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See you at the bitter end

von

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And our one heroic pledge

And our one heroic pledge“

 

Placebo & Alison Mosshart, „Meds“

 

 

„W-was … was meinst du damit?“ Atsushi war der Erste im Raum, der seine Stimme nach der Bombe, die Dazai hatte platzen lassen, wiedergefunden hatte.

„Das ist kein Angriff auf die Detektei“, antwortete Dazai gefasst, „sondern ein Akt persönlicher Rache.“

„An dir?“, fragte Kunikida sichtlich und hörbar irritiert nach.

„Sieht so aus.“

„Wie kommst du darauf, dass es dabei um dich geht?“, wandte der Chef ein.

„Der Täter hätte beim Attentat auf Ranpo genauso gut, nein, sogar noch besser auf mich schießen können, aber er hat es unsinnigerweise bei diesem einen Schuss auf Ranpo belassen. Würde man systematisch die bewaffneten Detektive ausschalten wollen, würde man nicht den Fehler begehen, mich nicht möglichst schnell aus dem Weg zu räumen.“

„Aber-“, wollte Kunikida einwenden, doch Dazai signalisierte ihm, dass seine Schlussfolgerung noch nicht beendet war.

„Stattdessen Tanizaki und Kenji anzugreifen, spricht dafür, dass es den Tätern eher darum geht, eine Art Botschaft zu hinterlassen. 'Wir werden jeden aus dem Büro angreifen, bis wir haben, was wir wollen', etwas in der Art.“

„Und ...“, Atsushi schwirrte der Kopf von diesen Erklärungen. „Und was genau wollen sie?“

„Das ist einfach“, antwortete Kyoka als wäre es das Offensichtlichste in der Welt. „Entweder wollen sie ihrer Zielperson mit den Angriffen auf andere schaden oder die Zielperson soll sich ihnen ausliefern.“

„Das heißt“, Dazai machte einen Schritt vom Fenster weg und blieb neben Naomi stehen. „Tanizaki und die anderen wurden von ihnen als Bauernopfer benutzt.“

„Wer?!“, rief Naomi wutentbrannt aus. „Wer sind die?!“

Dazai zuckte resigniert mit den Schultern. „Das ist der Haken. Ich habe keine Ahnung.“

„Du müsstest doch wissen-“ begann Naomi, doch sie wurde jäh von dem älteren Kollegen unterbrochen.

„Wenn es um irgendeine Angelegenheit aus meiner Zeit bei der Hafen-Mafia geht, und bei dem Ausmaß dieser Racheaktion gehe ich stark davon aus, dann … kommen zu viele in Frage.“

Dazais Worte ließen Atsushi schwer schlucken. Manchmal vergaß er um die düstere Vergangenheit seines Mentors. Er hatte sich nie getraut, Dazai nach seiner Zeit bei der Hafen-Mafia zu fragen und was jemand mit solchen unfassbaren, überlegenen Fähigkeiten für eine derartige Organisation womöglich für Verbrechen begangen haben könnte, überstieg seine Vorstellungskraft. Für Atsushi war Dazai jemand, der zwar definitiv nicht alle Latten am Zaun hatte, doch er war auch jemand, der sich voll und ganz für diese Stadt und für seine Kollegen einsetzte. Jemand, der immer das tat, was richtig und gut war. Jemand, zu dem er aufblickte. Jemand, dem er nacheifern und den er stolz machen wollte.

Doch -

Zweifel schlichen sich plötzlich in die Gedanken des Jungen.

Konnte oder wollte er es sich nicht vorstellen, dass Dazai jemals ein anderer Mensch gewesen sein könnte?

„Das ist alles nicht sicher“, wandte Fukuzawa unbeirrt ein. „Selbst wenn du mit der Theorie zu einer persönlichen Rache Recht hast, bedeutet dies nicht automatisch, dass es dabei um dich geht. Ich habe mir in meinem Leben auch sehr viele Feinde gemacht und auch auf Kunikida hatten es schon einige abgesehen.“ Die Blicke des Chefs und Dazais trafen sich. Hätte jemand anderes diesen Zweifel geäußert, hätte Dazai wahrscheinlich direkt widersprochen. Aber dem Chef widersprach man nicht so einfach. Nicht einmal er.

Ein Klopfen von außen lenkte ihre Aufmerksamkeit mit einem Schlag auf sich. Eine Krankenschwester betrat das Zimmer mit einem Umschlag in der Hand.

