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Mein Weg zu Dir

von

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Mimi

Ich weiß, dass er längst nicht mehr da ist, noch bevor ich die Augen aufschlage. Mein ganzer Körper fühlt sich ausgekühlt an. Die Wärme, die Tai gestern Nacht mit sich gebracht hat, ist verschwunden, genau wie er. Anscheinend hat er Wort gehalten und ist gegangen, nachdem ich eingeschlafen war. Ich drehe mich auf die Seite und weigere mich, die Augen zu öffnen, denn ich will noch ein wenig länger in dem Traum von letzter Nacht verweilen.

Meine Hand wandert nach oben zu meiner Brust, in der es so unfassbar weh tut, dass es mich fast zerreißt. Eine einzelne leise Träne rollt aus meinem Augenwinkel.

Er fehlt mir so sehr.

Wird das irgendwann aufhören? Werde ich je aufhören können, ihn zu vermissen?

Um nicht schon wieder in meinen Gefühlen zu versinken, wische ich die Träne mit dem Handrücken weg und zwinge mich endlich, die Augen aufzuschlagen.

Ich blicke zur Seite. Auf dem Nachttisch liegt ein Zettel. Mein Herz schlägt höher …
 

»Ich hätte dir gerne noch länger beim Schlafen zugesehen.

Tai«
 

Ein leises Seufzen kommt mir über die Lippen und ich presse den Zettel dicht an mich, ehe ich ihn in der Hand zerknülle. Ich stehe auf, gehe zum Papierkorb und werfe ihn hinein. Seine Worte müssen hierbleiben, genauso wie die Gefühle, die er erneut in mir ausgelöst hat. Nichts davon darf ich mit nach Hause nehmen.

Nach Hause.

Oh Gott.

Ich habe völlig übersehen, wie spät es schon ist und dass ich bereits längst auf der Straße sein sollte. Ich eile nach draußen und der Parkplatz sieht im Vergleich zu gestern Abend wie leergefegt aus. Lediglich ein paar Autos stehen immer noch rum, deren Besitzer vermutlich gerade ihren Rausch ausschlafen. Meinen Schlüssel gebe ich wieder an der Rezeption ab und nachdem ich mir noch einen Kaffee aus dem Automaten geholt habe, steige ich ins Auto und mache mich auf den Weg nach Hause.
 

Ich komme früher an, als erwartet und doch bin ich spät dran. Heute habe ich die Spätschicht im Café übernommen und ich habe immer noch nichts gegessen, geschweige denn geduscht. Als ich die Wohnung betrete, finde ich Kari schlafend auf dem Sofa vor. Ich verkneife mir es, sie zu wecken und gehe stattdessen mit frischen Klamotten ins Bad, um zu duschen. Danach setze ich mich zu Kari aufs Sofa und esse schnell noch eine Schale Müsli, bevor ich zur Arbeit muss.

»Was hast du heute vor?«, frage ich Kari, die immer noch verschlafen neben mir sitzt und sich durch das Fernsehprogramm zappt.

»Ich denke, ich gehe nachher noch joggen. Und gehe einkaufen.«

Ich werfe ihr einen entschuldigenden Blick zu. »Ich weiß, der Kühlschrank ist wie leergefegt, tut mir leid.«

»Schon okay«, lacht Kari auf. »Ich bin es gewohnt, für mich selbst zu sorgen.«

Ich nicke. Zumindest das haben wir gemeinsam.

»Hat … hat Tai gestern nach dir gesehen?«, frage ich vorsichtig nach und fühle mich jetzt schon ertappt. Wie albern von mir. Sie kann schließlich nicht meine Gedanken lesen.

Kari entfährt ein Zischen. »Was denkst du denn? Das hat er sich natürlich nicht nehmen lassen.«

»Richtig so«, entgegne ich viel zu schnell. Karis Kopf wirbelt zu mir herum.

