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Stray Dogs Monogatari

von

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Eine schöne Frau

Naomi war verschwunden.

Nachdem Fukuzawa Mori die Situation erklärt und ihm gesagt hatte, dass sie nichts weiter tun konnten, als auf die Rückkehr der anderen zu warten, hatten sich die kläglichen Reste des Detektivbüros und der Hafen-Mafia wieder in ihre jeweiligen Hauptquartiere begeben. Die vier übrigen Detektive hatten bei ihrer Heimkehr die gesamte Detektei abgesucht, doch Naomi schien sich wie Tanizaki und Haruno in Luft aufgelöst zu haben.

„Sobald die anderen zurück sind, wird sie wieder auftauchen“, beruhigte Fukuzawa seine schwermütig seufzenden Mitarbeiter. Die Sonne war mittlerweile wieder aufgegangen und so langsam machte sich selbst in dem besonnen Chef eine immer größer werdende Unruhe breit. Er musste ihnen vertrauen, doch … was wenn sie es wirklich nicht mehr rechtzeitig schafften? Es war gut möglich, dass diejenigen, die auf diese Zeitreise geschickt worden waren, nicht einmal ahnten, dass sie einen Kampf gegen die Zeit kämpften.

Mitten in diese wenig erbaulichen Gedanken stöhnte Kenji hörbar leidend hinein.

„Yosano“, sagte er und blickte ganz elend drein, „mir geht es nicht so gut …“

Aufgeschreckt eilte die Ärztin an seine Seite. Kenji war geistig immer noch ein Kind, aber im Körper eines inzwischen gut und gerne über 60 Jahre alten Mannes.

„Hast du Schmerzen? Kannst du mir sagen, wo?“, fragte Yosano so mitfühlend, wie man es nur zu sehr seltenen Gelegenheiten von ihr kannte.

Kenji nickte schwach. „Es tut überall weh …“

„Komm, leg dich im Krankenzimmer etwas hin.“ Sie warf einen fast hilflosen Blick zurück zu Fukuzawa, bevor sie Kenji, sanft an den Schultern packend, aus dem Raum führte.

Als Yosano kurze Zeit später wieder in den Büroraum der Detektei zurückkehrte, seufzte sie tief.

In ihrer kurzen Abwesenheit hatte das Alter des Chefs einen weiteren Sprung rückwärts gemacht. Ein sehr jugendlicher Fukuzawa von maximal 14 Jahren stand bei Ranpos Schreibtisch und scheiterte an dem Versuch, seinen Kimono noch höher zu raffen. Es war einfach viel zu viel Stoff für einen Jungen seiner Größe, auch wenn Fukuzawa selbst als Kind von stattlicher Statur war. Wäre die Lage nicht so dramatisch, ging es Yosano durch den Kopf, wäre es ein richtig niedlicher Anblick.

„Chef“, sagte sie ihm, als sie näher trat, „ziehen Sie doch Kenjis Sachen an. Das wäre weniger umständlich.“

Ihr Vorschlag traf auf wenig Gegenliebe. „Ich würde gerne wenigstens meine Kleidung anbehalten, wenn sich sonst alles ändert.“

„Oder Sie tauschen mit Kyoka. Ihr Kimono ist immerhin etwas kürzer.“

Die Erwähnte, die nun in ihren Dreißigern war, errötete und zog an ihrem Kimono, dessen Raffung sie vollends heruntergelassen hatte und der ihr trotzdem nur gerade einmal bis zur Mitte ihrer Waden ging.

Fukuzawa schüttelte dezent den Kopf. Seine gestrenge Miene wirkte auf einem so jugendlichen Gesicht äußerst befremdlich. „Was ist mit Kenji?“

Yosano zuckte niedergeschlagen mit den Schultern. „Altersgebrechen. Es trifft ihn ziemlich hart, vermutlich weil es sich nicht um einen natürlichen Alterungsprozess handelt. Es geht viel zu schnell und sein Körper kommt damit nicht gut klar.“ Sie biss ihre Zähne aufeinander und ballte ihre Hände zu Fäusten. „Ich habe keine Ahnung, was ich dagegen tun soll.“

Eine unbehagliche Stille legte sich für einen Augenblick über die Detektei. Ihre Verzweiflung wuchs und ihre Zeit lief ab.