„Entschuldigung, dieser Brief wurde am Empfang für einen Herrn Kunikida abgegeben.“

„Das bin ich.“ Der Angesprochene trat nervös hervor und nahm den Umschlag entgegen.

„Wer hat diesen Brief abgegeben?“, fragte Dazai alarmiert nach.

„Ein kleiner Junge“, antwortete die Krankenschwester. „Er sagte nur, es sei sehr wichtig und dann war er auch schon wieder weg.“

„Ein kleiner Junge?“, hakte Atsushi erstaunt nach. Wie passte das denn nun ins Bild?

Die Schwester legte nachdenklich den Kopf etwas schief. „Der Junge wirkte ein bisschen seltsam. Er klang so traurig und sein Gesichtsausdruck war … irgendwie merkwürdig.“

Fukuzawa bedankte sich bei ihr und sie verstand sogleich den Wink, dass sie das Zimmer wieder verlassen sollte.

„Ist nicht schwer zu erraten, dass der von unseren großen Unbekannten ist“, sagte Dazai, nachdem die Schwester weg war und Kunikida unschlüssig auf das Kuvert starrte.

„Ja, aber er ist an Kunikida adressiert“, wandte Atsushi verwirrt ein. „Wenn sie doch hinter dir her sind ….“

„Abwarten, was drin steht.“ Mit einem Nicken signalisierte der Brünette seinem Partner, den Brief zu öffnen.

„Was steht darin geschrieben?“, fragte Fukuzawa, der wie die anderen Kunikida beim Lesen beobachtete.

„Dazai und ich“, erklärte der Blonde irritiert, „sollen um 15 Uhr auf dem Platz bei den alten Backstein-Lagerhäusern sein. Nur wir beide und pünktlich, sonst würden wir es bereuen.“

„15 Uhr??“ Haruno blickte angespannt auf ihre Armbanduhr. „Das ist in weniger als 30 Minuten!“

„Eine Falle?“, mutmaßte der Chef.

„Ohne jeden Zweifel“, antwortete Dazai unumwunden.

„Das klingt als würde etwas passieren, wenn wir dort nicht erscheinen“, merkte Kunikida nervös an. „Dass sie uns den Brief so kurzfristig zukommen lassen, soll uns wohl die Möglichkeit nehmen, uns eine passende Strategie zurecht legen zu können.“

„So haben wir nur die Wahl, hinzugehen … oder nicht“, stellte Dazai fest.

„Nein“, widersprach Kunikida, „wir haben keine Wahl. Wir werden auf jeden Fall gehen. Ich will mir nicht einmal vorstellen, was diese Mistkerle sonst tun werden.“

„Auf diese Weise bleiben wir ihre Spielfiguren. Wir reagieren nur, ohne selbst aktiv werden zu können.“

„Ich werde keine Menschenleben riskieren, um meine Haut zu retten.“

„Ich auch nicht.“ Ein „Aber“ hing in der Luft, das Dazai nicht aussprechen wollte, um die Diskussion nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Er wusste, dass Kunikida um dieses „Aber“ wusste.

„Chef“, warf Haruno nach einem erneuten Blick auf ihre Uhr ein, „nur noch 25 Minuten.“

Fukuzawa hatte dem Gespräch zugehört, während er sich seine eigenen Gedanken gemacht hatte. Natürlich würde er seine zwei Leute zu dem besagten Treffpunkt schicken. Es war die Aufgabe der Detektei, Menschenleben zu schützen. Doch gleichzeitig war es auch seine Aufgabe, seine Angestellten zu beschützen. Bis jetzt hatte er kläglich versagt. Musste er jetzt taten- und hilflos mitansehen, wie die nächsten beiden seiner Leute in ihr Unglück rannten?

„Beeilt euch“, sagte er ihnen, „aber geht mit höchster Vorsicht vor.“

Keine weitere Sekunde verstrich, ehe Kunikida und Dazai das Zimmer eiligst verließen.

Atsushi konnte nichts anderes tun als ihnen besorgt hinterher zu blicken. Sie rannten in eine offensichtliche Falle. Bitte, flehte er innerlich, bitte kehrt in einem Stück zurück.

„Chef“, meldete sich plötzlich Kyoka zu Wort. „Ich würde gerne etwas recherchieren. Vielleicht kenne ich eine Informationsquelle, die hierzu etwas weiß.“

„Was für eine Quelle?“, fragte Fukuzawa.

