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Die Sonne scheint für alle

von

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XVI.

 

Lucifer schäumt vor Wut.

„Das meine ich, Mao: du bist zu nett zu ihr! Kein Wunder, dass sie denkt, sie kann hier jederzeit hereinstürmen, mit Anschuldigungen um sich werfen und solche Forderungen stellen!“

Irgendwie bringt er es fertig, den Dämonenkönig trotz Eisbeutel in seinem Nacken und blutigem Taschentuch vor der Nase besonders wild anzufunkeln.

Mao dagegen findet diesen Anblick erstaunlicherweise geradezu entzückend und es fällt ihm schwer, nicht bis über beide Ohren zu grinsen.

„Aber ist es nicht taktisch klüger, wenn sie als Aggressor dasteht und nicht wir?“

„Für wen? Für unsere Nerven bestimmt nicht! Sei nicht so verdammt nachsichtig mit ihr! Nicht einmal ein Mensch würde sich das von ihr gefallen lassen!“ Er hält inne, aber nur, weil Alciel ihm wortlos das Taschentuch abnimmt, seine Nase kritisch untersucht und, als er feststellt, dass die Blutung tatsächlich aufgehört hat, in die Küche geht, um das blutige Taschentuch im Mülleimer zu entsorgen und den Eisbeutel zurück ins Eisfach zu legen.

„Sie hat Betterhalf gezogen, Mao! Ihr vermaledeites Schwert! Der Gebrauch von Schwertern ist hier verboten. Du solltest sie anzeigen.“

„Es ist keine gute Idee, zur Polizei zu gehen und dadurch Aufmerksamkeit zu erregen“, gibt Alciel zu bedenken, als er zurückkehrt und sich neben ihn setzt.

Lucifer wirft ihm einen kurzen Seitenblick zu, schnaubt einmal und funkelt dann wieder Mao vor sich an.

„Du könntest es Chihos Vater stecken. Er ist Polizist und findet es bestimmt nicht lustig, wenn er erfährt, welchen Umgang seine Tochter pflegt. Oder ich könnte ihm eine anonyme Mail schicken.“

Mao schüttelt den Kopf.

„Das verbiete ich dir, Lucifer.“

„Unglaublich!“ In einer fassungslosen und hilflosen Geste wirft Lucifer beide Arme in die Höhe. „Ihr versucht so sehr, nicht aufzufallen, dass ihr euch ungestraft herumschubsen lasst! Was ist nur aus euch geworden? Ihr seid Dämonen, verdammt nochmal! Verteidigt euch endlich mal! Wozu habt ihr meine Magie denn, wenn nicht mal dafür?“ Aus seiner Kehle löst sich ein Grollen und er ballt die gesunde Hand zur Faust. „Ich hätte gewusst, wofür ich sie einsetze. Ich hätte diese Bitch hochkant in die nächste Woche gepustet.“

Besorgt greift Alciel nach seiner Hand.

„Lucifer. Beruhige dich, sonst blutet deine Nase wieder.“

Lucifer schnauft nur und für einen Moment scheint es, als wolle er etwas sagen – und es wäre bestimmt nicht sehr freundlich gewesen – aber in diesem Moment ertönt die Türklingel.

„Wenn sie das ist...“ knurrt Lucifer drohend.

„Nein“, unterbricht ihn Alciel und erhebt sich, „das wird der Pizzabote sein.“

Was?

Lucifer starrt ihm aus großen Augen hinterher, wie er zur Tür geht und sie öffnet. Und dann klappt ihm die Kinnlade nach unten, als dort tatsächlich der Pizzabote steht. Er wirft einen fragenden Blick zu Mao hinüber, doch der ist genauso entgeistert wie Lucifer.

Sprachlos sehen sie zu, wie Alciel dem Pizzaboten Geld in die Hand drückt, drei Kartons von ihm entgegennimmt, ihn mit einem freundlichen Gruß entlässt und dann die Tür wieder hinter ihm schließt. Alciel kommt zu ihnen zurück, legt die drei Pizzakartons auf den Tisch und öffnet sie nacheinander.

„Hier, für dich“, meint er dann und schiebt Lucifer eine der Schachteln zu. „Ich hoffe, ich habe deinen Geschmack getroffen.“

Lucifer, dem bei dem appetitlichen Anblick und verlockendem Geruch sichtbar das Wasser im Munde zusammenläuft, starrt ihn nur an, als wäre ihm plötzlich ein zweiter Kopf gewachsen.