„Sie werden es noch rechtzeitig schaffen.“ Kyoka versuchte, ihre eigene Angst abzustreifen. „Atsushi und die anderen werden es rechtzeitig schaffen.“

„Sie sind unsere einzige Hoffnung.“ Yosano löste ihre geballten Fäuste wieder und atmete kurz durch. „Eigentlich können wir uns sicher sein, dass alles gut werden wird, solange Ranpo da ist.“ Als sie dies sagte, fiel ihr das Stutzen des Chefs auf. Fukuzawa drehte sich zu dem Schreibtisch, an dem er stand, und blickte diesen gedankenversunken an. Sein Gesichtsausdruck wirkte, als würde ihn plötzlich etwas quälen, als wäre ihm plötzlich das Herz ganz schwer geworden.

Alarmiert hakte Yosano sofort nach. „Ist etwas nicht in Ordnung?“

„Nein, es ist nichts ….“ Er schüttelte den Kopf. „Nur ...“ Fukuzawa schaute sichtlich gepeinigt zu der Ärztin. „Yosano ... wessen Platz ist das hier normalerweise?“

Sie starrte ihn entgeistert an.

 

„Die Angreifer sind also entkommen? Welch Ungemach!“

Kunikida warf Dazai einen giftigen Blick zu. Der Brünette sollte es mit seiner Theatralik mal nicht übertreiben. Welch Ungemach? Hatte Dazai vergessen, dass er einen einfachen Diener spielen sollte?

„Die Wachen durchkämen die Stadt“, erwiderte To no Chujo. „Ich habe den ganzen Hofstaat über den Vorfall informieren lassen und die Kanzler haben eine Verstärkung der Wachtruppen anordnen lassen. Zum Glück sind der Kaiser und die Kaiserin momentan in ihrer Residenz außerhalb der Stadt. Lasst mich euch daher an ihrer Stelle für euren Mut danken, sich diesen Unholden entgegen zu stellen.“ Er drehte sich zu Ranpo, der herbeigeholt worden war. „Ihr habt wahrlich wackere Leute unter Euch, mein Herr.“

„Joa, sie sind manchmal recht nützlich“, antwortete dieser unbeeindruckt, was die im Hintergrund stehende Sei zum Kichern brachte.

To no Chujo führte nachdenklich eine Hand an sein Kinn. „Die Wachen sagten, es hätte ausgesehen, als wäre ein böser Geist aus dem dunkel gekleideten Bauern gekommen. Und der hellhaarige Bauernjunge, der dort draußen war und auch davon gelaufen ist, bevor die Wachen ihn erreichen konnten, hätte sich mit einer unmenschlichen Geschwindigkeit fortbewegt.“

Kunikidas Sorgenfalten vertieften sich bei diesen Überlegungen. Je weniger Kontakt sie zu den Leuten in der Vergangenheit hatten, desto besser für die Gegenwart. Und demnach galt auch: Je weniger die Leute in der Vergangenheit über sie und ihre Fähigkeiten erfuhren, desto besser. Wenn jemand Atsushis Tigerform gesehen hatte, war er ratsamer, ihn zu verstecken, auch wenn er nicht zu den Verdächtigen gezählt wurde, die mit der Zerstörung des Tors in Verbindung gebracht wurden. Sie mussten sehr geschickt vorgehen-

„Ein böser Geist? Ein Bauernjunge mit unmenschlicher Geschwindigkeit? Was für ein Unsinn.“ Ranpo gähnte gelangweilt.

„Verzeiht, mein Herr, aber seid Ihr mit Befähigten vertraut?“, fragte To no Chujo.

„Befähigte?“ Ranpo winkte ab. „Ja, gewiss. Aber es erscheint mir geradezu lächerlich, dass zwei dahergelaufene Bauerntrampel über solche Fähigkeiten verfügen sollten. Oder habt Ihr schon einmal davon gehört, dass außerhalb der höheren Kreise jemand eine solche Gabe besitzt?“

Der selbstbewusste Vortrag des Pseudo-Adligen brachte den tatsächlichen Adligen ins Grübeln. „Nein, in der Tat nicht … aber was haben die Wachen dann gesehen? Wie ist das Tor eingestürzt?“

„Es ist schrecklich heiß heute. Die Sonne hat ihnen zugesetzt. Und das Tor muss bereits vorher instabil gewesen sein. Ein Erdstoß hat es so wahrscheinlich zu Fall gebracht.“

„Ich habe keinen Erdstoß bemerkt“, entgegnete To no Chujo.