»Fall mir nicht in den Rücken. Oh man, mein Bruder und du, ihr seid euch immer noch so ähnlich.«

Ich zucke mit den Schultern. »Ich denke nicht, dass wir das einfach so abstellen können.«

Kari kichert und streckt mir die Zunge raus. Zum Glück muss ich jetzt los, weshalb wir dieses Gespräch nicht vertiefen können.

»Ich bin gegen 23.00 Uhr wieder da«, informiere ich Kari.

»Ist gut, bis dann«, ruft sie mir noch hinterher, ehe die Tür hinter mir ins Schloss fällt.

Ich bin ziemlich froh, dass ich gerade Dad's Wagen habe, weil ich mir so den Weg zur U-Bahn sparen kann. Allerdings hatte ich nicht mit der Rush-Hour gerechnet und stehe zehn Minuten später schon im Stau. Na, super. Jetzt werde ich wahrscheinlich auch noch zu spät kommen, wenn ich nicht …

HALT.

Moment mal. Das ist doch …

Wie gebannt starre ich durch die Windschutzscheibe meines Wagens und muss gleich mehrmals blinzeln, um mich zu vergewissern, dass ich mich gerade nicht vergucke.

Sora kommt die Straße entlang gelaufen. Ein kleiner Bauch wölbt sich nach vorne. Doch das ist es nicht, was meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Es ist der Kerl, der neben ihr hergeht.

»Das ist doch Yoshi.«

Ich reibe mir über die Augen, als würde ich immer noch schlafen. Aber das hier ist kein Traum. Die beiden miteinander zu sehen, ist absolut merkwürdig.

Ich meine … sie halten keine Händchen oder so was. Aber sie scheinen sich definitiv zu kennen. Was mich so stutzig macht, ist, dass ich ihn noch nie zuvor mit ihr gesehen habe. Selbst wenn Sora mal eine Party geschmissen hat oder sie Geburtstag hatte, war dieser Typ definitiv nicht dabei gewesen. Und sie hat ihn auch nie erwähnt, zumindest nicht in meinem Beisein.

Warum tun die beiden dann so vertraut?

Er berührt ihren Arm und lächelt sie an, als würden sie sich schon ewig kennen. Sora hingegen verzieht keine Miene. Nein, sie rollt stattdessen mit den Augen, schlägt seine Hand von sich und redet ungehalten auf ihn ein, während sie schließlich an meinem Wagen vorbei gehen. Da sie das Auto meines Vaters nicht kennen, beachten sie mich gar nicht und merken auch nicht, wie ich ihnen hinterher starre.

Mein Hals verdreht sich nach hinten, doch sie sind ziemlich schnell außer Sichtweite.

Komisch. Es sah so aus, als hätten sie sich gestritten.

Man streitet sich nur mit Personen, die man gut kennt. Das tut man nicht mit Fremden oder flüchtigen Bekannten. Vor allem berührt man sie nicht so am Arm und wirft ihnen derartige Blicke zu.

Wow.

Ich schüttle den Kopf, als es bereits hinter mir hupt. Die Ampel ist schon eine ganze Weile auf grün gesprungen und ich drücke aufs Gas. Meine Finger umklammern das Lenkrad, während mein Kopf rattert.

Ich möchte es nicht, aber in mir macht sich eine Befürchtung breit, die … unmöglich wahr sein kann.

Nein.

Das würde sie nicht tun.

Sie würde Tai nicht betrügen, während sie ein Kind von ihm erwartet. Das wäre einfach unvorstellbar. Aber es würde erklären, warum Yoshi neulich an seinem ersten Arbeitstag dachte, Matt wäre Tai. Wieso dachte er das? Nur, weil meine Kollegen angeblich von mir und Tai erzählt haben? Das kam mir gleich spanisch vor.

Ich beiße mir schmerzhaft auf die Unterlippe. Es kommt mir vor wie ein Puzzleteil, dass ich bis jetzt nicht gefunden habe, was sich aber allmählich ins Bild einfügt. Doch anstatt mich über diese vermeintliche Erkenntnis zu freuen, krampft sich mein Herz so sehr zusammen, dass es mir die Luft abschnürt. Sollte das wahr sein, würde es nicht nur mich schockieren, sondern auch Tai zutiefst treffen.

