Zum Inhalt der Seite

Die Sonne scheint für alle

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

XVII.

 

„Emi, ich weiß wirklich nicht...“ seufzt Suzuki Rika, während sie versucht, mit ihrer Freundin Schritt zu halten.

Sie bereut es wirklich, ihr ihr Herz ausgeschüttet zu haben. Schließlich war das Date für ein erstes Date doch gar nicht so schlimm. Ashiya mag nicht von hier stammen, aber er benimmt sich sehr japanisch und das heißt, ausgesprochen zurückhaltend und das hat sie einfach überrascht. Sie muss einfach ihre Erwartungen zurückstellen und Geduld zeigen.

Emi wirft ihr einen scharfen Blick über ihre Schulter hinweg zu und wäre in ihrer Hast beinahe über die erste Treppenstufe gestolpert.

„Du bist viel zu nett zu ihm“, erklärt sie, nachdem sie ihr Gleichgewicht wiedergefunden hat. Für die restlichen Stufen hält sie sich vorsorglich am Geländer fest.

Rika folgt ihr ergeben. Hätte sie doch nur die Klappe gehalten! Das Ganze war schließlich nur ein einziges großes Mißverständnis. Was, wenn Emi ihr durch diese Aktion jetzt alles ruiniert? Das wäre schrecklich!

Aber wenn Emi sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist sie nicht aufzuhalten, das hat Rika schon mehr als einmal hautnah miterlebt.

„Es ist schon spät“, versucht sie es ein letztes Mal. „Sie schlafen vielleicht schon.“

„Es ist nicht spät. Es ist gerade mal kurz nach zwanzig Uhr.“

„Ja, aber was ist mit Urushihara?“ verzweifelt greift Rika nach jedem möglichen Strohhalm. „Er ist krank, vielleicht schläft er schon?“

Emi, die inzwischen vor der Tür mit der Nummer 201 steht, und die Hand schon zur Türklingel ausgestreckt hat, wirft ihr einen verständnislosen Blick zu.

„Wen kümmert dieser abgebrochene Freak?“ meint sie in einem Tonfall als würde sie über ein ekelhaftes Insekt reden und drückt ihren Zeigefinger entschlossen auf den Klingelknopf. Das durchdringende Schrillen erscheint Rika heute besonders unangenehm.

Sie hören Geräusche aus der Wohnung und ein genervtes „jaja, komme ja schon“, aber dennoch nimmt Emi nicht den Finger von der Klingel. Rika wird die Sache mehr als peinlich und deshalb hält sie sich in gebührendem Abstand, bereit, so schnell wie möglich wieder umzudrehen.

Und doch ertappt sie sich dabei, wie sie glättend über ihre Bluse und ihren knielangen Rock streicht. Sie kommt direkt aus dem Büro und ist sich plötzlich nur zu gut der Knitterfalten durch das lange Sitzen bewusst.

Emi zieht erst ihren Finger zurück, als sie hören, wie das Schloß entriegelt wird.

Die plötzliche Stille ist geradezu ohrenbetäubend.

Und dann öffnet sich die Tür und Ashiya Shirō steht vor ihnen. Wie immer bei seinem Anblick spürt Rika, wie ihr Herz schneller zu schlagen beginnt, aber dann sieht sie genauer hin und ihre Wiedersehensfreude verwandelt sich in ein mulmiges Gefühl in der Magengrube. Es ist offensichtlich, dass sie ihn bei etwas gestört haben, doch noch weigert sich ihr Gehirn, die richtigen Verknüpfungen zu ziehen.

Emi mustert den Dämonen in menschlicher Gestalt vor sich abfällig. Er wirkt erhitzt, als hätten sie ihn eben bei einem anstrengenden Workout gestört. Obwohl das in seinem Fall dann wohl eher ein extremer Putzanfall gewesen wäre. Seine Wangen leuchten hochrot, auf seiner Stirn glitzern Schweißperlen und seine Frisur wirkt, als wäre er damit in einen Ventilator geraten. Sein derangierter Aufzug setzt sich auch in seiner Kleidung fort – das Shirt ist auf links gedreht und hängt unordentlich über einer Hose, die auch aussieht, als habe er sie sich gerade hastig übergeworfen. Der Gürtel fehlt, so dass er sie sich mit einer Hand festhalten muß. Und – Emi blinzelt irritiert – er ist barfuß.