„Oh, da war einer“, schaltete sich Sei verhalten ein, „ein geringer, doch spürbarer.“

Der Sohn des Kanzlers zweifelte an seinem eigenen Verstand. „Und ihr?“, Er wandte sich an Dazai und Kunikida. „Habt ihr einen bösen Geist gesehen?“

„Ein böser Geist?“ Kunikida schüttelte hastig den Kopf. „Nein. Aber sehr heiß ist es heute schon.“

„Nur ein paar Bauerntrampel“, antwortete Dazai. „Sie wollten wohl den kleinen Bauernjungen mit dem verschüchterten Blick ausrauben. Ja, sie sahen aus wie gewöhnliche Diebe.“

To no Chujo fasste sich mit einer Hand an den Kopf. „Was für wundersame, wundersame Ereignisse …“

 

„Und das hat er euch geglaubt?“ Atsushi guckte seine Kollegen mit großen Augen an. Sie hatten ihn ein paar Straßen weiter gefunden, nachdem sie das Palastgelände auf die gleiche Weise, wie sie es betreten hatten, wieder verlassen hatten (und Dazai ein weiteres Mal über „Tod durch Muskelkater“ gejammert hatte). In der hintersten Ecke einer Straße, wo niemand sie gerade sehen konnte, gab Ranpo Atsushi die von Fujitsubo gestiftete Kleidung und der Junge begann verschämt, sich am helllichten Tag und unter den Augen der anderen umzuziehen. Falls die Palastwachen nach Atsushi suchten, war es besser, wenn er sofort die Kleidung wechselte und so vom eventuell gesuchten Bauernjungen zum unbekannten Diener befördert wurde. Atsushi staunte über die Sachen, die er nun überstreifte. Wie weich sie waren! Kein Vergleich mit den kratzigen Kleidern, die sie den armen Farmern gestohlen hatten. Die Beklauten taten ihm jetzt doppelt leid.

Wells hockte derweil kreidebleich auf dem Boden, umarmte seine Knie und wiederholte immer nur: „Oh nein. Oh nein. Oh nein.“

„Ranpo“, sagte Kunikida ernst, „woher wusstest du, dass in dieser Zeit nur Adlige Befähigte sind?“

Der Meisterdetektiv blinzelte ihn fragend an. „Häh?“

„Du hast doch gegenüber To no Chujo behauptet, nur Leute aus höheren Kreisen-“

„Ach so!“, rief Ranpo energisch aus. „Das war komplett erfunden!“

Für einen Moment lang spürte Kunikida seinen Herzschlag aussetzen. „Das … war … er-fun-den?“ Seine Augen zuckten auf eine Art, die ungesund aussah.

„Von vorne bis hinten. Aber ...“ Der Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern. „So ein Typ wie To no Chujo umgibt sich nur mit Adligen, mit dem einfachen Volk kommt der nicht in Berührung, woher soll der also wissen, dass Fähigkeiten nicht von der gesellschaftlichen Klasse abhängen?“

Dazai kicherte. „Du hast seine begrenzte Wahrnehmung der Wirklichkeit gegen ihn verwendet.“

„Er schien sowieso komplett durch den Wind zu sein, seit er mit einem meiner Diener gesprochen hat.“

„Tsk, Kunikida, was bringst du den armen Kerl auch durcheinander?“

„ER HAT DICH GEMEINT, DU ZEITLOSER QUÄLGEIST!!“

„Ähm.“ Atsushi war fertig mit seinem Kleiderwechsel und trug nun die hochwertige Kleidung eines Dieners am Hofe. „Sollten wir da nicht etwas machen?“ Er deutete zaghaft auf den am Boden kauernden Wells. „Und wieso in aller Welt sind Akutagawa, Chuuya und Higuchi hier?“

Dazai klatschte in die Hände. „Das werden wir jetzt herausfinden. Auf, auf, Herr Wells, uns läuft schließlich die Zeit davon, nicht wahr?“

 

Chuuya tippelte nervös mit einem Fuß (er und die beiden anderen hatten sich Schuhe geklaut) auf den Boden. „Wo bleibt der denn?“, grummelte er mit zusammengebissenen Zähnen.

Er, Higuchi und Akutagawa warteten bei dem kleinen Schrein, den Dazai ihm genannt hatte. Von der recht entfernt liegenden Straße aus war von diesem Schrein nur ein winziger Teil einer Fuchsstatue zu erkennen, sodass die drei Mafiosi ihren Zielort fast verfehlt hätten. Vermutlich hatte Dazai genau deswegen diesen versteckten Platz zu ihrem Treffpunkt auserkoren. Und nur jemandem wie Dazai würde beim Vorbeilaufen ein so abgelegener Schrein überhaupt auffallen.

