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Die Sonne scheint für alle

von

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VII.

 

So leise wie möglich dreht sich Alciel von der Rückenlage auf die Seite. Er will seinen König, der nur einen halben Meter entfernt schläft, nicht durch seine Unruhe aufwecken. Es ist nicht so dunkel in dem kleinen Apartment, wie er es gerne hätte, die Straßenbeleuchtung ist dazu viel zu hell, aber das ist nicht der Grund dafür, dass er nicht schlafen kann.

Unwillkürlich lauscht er auf die Geräusche um sich herum – Mao-samas ruhige, tiefe Atemzüge, das Ticken der alten Wanduhr, das Knarzen der Holzbalken, aus denen dieses Gebäude zusammengezimmert wurde und … ja, da ist es, ganz schwach: das Rascheln und Schaben im Wandschrank, die Geräusche von etwas Lebendigem.

Dank all der Magie, die in ihm kreist, muss er sich nicht einmal anstrengen, um sogar Lucifers Atemzüge zu hören. Alciel weiß nicht, wie lange er ihnen schon lauscht, wahrscheinlich hört er schon unbewusst nach ihnen, seit ihre ungebetenen Gäste nach Hause gegangen sind und hier wieder Ruhe eingekehrt ist.

Er sollte so etwas Unhöfliches nicht denken, aber diese Weiber kratzen an seinen Nerven. Es fällt ihm zunehmend schwerer, seine Maske des ständig höflichen, rationalen Hausmannes aufzubehalten, vor allem an solchen Tagen wie dem heutigen. Die Diskrepanz zu dem, wie er sich geben muss und wie er eigentlich sein möchte, wird zunehmend größer und erdrückender.

Aber sein König kann keinen zusätzlichen Ärger gebrauchen, er hat es auch so schon schwer genug, also gilt die Devise: immer lächeln und winken.

Auch Zuhause in der Dämonenwelt musste er stets seine eigenen Bedürfnisse anderen unterordnen. Aber Mao-sama ist der einzige, für den er es mit ganzem Herzen tut.

Es ist nicht so wie damals, als er von seinem Clan dazu gezwungen wurde, den Häuptling zu geben, weil alle anderen zu feige dazu waren. Er war noch zu jung und gar nicht bereit für diese Verantwortung, die man ihm aufdrückte, aber er wuchs schließlich in sie hinein und irgendwie gelang es ihm sogar, seinem Clan zu einer gewissen Anerkennung zu verhelfen. Als Mao ihn schließlich herausforderte und besiegte und ihn und seinen Clan damit in seine Gefolgschaft eingliederte, war es keine Niederlage, sondern ein Gewinn für alle.

Maos Ziele schienen zuerst unerreichbar, aber er verfolgte sie mit einer Hartnäckigkeit und Selbstaufopferung, die Alciel geradezu dazu zwang, ihm treuer als treu zur Seite zustehen, damit Mao nicht selbst auf seinem Weg dorthin ausbrannte.

Selbst hier in der Menschenwelt gibt er immer alles. Da ist es doch nur logisch, dass Alciel ihm den Rücken freihält, wo immer er kann.

Leider beinhaltet das aber auch, zu lächeln und zu winken, wenn er Emi & Co doch eigentlich am Liebsten durch das nächste Tor davonjagen würde.

Diese Nervensägen brauchen dringend ein eigenes Privatleben, sie lungern gefühlt ständig hier herum und ruinieren seinem König dessen wohlverdienten Feierabend. Und nicht einmal an einem Tag wie diesem konnten sie ihn in Ruhe lassen!

Und musste diese dämliche Heldin auch noch Suzuki Rika hier anschleppen? Alciel weiß nie, wie er sich dieser Frau gegenüber benehmen soll, also zeigt er ihr nichts als reinste Höflichkeit, in der Hoffnung, nicht irgend eine ihm unbekannte Etikette zu übertreten, denn erstens will er Suzuki-san nicht verletzen (sie hat ihm schließlich nichts getan) und zweitens ist sie Emis Freundin und Emis Gezeter geht ihm auch so schon genug auf die Nerven.

„Ashiya, schlaf endlich“, schreckt ihn Mao-samas leise, sanfte Stimme aus seinen Gedanken.

Schuldbewußt zuckt Alcel zusammen.

„Jawohl, Mylord“, flüstert er.

Einen Herzschlag lang ist nichts zu hören außer Lucifers Atemzügen im Schrank und Alciel spürt, dass sein Herr ebenfalls nach ihnen lauscht.

„Es wird alles gut“, wispert Mao dann.

Alciel nickt nur und drückt sein Gesicht fester ins Kissen. Er möchte daran glauben. Er möchte es wirklich, aber... Lucifer ist verletzt, und das ist ihre Schuld! Sie sind hier nicht in der Dämonenwelt, das war kein Trainingskampf oder eine Schlacht, das war nicht einmal eine offizielle Herausforderung oder ein Kräftemessen. Das ist ihnen einfach außer Kontrolle geraten und das hätte einfach nicht passieren dürfen! Er muss einen Weg finden, um so etwas in Zukunft zu vermeiden, das ist seine Aufgabe, sein König zählt auf ihn!

Hätte er sich umgedreht, hätte er vielleicht einen kurzen Blick auf Maos bedrückte Miene werfen können, bevor dieser sie wieder unter seiner üblichen Unbekümmertheit verborgen hätte, aber er dreht sich nicht um.

