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Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht

von

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Gegenwart – 3. Januarwoche – 20. Januar, Tag X - Warteräume in Krankenhäusern sind eine Qual und das nicht nur wegen der unbequemen Stühle

Unruhig tigert Vizekommandant Hijikata Tōshirō von einer Ecke des Warteraumes in die andere. Immer wieder.

Hin und zurück.

Hin und zurück.

Dabei zerknautscht er unbewusst seine eigene Uniformmütze in seiner rechten Hand, bis das Kaninchenfell jegliche Form verliert und ihm die Kanten des Abzeichens tief ins Fleisch schneiden. Er bemerkt es nicht einmal.

Er hasst Krankenhäuser.

Er hasst die unbekannten Geräusche, den Geruch nach Desinfektionsmitteln und die eifrige Geschäftigkeit der Ärzte, Pfleger und Schwestern. Er hasst die kryptischen Lautsprecherdurchsagen, die Codes, die hier verwendet werden, von denen jeder weiß, dass es Codes sind, aber alle so tun, als wären sie es nicht.

Er hasst es, zu warten.

Er hasst die Blicke der Fremden, die genau wie er hier warten. Er hasst es, wie sie ihn ansehen, wie ihre Blicke ihn tadeln, weil er nicht stillsitzt und so geduldig ist wie sie.

„Nun beruhige dich doch mal...“ sein vorgesetzter Kommandant Kondō Isao ist einer dieser Wartenden, und als Hijikata mal wieder an ihm vorbeikommt, zupft er ihn am Ärmel seines Uniformmantels. Doch Hijikata wirft ihm nur einen wilden Blick zu und schüttelt ihn ab.

„Ja“, meint da Okita Sōgo, der sich auf der gegenüberliegenden Sitzreihe lässig hingefläzt hat und schiebt sich seine Schlafmaske von den Augen, „dein Herumgerenne stört mich in meinem Schönheitsschlaf, Hijikata-san.“

Hijikata ignoriert den Truppenkapitän der ersten Division ganz bewußt und wirbelt stattdessen zu Kondō herum.

„Ich soll mich beruhigen, ja? Nach allem, was passiert ist?“ Vielsagend deutet er zu der breiten Flügeltür, an der „nur autorisiertes Personal“ steht. „Zaki liegt da drinnen und ihr wollt, dass ich mich beruhige?“

Er weiß, dass er fast schreit und dass man so etwas hier nicht macht, aber er fühlt sich wie ein Luftballon kurz vorm Platzen.

„Ich gehe.“ Okita erhebt sich, doch da ist Hijikata heran und gibt ihm einen Stoß vor die Brust, der ihn wieder zurück auf den Stuhl taumeln lässt.

Wage es nicht! Du bleibst hier! Ihr bleibt alle hier!“

„Ich habe noch Papierkram...“ versucht Kondō, stockt dann aber mitten im Satz, als er Hijikatas Gesichtsausdruck sieht.

„Du bleibst. Wir bleiben alle. Das sind wir Zaki schuldig!“

Okita murrt. Es kratzt ihn an seiner Ehre, dass Hijikata ihn derart überraschen konnte. Normalerweise ist er derjenige, der so mit ihm umgeht, wahrscheinlich kam ihm deswegen nicht einmal der Gedanke, sich gegen diese Behandlung entsprechend zu wehren. Es liegt ganz bestimmt nicht daran, dass er sich schuldig fühlt oder so...

„Was soll die ganze Aufregung?“ protestiert er daher. Und er weiß, dass das falsch ist, aber er kann nicht anders, denn Hijikata zu provozieren ist zu seiner zweiten Natur geworden: „Das ist doch nur eine -“

Nur?“ unterbricht ihn Hijikata. „Nur etwas, bei dem Tausende weltweit täglich verbluten? Willst du das sagen, ja?“

„Du übertr-“

„Hijikata-san...“ Sasaki Tetsunosuke, der bisher nur stumm dagesessen hatte, versucht jetzt, schlichtend einzugreifen, auch, weil die anderen im Wartezimmer, die nicht zu ihrer kleinen Vierergruppe gehören, allmählich nervös werden. Die schwarz-goldenen Uniformen der Shinsengumi wirken von sich aus schon einschüchternd auf Zivilpersonen, ein ruppiges Benehmen macht es da nicht besser.

Langsam geht er zu Hijikata hinüber und schenkt ihm sein zuversichtlichstes Lächeln. Er ist zwar nur ein Rekrut, aber er ist auch Hijikatas Assistent und als solcher weiß er inzwischen, welche Worte man bei ihm wählen muß, damit sein Blutdruck langsam wieder sinkt.

„Ich bin sicher, Zaki ist in den besten Händen. Die Ärzte hier sind gut, sie wissen, was sie tun. Es wird bestimmt alles gut.“

Die Worte fühlen sich falsch an, noch während sie ihm über die Zunge rollen, doch er behält sein Lächeln bei, in der Hoffnung, es würde Hijikata etwas Zuversicht schenken. Auch, wenn er weiß, dass er kein Recht hat, so zu sprechen, denn anders als seine Vorgesetzten, kam er erst viel später hier an, aus eigener Initiative und nachdem Yamazaki schon hinter diesen Türen verschwand.

Woher soll er also wissen, wie kompetent diese Ärzte wirklich sind? Er hat sie nicht einmal gesehen, geschweige denn mit ihnen gesprochen oder ihre Referenzen im Internet überprüft.

Er kann nur hoffen und bangen wie alle hier. Und wie die im Hauptquartier zurückgebliebenen Kameraden, die ihm den Auftrag gaben, sie übers Mobiltelefon ständig auf dem Laufenden zu halten. Weil sie alle aus Erfahrung wissen, dass Kondō, Hijikata und Okita in ihrem Schockzustand nicht an so etwas denken werden.

Hijikata starrt ihn für einen Moment einfach nur an, doch Tetsunosuke hat nicht den Eindruck, dass er ihn wirklich wahrnimmt. Und er fragt sich unwillkürlich, ob Hijikata ebenfalls - genau wie ihm - der Geruch und der Anblick von so viel Blut nicht mehr aus dem Sinn gehen will.

Zaki war so bleich, so weiß, als wäre er schon tot und sie haben so viel Zeit verschwendet, bis einer von ihnen reagierte, weil sie es nicht glauben konnten, obwohl der Beweis doch dort direkt vor ihnen lag.

Die einzige Entschuldigung, die sie haben, ist jene, dass man damit wirklich nicht rechnen konnte.

„Wie konnte es nur soweit kommen?“ Aufstöhnend massiert sich Hijikata die schmerzende Stirn und nimmt die Hand schnell wieder fort, als er glaubt, Blut zu riechen. Egal, wie oft er sie sich inzwischen gewaschen hat, es scheint nicht wirklich etwas geholfen zu haben.

„Zaki hätte ja auch etwas sagen...“ beginnt Okita, kommt jedoch nicht weit, weil Hijikata mit einem wütenden Zischen zu ihm herumfährt und mit seiner Uniformmütze nach ihm wirft.

Wage es nicht! Wir haben alle schuld! Wir alle! Und deshalb bleibt ihr genauso hier wie ich! Ist denn wirklich niemandem etwas aufgefallen? Tetsu?“

„Huh?“ Erschrocken, so plötzlich wieder in Hijikatas Fokus zu stehen, hebt Tetsunosuke abwehrend beide Hände. „Wieso ich? Wie hätte ich etwas bemerken sollen? Ich bin doch erst seit vier Monaten dabei. Ich kannte ihn vorher gar nicht. Wie sollte mir da etwas auffallen?“

Er versteht ihn ja, aber das ist unfair.

Er hat am allerwenigsten etwas mit der ganzen Sache zu tun.

Er und Yamazaki haben sich immer gut verstanden und Tetsunosuke hat Yamazaki immer als seinen „Lieblingsbruder“ innerhalb der Shinsengumi bezeichnet, aber das heißt doch nicht, dass sie sich gegenseitig ihre intimsten Geheimnisse anvertrauen. Vielleicht wäre ihm tatsächlich etwas aufgefallen, wenn er Yamazaki vor über einem Jahr kennengelernt hätte, aber das hat er nicht.

Den Schuh können sich die anderen alleine anziehen.

„Zaki ist eben unglaublich gut in seinem Job“, meldet sich da Okita wieder zu Wort, der nun Hijikatas Mütze mit dem Abzeichen des Vizekommandanten provokant auf seinem hellbraunem Schopf trägt. „Täuschen, tarnen, tricksen. Er hat dich fast ein Jahr an der Nase herumgeführt und du hast nichts bemerkt. Hijikata-san, du solltest dein Amt als Vizekommandant abgeben. Du bist eine Schande.“

„Und dir ist es natürlich sofort aufgefallen, ja?“ Höhnisch funkelt Hijikata ihn an und als Okita daraufhin nur schnaubt und sich demonstrativ wieder hinlegt und die Schlafmaske plus Mütze über die Augen zieht, wendet sich Hijikata wortlos von ihm ab.

Doch anstatt wieder wie ein gefangener Tiger im Käfig hin und her zu laufen, lässt er sich diesmal schwer auf den Stuhl neben Kondō sinken und vergräbt das Gesicht in beiden Händen.

„Kann es sein, dass wir Zaki ständig ... immer wieder und wieder einfach nur hängenlassen? Ich frage mich ... wäre das nicht bei der Morgenbesprechung passiert, sondern auf einer seiner Missionen, dann wäre ...“, ihm versagt die Stimme bei dem Gedanken daran und er schaudert unwillkürlich. „Nur, weil wir nie für Zaki da sind … wieso haben wir das nicht bemerkt?“

Kondō neben ihm schnieft laut. Im Gegensatz zu Hijikata schämt er sich nicht seiner Emotionen. Das mit dem Papierkram war nur ein Vorwand, weil ihn Krankenhäuser so sehr deprimieren. Von seinen Schuldgefühlen mal ganz abgesehen … und ja, die Sorge um Yamazaki bringt ihn fast um, von daher ist er ganz froh, etwas gefunden zu haben, das ihn von seinen eigenen Gefühlen etwas ablenkt, und so legt er Hijikata neben sich tröstend eine Hand auf die Schulter.

Niemand hätte das, was heute passierte, verhindern können, aber die Schuld frisst sie dennoch auf.

Jeden einzelnen von ihnen.

„Tōshi, bitte... Hör auf, dir Vorwürfe zu machen. Du hast doch etwas bemerkt. Als einziger von uns.“

Aber Hijikata schüttelt nur stumm den Kopf und vergräbt das Gesicht noch tiefer in seinen Händen, damit niemand seine Tränen sieht.

Kondō meint es gut, aber es ist Tatsache: er hat versagt. Als Vorgesetzter, vor allem aber als Freund. Und derjenige, der den Preis dafür bezahlt, ist Yamazaki.

 



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