„Da kommt jemand“, zischte Higuchi und ging sofort in Habachtstellung.

„Das sind sie.“ Akutagawa blieb völlig cool. „Ich erkenne den Menschentiger an seiner nervigen Art zu gehen.“

Diese Bemerkung rief bei Chuuya ein ungläubiges Kopfschütteln hervor, bevor wenige Sekunden später die Detektive samt Wells um die Ecke kamen.

„Der Brite hat eine Minute, um sich zu erklären“, begrüßte das rothaarige Führungsmitglied sie, „dann töte ich ihn mit meinen eigenen Händen.“

Wells zuckte zusammen und huschte hinter einen angespannten und wenig begeisterten Kunikida.

„Na na“, wiegelte Dazai ab, „wir brauchen ihn noch für die Heimreise. Oder gefällt es dir hier so gut, dass du bleiben willst?“

„Ich verstehe es nicht“, wandte sich Atsushi an den Briten. „Warum sind diese drei hier?“

Bedrückt und ängstlich kam Wells hinter seinem menschlichen Schutzschild hervor. „Als Fräulein Sei mich um den Gefallen bat, Herrn Edogawa herzuholen, dachte ich an die schlimmen Vorkommnisse beim letzten Mal. Wie die Mafia mich gezwungen hatte, meine Fähigkeit einzusetzen und daraufhin alles schief gegangen war.“ Er seufzte tief. „Und während ich das Portal öffnete, um den Detektiv zu teleportieren, dachte ich nur: Hoffentlich, hoffentlich muss ich nie wieder diesem Hut tragenden Grobian von der Hafen-Mafia begegnen ….“

Mit einer geradezu aberwitzigen Stille ruhten alle Blicke auf Wells, der nervös lachte. „Und so muss ich aus Versehen ein zweites Portal geöffnet haben, das ...“

„Den Hut tragenden Grobian und alle, die neben ihm standen, hierher befördert hat“, schloss Dazai für ihn.

„Dazai?“, fragte Chuuya und alle anderen bildeten sich ein, Blitze in seinen Augen zucken zu sehen.

„Ja?“

„Wann darf ich den Briten umbringen?“

Der brünette Detektiv lachte auf. „Leider haben wir dafür im Moment nicht die Zeit. Herr Wells, wollen Sie nicht erklären, was Akutagawas miserable Selbstbeherrschung angerichtet hat?“

Akutagawa schnaufte unzufrieden bei dieser Formulierung. Atsushi wurde es währenddessen schrecklich unwohl bei der Miene, die der Brite nun zog. So ernst hatte er ihn die ganze Zeit noch nicht erlebt.

„Die Anzeige steht jetzt bei 47 Minuten.“

Atsushi und Kunikida zogen scharf die Luft ein und selbst Ranpo blickte besorgt drein.

„Das ist … schlecht“, antwortete Dazai.

Die drei Mafiosi verwirrte diese Szene.

„Was redet ihr da, Detektive?“, hakte Higuchi ungeduldig nach. „Wieso guckt ihr, als stünde das Ende der Welt bevor?“

„Weil es das tut, nicht wahr?“, warf Akutagawa ein. „Wenn selbst Dazai die Sorgen ins Gesicht geschrieben stehen, dann wird etwas Schreckliches geschehen.“

„Das ist deine Schuld“, machte Atsushi ihm Vorwürfe. „Wenn du nicht das große Tor zerstört hättest, dann-“

„Das bringt jetzt nichts“, unterbrach Kunikida ihn. „Ihr müsst verstehen, dass unser Aufenthalt in der Vergangenheit Auswirkungen auf die Gegenwart hat. Unsere sowie eure Kollegen werden nun von den gleichen Anomalien wie beim letzten Mal heimgesucht. Und wenn sie alle uns vergessen, werden wir niemals nach Hause zurückkehren können.“

Die Mitglieder der Hafen-Mafia starrten voller Fassungslosigkeit auf die Überbringer dieser schlechten Nachrichten.

„Was sollte das mit den 47 Minuten heißen?“, bellte Chuuya sie gleichermaßen wütend und irritiert an.

