Zum Inhalt der Seite

Die Sonne scheint für alle

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

VI.

 

Im Krankenhaus diagnostizieren sie neben vielen oberflächlichen Schrammen und blauen Flecken eine mittelschwere Gehirnerschütterung und eine offene Doppelfraktur des rechten Unterarms. Die Operation dauert eine Stunde. Sie fixieren die Knochen mit Schrauben und er bekommt eine Schiene.

Er weiß nicht, ob er aus der Narkose aufwacht oder die ganze Zeit über bewusstlos war, jedenfalls ist ihm übel, als er wieder zu sich kommt. Das kann aber auch an der Gehirnerschütterung liegen.

Sie stellen viele Fragen, von denen er keine einzige beantwortet. Das überläßt er denen, die ihn in diese Situation gebracht haben.

Sie kommen und gehen. Lungern an seinem Bett herum.

Alciel ist voller Vorwürfe gegen ihn

Sieh nur, wieviele Sogen du Mao-sama wieder bereitest.“

und Mao spielt den sich sorgenden Vormund

Wird er seinen Arm wieder richtig bewegen können, Doktor?“.

Lucifer blendet sie genauso aus wie alles andere um sich herum.

Sein Arm ist ihm völlig schnuppe. Er trauert seinen Flügeln nach. Er will sie wieder haben. Ihr Verlust ist so vollkommen, dass er eine Leere in ihm hinterläßt, so schwer, so unendlich, wie er sie nie zuvor verspürt hat.

Sie sind fort.

Und das fühlt sich endgültig an.

In all den Jahrtausenden, in all den Kriegen, sowohl bei Engeln, Dämonen und Menschen herrschte immer dieses eine Tabu: wenn etwas Flügel sein eigen nennt, egal ob Freund oder Feind, reiß sie ihm nie aus. Sogar die Heilige Kirche von Ente Isla hält sich daran. Sie sind korrupt bis ins Mark, aber sie kämen nicht einmal auf die Idee, sich an Flügeln zu vergreifen.

Seine Flügel waren nie in Gefahr.

Und jetzt … sind sie fort.

Einfach nur ... fort.

Es ist zu viel.

Und so flüchtet er sich an den einzigen Ort, wohin man ihm nicht folgen kann.

In seinem Kopf stellt er sich vor, er würde fliegen. Beschwört die Erinnerung daran herauf und vermischt sie mit seiner Fantasie. Er fliegt und fliegt und niemand kann ihn einholen. Unter ihm die Wolken und über ihm die Sonne. Unter ihm das Meer und über ihm die Sterne und der Mond.

Diese Sterne und dieser Mond.

Ja, er hat sich in diesen Planeten verliebt. Er ist schöner als alles, was er in seinem langen Leben jemals gesehen hat. So artenreich, so leuchtende Farben, so wunderbar und grausam zugleich.

Hier zu fliegen muss wunderbar sein.

Und so fliegt er und fliegt und niemand verlangt etwas von ihm.

Niemand zieht und zerrt an ihm. Niemand versucht, ihn in eine Richtung zu stoßen.

Er kann frei wählen und er wählt das Fliegen.

Nur er und der Wind.

Sie schicken eine Psychologin oder Sozialarbeiterin (so genau interessiert ihn das nicht) vorbei, die ihn fragt, ob sein Sturz die Treppe hinunter ein Unfall war. So erfährt er zum ersten Mal, dass sie es vertuscht haben. Alciel und Mao müssen ihn von seinem Aufschlagpunkt unter dem Fenster drei Meter weiter zur Treppe getragen haben, ungeachtet des Risikos einer Wirbelverletzung.

Das ist … okay, schätzt er mal. Er will auch nicht als suizidal abgestempelt werden. Obwohl es den beiden wohl eher darum geht, möglichst wenig mit den hiesigen Behörden zu tun zu haben.

Das Krankenhaus will ihn über Nacht dabehalten, aber Mao interveniert erfolgreich.

Er darf noch vor dem Abendessen gehen.

Sie haben die Kleidung, mit der eingeliefert wurde, aufgeschnitten und ruiniert, ein neuer Punkt, über den sich Alciel in Endlosschleife beschweren kann. Trotzdem bringt er ihm ein neues T-Shirt, Unterwäsche, eine Cargohose und seine Chucks vorbei und verlangt, dass sich Lucifer dafür bedankt.