Ich beschließe, erst ein mal nichts zu tun und stattdessen Yoshi weiter auf den Zahn zu fühlen. Tai sage ich vorerst nichts davon, denn das kann ich erst machen, wenn ich mir ganz sicher bin, dass mein Gefühl mich nicht täuscht.
 

Selbst im Café schaffe ich es nicht, die Gedanken an Sora und Yoshi beiseite zu schieben. In einer freien Minute, gehe ich zur Hintertür hinaus und scrolle in meinem Handy durch meine Social Media Kontakte. Ich kann Soras Freunde einsehen und … er ist definitiv nicht dabei.

Ihn zur Rede stellen kann ich auch nicht, weil er seine Schicht heute bereits hinter sich gebracht hat und ich weiß auch nicht, ob das so klug wäre. Ich habe schließlich keine Ahnung, warum die beiden überhaupt in Kontakt stehen oder woher sie sich kennen. Ob er es mir überhaupt sagen würde? Oder würde er mich anlügen? Sollte ich mich auch in ihm so sehr getäuscht haben? Ist meine Menschenkenntnis wirklich so schlecht? Yoshi kam mir wie ein liebevoller, aufrichtiger Kerl vor. Wenn er das nicht ist, zweifle ich ernsthaft an meinem Urteilsvermögen.

Wie auch immer. Ich gehe wieder rein und stelle mich hinter die Theke. Heute werde ich eh nichts mehr in Erfahrung bringen. Vielleicht ist er auch einfach nur ein Freund von ihr. Ein Freund, den niemand kennt, aber was soll's.

So ist das eben manchmal.

Jeder hat seine Geheimnisse. Und meines kommt gerade durch die Ladentür des Cafés.

»Hey«, begrüßt er mich und lehnt sich betont lässig gegen den Tresen.

»Matt?«, frage ich irritiert. »Was machst du hier?« Er sieht irgendwie übermüdet aus. Und das verrät mir nicht nur sein Dreitagebart, den er sonst nie trägt, sondern auch die kaum sichtbaren Schatten unter seinen Augen. Ob er wieder zu viel gearbeitet hat?

Matts Augen wandern kurz zur Decke, als müsste er überlegen, doch dann sieht er mich wieder an.

»Ich könnte jetzt lügen und sagen, ich will nur einen Kaffee trinken, aber das würdest du mir ohnehin nicht glauben.«

»Wahrscheinlich nicht«, entgegne ich gleichgültig und wende mich wieder der Espresso Maschine zu, die noch gereinigt werden muss. Wir schließen in wenigen Minuten und ich habe außerdem gerade keine Lust auf ein Gespräch mit ihm.

»Okay, dann versuche ich es mal so«, meint Matt und stützt sich mit den Händen auf dem Tresen ab. »Ich wollte dich gern sehen.«

»Ach ja?« Ich ignoriere seine bohrenden Blicke. »Warum?«

»Vielleicht, weil ich es nicht schön fand, wie wir neulich auseinander gegangen sind?«

Kurz halte ich in der Bewegung inne, doch dann wische ich eilig weiter über die Maschine.

»Du meinst, so ganz ohne Orgasmus?«

Mein Kollege, der gerade an mir vorbei geht, bleibt abrupt stehen und sieht mich entrüstet an, schließt jedoch den Mund dann wieder und geht kopfschüttelnd weiter. Matt wirft ihm einen Blick hinterher, ehe er mich genervt ansieht.

»Warum zickst du jetzt so rum, Mimi? Ich versuche mich gerade bei dir zu entschuldigen.«

»Kein Interesse, danke«, erwidere ich giftiger, als beabsichtigt und werfe den Lappen zurück in die Spüle. »Ich bin hier fertig. Und wir schließen gleich. Also, würdest du bitte …?« Ich mache eine Handbewegung in Richtung Ausgang, doch Matt tut nicht mal so, als würde er meiner Aufforderung nachkommen. Stattdessen verschränkt er die Arme vor der Brust.