Mao seinerseits wirft Alciel mit hochgezogenen Augenbrauen einen fragenden Blick zu.

Der wiederum zuckt nur mit den Schultern und lächelt verlegen.

„Es ist Lucifers Geld, oder? Und er nervt mich schon seit seinem ersten Tag hier, dass er sich mal eine Pizza bestellen will. Außerdem überlege ich mir, das nächste Mal vielleicht selber eine zu backen. So schwer scheint das nicht zu sein und dann sind die Zutaten wenigstens frisch.“

Lucifers Erstarrung löst sich endlich und er umarmt ihn spontan. Er kann sein Glück kaum fassen. Erst die Eierkuchen zum Frühstück und jetzt das hier. Hat er heute etwa Geburtstag? Da vergißt er doch glatt Emilias unsäglichen Auftritt von eben.

„Danke, Alciel. Danke! Dafür bring ich auch den Müll raus.“

Unendlich glücklich und stolz über diese Reaktion, entgegnet Alciel diese Umarmung. Lucifer ist warm und passt so gut in seine Arme, dass er ihn am liebsten gar nicht mehr daraus entlassen würde. Und so lässt er ihn auch nur sehr widerwillig wieder gehen, als er sich wieder zurückzieht.

Alciels goldbraune Augen schimmern sanft, als er dem Engel dabei zusieht, wie dieser sich auf seine Pizza stürzt.

„Stimmt die Geschmacksrichtung?“

„Ja, perfekt. Dankeschön“, nuschelt Lucifer um sein Pizzastück in seinem Mund herum und strahlt ihn dabei an.

Unwillkürlich legt Alciel eine Hand auf seine Brust, in der es sich plötzlich so warm anfühlt. Hat er Lucifer jemals so … glücklich erlebt? Wann haben diese unglaublichen Augen zum letzten Mal so geleuchtet? Es ist, als wäre in diesem Moment ein riesengroßer Schatten von ihm abgefallen.

Und für den Bruchteil einer Sekunde fühlt sich Aslciel ihm sehr verbunden, fast, als wären sie für einen winzigkleinen Moment eins, als schlügen sogar ihre Herzen im gleichen Takt.

Doch dann vergeht dieses Gefühl und lässt nichts außer Leere und Verwirrung zurück.

Hastig wendet sich Alciel seiner eigenen Pizza zu. Dabei begegnet er flüchtig Maos warmen Blick, sieht sein Lächeln und spürt, wie ihm unwillkürlich das Blut in die Wangen steigt.

Mao ist zu klug, um diesen Moment mit einem Kommentar zu zerstören, also konzentriert auch er sich nur wortlos auf sein Essen.

Er würde lügen, würde er behaupten, die warmen Blicke, mit denen Alciel Lucifer beschenkt, würden keinen leisen Stich der Eifersucht in ihm auslösen. Bisher war er der einzige, der in den Genuß dieser Blicke kam, sie jetzt teilen zu müssen, schmerzt. Aber während er so an seiner Pizza knabbert und darüber nachsinnt, fällt ihm auf, dass er Alciels Aufmerksamkeit gerne teilt, wenn sich Lucifer dafür ihm gegenüber weiterhin so anschmiegsam zeigt wie vorhin im Pavillon.

Als sie Emilia gegenübertraten und sich gegenseitig beschützten, war es wieder genau wie früher.

Sie waren wieder ein Trio, kämpften und standen füreinander ein. Nicht grundlos nannte sein Lehrmeister und Statthalter Camio die beiden immer die rechte und die linke Hand des Dämonenkönigs.

Aber diesmal spürte Mao darüberhinaus zu Lucifer eine ungewöhnlich starke Verbundenheit - und wenn er ganz tief in sich hineinhorcht, fühlt er sie noch immer. Als wären sie für diese wenigen Sekunden eins gewesen.

Ist das dieses merkwürdige Gefühl, von denen die Menschen immer so schwärmen? Und ist es das, wovon ihm Lailah immer erzählte? Der Engel mit den strahlend weißen Schwingen, der ihm das Leben rettete, als er noch ein Kind war, sah in ihm etwas, weil sie seine Tränen mißinterpretierte. Es waren Tränen des Zorns, aber sie sah in ihnen Tränen über den Verlust seiner Familie und inzwischen weiß er nicht, ob sie damit wirklich so falsch lag, wie er immer behauptete.