Doch Lucifer hat seit dem „Unfall“ kein einziges Wort zu ihm und Mao gesagt, und hat auch kein Bedürfnis, jetzt damit anzufangen. Schlimm genug, dass sie ihm keine Privatsphäre gönnen, als er sich umkleidet.

Gut, dass er auf Autopilot ist. Ein Teil von ihm fliegt gerade durch ein paar wattige Schäfchenwolken und genießt die Luftströmungen um seine Federn.

 

 

 

„... ah, ich erinner mich noch genau, wie sich Chi-chan den Arm brach. Das war beim Völkerball und ich musste sie aus der Schule abholen. Erinnerst du dich noch Chi-chan? Du warst so enttäuscht, weil du nicht beim Turnier mitmachen konntest. Erst danach hast du mit dem Bogenschießen angefangen. Völkerball war danach nicht mehr so dein Ding, nicht wahr? Du warst damals acht. Und jetzt bist du schon eine junge Dame. Hach, wie die Zeit vergeht.“

„Mama, hör doch mit diesen alten Geschichten auf. Das interessiert doch niemanden.“

„Aber Chi-chan, es gibt keinen Grund, sich deswegen zu genieren...“

Es ist bestimmt nicht das Schlaueste, damit ausgerechnet auf dem Rücksitz im Auto von Chihos Mutter hervorzuplatzen, aber etwas in ihm macht regelrecht „schnapp“. Diese Frau plappert genauso dümmlich daher wie ihre Tochter immer, und allein, dass sie sie abholt, bedeutet, dass Mao der Kleinen alles erzählt hat. Und natürlich hat diese für ihren Mao-san dann dieses private, kostenlose Taxi arrangiert. Dass Chiho auf dem Beifahrersitz sitzt und er zwischen Alciel und Mao hinten und dadurch regelrecht eingezwängt und bedrängt wird, macht es nicht besser.

Das Schlaueste ist es trotzdem nicht, aber in diesem Moment kann er nicht anders.

Und so unterbricht er Frau Sasaki mitten im Satz.

„Ihr seid alle solche verdammten Heuchler.“

Frau Sasaki klappt den Mund hörbar zu und wirft ihm über den Rückspiegel einen erschrockenen Blick zu. Chihos Blick geht eher in Richtung verunsichert. Alciel und Mao neben ihm versteifen sich spürbar. Die ganze Atmosphäre im Auto dreht sich um hundertachtzig Grad.

Aber er ist noch nicht fertig.

„Ich hasse euch.“

Selbst in seinen Ohren klingt seine Stimme flacher und ausdrucksloser als jemals zuvor. Vielleicht ist die Wirkung daher so groß. Chiho und Mao schnappen hörbar nach Luft und Alciel knurrt leise. Er packt sogar seinen geschienten Arm und drückt so fest zu, dass das Plastik knackt.

Lucifer spürt gar nichts.

Und er ist noch lange nicht fertig.

„Das nächste Mal springe ich vom Dach.“

Keine Warnung oder Drohung, einfach nur eine simple Feststellung. Aber ob die drei zusätzlichen Meter wirklich etwas ausmachen, weiß er erst, wenn er es ausprobiert hat. Die U-Bahn wäre vielleicht der sicherere Weg, immerhin sind Tausende Menschen hier damit pro Jahr erfolgreich, nicht wahr?

„Haha“, lacht Mao neben ihm nervös, legt ihm die Hand auf dem Kopf und wuschelt ihm durchs Haar. Jenen Teil seines Skalps, der mit dem Verband bedeckt ist, spart er glücklicherweise aus. Für die Menschen mag es spielerisch erscheinen, aber Lucifer erinnert das an ganz andere Situationen. Es gab viele davon, sowohl in der Dämonenwelt wie auch einmal hier. So zeigte ihm der Dämonenkönig seinen Platz.

Etwas in ihm erstarrt furchtsam.

Und etwas anderes wünschte, diese Hand wäre wieder eine riesige Pranke, die seinen Schädel mit Leichtigkeit zerquetschen kann.