»Nein. Denn ich hätte gerne einen Espresso.«

Wie bitte?

Wütend funkle ich ihn an. Doch er zuckt nur mit den Schultern.

»Ihr habt noch zehn Minuten geöffnet, oder?«

Meine Augen verengen sich zu zwei schmalen Schlitzen und ich sehe ihn giftig an. Dieser miese …

Mein Kollege wirft mir einen warnenden Blick zu.

Schon klar, der Kunde ist König, bla bla. Idiot.

Ich wende mich ab und mache Matt einen Espresso in der Maschine, die ich gerade gereinigt habe.
 

Nachdem ich das Teil dank Matt zum zweiten Mal putzen konnte, schaue ich nun endlich über die Schulter. Natürlich sitzt er immer noch an einen der Tische, hat die Beine betont lässig übereinandergeschlagen und schlürft seinen Espresso.

»Schließt du dann ab, sobald er fertig ist?«, meint mein Kollege, der sich bereits die Jacke übergezogen hat und endlich Feierabend machen will. Ich nicke stumm in seine Richtung, weil ich mir nicht noch mehr Ärger einhandeln will, ehe er sich verabschiedet. Als er weg ist, gehe ich zu Matt rüber. Interessiert schaut er von seiner Tasse auf.

»Ich würde jetzt gerne nach Hause gehen«, seufze ich, doch ahne bereits, dass er sich nicht so leicht abwimmeln lässt.

»Und ich würde gerne mit dir reden.«

Ich pruste los. »Reden? Klar, dafür bist du ja bekannt.«

Ich schnappe mir seine leere Tasse und bringe sie hinter den Tresen, um sie in die Spüle zu stellen.

»Ich finde, du könntest ruhig etwas netter sein«, meint Matt, der mir unaufgefordert hinter die Bar gefolgt ist. »Schließlich habe ich dir nichts getan.«

»Stimmt«, sage ich trocken, als ich mich ihm zuwende und gleichzeitig spüre, wie Wut in mir aufsteigt. »Aber du bist der … der Inbegriff von …« Mit ausgestrecktem Arm zeige ich auf ihn und mustere ihn dabei, wie ein Kunstgemälde, für das mir kein passender Name einfallen will. »Der Inbegriff von Sünde.«

Matt zieht eine Augenbraue in die Höhe. Seine Mundwinkel zucken belustigt.

»War das jetzt ein Kompliment oder eine Beleidigung?«

Ich stöhne laut auf. »Du willst es nicht verstehen, oder?«

Es ist mir schon länger aufgefallen, aber erst, seit ich von der Sache mit Kari und T.K. weiß und was er mit ihr abgezogen hat, begreife ich, was hier wirklich abgeht. Matt ist ohne Zweifel jemand, mit dem man Spaß haben kann und mit dem man sich gern umgibt. Er gibt einem ein gutes Gefühl. Aber er bringt auch die schlechteste Seite in mir zum Vorschein. Eine Seite, die ich so noch nicht an mir kannte. Die mir neu ist und die mir Angst macht. Jedes Mal, wenn ich mit ihm schlafe, fühle ich mich danach so … skrupellos. Und das Schlimme daran ist, dass es mir auch noch gefällt. Matt ist charismatisch und färbt auf mich ab.

Wenn es mir schon so geht, die ihn erst seit kurzem besser kennt - wie geht es dann wohl T.K., der sein ganzes Leben mit Matt verbracht hat und der ihn ohne jeden Zweifel anhimmelt und zu ihm aufschaut? Matt hat einen enormen Einfluss auf die Menschen in seiner Umgebung, aber ganz besonders auf T.K.

Matt schnaubt grinsend und kommt auf mich zu. »Oh doch, ich verstehe dich.« Seine Hand landet an meiner Taille und er zieht mich mit einem Ruck an sich, was mir zwar im ersten Moment widerstrebt, aber dann mein Innerstes erwartungsvoll kribbeln lässt. Weil es verboten ist. Weil wir uns niemals so nahe sein dürften.