Doch sie fasst sich schnell wieder.

„Stören wir dich bei irgend etwas?“ erkundigt sie sich spitz und macht Anstalten, die Wohnung zu betreten, doch er macht ihr einen Strich durch die Rechnung, indem er einen Schritt hinaus zu ihnen in den Korridor geht und die Tür hinter sich schließt.

„Kann man so sagen...“, entgegnet er dabei ungewohnt schroff, „was wollt ihr?“

Wow. Zum ersten Mal klingt er wie der Dämon, der er ist. Sie wußte doch, dass seine Höflichkeit nur eine billige Maskerade ist. Aber davon lässt sie sich doch nicht abschrecken!

„Wolltest du dich nicht bei Rika entschuldigen?“

Ashiya starrt sie einen Moment lang einfach nur an, streicht sich dann ergeben seufzend eine blonde Haarsträhne zurück und wendet sich dann an Rika.

„Es tut mir leid, Suzuki-san“, meint er in einem so gleichmütigen Tonfall, als würde er übers Wetter reden. „Es lag nicht in meiner Absicht, dir den falschen Eindruck zu vermitteln, dass ich romantische Absichten dir gegenüber hege und noch Single wäre.“

„Oh...“ Rika schluckt einmal schwer. Sie erkennt ihn nicht wieder. Wo ist der freundliche, warmherzige Mann geblieben, den sie kennengelernt hatte? „Ich... ist schon gut. Es war ein Mißverständnis. Ich muss mich entschuldigen. Für die späte Störung.“

Sie verbeugt sich hastig. Sie will nur noch eines: schnell von hier verschwinden. Das ist so peinlich!

Emi funkelt Ashiya böse an. In diesem Moment wird hinter ihm die Tür zurückgeschoben und eine ihnen nur allzu bekannte Gestalt erscheint auf der Schwelle.

„Shiiiirōōōōō.. komm wieder rein, mir ist kaaaaalt“ greint Lucifer, während er sich an Ashiyas rechte Seite presst. Seine gesunde Hand vergräbt sich besitzergreifend auf Brusthöhe in Ashiyas Shirt, während er die beiden Frauen unter unordentlich ins Gesicht fallenden, violetten Haarsträhnen ungnädig anfunkelt. Er trägt nur ein ihm viel zu großes Shirt, das ihm bis zu den Knien reicht. Größe und Schnitt lassen daraus schließen, dass es eigentlich Ashiya gehört.

„Was wollt ihr hier?“ faucht er die beiden Frauen an. „Glaubt ihr, wir sind ein Restaurant oder so, wo ihr euch durchschnorren könnt, wann immer ihr wollt? Sucht euch ein Privatleben und stört nicht immer diejenigen, die eins haben. Wir sind beschäftigt.“

„E-Entschuldigung.“ Rika will sich zurückziehen, aber Emi ist sauer.

Sie versucht wieder, sich in die Wohnung zu drängen, aber die beiden weichen keinen Zentimeter.

„Wo ist Mao?“ verlangt sie zu wissen, während sie sich bemüht, an ihnen vorbei einen Blick in die Wohnung hinter ihnen zu erhaschen. Und sie wünschte sofort, sie hätte es unterlassen, denn die durchwühlten Decken auf dem ausgebreiteten Futon lassen nicht viel Spielraum für Interpretationen.

„Er ist nicht hier“, schnappt Lucifer zurück, der immer noch an Ashiya hängt wie eine Klette. „Er ist in den Onsen gegangen. Er weiß, was sich gehört.“

Emi spürt, wie eine Ader auf ihrer Stirn zu pochen beginnt.

„Was ist das hier für ein mieses Spiel?“ faucht sie ihn aufgebracht an. „Glaubt ihr im Ernst, ich nehme euch dieses Quatsch ab? Ihr beide? Das soll doch wohl ein schlechter Witz sein! Da müsst ihr euch schon was Besseres einfallen lassen, wenn ich euch das glauben soll!“

Ashiya ignoriert ihr Geschrei und wendet sich stattdessen an Rika.

„Suzuki-san, wie du siehst, gehöre ich schon Hanzō.“ Er klingt aufrichtig entschuldigend, aber das ist für Rika nur ein kleiner Trost.

Dann muss sie mit ansehen, wie der Mann ihrer Träume Urushihara einen Arm um die Hüften schlingt und ihn fester an sich drückt, während er gleichzeitig liebevoll auf ihn hinunterlächelt.

