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A thousand words or less

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Der Titel ist schamlos von "Der letzte Sing (alles wird gut)" von Kummer geklaut, weil ich damit endlich die richtige Stimmung für das hier gefunden hatte.

Runde 2
Charakter: Sakito
Prompt: Katharsis
Wortzahl: 1.050
Surpise Saga: ja Komplett anzeigen

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02. (fühlt sich nicht danach an, aber) Alles wird gut (Nightmare)

(fühlt sich nicht danach an, aber)

Alles wird gut
 

 

Das Problem an und für sich, das wurde Sakito immer deutlicher bewusst, war, dass das Leben einfacher war, wenn man nicht alles wusste. Wenn man den Luxus hatte, vor manchen Dingen die Augen verschließen zu können, um Tatsachen, die einem förmlich ins Gesicht sprangen, noch etwas länger zu ignorieren.

 

Er war sich nicht sicher, ob das eine allgemeingültige Regel war, aber er war damit in den letzten Jahrzehnten seines Lebens wirklich gut gefahren. Er war gut darin, nur das wahrzunehmen, was er sehen wollte. Er hatte diesen Luxus genossen, hatte einfach nur getan, wonach ihm gerade der Sinn stand, ohne darüber nachzudenken, welche Konsequenzen daraus für irgendwen sonst entstehen konnten.

 

War das egoistisch? Definitiv. Und damit konnte er gut leben.

 

Hatte er damit andere Menschen verletzt? Vermutlich, aber auch das hatte er getrost ignorieren und den Deckmantel, der „jeder ist für sich selbst verantwortlich“ hieß, über etwaige Schuldgefühle breiten können.

 

Und hätte er die Wahl gehabt, hätte er auch gut und gerne so weitermachen können. Man sollte ja schließlich nichts an Dingen ändern, die gut funktionierten, so wie sie waren. Nur schien der Rest der Welt das anders zu sehen, und nun musste er das leider ausbaden.

 

Sakito stellte sein Glas ab, hoffe darauf, dass der Alkohol in seinem Blut früher oder später alles andere betäuben würde. Er löste sich vom Tresen und ließ sich im Strom anonymer Körper auf die Tanzfläche schwemmen. Er wollte nichts mehr, als sich in diesem Moment zu verlieren, zu vergessen, warum er überhaupt hier war. Er wollte diese verdammten Stimmen aus dem Kopf bekommen.

 

Sagas Stimme, die ihm wohlmeinend aber eindringlich sagte, dass er langsam mal aufhören sollte, sich wie ein gefühlskaltes Arschloch zu verhalten.

 

Uruhas Stimme, die ihm klarmachte, dass dessen Leben mittlerweile andere Prioritäten hatte, als jedes Wochenende um die Häuser zu ziehen.

 

Ni~yas Stimme– Sakito kniff die Augen zusammen, versuchte sich auf den warmen Körper zu konzentrieren, der sich gerade tanzend von hinten an ihn schmiegte.

 

Er wollte nicht an Ni~ya denken. 

 

Schon aus Prinzip nicht, und hier und jetzt erst recht nicht. Er wollte sich nicht damit auseinandersetzen müssen, warum allein der Gedanke an den Blick, mit dem Ni~ya ihr letztes Gespräch abgebrochen hatte, ihm einen Stich ins Herz gab.

 

Es war Ni~yas eigene Schuld, wenn er mehr in ihm sah, als Sakito geben konnte. Oder können wollte.
 

 

Es war Ni~yas Schuld, dass Sakito das Gefühl hatte, dass sein perfektes Leben in den letzten Wochen Risse bekommen hatte und langsam aber sicher, wie in Zeitlupe, in sich zusammenbrach.

 

Sakito wünschte, dass er ihn dafür hassen könnte. Er war gut darin, wegen der kleinsten Dinge nachtragend zu sein, wenn er es nur darauf anlegte. Es sollte kein Problem sein, Ni~ya aus seinen Gedanken zu verbannen und nur die für ihre Arbeit nötigsten Interaktionen zuzulassen.

 

Und dennoch.