Und da ist sie wieder … diese dunkle Seite in mir.

»Du hast ja schließlich schon betont, dass du denkst, dass ich einen schlechten Einfluss auf T.K. habe und somit indirekt daran Schuld bin, was da mit Kari gelaufen ist.«

Ich nicke verwirrt, während ich zu ihm aufschaue. Dass er so verständnisvoll ist, hätte ich nicht erwartet.

»Und ich denke, im entferntesten Sinne hast du vielleicht sogar recht«, gibt Matt nun zu. Nun bin ich völlig sprachlos. Ich sehe ihn nur noch fragend an.

»Natürlich habe ich nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich Frauen abschleppe. Dass ich sie für eine Nacht mit zu mir nach Hause nehme und danach nie wieder sehe. Wahrscheinlich hatte dieses Verhalten einen gewissen Einfluss auf meinen kleinen Bruder, aber …« Matt legt eine Pause ein, um seinen Finger unter mein Kinn zu legen und es anzuheben. Seine blauen Augen durchdringen mich und machen mich beinahe bewegungsunfähig. Wieso hat er nur diese Macht über mich?

» … machst du mich auch dafür verantwortlich, dass T.K. keine tieferen Gefühle für Kari hegt? Kann ich etwas dafür, dass er nicht in sie verliebt ist, so wie sie in ihn? Ist das auch meine Schuld?«

Ich schlucke hart. Verdammt.

Mehrere Sekunden vergehen.

Dann schüttle ich stumm den Kopf.

»Na, siehst du.« Matt lässt mich los und tritt unerwartet einen Schritt zurück, was mich wieder atmen lässt. Wie lange habe ich die Luft angehalten?

»Vielleicht bin ich der Inbegriff von Sünde, wie du sagst. Aber ich bin sicher nicht der Teufel«, sagt er und will sich abwenden, doch ich greife nach seiner Hand.

»Tut … tut mir leid«, kommt es mir zwar nur schwer über die Lippen, aber es stimmt.

Matt ist sicher kein Heiliger, das weiß jeder. Und sicher war er T.K. nicht immer ein perfektes Vorbild. Aber ihn für die Fehler seines Bruders verantwortlich zu machen, ist nicht fair gewesen.

»Ich habe wohl ein klein wenig über reagiert«, gebe ich seufzend zu. »Ich weiß, dass du deinen Bruder über alles liebst und ihm nie absichtlich schaden würdest. Ich denke einfach nur, dass du diese Seite in ihm zum Vorschein gebracht hast. Dass er sich an dir ein Beispiel genommen hat. Und dass er denkt, dass es okay wäre, so mit Frauen umzugehen.«

Ich suche nach Matts Blick, der meinem eisern standhält. Wieder mache ich ihm Vorwürfe. Aber diesmal wirkt er gar nicht gekränkt.

»Vermutlich ist das so«, gesteht er mir schließlich zu. »Ich habe auch schon mit ihm darüber gesprochen.«

Meine Augen weiten sich vor Überraschung. »Du hast was …?«

»Eigentlich wollte ich mich da nicht einmischen«, meint Matt und verdreht die Augen. »Aber ich habe mit ihm geredet und ihm gesagt, dass er Kari nicht so behandeln kann. Er war ziemlich auf brausend und hat mir dieselben Vorwürfe gemacht wie du. Dass ich es doch genau so mache und kein Recht habe ihn, was das angeht, zu belehren.«

Ich schlucke schwer. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie mies ein derartiger Streit unter Brüdern sein muss.

»Leider musste ich ihm da recht geben«, erzählt Matt schulterzuckend weiter. »Ich bin selbst nicht besser, was das angeht. Aber ich gehe immer davon aus, dass es für die Frauen auch okay ist und dass sie wissen worauf sie sich einlassen. In der Regel ist das auch so. Aber Kari und T.K. sind befreundet. Eng befreundet. Das ist etwas völlig anderes.«

Ein kleiner Kloß bildet sich in meinem Hals und meine Lippen fühlen sich staubtrocken an, als ich spreche.