„Wenn die Anzeige von Herrn Wells Armbanduhr eine Stunde überschreitet, kann er die Anomalien nicht mehr rückgängig machen“, erläuterte Atsushi bitter. „Wenn wir alle uns zu lange hier aufhalten und wir weiter hier herumtrampeln und Menschen oder Dinge zu Schaden kommen ...“ Sein Blick ging flüchtig zu Akutagawa, der darauf mit einem „Hmpf“ reagierte, „ … dann wird die Anzeige sich bald gefüllt haben.“

„So ein Scheiß!“, entfuhr es Chuuya. „Dann schick uns einfach zurück in die Gegenwart!“

Stimmt ja, kam es Atsushi erleichtert in den Sinn, Wells kann die drei einfach zurückschicken und wir bekämen mehr Zeit, Murasa-

„Witzige Geschichte“, sagte Wells kleinlaut.

Es gab noch mehr Haken??

„Weil ich meine Fähigkeit umgebaut habe, kann ich nicht mehr so leicht und vor allen Dingen schnell mehrere Portale hintereinander öffnen. Da das Öffnen der Portale jetzt von meiner Uhr gesteuert wird, muss sich die Uhr erst wieder aufladen, ehe das Erschaffen von neuen Portalen möglich sein wird.“

Stille legte sich über die Gruppe der Zeitreisenden.

„Und ...“ Kunikida kniff mit zwei Fingern die Stelle zwischen seinen Augen und massierte sie angespannt, „und wann wird sie wieder aufgeladen sein?“

Dem Briten stand der Schweiß auf der Stirn. „Noch nicht so bald …“

Stille legte sich über die Gruppe der Zeitreisenden. Schon wieder.

„Dazai?“, fragte Chuuya erneut und diesmal waren da eindeutig Blitze in seinen Augen zu sehen.

„Ja?“

„ICH WERDE DEN BRITEN JETZT UMBRINGEN!!“

„Na na!“ Dazai hielt den wütenden Rothaarigen, der auf Wells losgehen wollte, fest. „Wir wollen doch mal schön weiter besonnen bleiben, nicht wahr?“

Wells kauerte wieder hinter Kunikida, während Chuuya wie ein Rohrspatz schimpfte und wild zappelnd versuchte, sich von Dazais Griff freizustrampeln.

„Wäre alles nach Plan verlaufen“, erklärte der Brite entschuldigend, „dann wäre genug Zeit, dass die Uhr sich einfach wieder mit Hilfe von Solarenergie auflädt, aber unter diesem Umständen bräuchte es eine große Menge Energie in sehr kurzer Zeit, wie bei einer elektrischen Ladu-“

„In der Heian-Zeit werden wir aber keine Elektrizität finden!“, fiel ihm Akutagawa brüsk ins Wort. Dann blitzte etwas in seinen Augen auf. War ihm eine Idee gekommen?, fragte sich Atsushi überrascht.

„Wir töten einfach drei der Detektive, dadurch gewinnen wir Zeit“, schlug der dunkelhaarige Mafioso ungerührt vor.

„Hervorragende Idee, Meister!“, jubilierte Higuchi.

„W-was?“ Atsushi verschluckte vor Schreck fast seine Zunge und Kunikidas Hand griff schon nach seinem Notizbuch, das er unter seinem Gewand versteckt hatte.

„Das ist eine blöde Idee“, warf Ranpo seelenruhig ein. „Das würde unseren britischen Freund so sehr stressen, dass er euch, selbst wenn er wieder ein Portal öffnen kann, wahrscheinlich in die Steinzeit befördert. Ist doch so, oder?“ Trotz der angespannten Lage schlug Ranpo Wells gut gelaunt mit der flachen Hand auf den Rücken.

„Äh, ja, ja! So ist es!“

„Räudiges, britisches Schoßhündchen“, knurrte Akutagawa, als sich ihnen nähernde Schritte alle jäh verstummen und innehalten ließen.

Ein tiefer Seufzer war zu hören, bevor die Frau, die ihn ausgestoßen hatte, um die Ecke kam. „Das ist alles meine Schuld, verzeiht.“ Wie ein wandelnder Trübsinn, mit hängenden Schultern und gesenktem Blick, stand Sei vor ihnen. Natürlich hatten die Detektive ihr gesagt, wo sie sie finden konnte. „Ich wollte doch nur Murasaki helfen und jetzt seid Ihr und Eure Gefährten alle in Bedrängnis.“

„Gehört die zu euch, Detektive?“, ertönte Higuchis Stimme und ließ die Hofdame mit gespitzten Ohren aufhorchen.

„Murasaki?“, hakte Akutagawa nach, der Sei wiedererkannt hatte. „Die andere Frau von damals?“

„Sie wurde entführt“, antwortete Atsushi, der zuvor über alles, was Ranpo, Sei, Dazai und Kunikida in Erfahrung gebracht hatten, informiert worden war. „Wir sind hier, um sie zu retten.“

„Oh, das ist eine Frau?“ Sei blinzelte Higuchi erstaunt an, die bei dieser Frage sofort die Fassung verlor.