„Er macht Scherze. Sie wissen ja, wie Teenager sind. Immer so melodramatisch.“

„Ja“, fügt Alciel eifrig hinzu, um Schadensbegrenzung bedacht. „Nehmen Sie ihn nicht ernst, Sasaki-san. Urushihara will sich nur wichtig machen.“

„Ich weiß, was ihr meint“, gluckst die Frau am Steuer mit einem Seitenblick zu ihrer Tochter.

„Mama!“ protestiert Chiho prompt und zieht eine beleidigte Schnute.

„Blamier uns nicht“, zischt Alciel Lucifer zu, doch der starrt nur vor sich hin. Er ist wieder tief in seinen Kopf abgetaucht. Dort, wo ihn keiner finden kann.

Wo er seine Schwingen zu voller Größe ausbreitet, sich vom Wind tragen läßt und mit den Vögeln und Drachen um die Wette fliegt.

 

 

Die Wohnung ist nicht leer, als Mao, Alciel, Chiho und Lucifer eintreten. Der Tisch biegt sich quasi unter einem opulenten Festmahl, von dem das meiste Crestia Bells Handschrift trägt. Natürlich ist sie selbst anwesend, aber auch Emi und Suzuki Rika.

„Na, endlich“, begrüßt Emi sie. „Wird auch langsam mal Zeit.“

„Willkommen zurück“, Suzuki Rika beugt höflich im Sitzen ihren Oberkörper nach vorne. „Ich hoffe, ich störe nicht?“

„Ich hab sie mitgebracht“, erklärt Emi so selbstsicher wie immer. „Sie wollte mal sehen, wie Ashiya so lebt.“

Rikas Wangen nehmen einen verlegenen Rotton an, doch sie widerspricht nicht.

„Tut mir leid wegen der Verspätung“, entschuldigt sich Ashiya mit einem Seitenblick zu Lucifer. „Unser Kellerkind konnte sich nur schwer vom Krankenhaus lösen. Er hatte wohl auf einen All-inclusive-Aufenthalt gehofft.“

Das Kellerkind zieht es vor, auf diese offensichtliche Lüge gar nicht erst zu reagieren. Er kehrt sowieso nur sehr widerwillig zurück in die Realität.

„Hallo Emi-san. Hallo Suzuno-san. Hallo Suzuki-san“, neben ihnen verbeugt sich Chiho tief.

„Willkommen zurück Mao-san, Ashiya-san, Chiho-san, Urushihara-san.“, begrüßt Crestia sie formell wie immer.

„Hallo Chi-chan. Komm, setz dich neben mich“, Emi winkt sie so selbstverständlich zu sich heran, als wohne sie hier.

„Hallo Chiho, schön, dich zu sehen“, lächelt Rika.

„Lasst uns essen“, mit großen Schritten eilt Mao auf den Tisch zu. „Ich habe einen Bärenhunger.“

Ashiya folgt ihm dicht auf dem Fuß.

Lucifer bleibt als Letzter im Eingangsbereich zurück. Ein Blick auf das Gewusel vor ihm und er erinnert sich wieder an seine pochenden Kopfschmerzen.

„Es ist schön, dich zu sehen, Lucifer.“

Crestia ist die einzige, die ihn nicht wie Luft behandelt. Sie steht immer noch da, wo sie sie alle begrüßt hat und lächelt ihn an. Wie immer trägt sie einen altmodischen Kimono und bedient sich einer sehr formellen Sprache. Und sie benutzt auch seinen richtigen Namen, denn Suzuki Rika hört ihnen nicht mehr zu und die Benutzung ihrer richtigen Namen ist nichts weiter als die subtile Drohung von „ich behalte euch im Auge“.

„Wie geht es dir?“

Das ist das erste Mal, dass ihm heute jemand diese Frage stellt, der kein Arzt oder eine Krankenschwester ist. Lucifer senkt den Kopf und starrt auf seinen geschienten Arm. Die Bewegung verursacht Schwindel und eine Übelkeitswelle, die noch an Fahrt gewinnt, als der Duft des Essens in seine Nase dringt.