Gefühle sind verwirrend und seit er ein Mensch ist, seit er Zeit hat, darüber nachzudenken, scheint es manchmal, als würde seine gesamte Welt auf dem Kopf stehen. Sein ganzes Weltbild hat sich seit seiner Ankunft hier verschoben und gerade in den letzten Tagen kam noch der eine oder andere Looping hinzu.

Während er den Geschmack von zerlaufenem Käse und Salami auf seiner Zunge zergehen läßt und seinen beiden Generälen (Freunden!) dabei zusieht, wie sie ebenfalls ihre Pizza genießen, überkommt ihn so etwas wie eine Epiphanie.

Er wird nicht zulassen, dass jemals wieder etwas oder jemand zwischen ihnen steht.

„Wir müssen sie loswerden“, erklärt er mitten in ihr gemütliches Schweigen hinein und fängt sich dafür von seinen beiden Generälen verdutzte Blicke ein.

„Rika“, konkretisiert er mit gedämpfter Stimme.

Er erinnert sich gerade noch rechtzeitig an ihre neugierige Nachbarin und überprüft schnell den Verfremdungszauber um ihr Apartment, mit dessen Hilfe Crestia Bell sie zwar hören aber nicht verstehen kann und der aufgrund seiner Beschaffenheit keinen Verdacht bei ihr auslöst. Menschen wie sie neigen dazu, bei Stille mißtrauisch zu werden, aber wenn sie keine deutlichen Worte verstehen können, zweifeln sie eher an ihrem eigenen Hörsinn als einen Zauber dahinter zu vermuten, vor allem, wenn es sich um einen alten, vergessenen aus dem Himmel handelt.

„Und Chiho.“ Und als die beiden ihn nur auffordernd zunicken: „Natürlich nicht wortwörtlich, aber Suzuno hat recht: sie sind Menschen dieser Welt und wenn das so weitergeht, machen sie uns nur Probleme. Wenn wir sie uns vom Hals halten wollen, wird das zwar zwangsläufig Emis Zorn auf uns laden, aber das ist es wert. Ich bin es leid, ständig so zu tun, als würde ich Chihos Annäherungsversuche nicht bemerken, obwohl sich alles in mir bei ihrem Dackelblick, der süßen Stimme und dem ständigen Präsentieren ihrer Monstertitten zusammenkrümmt.“

An dieser Stelle schnalzt Alciel tadelnd mit der Zunge.

Lucifer dagegen nuschelt ein „sie sind wirklich enorm“, um seine Pizza herum.

Mao quittiert beides nur mit einem Lächeln.

„Chiho und Rika müssen sich endlich aus dem Kopf schlagen, dass wir gutes Heiratsmaterial sind. Und mir fällt da wirklich nur eine Möglichkeit ein.“ Er holt einmal tief Luft und macht eine theatralische Pause. „Sie lassen uns nur in Ruhe, wenn sie denken, dass wir schon vergeben sind. Und zwar nicht mit irgendeiner ominösen Ehefrau oder Verlobten in der Dämonenwelt, das ist zu unglaubwürdig. Es muss jemand aus dem Hier und Jetzt sein. Und wenn wir es geschickt anstellen, wird es Emi sein, die uns dabei hilft, Chiho und Rika davon zu überzeugen.“

Alciel runzelt nachdenklich die Stirn, während Lucifer leise zu kichern beginnt.

„Ernsthaft, Mao? So hinterhältig kenne ich dich gar nicht. Willst du ihr ernsthaft vorgaukeln, dass du und Alciel ein Paar seid?“

Alciels Augen weiten sich erschrocken, aber bevor er dazu etwas sagen kann, grinst Mao nur verschlagen.

„Nein, Lucifer, nicht Ashiya und ich. Das würde sie uns nie abkaufen, denn dazu leben Ashiya und ich schon viel zu lange unter einem Dach ohne dafür auch nur ein Anzeichen zu zeigen. Aber du und ich und Ashiya und du, das wäre eine überzeugende Kombination.“

„Was?“ japst Alciel neben ihm erschrocken auf.

Und Lucifer ... läßt sein Pizzastück fallen, starrt ihn für einen Moment einfach nur aus großen Augen an und bricht dann in hysterisches, wieherndes Gelächter aus.

 

 



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