 

Mit einer unwirschen Geste wischte er sich den Schweiß, der über seine Wangen perlte, aus dem Gesicht und drehte sich zu seinem unbekannten Tanzpartner um, um in der nächsten Bewegung die Arme in dessen Nacken zu verschränken, sich noch enger an ihn zu pressen.

 

Er würde sich von niemandem seine Nacht verderben lassen, nicht mal von Ni~ya. 

 

Insbesondere nicht von Ni~ya, selbst wenn der vermutlich nicht einmal wusste, was er eigentlich angerichtet hatte, aber das war ja nichts Neues.

 

Der Kuss, in den Sakito seinen Tanzpartner zog, war frei von Emotion, war ein reines Nehmen dessen, was er gerade brauchte – nicht dass es den anderen Mann zu stören schien. Fremde Hände suchten sich den Weg über seinen Körper, legten sich besitzergreifend an seine Hüften und Sakito wünschte sich nichts mehr, als in diesen Berührungen versinken zu können.

 

Er wünschte sich, er könnte einfach alles hinter sich lassen, sich auflösen im Gefühl einfach nur begehrt zu werden, ohne die Verantwortung dafür tragen zu müssen, was gerade passierte. Er wollte nichts mehr als Leere in seinem Kopf, die für nichts Platz ließ, als das Gefühl von jemandem gewollt zu werden. Unkompliziert, unverbindlich.

 

Aber statt Leere war sein Kopf voll von ihm. 

 

Statt einer kleinen Schippe Glückseligkeit, gab sein Hirn ihm nichts als Bilder von Ni~ya. Von Ni~yas lächelnden Lippen, mit einem silbernen Ring verziert, die ihn zu sich zu rufen schien. Von Ni~yas Händen an Bass-Saiten oder in ein weiches Handtuch vergraben. Von Ni~ya, wie er einfach nur neben ihm saß, ihre Schultern aneinander gelehnt, und ihm zuhörte, wenn er sich wieder einmal über die Ungerechtigkeiten seines privilegierten Lebens echauffierte.

 

Er wusste nicht, woran es lag, wollte es gar nicht erst wissen, aber von einem Atemzug auf den anderen, wurde ihm klar, dass er hier wegmusste.

 

Ohne ein Wort befreite er sich von den Händen, die ihn bisher so sicher gehalten hatten und bahnte sich rücksichtslos den Weg durch die Menschenmassen, die ihn umgaben. Warum sollte er auch gerade jetzt damit anfangen, an das Wohl anderer zu denken? 

Jetzt, wo seine Gedanken rasten und wie von einem Fixstern angezogen immer wieder bei Ni~ya landeten, ob er das wollte oder nicht.
 

 

Er hätte nicht einmal sagen können, wie er den Weg von der Tanzfläche zu Ni~yas Wohnungstür zurücklegte. Er erinnerte sich nur schwach an eine nasskalte Nacht und beheizte Taxi-Ledersitze, ehe er sich mit zittrigen Händen sturmklingelnd vor einer bekannten Wohnungstür wiederfand und sich zwang genau dort stehenzubleiben, bis sie sich öffnete.

 

Selbst wenn er gewusst hätte, was er sagen wollte, wären ihm die Worte bei Ni~yas Anblick im Hals stecken geblieben, während sein Herz wie wild zu schlagen begann. Der andere war unrasiert, verschlafen und in Jogginghosen und ein Sweatshirt gekleidet, das er seit mindestens zehn Jahren besaß. Und dennoch–

 

„Warum fühlst du dich an, wie nach Hause kommen?“ Die Worte verließen Sakitos Mund ohne seine Zustimmung. Sie waren zu wahr, zu geladen, als dass er sie je hätte sagen wollen.

 

Ni~ya zuckte nur mit den Schultern.

 

„Weil ich dich kenne?“

 

„Ich will mich nicht ändern müssen.“

 

„Ist okay.“

 

„Kann ich trotzdem reinkommen?“

 

„Sicher.“

 

Sakito blieb stumm, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, hatte das Gefühl, dass er nichts anderes tun konnte, als Ni~ya anzusehen, bis dieser schließlich seufzte und die Arme ausbreitete.

 

Ihm war klar, dass dies nur eine weitere Flucht war, aber in Ni~yas Arme zu flüchten, erschien ihm wie die beste Idee seit Langem.



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