„Crestia … entschuldige, aber ich glaube nicht, dass ich etwas essen kann. Danke für deine Mühe.“

„Urushihara!“ Das ist Mao. „Setz dich endlich oder wir fangen ohne dich an.“

Lucifer lässt seinen Blick über den Tisch wandern. Da steht keine Schale für ihn und der einzige Platz, der frei ist, ist der für Crestia. Also – alles wie immer bei solchen Zusammenkünften. Das hier ist nur ein kleines sechs-Tatami-Matten-Apartment und sieben Personen sind einer zuviel. Und derjenige, der zuviel ist, sitzt dann immer in der Ecke an seinem Katzentisch bei seinem Laptop und isst separat von allen anderen.

Lucifer wird plötzlich wieder sehr, sehr schlecht.

„Heuchler. Kleingeistige, dämliche Heuchler“, murmelt er vor sich hin.

„Urushihara“, Maos knurrende Stimme verrät ihm nicht, ob dieses Knurren eine Reaktion auf seine Worte ist oder darauf, dass er an Crestia vorbei in Richtung Badezimmer geht.

„Uru-shi-ha-ra...“

Das gilt eindeutig der Tatsache, dass er im Bad verschwindet und die Tür hinter sich schließt.

„Urushihara!“ Das ist Emi.

„Urushihara!“ Und das ist Ashiya. „Sei nicht immer so undankbar! Kamazuki-san hat sich sehr viel Mühe mit dem Essen gegeben! Sei froh, dass du etwas abbekommst. Begrüße unsere Gäste wenigstens angemessen!“

Das einzige, was Lucifer noch begrüßen will, ist die Toilettenschüssel. Ihm ist schlecht und er gibt sich keine Mühe, die Geräusche zu unterdrücken, als er sich übergibt. Ihm ist schwindlig und übel und er hat rasende Kopfschmerzen, aber das Porzellan ist angenehm kühl auf seiner Haut, und so unbequem sitzt es sich hier nicht. Was spricht dagegen, dass er für eine Weile hierbleibt?

„Urushihara!“ Ein ungeduldiges Hämmern an der Tür reißt ihn aus seinem dösigen Zustand. „Mach auf! Ich muss mal!“

„Dann geh nach nebenan zu Crestia“, murmelt er kraftlos zurück.

Yeah. Denn das hier gehört mir. Ich hab hier alles, was ich brauche, wieso sollte ich gehen?

Leider ist diese Frau genauso stark wie stur. Ein wohlgezielter Tritt gegen das Schloß genügt und schon schiebt sie die Überreste der Tür beiseite. Im Hintergrund hört er Alciel verzweifelt etwas von „teuer“ und „Vermieterin“ schreien und seltsamerweise bringt ihn das zum Kichern. Nur ganz kurz, weil sein Kopf gleich platzt und da schwarze Flecken in seinem Sichtfeld tanzen.

„Oi“, hört er sich selber antworten, „das zahle ich dir doch aus der Portokasse...“

Im Durchschnitt verdient er etwas über achtzigtausend pro Nacht. Und er ist sicher, sein gebrochener Arm stellt da kein großes Hindernis dar. Sobald sein Kopf und sein Magen aufhören, sich so daneben zu benehmen, zieht er wieder los.

Geld. Magie. Flügel. Fortfliegen. In der Reihenfolge.

„Mach Platz.“

Mehr als ein „Hasse euch alle“, bringt er nicht heraus, denn da hat die Heldin Emilia ihn schon am Kragen gepackt und vor die Badezimmertür gesetzt. Ihm ist schwindliger als je zuvor und die drei Meter bis zu seinem Schrank erscheinen ihm plötzlich unglaublich weit, vor allem, weil er an dieser so furchtbar lauten Gesellschaft vorbei muss. Seine Sicht ist nur verschwommen, aber das wenige, was er erkennen kann, zeigt ihm, dass sie bei dem Dessert angelangt und wie immer so in ihre Gespräche vertieft sind, dass sie nichts anderes mehr um sich herum wahrnehmen.

Uh, die schwarzen Flecken vor seinen Augen dehnen sich aus. Wenn er noch irgend wohin will, sollte er jetzt damit anfangen. Mühsam zieht er sich am Küchenschrank auf die Beine, greift sich die Plastikschüssel, die zum Trocknen auf der Spüle liegt (Alciel wird toben, wenn er den Schrank vollkotzt) und wankt dann, sich mit dem verletzten Arm an der Wand abstützend, zu seinem Refugium.

