwei – eins – los!“
 

Draco schwang seinen Stab in Form einer liegenden Acht und schrie “Serpensortia!
 

Der Stab vibrierte und im nächsten Moment schien seine Spitze zu explodieren. Schreie wurden laut, als eine gewaltige schwarze Schlange daraus emporschoss, sich zischend in der Luft wand und schließlich zwischen den beiden Jungen auf dem Podest landete. Es war eine Königskobra, und als sie sich fauchend aufbäumte und ihre mächtige Haube spreizte, konnte Draco deutlich das brillenförmige Symbol erkennen, welches in ihrem Nacken schillerte.
 

Verwundert glitt sein Blick zwischen dem Zeichen der Kobra und Potter’s bebrilltem Gesicht hin und her, als bestünde zwischen beidem ein Zusammenhang, den er nicht erklären konnte. Potter stand wie erstarrt und wagte es nicht sich zu bewegen, um das Tier nicht noch weiter zu reizen.
 

“Bleiben Sie ruhig, Potter.“ Snape war an den Rand des Podests getreten und griff nach seinem Zauberstab. “Ich kümmere mich darum.”
 

“Sie erlauben doch,” rief Lockhart und drängte sich zauberstabfuchtelnd durch die Menge. Es gab einen lauten Knall und die Schlange wurde hoch über Draco’s Kopf in die Luft geschleudert, um einen Augenblick später mit heftigem Aufklatschen wieder zu landen.
 

Dabei war sie vom Podest auf dem Boden gefallen und eine Gruppe Hufflepuffs stob kreischend auseinander um nicht von ihr getroffen zu werden. Zischend und fauchend schoss die Kobra durch die Menge und bäumte sich rasend vor Wut auf, um sich auf den nächstbesten Hufflepuff zu stürzen, der ihr im Weg stand. Schon hatte sie den Kopf zurückgebeugt und die Fangzähne entblößt, um loszuschnellen, als plötzlich...
 

Ein heftiges Zischen ließ sie mitten in der Bewegung innehalten. Draco wandte die Augen nach links und rechts, war hier etwa noch eine weitere Schlange im Raum?
 

Nein, das kann doch nicht sein! Das kann doch einfach nicht sein!“
 

Aber da war keine Schlange. Es war Harry Potter, der das Zischen ausgestoßen hatte, nur in diesem Augenblick sah er nicht mehr wirklich wie Harry Potter aus. Eine seltsame Starre war in seine Augen getreten, hatte von seinem ganzen Körper Besitz ergriffen. Als sei er kein Mensch mehr, sondern selbst eine Schlange, die soeben einem rangniederen Artgenossen einen Befehl erteilt hatte.
 

Aber wieso kann jemand wie er...? Nur ein wahrer Slytherin könnte ... verdammt, er ist doch ein Gryffindor!
 

Die Kobra fuhr herum. Sie schien immer noch angriffslustig zu sein, doch sie hatte von ihrem Opfer abgelassen; ihre Aufmerksamkeit jetzt ganz und gar auf Potter gerichtet. Dieser stieß weitere Zischlaute aus und ging auf dem schmalen Podest um Draco herum auf die Schlange zu, ohne ein einziges Mal zu blinzeln oder die Augen von ihr abzuwenden. Sie blieben vollkommen starr, diese Augen, ausdruckslos wie zwei kalte grüne Edelsteine. Und doch schien ihr Blick alles auf seiner Wanderung zu durchbohren, als sei er ein magischer Feuerstrahl, der alles wegbrannte, das ihm im Wege stand.
 

Nein ... komm mir bloß nicht zu nah ... bleib weg von mir, du ... du Schlange...“
 

Die zischelnden Laute waren wie feine Nadelstiche an seinem Ohr; er zuckte zusammen, als Potter’s Atem an seinem Hals vorüberglitt und ein unkontrollierter Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Heiß und kalt zugleich schoss ihm das Blut durch den Körper und einen Augenblick lang verspürte er ein seltsames Ziehen in der Magengegend, als habe er soeben einen Senkrechtstart mit anschließender Vollbremsung auf dem Nimbus hingelegt. Etwas schüttelte ihn wie im Fieber; er wollte wegrennen, er wollte auf Potter losstürzen und ihn zu Boden werfen, ihm eine reinschlagen, irgendwas, doch...
 