„Würden Sie mich bitte zu meinem Informanten gehen lassen? Ich werde auch vorsichtig sein. Bitte vertrauen Sie mir.“

Verwundert blickte Atsushi zu dem determinierten Mädchen. Was hatte sie vor? Und wieso sagte sie dem Chef nicht einfach, wer ihr Informant war? Überhaupt … Kyoka hatte Informanten in der Stadt??

Es war deutlich, dass Fukuzawa mit ihrer Bitte haderte. „Bist du dir sicher, dass dein … Informant dir überhaupt helfen will?“

Hatte er etwa eine Ahnung, um wen es sich handelte?, wunderte Atsushi sich mit zunehmender Verblüffung. Es klang zumindest so.

„Es ist einen Versuch wert.“

Fukuzawa atmete merklich angespannt aus. Kyokas Bitte war ihm nicht recht, doch vielleicht war sie tatsächlich einen Versuch wert.

„Nimm Atsushi mit.“

 

„Das ist gar kein gutes Zeichen, wenn du so ruhig bist“, bemerkte Kunikida während er das Auto mit einer mörderischen Geschwindigkeit durch die Straßen lenkte. Vom Krankenhaus brauchten sie in diesem Tempo etwa 20 Minuten mit dem Auto, was immer noch kürzer war als mit der Bahn und trotz seiner minutiösen Berechnungen fragte Kunikida sich immerzu, was wohl geschehen würde, wenn sie nicht rechtzeitig dort eintrafen. Aus dem Augenwinkel konnte er beobachten, wie Dazai auf dem Beifahrersitz in Gedanken versunken vor sich hin blickte.

Ein flüchtiges Lachen entwich dem Brünetten daraufhin und irritierte seinen Fahrer.

„Was ist jetzt?“

„Du beschwerst dich, weil ich zu ruhig bin? Das ist ein denkwürdiger Moment, Kunikida.“

„Du weißt, was ich meine“, gab der Blonde gereizt zurück.

„Ja, natürlich.“ Für einen Augenblick verfiel Dazai wieder in Schweigen und die schwermütige Aura, die ihn schon im Krankenhaus umgeben hatte, kehrte zurück. „Und ja, die Lage ist so ernst, dass nicht einmal ich weiß, was wir tun sollen.“

Es war die Antwort, die Kunikida erwartet, aber nicht erhofft hatte. Seine Hände griffen das Lenkrad noch ein wenig fester. „Selbst wenn ...“, er räusperte sich, um die Beunruhigung aus seiner Stimme zu verbannen, „selbst wenn diese Mistkerle unsere Kollegen verletzt haben, weil sie eigentlich hinter dir her sind, heißt das nicht, dass es deine Schuld ist.“

Mit mildem Erstaunen sah Dazai zu seinem Partner. „Kunikida, willst du mich etwa aufheitern?“

„Es ist unerträglich eine Knalltüte wie dich Trübsal blasen zu sehen“, erwiderte der Andere so ernst, dass es beinahe komisch wirkte.

Die Worte reichten, um Dazai ein fast sanftes Lächeln auf die Lippen zu legen. „Ich weiß, dass es nicht meine Schuld ist. Ich habe weder Yosano und Kenji vergiftet, noch Ranpo angeschossen, noch Tanizaki niedergestochen. Aber wenn irgendjemand dies tut wegen etwas, das ich getan habe, dann hätte ich ich genauso gut selbst das Gift verabreichen, abdrücken und zustechen können.“

„Was auch immer gleich passiert“, sagte Kunikida, seine Hände so fest um das Lenkrad verkrampft, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten, „das Wichtigste ist, dass wir keine Unbeteiligten in Gefahr bringen.“

Ah, da war es endlich. Das „Aber“ von eben. Dazai hatte sich schon gewundert, wann Kunikida es ansprechen würde.

„Wenn wir vor die Wahl gestellt werden“, fuhr er fort, „ob wir uns opfern sollen oder ob unschuldige Menschen geopfert werden sollen, dann lautet die Antwort immer 'wir', verstanden? Und ich will darüber keine Diskussion führen.“

„Oh, ich mag es, wenn du so bestimmend bist“, entgegnete Dazai affektiert, ehe er wieder ernster wurde, „aber ich weiß auch, dass du mit 'wir' nur dich meinst und das geht nun auch wieder nicht. Ich will die Menschen dieser Stadt beschützen, aber ….“

Ohne die Straße zu sehr aus dem Blick zu lassen, wanderten Kunikidas Augen so gut es ging zu seinem Partner, der wieder mit wehmütigen Ausdruck vor sich hinstarrte.

„ … aber es geht nicht, dass ich dafür einen Freund sterben lasse.“

Die Worte waren nicht mehr als ein Hauch gewesen und Kunikida war sich nicht zweifelsfrei sicher, sie richtig verstanden zu haben. Er hätte Dazai zu gerne angeschrien, dass man ihn kaum vernünftig verstehen konnte, wenn er so murmelte, doch in diesem einen Moment schien es einmaligerweise unangebracht zu sein, Dazai anzuschreien.

„Im idealsten Fall“, sagte er stattdessen, „muss niemand sterben.“

„Stirb einfach nicht.“

„Das Gleiche gilt für dich.“

Kunikida konnte ein schwaches Kopfschütteln erkennen.

„Du bist doch ein Mann, der zu seinen Worten steht, nicht wahr, Kunikida?“

Was sollte das denn jetzt? Der Brillenträger stutzte. „Ja. Immer.“

„Gut.“ Dazai sah wieder zu ihm und hatte dieses ominöse, unlesbare Lächeln im Gesicht, bei dem Kunikida sich immer fragte, was eigentlich im Kopf des Brünetten vorging. „Dann schwöre mir, dass du nicht meinetwegen sterben wirst.“

Nie hätte Kunikida den Tag kommen sehen, an dem er es erleben würde, Osamu Dazai, die Nervensäge aller Nervensägen, den Souverän des Schlendrians, das Oberhaupt der Oberflächlichkeit, so mitgenommen (und beinahe … emotional?) zu erleben. Es war mehr als beunruhigend.

„Nur wenn du mir das Gleiche schwörst.“

„Ach, Kunikida“, seufzte Dazai, „du könntest doch wenigstens einmal einfach tun, was ich dir sage.“

Zu gerne hatte der Blonde entgegnen wollen, dass dies doch STÄNDIG der Fall war, doch ….

„Wir sind da.“

Die beiden Detektive stiegen flugs aus dem Auto und rannten so schnell sie konnten zu dem angegebenen Platz. Ohne Umschweife begannen sie damit, sich umzusehen, ob irgendetwas auffällig war. Der Platz war wie so oft stark frequentiert: Touristen, Ausflügler, Büroangestellte, Mitarbeiter und Kunden der Geschäfte in den Lagerhäusern, sie alle liefen wie an jedem anderen gewöhnlichen Tag über den Platz. Es schien alles ganz normal.

Um Punkt 15 Uhr klingelte Kunikidas Handy.

„Eine unterdrückte Nummer“, murrte er, ehe er den Anruf entgegen nahm.

„Doppo Kunikida, ja? Schön, dass Sie es so kurzfristig einrichten konnten“, meldete sich die Stimme eines jungen Mannes.

„Wer spricht da?“, fragte der Detektiv, während Dazai näher an ihn heranrückte, um mitzuhören. Je nachdem, was sie nun erfahren würden, wäre es höchstwahrscheinlich höchst unratsam auf Lautsprecher umzuschalten.

„So gerne ich auch mit Ihnen plaudern würde“, entgegnete die Stimme, „dafür haben Sie leider nicht die Zeit.“

„Was soll das heißen??“

„Es gibt zwei Bomben ...“

Bei den Worten des Unbekannten zog Kunikida scharf die Luft ein.

„... eine befindet sich in Nähe des Conference Centers“, fuhr der Fremde fort, „eine weitere in der Nähe des Bezirksgerichts. Beide werden zur gleichen Zeit explodieren.“

„Warum tun Sie das?!“

„Tick tack, Herr Kunikida. Zu plaudern, während so viele Menschen in Gefahr sind, spricht von schlechtem Stil.“

„Sie elender-“

„Ich will mal nicht so sein. Sie sind ja zu zweit, nicht wahr? Dann laufen Sie mal schnell los. Wenn jeder von Ihnen eine Bombe entschärft, wird nichts passieren. Und keine Sorge, ich mache Ihnen das Entschärfen auch leicht, versprochen. Sie haben noch acht Minuten.“ Er legte auf und Kunikida ließ atemlos die Hand, die sein Mobiltelefon umklammerte, sinken.

„Conference Center und Bezirksgericht“, fasste Dazai eiligst zusammen, „zwei verschiedene Richtungen, um uns getrennt voneinander in eine Falle laufen zu lassen.“

„Wir haben keine Wahl!“, rief Kunikida fahrig aus. „Das ist sicher kein Bluff!“

„Das denke ich auch nicht.“ Dazai versuchte, aus dem gerade Gehörten weitere Informationen zu ziehen. Was war der Trick hierbei? Es musste einen geben. Welche der Richtungen sollte er wählen und in welche Kunikida schicken? Wenn seine Theorie stimmte, dann war eine der Auswahlmöglichkeiten die Schlechtere. Beide genannten Orte hatten viel Publikumsverkehr; das Conference Center umfasste ein größeres Gebiet; das Bezirksgericht war zentraler gelegen-

„Du übernimmst das Center, ich das Gericht“, entschied Kunikida kurzerhand. „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren!“ Er machte sich bereits in die von ihm gewählte Richtung auf.

„Kunikida“, rief Dazai ihm zu, ehe auch er sich in Bewegung setzte, „wage es nicht, zu sterben.“

„Das Gleiche gilt immer noch für dich!!“, brüllte Kunikida, ohne noch einmal zurückzublicken.

 

Am Conference Center angekommen, lief Dazai instinktiv zum Vorplatz des Gebäudekomplexes. Wenn er die Bombe platzieren würde, dann in der Nähe des Eingangs, dort wo viele Menschen auf einem Haufen zusammenkamen. Und die Platzierung musste unauffällig sein, damit sie nicht entdeckt werden konnte.

Die Uhr tickte erbarmungslos herunter.

Eine Reihe von Fahrrädern, die auf dem Vorplatz abgestellt worden waren, erregte seine Aufmerksamkeit. Mit geschultem Blick suchten Dazais Augen die Fahrräder ab. Etwas auffällig Unauffälliges … etwas auffällig Unauffälliges … da!

Ein Fahrradkorb, der mit einem Tuch abgedeckt war, das nicht zu allen Seiten befestigt war und leicht im Wind flatterte. Dazai löste eine weitere Kordel von dem Tuch und hob es vorsichtig an.

Die Ziffern „00:28“ strahlten ihm direkt von dem Display der Bombe entgegen.

Neben der Anzeige war ein grüner Knopf angebracht und daneben wiederum war ein Pfeil geklebt worden. Sollte es wirklich so einfach sein? Warum wollten die Attentäter, dass es so einfach war?

00:17.

In der verbliebenen Zeit würde er es nicht schaffen, die Bombe zu analysieren und einen anderen Entschärfungsmechanismus zu finden. Auch sie irgendwo anders hinzubringen kam nicht mehr in Frage.

„Also dann“, sagte Dazai schulterzuckend und drückte den grünen Knopf.

Die Ziffern blieben sofort bei „00:11“ stehen.

Als ihn die Gewissheit überkam, was dies bedeutete, spurtete Dazai los. Während er rannte, holte er sein Handy hervor und wählte Kunikidas Nummer.

Niemand ging ran.

Die Attentäter wussten um Kunikidas Schwachpunkt: Dass eine solche Bombengeschichte ihn ohne Zweifel ködern würde, dass er in eine offensichtliche Falle laufen würde, weil er auf gar keinen Fall andere Menschen sterben lassen würde. Aber wie, wie hatten sie nur wissen können, welche Bombe sie hochgehen lassen sollten? Sie hatten doch vorher nicht erahnen können, wer welches Ziel übernehmen würde. Bis eben hatte Dazai noch angenommen, die Angreifer wären nur auf dem Platz vor dem Lagerhaus gewesen und hätten sie dort beobachtet, aber sie mussten ebenso beim Center und beim Gericht gewesen sein, um zu wissen, welche Bombe explodieren sollte. Wenn seine Theorie stimmte, dann ließen sich die Sprengsätze per Fernzündung aktivieren. Und dass seiner nicht explodiert war, konnte nur eines heißen.

Es musste dem Chef und auch Kunikida unmittelbar klar gewesen sein, dass Dazai mit seiner im Krankenhaus getätigten Vermutung Recht gehabt hatte, doch sie hatten ihn vor diesem Gedanken beschützen wollen.

Idioten, sagte eine Stimme in seinem Innern, verdammte Idioten.

Schon auf dem Platz vor den Lagerhäusern herrschte Unruhe. Dazai rannte durch die wuselnden Menschenmengen, deren aufgeregtes Zischen und Rufen („Eine Explosion!“, „Da ist etwas explodiert!“ „Beim Gericht!“) seine Ohren nur gedämpft, wie durch Watte, erreichte. Es war in seinem Leben bisher eher selten vorgekommen, dass er so hatte rennen müssen und als es mal vorgekommen war, hatte das Gerenne einen schrecklichen Grund gehabt - oder vielmehr hatte er an seinem Ziel etwas Schreckliches vorgefunden.

Natürlich war es kindisch gewesen, Kunikida diesen Schwur abzuverlangen, aber es war Dazai wichtig gewesen. Etwas in seinem Innern wollte sich daran klammern, dass der Idealist nie sein Wort brach. Dazai wollte sich daran klammern, dass es nicht noch einmal geschah. Dass die Welt, so unsinnig sie auch erschien und so grausam sie auch manchmal war, nicht so grausam sein konnte. Es war schon schlimm genug, dass Yosano, Ranpo, Kenji und Tanizaki wegen etwas, das er in der Vergangenheit getan hatte, verletzt worden waren; es wäre unerträglich, wenn seine Tat von damals nun Kunikida das Leben kosten würde.

Aus der Ferne hörte er bereits die Sirenen von Polizei und Rettungswagen, als er die umstehenden Leute beiseite drückte und endlich an der Stelle der Detonation ankam. Die Explosion hatte ein Loch in eine Wand des Gebäudes gerissen, kein großes, aber wenn man bei einer solchen Detonation direkt an der Bombe stand, dann ….

Dazai erblickte plötzlich die bewegungslose Gestalt, die in einigen Metern Entfernung am Boden lag. Ein panisches Gefühl von Angst, das er erst einmal in seinem Leben gespürt hatte und das er nie wieder hatte spüren wollen, breitete sich wie ein alles vernichtendes Feuer unter seiner Haut aus und nahm ihm fast die Luft zum Atmen. Sein gesamter Körper fühlte sich mit einem Mal an, als würde er vor Fieber glühen. Nichtsdestotrotz lief er zu der Gestalt am Boden. Die Leute, die um Kunikida herumstanden und knieten und versuchten, erste Hilfe zu leisten, sagten irgendetwas zu ihm, während er sich neben seinem Kameraden auf die Knie fallen ließ, doch Dazai bekam nur die Hälfte mit. Sein Kopf war anderweitig beschäftigt.

Kunikida hatte neben diversen anderen kleineren Verletzungen vor allem eine ziemlich eklige Kopfwunde, die wie blöd blutete und vermutlich auch der Grund für seine Bewusstlosigkeit war. Die Gläser seiner Brille waren wahrscheinlich durch die Druckwelle der Detonation gesprungen, allerdings sah es ganz und gar nicht danach aus, als hätte ihn die Druckwelle hier herüber geschleudert. Auch die Kopfwunde machte eher den Eindruck durch ein herumfliegendes Trümmerteil entstanden zu sein. Vor allem aber hatte Kunikida einen schwachen, doch vorhandenen Puls und war noch am Leben und Hilfe war schon so gut wie da.

Er konnte es schaffen.

Er konnte es schaffen.

Dazai glaubte nicht an Wunder. Eine Explosion aus dieser Nähe hätte er nicht überleben können. Es musste also einen Grund dafür geben.

Der Blick des Brünetten fiel auf einen abgebrochenen Gegenstand in der Hand seines verletzten Kollegen. Vorsichtig öffnete Dazai seine Hand und erkannte, was der Rest dieses Objektes, das Kunikida noch umklammert hielt, einmal gewesen war.

Eine Teleskopstange.

Dieser Irre hatte den grünen Knopf mit einer Teleskopstange, die er mit seiner Fähigkeit erschaffen hatte, aus mehreren Metern Entfernung gedrückt.

Mit enormer Fassungslosigkeit blickten die umstehenden Leute zu Dazai, der wie ein Wahnsinniger zu lachen begann, als die Anspannung ruckartig von ihm abfiel.

Kunikida konnte es schaffen.

Es war keine Wiederholung von damals.

Es war nicht wie bei Odasaku.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Wenn ihr einen Blick auf den Stadtplan Yokohamas werft, werdet ihr feststellen, dass ich Dazai in Richtung Minato Mirai geschickt habe und Kunikida in Richtung Nihon Odori. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Yokohama aus dem Anime richtig verstanden habe, aber kann es sein, dass die Hafen-Mafia bei Minato Mirai ihren Sitz hat und die Detektei quasi in der anderen Richtung (also Nihon Odori/ Motomachi Chukagai) liegt?
Ist es offensichtlich, um wen es in der nächsten Rückblende gehen wird? Komplett anzeigen

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