Falls ihm irgend jemand Beachtung schenkt, bekommt er es nicht mit. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, annähernd bei Bewußtsein zu bleiben. Irgendwie schafft er es, die Schranktür zu öffnen und hineinzuklettern. Er schafft es sogar, die Tür hinter sich wieder zu schließen. Doch dann verlassen ihn seine Kräfte und Dunkelheit, angenehme Dunkelheit umfängt ihn.

 

 

„Hanzō ist wieder in seinem Schrank.“ Hätte jemand anderes als Crestia Bell diese Worte ausgesprochen, wären sie im Stimmengewirr untergegangen, aber in ihrem Tonfall liegt generell eine Autorität, der sich niemand entziehen kann.

„Huh?“ Mao unterbricht kurz sein Gespräch mit Chiho. „Hab ihn gar nicht bemerkt. Oi, Urushihara!“ Er dreht sich um und schlägt mit der flachen Hand an den Schrank. „Willst du nichts essen?“

„Wir behalten dein Geld!“ ruft Alciel von der anderen Tischseite. „Für die Badezimmertür.“

„Mao-san“, nimmt Chiho ihr unterbrochenes Gespräch mit dem Dämonenkönig wieder auf, „ich bin dir so dankbar, dass du morgen für mich die Mittagsschicht übernimmst. Ich wüsste wirklich nicht, was ich ohne dich tun würde...“

„War es wirklich eine gute Idee, Hanzō schon aus dem Krankenhaus zu holen?“ unterbricht Crestia sie mit ernstem Gesicht. „Ich erinnere mich, dass es hier eigentlich Standard ist, Personen mit einer mittelschweren Gehirnerschütterung noch über Nacht zur Beobachtung dazubehalten.“

„Das mag sein, Kamazuki-san“, erklärt ihr Alciel. „Aber das hätte zu einer Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge geführt, die unser Budget nur unnötig belastet hätte.“ Er zieht eine Grimasse. Etwas in ihm krümmt sich bei jedem Wort zusammen, aber es ist so leicht, in die selbstgewählte Rolle des kleingeistigen, geizigen Hausmannes zu schlüpfen. „Es ist schon schlimm genug, dass Mao-sama für ihn mitbezahlen muss.“

„Was redest du denn da für einen Stuß?“ Emi, die gerade aus dem Badezimmer zurückkehrt, hat seine letzte Bemerkung gehört und kann über die Unwissenheit der Dämonen wirklich nur lachen. „Wißt ihr denn überhaupt nichts? Habt ihr euch die Versicherungsunterlagen jemals richtig durchgelesen? Maos Beitrag richtet sich nach seiner Einkommenshöhe und da sind sowohl du wie auch Urushihara ohne Zusatzkosten mitversichert, weil ihr als seine Familienangehörigen geltet. Die Beiträge erhöhen sich erst, sobald sich sein Gehalt merklich erhöht. Und natürlich, weil sie jedes Jahr wieder neu angepasst werden, aber das hat etwas mit der Gier der Aktionäre zu tun und da müssen alle Versicherten durch.“

Kopfschüttelnd setzt sie sich wieder an ihren Platz und zieht sich die letzte Schale Vanillepudding heran.

Crestia runzelt die Stirn. Diese Portion hatte sie extra für Lucifer zurückgestellt!

„Emi, sei nicht so unfair“, Rika neben ihr lächelt Alciel um Verzeihung heischend an. „Sie stammen nicht von hier, woher sollen sie das wissen? Ashiya-san, wenn du magst, helfe ich dir, aus eurer Krankenversicherung das beste herauszuholen. Es gibt da gewisse Zusatztarife, die standardmäßig enthalten sind, die man aber nicht braucht und kündigen kann. Das spart dir manchmal ein paar tausend Yen im Jahr.“

„Würdest du das wirklich tun, Rika-san?“ Alciel schwankt, ob er das Angebot annehmen sollte. Sie will bestimmt etwas dafür, aber er kann sich nicht vorstellen, was das sein könnte. Seine Zustimmung kommt daher ziemlich verhalten. „Das wäre nett.“

Mao kratzt sich inzwischen verlegen am Kopf.