„Natürlich bin ich eine Frau, du dumme Pute!!“

Die Beleidigung komplett ignorierend, hellte sich Seis Gesicht auf und sie trat näher an Higuchi heran, um diese zu mustern, was der Kriminellen schrecklich unangenehm war. Anscheinend gefiel der Hofdame jedoch, was sie da sah.

„Was macht die da?“, empörte sich Higuchi schrill in Richtung der Detektive. „Sagt ihr, sie soll das lassen!“

„Ja!“, rief Sei gänzlich unbeeindruckt aus und klatschte erfreut in die Hände. „Das könnte funktionieren!“

„Hast du einen Plan?“, fragte Ranpo erwartungsvoll.

Sei nickte begeistert. „In Murasakis Tagebuch stand doch geschrieben, Yugiri sammele schöne Frauen wie Trophäen, erinnerst du dich?“

Ein breites Grinsen bildete sich prompt auf der Miene des Meisterdetektivs. „Das ist eine hervorragende Idee!“

Über alle Maßen erfreut über dieses Lob von Ranpo klatschte Sei erneut in die Hände und ließ daraufhin ein weiteres Mal ihren kritischen Blick über Higuchi schweifen. „Es wird zwar ein bisschen Arbeit, aber das kriege ich hin.“

Die blonde Frau überkam ein ungutes Gefühl.

„Großartige Neuigkeiten, Atsushi!“, posaunte Ranpo heraus, „Wir müssen dich doch nicht verkaufen!“

„W-wie bitte?“

„Ahh~“, machte da Dazai, „ich verstehe. Ja, so machen wir es.“

„Häh?“ Überfordert sah Higuchi zu den anderen.

„Wollt ihr etwa …?“ Auch Kunikidas zuerst fragender Blick klärte sich nun und er verzog das Gesicht. „Moralisch einwandfrei ist das nicht gerade.“

„Moment, Moment“, legte Chuuya (der sich immer noch in Dazais Griff befand) Einspruch ein. „Wieso glaubt ihr, wir würden euch helfen?“

„Weil ihr schön brav bei uns bleiben müsst, um nicht verloren zu gehen“, gluckste Dazai. „Oder stellt euch vor, Herr Wells würde euch tatsächlich woanders hinschicken, wenn ihr euch nicht benehmt und nicht brav mitspielt. Magst du eigentlich Dinosaurier, Chuuya?“

„Schon verstanden, du Mistkerl!!“, schnaufte der Rothaarige erzürnt. „Meinetwegen! Aber meinen Leuten darf nichts passieren!“

„Das ist für uns doch selbstverständlich“, entgegnete Dazai mit dem selbstgefälligsten Grinsen, das Chuuya je gesehen hatte.

„Hmpf“, grummelte Akutagawa und zuckte mit den Schultern.

Selbst Wells, der hinter Kunikida hervorlugte, nickte, als würde er einem Plan zustimmen, der überhaupt nicht geäußert worden war.

Irritiert sah Atsushi von Person zu Person ihrer Gruppe und wie sie alle nacheinander zu verstehen schienen, was Sei für einen Plan hatte. Nur er und Higuchi guckten komplett planlos aus der Wäsche. Der silberhaarige Detektiv ging in seinem Kopf noch einmal alle Fakten durch, die zu diesem Punkt geführt hatten: Dieser Fürst Yugiri war hinter schönen Frauen her, weswegen er Murasaki entführt hatte. Man brauchte einen Anlass, um in das Anwesen dieses Fürsten zu gelangen. Sei war erfreut darüber, dass Higuchi eine Frau war. Was war den anderen da für eine Idee gekommen?

Oh.

In dem Augenblick, in dem Atsushi zu begreifen begann, trafen sich sein und Higuchis Blick. Als hätte sie seine Gedanken gelesen, verstand sie es nun auch.

Entsetzt stieß Higuchi einen hysterischen Schrei aus.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich will noch anmerken, dass ich beim Lesen von „55 Minutes“ vor Frust beinahe in das Buch gebissen hätte. Da war ja nicht nur diese Sache mit Wells, es gab ja noch mehr Ähnlichkeiten zu meiner ersten BSD-Geschichte. Ich mache lieber absichtliche Anspielungen, das ist weniger frustrierend. *lach* Komplett anzeigen

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