Doch er blieb wie angewurzelt stehen, nicht fähig, auch nur einen Finger zu rühren.
 

So schnell all dies geschehen war, so schnell war es auch wieder zu Ende; Potter war an ihm vorbeigegangen und hatte sich vom Podest gleiten lassen. Die Kobra schlängelte auf ihn zu, um friedlich die Haube zu senken und sich zu Füßen ihres neuen Meisters niederzulassen.
 

Snape hob seinen Stab und ließ das Tier mittels eines Zaubers wieder verschwinden.
 

Eine unheimliche Stille breitete sich über der Halle aus. Angsterfüllte, verstörte und misstrauische Blicke richteten sich auf Harry Potter, und die Schüler wichen vor ihm zurück, als habe er eine ansteckende Krankheit.
 

Harry Potter, der Möchtegern-Held und Vorzeige-Gryffindor war ein Parselmund.
 

Tsuzuku...
 

*
 

The sun is sleeping quietly

Once upon a century

Wistful oceans calm and red

Ardent caresses laid to rest
 

For my dreams I hold my life

For wishes I behold my nights

The truth at the end of time

Losing faith makes a crime
 

I wish for this night-time to last for a lifetime

The darkness around me - shores of a solar sea

Oh how I wish to go down with the sun

Sleeping

Weeping

With you
 

*
 

Ending Credits
 

Quotes: Erstmal jede Menge Dialogzitate aus HP und der Stein der Weisen und HP und die Kammer des Schreckens, wobei ich allerdings die englischen Bücher als Vorlage verwendet habe. Also nicht wundern, wenn der Dialog von der deutschen Ausgabe abweicht. “Die Kampfkunst ist die Kunst der Täuschung“ ist ein Zitat aus The Art of War von General Sun Tzu. “Null ist gleich zwei (0 = 2)“ ist die berühmte Formel des Mystikers Aleister Crowley.
 

Acknowledgements: Die Idee, einen Teil der Story rückwärts zu erzählen, stammt aus dem Film Memento. Die Vorlage für die Kata von Lucius und Draco ist die Taikyoku Shodan aus dem Shotokan Karate. Draco’s Tagebucheinträge wurden inspiriert von The Secret Diary of Adrian Mole aged 13/4 von Sue Townsend. Das Miano und alle weiteren magischen Musikinstrumente in späteren Folgen sind dem Spiel Zork Nemesis entliehen. Die kosmischen Prinzipien Roter Löwe (Leo Rubeus) und Grüner Drache (Draco Viridis) stammen aus der klassischen Alchemie und ergeben laut dieser in ihrer Vereinigung den Stein der Weisen. Flamellus (Nicholas Flamel), Paracelsus, Agrippa und Maria Judaica sind Alchemisten, die irgendwann im Mittelalter, Altertum oder Renaissance gelebt und geforscht haben. Nicolas Rémy ist ein (vermutlich hoffnungslos dem Wahnsinn verfallener) Hexenjäger aus dem 15. Jahrhundert.
 

Die Gegenstände aus dem Laden, den Narcissa betritt, wurden von verschiedenen Mythologien und Religionen inspiriert, unter anderem der Gnostik, dem Judentum, dem Christentum, der griechischen oder ägyptischen Götterwelt. Es liegt mir fern, diese Glaubensrichtungen in irgendeiner Form angreifen oder veralbern zu wollen.
 

Thanks: Ein ganz besonderer Dank an Sanna-chan und Sabi-chan, die mir bei einigen Teilen dieses Kapitels geholfen haben, wie etwa bei der Kata. Ein weiteres Dankeschön geht an Sarah und Jen, die mir die neue Tagline auf lateinisch übersetzt haben und an Silver, die mir immer unterstützend zur Seite steht.
 