»Ist es … ist es bei uns auch etwas anderes? Wie bei Kari und T.K.?«

Matt legt den Kopf schief und sieht mich mit einem unfassbar verwirrten Blick an, als könne er gar nicht fassen, dass ich diese Frage stelle.

»Mimi … natürlich ist es das. Wir sind auch befreundet, oder etwa nicht?«

Ich nicke stumm.

Ja, das sind wir.

Macht es das besser?

»Letztendlich haben wir denselben Fehler gemacht wie die beiden. Wir können ihnen überhaupt keine Vorwürfe machen«, sage ich.

»Ich würde es niemals als Fehler bezeichnen«, wirft Matt ein, was mich beinahe sprachlos macht.

»Das verstehe ich jetzt nicht«, lache ich irritiert auf und greife mir gegen die Stirn, weil dieses Gespräch wirklich so einiges in mir auslöst. »Du sagst, das, was zwischen Kari und T.K. passiert ist, wäre ein Fehler gewesen, weil sie befreundet sind. Aber bei uns ist es das nicht? Klär mich bitte auf.«

Matt's Mundwinkel zucken und er macht einen Schritt auf mich zu, um dann beide Hände an mein Gesicht zu legen.

»Ich denke, die beiden waren sich ihrer Gefühle vorher nicht bewusst. Kari scheint etwas für meinen Bruder zu empfinden und bei ihm ist es wahrscheinlich nicht so. Sie sind beide mit völlig falschen Erwartungen im Bett gelandet, daher reden sie auch momentan nicht mehr miteinander. Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass das bei uns nicht der Fall ist. Du bist nicht in mich verliebt, Mimi. Und ich nicht in dich. Würden wir das Ganze hier und jetzt beenden und uns nie wieder küssen, uns nie wieder berühren und nie wieder miteinander schlafen, würde es dir das Herz brechen?«

Ohne groß über diese Frage nachzudenken, schüttle ich den Kopf. Natürlich nicht. Wir wissen beide, dass das, was wir hier haben, nicht für immer sein wird. Das kann nicht immer so weitergehen. Irgendwann wird es zu Ende sein, aus welchen Gründen auch immer. Aber das ist okay. Matt ist ein Abenteuer. Eine Ablenkung. Aber er ist nicht so dumm, das nicht zu wissen.

»Siehst du«, grinst er. »Wir wissen beide, woran wir sind und warum wir gerade zusammen sind. Und vor allem können wir uns danach immer noch in die Augen sehen und Freunde sein.«

»Das heißt, du wärst gar nicht traurig, wenn ich dir jetzt einen Korb geben würde und das mit uns vorbei wäre?«, platzt es aus mir raus, bevor ich mir dafür auf die Zunge beißen kann.

Matt's Grinsen wird noch breiter. Er wirkt ein wenig amüsiert, während er mein Gesicht immer noch in seinen Händen hält.

»Vielleicht ein ganz klein wenig«, gesteht er mir und ich muss kichern. »Es würde mir schon schwer fallen, dich nicht mehr zu berühren, weil … ganz ehrlich, Mimi - der Sex mit dir ist ziemlich aufregend. Und das nicht nur, weil es verboten ist. Aber würdest du mir jetzt sagen, wir können ab jetzt nur noch Freunde sein, könnte ich wohl damit leben.«

Ein zufriedenes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. Nicht, dass ich mir je Gedanken darüber gemacht hätte, ob Matt vielleicht tiefere Gefühle für mich hegt. Aber weil er so gnadenlos ehrlich ist und diese Eigenschaft schätze ich sehr an ihm.

»Du bedeutest mir viel, Mimi. Ich würde niemals irgendetwas tun, was dich verletzen könnte«, wispert er leise, doch ich höre jedes einzelne Wort. Es berührt mich zutiefst, dass wir eine so innige Beziehung aufgebaut haben. Matt hat mir so oft über den Kummer mit Tai hinweggeholfen und das nicht nur mit Sex. Ich hoffe, dass ich mich irgendwann dafür revanchieren kann.