„Ich wollte eigentlich warten, bis er volljährig ist, aber nachdem er aus dem Fenster fiel und fast gestorben wäre, habe ich beschlossen, ihm meine Liebe zu gestehen.“

Für einen Moment lächelt Urushihara zurück und das ist das verliebteste Lächeln, das Rika je in ihrem Leben gesehen hat. Aber damit ist es schlagartig vorbei, als er sich Rika zuwendet. Gefährlich funkelnde violette Augen bohren sich warnend in ihre.

„Er gehört mir, Suzuki Rika.“

Unwillkürlich läuft ihr ein Schauder über den Rücken. Urushihara ist fünfzehn Zentimeter kleiner als sie – fünfundzwanzig, wenn man ihre High Heels miteinrechnet - und nur ein Teenager, aber die Art, wie er sich an Ashiya klammert lässt sie keine Sekunde daran zweifeln, dass er auch sehr, sehr besitzergreifend sein kann.

Und gefährlich.

„Ich sehe es. Ich … nun … ich entschuldige mich erneut.“ In ihren Augen glänzen Tränen, als sie sich ein letztes Mal verbeugt.

Es gelingt ihr, die Fassung zu bewahren, bis sie sich umdreht und in den Schatten des Korridors verschwindet.

„Rika! Warte!“ ruft Emi ihr nach, doch diese eilt weiter, als habe sie sie nicht gehört.

Wütend funkelt Emi die beiden Dämonen an.

„Ihr Mistkerle! Nur damit ihr es wisst: ich glaube euch kein Wort!“

Lucifer lächelt arrogant.

„Musst du auch nicht. Aber zu deiner Information: wir sind seit hundert Jahren durch einen Blutschwur aneinander gebunden. Und Mao hat sogar noch viel länger Anspruch auf mich. Es ist eben nicht immer alles so, wie du glaubst.“

Ashiya nickt zustimmend.

„Hier auf der Erde hatten wir aufgrund der verschiedenen Ereignisse und mit Rücksicht auf unsere Integration in die hiesige soziale Gemeinschaft eigentlich beschlossen, eine längere Pause einzulegen. Unglücklicherweise führte das nur zu weiteren Spannungen, weil man einen Blutschwur niemals ignorieren sollte. Und dann hatte Urushihara seinen Unfall und das öffnete uns die Augen. Es war unsere Schuld, dass er aus dem Fenster fiel. Mao-sama und ich konnten den Gedanken nicht ertragen, dass er sich von Menschen berühren lässt und verloren die Fassung.“ Lächelnd drückt er den gefallenen Engel an seine Seite. „Urushihara Hanzō... Lucifer gehört uns.“

„So ist es, mein süßer Skorpion“, schnurrt Lucifer zurück.

Bah! Sie muß sich gleich übergeben.

„Beweist es! Ich will es sehen! Küsst euch!“

Ashiya mustert sie herablassend.

„Wie kannst du es auch nur in Betracht ziehen, du seist es wert, Zeuge eines solch intimem Momentes zwischen uns zu werden?“

„Natürlich weigert ihr euch“, erwidert sie höhnisch. „Ihr könnt es nicht beweisen. Weil das alles ganz großer Quatsch ist.“ Sie hebt die Hand und piekst Ashiya damit mitten auf die Brust. „Noch vor vier Tagen ist diese kleine Pest mit jedem ins Bett gegangen, der ihm dafür genug Geld gab. Wenn du dir schon eine Beziehung aus den Fingern saugen musst, nur, weil du zu feige bist, um dich auf Rika einzulassen, warum nimmst du dann nicht jemanden, der mehr wert ist als diese kleine Hure?“

Ashiyas Augen verengen sich zu zwei schmalen Schlitzen und er knirscht hörbar mit den Zähnen.

„Das nimmst du zurück. Sofort. Niemand beleidigt meinen Engel!“

„Oh“, lächelt sie fies. „Aber das habe ich doch eben getan.“

Ashiya starrt sie einen Herzschlag lang einfach nur wortlos an. Für einen schicksalshaften Moment scheint es, als wolle er sie schlagen, doch da zieht Lucifer ihn an seinem Arm zurück in die Wohnung.

„Sie ist es nicht wert, mein Großer.“

Und ehe es sich Emi versieht, starrt sie nur noch auf die geschlossene Wohnungstür.

 

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück