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Diagnose: Schreibblockade

Dreimonatige Challenge
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ja, ja, die Zeit. Schon faszinierend, wie man in "10 Minuten" plötzlich so viel Text reingequetscht bekommt ;)
Manchmal liegt der Fokus zwar nicht so sehr auf den Themen, aber solange sie wenigstens einmal im Text genannt werden, ist für mich die Challenge erfüllt :) Komplett anzeigen

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9.3.2024: Ethos

Zeit - ein Konstrukt, das Saskia immer wieder faszinierte. In manchen Situationen konnte die Zeit rasen und in anderen zähfließend sein. Manchmal konnte vieles in einer bestimmten Zeit erledigt werden und manchmal genügte die gleiche Dauer nicht einmal für einen richtigen Anfang von etwas.

Es ist schon interessant, wie kurz meine Pause ist und wie viel wir trotzdem in diesen paar Minuten schon beredet haben, dachte sie, während sie Sven noch immer dabei zuhörte, wie er sich über Detlefs Entscheidung beschwerte.

„Ich fühl mich echt von ihm im Stich gelassen! Ich dachte, wir wären Freunde und dann bezieht er mich nicht mal in seine Entscheidung mit ein, sondern stellt mich vor vollendete Tatsachen“, verschränkte er die Arme vor der Brust, halb zusammengekauert auf seinem Stuhl und den Blick starr auf die Teetasse vor sich gerichtet.

Ja, Saskia hatte bei ihrem letzten Gespräch mit Detlef von dessen Überlegungen, das Studium zu beenden und andere Wege zu gehen, erfahren. Trotzdem hatte es sie ein wenig überrascht, wie schnell er dann wirklich Nägel mit Köpfen gemacht hatte. Erst durch Sven war sie auf den neuesten Stand der Dinge gekommen – kein Wunder, hatten Detlef und sie nach ihrer Trennung schließlich einen gewissen Abstand gesucht, um ihre Gedanken und Gefühle sortieren zu können. Manches Mal war die Verführung für Saskia groß gewesen, einfach das Handy zu schnappen und ihm zu schreiben, aber letztlich hatte sie sich immer wieder dagegen entschieden. Und nun war er plötzlich fort, ohne, dass sie sich richtig von einander verabschiedet hatten. Wehmut kam in ihr auf, als Sven erzählte, dass er noch nicht einmal genau wusste, wo Detlef aktuell abgeblieben war. Und wieder begann er, sich über diesen Schritt zu ärgern, der aus seiner Sicht völlig übereilt gewesen war.

Die Fakten waren ausgetauscht und nun begannen die Wiederholungen. Das kannte Saskia bereits von Sven, wenn ihn etwas ärgerte. Es kam nicht oft vor, aber wenn, dann biss er sich daran fest und konnte tagelang immer wieder über dieses eine Thema sprechen. Kurz schaute sie zu Jasmin hinüber, die in sich gesunken da saß, blass und sichtlich überfordert mit dem Gehörten. Warum traf es sie so, fragte sich Saskia, aber statt diesem Gedankengang weiter nachzugehen, griff sie Svens Hände. Abrupt kam er durch diese Geste ins Stocken, hob den Blick und schaute Saskia irritiert an. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen und sie hielt seine Hände fest in den eigenen.

„Du weißt, dass ich dich sehr mag“, begann sie und nach einem kurzen Moment der Verwirrung nickte Sven.

„Du bist für mich wie der Bruder, den ich nie wollte und trotzdem in mein Herz geschlossen habe“, fuhr sie fort, was ihn diesmal zum Lachen brachte – ja, das war die Saskia, die er kannte!

Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als sie ihm bedeutete, noch zu warten.

„Ich hab dich lieb, aber manchmal möchte ich dir auch mal gehörig den Kopf waschen“, schwang noch immer ein liebevoller Ton in ihrer Stimme, in den sich nun eine gewisse Strenge mischte. Sven runzelte die Stirn. Mit dieser Wendung hatte er offensichtlich nicht gerechnet.

„Ich glaub, ich muss mal wieder die große Schwester spielen und dir ein paar Takte dazu sagen, wie du dich gerade hier benimmst“, ließ Saskia seine Hände los und legte ihre flach auf den Tisch, noch immer zu Sven hin gebeugt und den Blick fest auf ihn gerichtet.

„Ich weiß, dass Veränderungen nicht so dein Ding sind und dass du enttäuscht von Detlef bist, kann ich auch ein Stück weit nachvollziehen. Aber du benimmst dich wie ein bockiges Kind!“

Svens Zucken war nicht zu übersehen und aus den Augenwinkeln konnte Saskia erkennen, dass auch Jasmin den Kopf zu ihr hob.

„So, wie du die letzten Minuten über von ihm geredet hast, klang es, als hätte er ein Schwerverbrechen begangen. Als hätte er kein Ethos und sonst was – Sven, er hat einfach nur erkannt, dass er nicht glücklich ist und will etwas daran ändern! Deshalb hat er dich nicht im Stich gelassen! Und ganz ehrlich? Wenn jemand Grund hätte, sich zu beschweren, dann wohl eher ich!“

Saskia legte eine kurze Pause ein und beobachtete Svens Reaktion. Einerseits war ihm das Gesagte unangenehm, da er anfing über Dinge nachzudenken, die er vorher so noch gar nicht bedacht hatte. Andererseits verstand er offensichtlich nicht so recht, worauf sie hinaus wollte und traute sich aber auch nicht, sie offen zu fragen.

„Als ihr euch für diese Uni entschieden habt, bin ich mit in diese Stadt gezogen, weil ich keine Fernbeziehung wollte. Meinst du wirklich, ich hab mir den Umzug so vorgestellt, dass ich mir eine kleine Bude suche, während mein Freund eine WG mit seinem besten Kumpel gründet? Weil der Schiss hatte, dass ihm das neue Umfeld sonst zu viel wird, wenn nicht nur die Uni neu ist, sondern auch die Stadt und er obendrein mit fremden Leuten zusammenwohnen müsste, obwohl du ja derjenige warst, der unbedingt in diesen Studiengang gehen wollte?“

Sven kratzte sich am Hinterkopf und ließ den Blick kurz zum Boden schweifen. Wieder legte sich dieser bockige Ausdruck auf sein Gesicht.

„Aber du hättest doch mit uns in die WG ziehen können und wolltest nicht“, meinte er, woraufhin Saskia die Augen verdrehte.

„Sven, ich bin mit drei Brüdern aufgewachsen – ich hatte die Nase voll von WGs! Für dich war das trotz deiner Unsicherheiten vielleicht ein spannendes Abenteuer, aus dem behüteten Nest raus zu kommen und so. Aber ich bin die älteste von vier und hatte eh schon immer viel Verantwortung. Ich wollte nicht eure Mami spielen, die euch die Klamotten hinterher räumt...“, hob Saskia abermals die Hand, als Sven zum Protest ansetzte und dann mit sinkenden Schultern zugeben musste, dass sie wohl nicht ganz Unrecht hatte.

„… ich wollte mit meinem Freund zusammenwohnen und ein gemeinsames Leben aufbauen“.

Sie ließ die Hand sinken und sah, wie sich langsam das Schuldbewusstsein auf Svens Gesicht ausbreitete. Verlegen schaute er auf seine Hände, die einander kneteten.

„Tut mir leid, darüber hab ich nicht nachgedacht“, murmelte er und hob bei Saskias amüsierten Schnauben den Blick. Sie lächelte und boxte ihm leicht auf den Arm.

„Du bist ein kluger Kopf, aber manchmal merkt man dir einfach auch noch dein Alter an“, grinste sie und zwinkerte, um dann wieder etwas ernster zu werden.

„Ich hab mir das alles auch anders vorgestellt, Sven, aber darauf wollte ich mit meiner Ansprache nicht hinaus. Detlef ist ein sehr loyaler Kerl. Du darfst darüber enttäuscht sein, wie es im Moment ist, aber stell sein Pflichtbewusstsein nicht infrage. Wenn ich es mir recht überlege, ist das manchmal vielleicht sogar zu groß gewesen und hat ihn überhaupt erst soweit gebracht, dass er jetzt alle Zelte abreißen musste. Und selbst da hat er dir noch zwei Monatsmieten im Voraus gegeben, obwohl er das Geld grad vermutlich selbst nur allzu gut gebrauchen könnte“, zuckte sie leicht die Schultern und sah mit einer gewissen Erleichterung das Nicken von Sven. Irgendwie war sie halt doch die geborene große Schwester – ob bei ihren eigenen Brüdern oder bei Detlefs Anhängsel, das sie anfangs kaum gemocht und inzwischen wirklich liebgewonnen hatte. Schließlich war auch sie gerade verlassen worden und da tat ihr diese Vertrautheit mit Sven sogar besser, als sie selbst gedacht hatte.

„In letzter Zeit haben wir ja nicht viel miteinander gesprochen – das sollten wir wieder ändern“, zwinkerte sie abermals und erhob sich, um wieder zurück an die Arbeit zu gehen. So schnell konnte die Pause dann doch auf einmal vorbei sein.

„Ja“, nickte Sven, während Saskia sich die Schürze wieder umband und plötzlich erstrahlte er regelrecht.

„Ich hab eine Idee!“, rief er aus. Dieses Mal schaute sie ihn überrascht an.

„Regelmäßige Kinodates?“

Er schüttelte den Kopf.

„Detlefs Zimmer ist doch jetzt frei. Warum gründen wir dann nicht eine WG?“

Für einen kurzen Moment herrschte Stille. Saskia schaute ihn ausdruckslos an, dann begann ihr Körper zu zucken und schließlich prustete sie los, mit Tränen in den Augen und einem glockenhellen Lachen, das das gesamte Café erfüllte.

„Bei aller Liebe: Auf gar keinen Fall!“



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