* * *
 

January 1999, Gegenwart
 

Und noch eine Erinnerung ... und noch eine ... und noch eine...
 

Wie mechanisch gleitet mein Zauberstab an meine Schläfe, führt immer wieder dieselben Bewegungen aus. Ich spüre keinen Schmerz, ja ich merke nicht einmal, wie ich langsam immer weniger und weniger werde. Die fehlenden Erinnerungen lassen keine Löcher in meinem Geist zurück, nur dumpfe verschwommene Bilder und eine abgrundtiefe Schwärze.
 

Und Schatten. Schatten, die über die Wände huschen.
 

Aber ich spüre sie kaum. Vielleicht weil in meinen Gedanken schon seit so langer Zeit Dunkelheit herrscht. Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wann es zum letzten Mal wirklich hell gewesen ist. Und selbst wenn ich es könnte, so würde diese Erinnerung bald ebenso im Abgrund versunken sein wie alle anderen.
 

Mein eigenes Gesicht blickt mir aus dem Pensieve entgegen. Bin ich wirklich mal so jung gewesen? Wieso kann ich mich überhaupt selbst sehen? Müssten meine Erinnerungen nicht aus meiner eigenen Sichtweise sein? Oder sind sie nicht mehr als mentale Bilder, die mit der Wahrheit überhaupt nichts zu tun haben?
 

Und noch ein Stück weniger von mir. Und ein Stück weniger von dir in mir.
 

Kann ich dich damit auslöschen? Kann ich dich aus meinem Gedächtnis tilgen, aus meinem Geist, meiner Seele? Dich aus meinem Herzen reißen?
 

Wie viel einfacher wäre alles, wenn ich es nur könnte! Wie viele Probleme und Schwierigkeiten wären mir erspart geblieben.
 

Ich könnte endlich das Leben führen, zu dem ich einst bestimmt war. Es gäbe keinen Schmerz, keine Bitterkeit und keinen Zweifel an mir selbst. Ich könnte morgen vor meinen Meister treten und sein Zeichen empfangen, ohne jede Furcht von ihm als Verräter entlarvt zu werden.
 

Denn ich wäre kein Verräter mehr...
 

Wenn ich es könnte, würde ich es tun? Noch sind genügend Erinnerungen lebendig in mir, noch bist du darin allgegenwärtig. Aber bald schon wirst du nur noch ein Schatten sein. Mein Verstand wird sich an dich erinnern, aber so als wäre es ein anderer, der unter deinen Bann fiel und von dir verhext wurde. Ich weiß, dass du es nicht mit Magie getan hast, doch es gibt keinen anderen Ausdruck für das, was du mit mir gemacht hast.
 

Nein, ich kann mich nicht von dir befreien. Dafür ist es schon längst zu spät, es gibt keine Rettung mehr. Ich kann dich nur tief in mein Innerstes verbannen und darauf hoffen, dass er mir morgen Nacht nicht in die Augen blickt und dich darin erkennt.
 

Und so lege ich meinen Zauberstab ein weiteres Mal an meine Schläfe und raube mir meine nächste Erinnerung...
 

*
 

Amicus Draconis – 2nd Cycle: Cycle of the Snake – Part 15: Sprung from my only Hate II – Prodigious Birth of Love it is to me
 

Coming June 2006
 

*
 

Si ruber leo dracoque viridis conjuncti erunt, porta aeternitatis aperietur.
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (34)
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Von:  Enyxis
2011-07-09T16:01:54+00:00 09.07.2011 18:01
OOOHH!!! Das liebe Dragolein schreibt Tagebuch XD
Dragolein hat aber auch keine Hobbys XDD Robenfächeln üben, Harrys Tod planen und sinnlos über anderen zu tratschen XDD
Das Tagebuch von Dragolein is genial XD

>Im Abteil nebenan ist Pansy Parkinson soeben zum dritten Mal schlecht geworden. Sie liegt wie ein sterbender Schwan auf einem Haufen Kissen und seufzt theatralisch, während eine ganze Schar Mädels hektisch um sie rumwuselt, sie fächelt, und ihr was zu trinken bringt.<
XDDDD Pansy is ya sowas von lustig XDDD

>Der Uhu knabbert an meinem Ohr. Das kitzelt.
Manchmal bin ich richtig froh, dass es den Uhu gibt.<
OOOHHH!!! XDDD Malfoy freut sich über ein Vogelvieh...is ya ma was ganz neues...


Ein RIESEN MEGA GENIALER Einfall mal ein Kapi aus der Sicht von Malfoy zu schreiben - in Form eines Tagebuchs.
Das is total genial gewesen o.o Und sooooo lustig XDDD
Mal in Malfoys Kopf rumstöbern zu können ^^ So ne Gelegenheit kriegt man auch nicht alle Tage!

Es war wirklich genial geschrieben, und ich bin ziemlich auf das nächste Kapi gespannt, in dem es ya sehr wahrscheinlich um das 3. und das 4. Jahr gehen wird ^^
Von:  Lady_Ocean
2006-12-29T17:08:26+00:00 29.12.2006 18:08
Einfach herrlich. Es kommt so überzeugend rüber, wie du Draco als verzogenen 11-, 12-jährigen Jungen beschreibst, dass ich mir seine kleinen Wutausbrüche, seine Schmollminen, die kindliche Freude und seine naive Einstellung zu all den Dingen, die sein Vater ihm beigebracht hat und an die er glaubt, sehr lebendig vorstellen kann. Er ist einfach so typisch Draco, wie man ihn aus den Büchern kennt (minus ein paar Jährchen Erfahrungen und Reife) und wie er nach dem Aufwachsen in seinem Elternhaus nur sein konnte.
Was mich auch immer wieder erstaunt: Die vielen mystischen und alchimistischen Details, die du immer wieder anschneidest. Einige Begriffe habe ich schon mal gehört, viele noch nicht. Du beschäftigst dich sehr ausgiebig mit solchen Themen, was? Ich finde es echt bewundernswert, dass du dich mit so viel Hingabe um all diese kleinen Details kümmerst. In ein solch magisches Thema passt das ja auch wunderbar rein und schmückt die ganze Geschichte sehr farbig aus.
Der kurze Einblick in die Gegenwart am Ende des Kapitels hat mich noch einmal sehr zum Nachdenken angeregt. Damit hast du das ganze Kapitel praktisch so gestaltet, dass Draco seine ersten Jahre in Hogwarts noch einmal Revue passieren lässt, während er die Erinnerungen daran und speziell an Harry versucht aus seinem Geist zu verbannen. Ich bin mal gespannt, wo dieser Einblick in die Gegenwart genau einsetzt. Der 1. Zyklus hörte ja damit auf, dass Draco Harry geschnappt hatte, nachdem dieser mit New Hogwarts Sirius befreit hatte. Bin mal gespannt, ob die Szene jetzt davor oder danach kommt. Außerdem freue ich mich schon sehr auf die Geschichte aus Harrys Sicht und natürlich den Weg, wie beide zueinander gefunden haben. Ein wenig davon klang ja hier schon an, wenn ich das richtig gedeutet habe. Z.B. dass Draco noch immer nicht darüber hinweg gekommen ist, dass Harry damals seine Freundschaft ausgeschlagen hat. Ich denke, das ist für ihn die treibende Kraft, die den Hass zu Harry fortwährend schürt. Und die Stelle bei dem Duell, als Harry so nah an Draco vorbeigegangen ist...na ja, ich glaube nicht, dass das versteckte Verliebtheit symbolisieren sollte. Dazu passt es einfach nicht in den Augenblick hinein. Aber Draco hat auf Harrys Nähe reagiert. In irgendeiner Form, die vielleicht noch gar keine genauere Einordnung möglich macht. Irgendwas zwischen Ehrfurcht, Anspannung und ein wenig Bewunderung vielleicht.

Lg
Ocean
Von: abgemeldet
2006-11-26T19:43:55+00:00 26.11.2006 20:43
auch hier hab ich noch nicht kommentiert? gott, ich bin echt hintendran!
jedenfalls hab ich das kap eben gelesen und wie schön eingebildet, arrogant und doof dieser draco doch is! *draco knuff* ;) das ganze aus seiner sicht zu schreiben, is ne super idee. da kriegt man auch besser mit, wie er so zum potty =) steht und wie sich dieses verhältnis dann allmählich ändert, ohne das draco es eigentlich selber bewusst merkt.
bin mal gespannt, wie's weitergeht =)
gruß
mZ
Von:  Callamari
2006-08-07T16:09:18+00:00 07.08.2006 18:09
INteressant die ganzen Ereigenisse die man ja aus den Büchern schon kennt auch mal aus Dracos Perspektive zu erleben.
Die FF ist weiterhin wunderschön geschrieben und sowohl der
"Prolog" wie auch der "Epilog" dieses Kappis sind toll.^^
*sich aufs nächste Kappi stürzt*
Witer so!^^ *Krug mit Butterbier geb*
Von:  -Evil-
2006-07-15T17:08:42+00:00 15.07.2006 19:08
Ich hab auch nur 2 stunden gebraucht *___*
*freude*
Es ist so genial,auch wenn ich einzelne Teile von Dracos "tagebuch" übersprungen hab x___x
*da mal ganz ehrlich ist*
Schnell weiter schreiben >___<
*wart wart wart*

Evil
Von: abgemeldet
2006-03-17T22:55:22+00:00 17.03.2006 23:55
Hallo,
ich will ich nicht, dass diese FF in der Vesenkung verschwindet. ich guck jede Woche nach ob es endlich weitergeht und das seit ungefaehr einem halben Jahr ^^"
Ich finde die Idee aus dracos Sicht zu schreiben echt schoen, dass ermoeglicht einen ganz anderen Blickwinkel. Deine Charaktaere sind komplx und "naturgetreu"wiedergegeben. wenn ich nicht schon wuesste was alles passert, dann faende ich die Story nur noch spannender.

Die Dialoge gefallen mir auch sehr gut.

Ich freue mich total darauf wenn Draco kein kleines noelendes Kind mehr ist weil er hat mir in Cycle of the Badger total gut gefallen.

Das du harry mit einem rehkitz vergleicht finde ich irgendwie sehr passend so muss er als kind gewesen sein.

Nur irritieren mich die ich-erzaehler, personeller erzaehler wechsel etwas, aber das ich nicht so schlimm. Ich wollte nur nicht ein voellig durch und durch positives kommentar abgeben.

Schreib bitte weiter.
shurkain
Von: abgemeldet
2006-01-19T18:12:01+00:00 19.01.2006 19:12
Hoffe, du findest mal wieder Zeit an deiner Story weiterzuschreiben; sie ist nämlich zu gut, um unbeendet in der Versenkung zu verschwinden, um nicht zu sagen, sie ist genial!
Von: abgemeldet
2005-10-05T22:28:42+00:00 06.10.2005 00:28
*zitternd unterm Tisch sitzt* Ist es weg? Woa, du hast mir echt Angst gemacht mit deiner Beschreibung von Harrys und Voldemorts Begegnung im verbotenen Wald...ich frag mich wie er das ausgehalten hat auf der Lichtung stehen zu bleiben. *schüttel*

Der Narr...sehr interessant. Muss da noch ein bißchen drüber nachdenken...*vor sich hingrübelnd aus deiner Geschichte wandert*
Von:  Callamari
2005-07-01T16:49:44+00:00 01.07.2005 18:49
*g* Draco is einfach nur gut! ^^ *lach*
Freu mich schon auf das nächste Kappi und hoffe, dass es bald erscheint.
Von: abgemeldet
2005-06-25T16:19:24+00:00 25.06.2005 18:19
Ich liebe diese FF! Das mit Snapes Umhang ist einfach zu geil! Wusch! *ggg* Schreib bloss schnell weiter, sonst bekommst du es mit mir zu tun! (und ich kann Karate!) ;-P Also, bitte gaaanz bald eine Fortsetzung! Büdde, büdde, büdde!


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