»Ich denke, du bedeutest mir auch viel«, erwidere ich und klinge dabei nicht halb so gefühlvoll wie er, was Matt zum Lachen bringt.

»Nett, dass du das sagst.«

»Ja, oder?« Wir müssen beide lachen. Sein Kopf senkt sich und seine Lippen treffen auf meine. Aus dem Lachen wird ein lustvolles Seufzen, was seinen Mund verlässt.

Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als ich es höre und er mich kurz darauf an der Hüfte packt, auf der Theke absetzt und sich zwischen meine Beine drängt.

Mitten im Kuss halte ich inne und sehe ihn fragend an. »Du weißt schon, wo wir hier sind?«

Matt sieht sich suchend um und zuckt dann grinsend mit den Schultern. »Ich kann niemanden sehen.«

Er küsst mich erneut und ich lasse es zu, obwohl ich ganz genau weiß, worauf das hier hinausläuft. Erst fühle ich mich ein wenig unwohl dabei, aber Matt schafft es zu schnell, all meine Bedenken über Bord zu werfen.

Der Sex mit ihm ist reizvoll, schnell und befreiend.

Er hat recht - wir erwarten nichts voneinander - nur das.

Erwartung ist die Wurzel allen Kummers - sagte schon William Shakespeare.

Die Grenzen sind klar definiert, aber das macht gar nichts besser. Würden die Menschen, denen wir etwas bedeuten und die uns etwas bedeuten, von uns erfahren, wären sie mehr als nur enttäuscht. Das ist das eigentliche Vergehen: dass wir es wissen! Wir wissen, es würde andere verletzen und wir tun es trotzdem.

Mit jedem weiteren Kuss klebt die Sünde wie Pech an uns und egal, wie gut es sich anfühlt, es hinterlässt immer einen bitteren Nachgeschmack.

Ich weiß nicht, warum, aber … ich habe das Gefühl, dass das nicht mehr lange gut gehen wird.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Linchen-86
2023-08-13T18:28:10+00:00 13.08.2023 20:28
Du bist da und ich bin da und lese *-*

Ja also... Die Nachricht war sweet. Er wird sich immer um Mimi sorgen, aber seine Moral hält ihn an Sora, die wiederum wohl von Mimi vom wahren Vater gesehen wurde... Das glaub ich wirklich. Sora ist richtig durchtrieben...

Und Matt... Der Bad Boy, ah ja, das Gespräch war überfällig und ich habe mir schon gedacht, dass das wieder passiert, aber auch in denke, dass wird nicht ewig weitergehen und früher oder später werden sie erwischt... Oh man...

Mal sehen, eins schaffe ich noch ;)
Von:  Hallostern2014
2023-07-26T19:39:51+00:00 26.07.2023 21:39
🤣

Oh man, dass wäre ja auch zu schön gewesen. Tai war weg der Blödsinn 🤣🙈. Aber er hat eine süße Nachricht hinterlassen. Dennoch kann ich verstehen das Mimi enttäuscht ist.

Oha Sora dieses Biest, wenn Mimi nur wüsste, dass wirklich noch mehr dahinter steckt. Dann hätte sie Tai gleich was gesagt, auch dass er nicht der Vater des Kindes ist. Natürlich ist Sora auch nicht mit ihm offiziell befreundet sonst würde es ja alles auffallen.

Oha, Matt das bedeutet Unheil 🤣 war ja klar das beide nicht die Finger von einander lassen, jedenfalls so lange nicht bis Mimi nicht mit Tai zusammen ist. Aber eines muss ich Matt lassen. Er gibt zu das er ein schlechtes Vorbild ist und hat mit T.K. geredet. Und ich glaube Mimi hat recht, es wird nicht lange gut gehen. Auch

Oh man warum Matt 🤣. Weil Tai einfach abgehauen ist 😭

Na dann bin ich mal gespannt was jetzt noch kommt und wie lange Matt und Mimi dieses Spiel noch spielen wollen.

Ich freue mich auf jedenfall aufs nächste Kapitel




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