„Na ja, aber die ganzen Fragen dort wurden wirklich lästig“, erklärt er an Emi gewandt. „Eine Sozialarbeiterin hat ihn schon ausgefragt. Ich will einfach keinen Ärger mit den Behörden haben.“

„Diese Vorgehensweise ist normal“, beruhigt Chiho ihn, stolz, ihr Wissen als Tochter eines Polizisten weitergeben zu können. „In dieser Stadt hat die Anzahl der Mißhandlungen innerhalb der Familie zugenommen, da sind sie jetzt besonders genau bei solchen Unfällen.“

„Ja, und das wüßtet ihr auch, wenn ihr einen TV hättet“, fügt Emi in einem gewissen herablassenden Tonfall hinzu. „Die Begründung 'ist die Treppe herunterfallen' steht ganz oben auf der Liste der verdächtigsten Ausreden, dicht gefolgt von 'lief gegen einen Schrank'.“

„Auch wenn es die Wahrheit ist“, nickt Chiho eifrig, dass ihre Zöpfe nur so wackeln. Die unsicheren Blicke, die Mao und Alciel tauschen, entgehen ihr völlig. Aber nicht Emi. Sie runzelt die Stirn und hebt zu einer Frage an, doch Crestia kommt ihr zuvor.

„Es ist nicht die Wahrheit, Chiho-chan. Er fiel aus diesem Fenster.“ Vielsagend deutet sie auf das Corpus Delicti. „Aber bei genauerer Betrachtung der lauten Auseinandersetzung, die dem ganzen vorausging und der Höhe, in der dieses Fenster in der Wand angebracht ist, erscheint es mir wahrscheinlicher, dass Hanzō entweder aus dem Fenster gestoßen wurde oder selbst gesprungen ist.“

„Eh? Eh?“ kiekst Chiho entgeistert auf. „Nein, das kann nicht sein. Du lügst. Nicht wahr, Mao-san? Du hast gesagt, er ist die Treppe hinuntergefallen. Und wir wissen alle, wie gefährlich diese Treppe ist. Emi und Suzuno fallen da ständig herunter. Ha, und auch wenn...“, noch im selben Atemzug reckt sie herausfordernd das Kinn nach oben und verschränkt die Arme vor der Brust, „...hatte Urushihara es ganz bestimmt verdient. Er treibt den armen Ashiya doch ständig zur Weißglut und hört nie auf Mao. Sie hätten ihn nie bei sich aufnehmen sollen. Da ist es doch kein Wunder, wenn den beiden der Kragen platzt. Ich wundere mich eher, dass es nicht schon viel früher geschehen ist.“

Crestia mustert sie mit hochgezogener linker Augenbraue, entscheidet sich aber, auf weitere Kommentare zu verzichten.

Suzuki Rika allerdings fühlt sich eindeutig fehl am Platz und starrt verunsichert auf ihren leeren Teller. Das, was sie hier hört, gefällt ihr ganz und gar nicht, aber sie wagt es auch nicht, sich darüber ein Urteil zu erlauben. Es geht sie schlicht nichts an.

„Themenwechsel“, bestimmt Emi, die bemerkt, wie unangenehm Rika das ganze Gespräch langsam wird. „Ashiya, ich habe zwei Karten für eine Kinovorstellung geschenkt bekommen. Eine habe ich Rika gegeben. Eigentlich wollte ich mit ihr da hingehen, aber ich muss morgen länger arbeiten. Also gehst du morgen Abend mit Rika ins Kino. Es ist eine Einladung“, betont sie. „Die Karte ist schon bezahlt, du musst nichts dazu zahlen.“

„Und die Snacks und die Getränke übernehme ich“, ergänzt Rika schnell und strahlt den blonden Mann dabei regelrecht an.

„Kann ich dieses Angebot wirklich annehmen?“ sinniert Alciel mit einem hilfesuchenden Blick zu seinem König laut.

Mao nickt nur und signalisiert ihm mittels hochgerecktem Daumen, wie begeistert er von dieser Idee ist.

„Du wirst viel Spaß haben. Du hast es dir verdient.“ Dabei rutscht sein Blick vielsagend zum Wandschrank hinüber, hinter dem Lucifer „lebt“.

Alciel nickt widerstrebend und sieht dann hinüber zu Rika, die ihn immer noch so begeistert anlächelt. Er weiß zwar nicht, was sie von ihm will, aber wenn sein König möchte, dass er in diese Kinovorstellung geht, dann wird er es tun.

 

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück