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Diagnose: Schreibblockade

Dreimonatige Challenge
von

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20.2.2024: Wunschdenken - Archiv

Vom Hinterhof aus drangen das Lachen und die Schreie der anderen Kinder an Irenes Ohr. Sie saß in ihrem kleinen Zimmer am Schreibtisch, gebeugt über die Hausaufgaben und versuchte irgendwie einen klaren Gedanken zu fassen. Immer wieder wanderte ihr Blick über die Sätze auf dem Papier und doch kam deren Bedeutung nur bruchstückhaft in ihrem Kopf an. Es war einfach zu laut. Sie seufzte aus und rieb sich das Gesicht. Ja, ein wenig verlockend war es schon, jetzt auch rauszugehen und morgen in der Schule, kurz vor Unterrichtsbeginn, die Hausaufgaben von irgendwem abzuschreiben. Aber dann fielen ihr auch wieder die Worte ihrer Mutter ein: Reines Wunschdenken wäre es, dass sie ernsthaft das Ziel hatte, irgendwann einmal das Abitur zu machen und eine Universität zu besuchen. Nichts als ein dummer Traum, dass sie dachte, sie könne es vielleicht wirklich bis zur Ärztin bringen.

In ihrem Bauch zog es sich zusammen, wenn sie daran dachte. Ein Kloß schob sich in ihren Hals und Tränen brannten in ihren Augen. Dass andere ihr nicht viel zutrauten, weil sie hier, in einem der ärmsten Viertel der Stadt, lebte, interessierte sie nicht sehr, aber dass ihre eigenen Eltern so wenig an sie glaubten… sie rieb sich fix mit der Hand über die Lider und schob dann die Unterlagen zusammen. Noch ein Seufzen, dieses Mal, um Kraft zu tanken.

„Wo willst`n hin?!“ schallte es vom Wohnzimmer in den Flur, als sie ihr Zimmer verließ und zur Wohnungstür ging. Über allem hing der stinkende Nebel der Zigaretten.

„Ich geh spazieren“, rief sie zurück, ohne einen Blick durch die Tür zu werfen. Sie kannte das Bild, das sich ihr bieten würde, ja nur allzu gut: Vater und Mutter saßen vor der Glotze, rauchten um die Wette und bedachten die Leute in der Flimmerkiste mit allerhand Kommentaren.

„Bring Zigaretten mit!“

Schweigend nahm sie die gewohnte Anweisung zur Kenntnis und verließ die Wohnung. Wenigstens hielt sich der Alkoholkonsum ihrer Eltern noch in Grenzen – bei ein, zwei Mitschülern wusste sie, dass dem nicht so war.

„Hey, willst du mitspielen?“, rief eines der anderen Kinder über den Hinterhof hinweg zu ihr und mit einem Lächeln lehnte sie ab.

„Ein andern Mal“, vertröstete sie und huschte schnell auf die Straße, bevor noch weitere Fragen folgten. Sie war eh schon die Komische, die sich oft mal absonderte. Doch lange ging ihr Weg nicht, ehe wieder eine Frage an sie gerichtet wurde.

„Oh, was machst du denn hier, Irene?“, hörte sie plötzlich hinter sich, kaum, dass sie an einem kleinen Obst- und Gemüseladen vorbei gegangen war. Irene erschrak und drehte sich um. Mit großen Augen starrte sie ihren Lehrer an, der gerade mit einer Tüte voll Einkäufe den Laden verließ und sie anlächelte. Röte stieg in ihr Gesicht. Sie war verwundert, ihn ausgerechnet hier zu sehen und gleichzeitig beschämt, dass dies ihre Wohngegend war.

„Bei mir Zuhause ist es gerade sehr laut. Ich suche nach einem Ort, um in Ruhe die Hausaufgaben machen zu können“, gab sie wahrheitsgemäß zu, ohne zu viele Details zu nennen.

„Ich find es toll, wie fleißig du immer bist“, schloss ihr Lehrer zu ihr auf und dieses Mal lächelte auch Irene. Sie mochte ihn. Während viele andere Lehrer nur ihren Stoff durchzogen und sich für die Schüler wenig interessierten, hatte er noch Engagement und Freude an seiner Arbeit.

„Du, ich bin grad auf dem Weg zu Bibliothek. Willst du mich begleiten?“, nickte er in die Richtung, in die er musste und Irenes Augen fingen an zu leuchten.



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