Und Mao ist sehr froh darüber, denn so sehr, wie Alciel ihm keinen unnötigen Stress verursachen möchte, will er Alciel ebenfalls keine zusätzlichen Sorgen aufbürden. Alciel steigert sich so schnell in solche Dinge hinein, dass Mao – vor allem seitdem sie Menschen sind – manchmal befürchtet, der Gute könnte gleich einem Herzinfarkt erliegen. Und was täte er dann ohne ihn? Ohne Alciel ist er verloren, das weiß er schon seit Jahrhunderten. Und es schmerzt ihn zutiefst, dass sie jetzt in dieser Situation sind, denn das ist alles nur seine Schuld.

Angefangen damit, dass sie hier auf der Erde gelandet sind, bis hin zu seinem kärglichen Teilzeitgehalt, mit dem sie auskommen müssen und dann noch diese ganzen Katastrophen, die sie geradezu zu verfolgen scheinen. Es fällt ihm oft nicht leicht, ihnen solche engstirnigen Feinde wie Emi mit unerschütterlicher Freundlichkeit vom Halse zu halten, aber es funktioniert. Als König kann er nun einmal selten so handeln, wie er es gerne möchte, er trägt schließlich auch die Verantwortung für seine Untertanen (und Freunde). Er kann es nicht riskieren, diese geballte Frauenpower auf Alciel oder Lucifer loszulassen, es genügt schon, wenn sie ständig in irgendwelche Scharmützel zwischen den Engeln und Emi verwickelt werden. Natürlich ist sie dem Himmel als Halbengel ein Dorn im Auge und eigentlich könnte es ihm völlig egal sein, aber leider tendieren die Engel dazu, immer unschuldige Menschen in ihre Angelegenheiten mit hineinzuziehen und so unglaublich es klingt, aber – Mao hat begonnen, die Menschen der Erde zu mögen.

Das sind wahrscheinlich die Nebenwirkungen seines Jobs.

Doch wenn er zwischen den Menschen der Erde und Alciel oder Lucifer wählen müsste, würde er keine Sekunde zögern und diesen ganzen Planeten in Brand stecken, wenn es nötig wäre.

Aber wenn sich Alciel und Lucifer angiften, weiß er nie, was er tun soll. Er will sich auf keine Seite schlagen, und es widerstrebt ihm zutiefst, das zuzugeben, aber seit sie Lucifer hier bei sich aufgenommen haben, steht Alciel unter zusätzlichem Streß und er findet keinen Weg, das Problem zu lösen. Und wie es scheint, belastet ihn dies genauso wie Alciel, es gibt sonst keinen anderen Grund, wieso er heute so überreagierte.

Er hat einen schrecklichen Fehler begangen, aber das Schlimmste ist, dass er nicht weiß, wie er das wieder gutmachen kann. Wenn Lucifer doch nur nicht so starrsinnig wäre und ihnen nicht immer die kalte Schulter zeigen würde! Er ist so furchtbar distanziert, es ist so schwer, an ihn heranzukommen – war das früher auch schon so? Sein Benehmen, seine ganze Art, ist nicht sehr hilfreich, weil sie ihn manchmal so wütend macht, dass er Lucifer am Liebsten einfach nur noch packen und schütteln könnte.

Was, zum Henker, stimmt nicht mit ihm?

Warum will er sich nicht integrieren?

Und was treibt ihn dazu, zu denken, es sei okay, seinen Körper für Geld zu verkaufen?

Mao weiß nicht, welcher Gedanke ihn mehr aufregt: der, dass Lucifer Sex mit einem Menschen hat oder dass er mit dieser merkwürdigen Magie nach Hause kam?

Mao ist nicht dumm, nachdem in den Nachrichten über nichts berichtet wurde, woher Lucifer diese Energie bezogen haben könnte, begriff er sehr schnell, dass es irgend wie mit dem zusammenhängen muss, was Lucifer und diese fremden Männer miteinander (wortwörtlich) trieben.

Diese Magie fühlt sich jedenfalls auch ganz anders an. Viel elektrisierender. Auf ihre Art viel mächtiger ohne wirklich stark zu sein. Ein Tor kann er jedenfalls mit ihr noch lange nicht öffnen. Wenn er sie mit etwas vergleichen müsste, dann käme ihm das Bild eines plätschernden Baches aus goldenem Honig in den Sinn – während die normale negative Energie eher einem auflodernden und alles verzehrendem Feuer nahekommt, an dem man sich wunderbar wärmen kann.

Und er muss zugeben – diese neue Energie kann einen süchtig machen. So sehr, dass er sich allmählich fragt, ob es seine Schuld war, dass er Lucifer diese Magie nicht zurückgeben und ihn nicht einmal damit heilen konnte, lag es vielleicht daran, dass er diese Kraft unbewusst gar nicht wieder hergeben wollte?

Ich bin ein schlechter König. Unwillkürlich ballt er die Fäuste. Ich muß einen Weg finden, das alles wieder einzurenken.

Denn, ehrlich gesagt: es tut furchtbar weh, wenn Lucifer diese drei Worte zu ihnen sagt:

ich hasse euch.

Noch schlimmer ist eigentlich nur der traurige Ausdruck in Alciels Augen seit heute Morgen.

 



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