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Holidate

Adventskalender des Yuka-Zirkels - Türchen Nummer 24
von
Koautor:  FreeWolf

Vorwort zu diesem Kapitel:
Unseretwegen gebt euch einen Tanzfilme-Soundtrack während des Lesens des Kapitels!
(Und bitte, LMFAO muss auch drin vorkommen, klar soweit? :P) Komplett anzeigen

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~♦3♦~

3

 

15:32

Kai: Wir sollten gemeinsam hinfahren.

 

15:42

Yuriy: No shit Sherlock. Komm' zum Hotel, Hiromi macht das auch. Dann teilen wir uns ein Taxi mit ihr und Borya.

 

15:44

Kai: Alles klar, bis später.

 

 

 

"Kai!"

Der Silberhaarige folgte dem Ruf und sah Hiromi, die sich für die Afterparty für ein schwarzes Kleid mit entsprechenden Schuhen entschieden hatte, ihm von der Sofaecke in der Hotellobby aus zuzuwinken. Er steckte die Hände lässig in die Hosentaschen und schlenderte in ihre Richtung. "Hi", begrüßte er sie knapp und musterte sie einmal von oben bis unten. "Gut siehst du aus."

"Du aber auch! Damit haust du Yuriy von den Socken." Hiromi nickte anerkennend, während sie Kai musterte. Er hatte sich für einen dunkelblauen Anzug mit dunkel-lila Hemd entschieden und das Jackett weggelassen. stattdessen trug er farblich passende Fliege und Hosenträger.

Der Silberhaarige posierte noch einen Moment länger vor der Brünetten, ehe er sich neben sie auf die Ledercouch sinken ließ. "Wo hast du deinen Loverboy gelassen?"

"Der hilft Yuriy noch bei irgendwas - so genau habe ich nicht nachgefragt."

Kai nickte. Eine Stimme hinter ihm unterbrach das Gespräch: "Moin ihr Töppe, was kocht?"

Der Halbrusse verdrehte die Augen und drehte sich halb um, um streng über die Lehne der Couch nach hinten zu blicken. "Was hast du nur mit dem Spru-"

Ihm blieb die Spucke weg, als seine Augen auf Yuriy fielen. Anders als er verzichtete der Rotschopf nicht auf das Jackett des grauen Anzugs, dessen Mittelknopf er über seinem schwarzen Hemd zugeknöpft hatte. Yuriys spöttischer Blick traf seinen und Kai wurde mit einem Mal peinlich bewusst, dass ihm der Mund offenstand. Er beeilte sich, ihn wieder zuzuklappen und schüttelte den Kopf, während er Hiromis Beispiel folgte und sich erhob.

Er sah beinah ein wenig peinlich berührt zu, wie Boris Hiromi mit einem leisen "Hallo, Kiska", das wohl eigentlich nicht für fremde Ohren bestimmt war, begrüßte und sie zu sich zog, um sie zu küssen. Die Brünette wehrte sich kichernd. "Aber Borya, mein Lippenstift!"

Kai stellte sich neben Yuriy und warf ihm einen Seitenblick zu. Zum Glück mussten sie einander nicht küssen. "Gehen wir?", fragte der Rotschopf und blickte auf sein Handy. "Das Taxi sollte jeden Moment da sein."

 

Etwa eine halbe Stunde später hielt das Taxi vor den Toren des neugebauten BBA-Towers, dessen Foyer für die Weihnachtsfeier genutzt wurde. Es war sogar eine Art roter Teppich ausgerollt worden - was Kai zum einen sehr übertrieben und zum anderen sehr befremdlich fand. Zumal sie diesen "roten Teppich" auch noch entlangschreiten mussten - und das als "Paar", wie ihm soeben siedend heiß einfiel, während er mit Yuriy und ihrer restlichen Fahrgemeinschaft ausstieg. Diese im Suff und Übermut getroffene Schnapsidee, Yuriy als Date mitzubringen, entwickelte sich langsam zu einem viel größeren Ding, als er das je gewollt hatte. Ihm wurde bewusst, in welches Ausmaß von Misere er Yuriy hineingeritten hatte.

Er hielt Yuriy am Oberarm zurück, ehe sie in Hörweite der Paparazzi kamen. "Hör mal, wir müssen das nicht durchziehen", erklärte er leise und erntete einen spöttischen Blick dafür.

"Angst, Potter?", zog Yuriy Kai mit einem Harry-Potter-Zitat auf, weil er seinen Lieblingsnerd kannte. "Guck nicht so wie ne Kuh, wenn's donnert. Wir ziehen das hier jetzt durch und gut", versicherte Yuriy aber, als er Kais Blick bemerkte. Er griff nach Kais Hand. "Komm schon, Augen zu und durch. Je schneller wir rennen, desto eher sind wir drin."

Kai fand seine Souveränität wieder. "Willst du mit mir durchbrennen?"

"Die Koffer sind schon gepackt, Baby", grinste Yuriy und bot ihm den Arm an. Kai hakte sich bei ihm unter und verzog unwillig den Mund. "Auf in die Flitterwochen, Hasenpups", murmelte er einen Schritt, bevor sie in Hörweite der Paparazzi kamen.

 

Wie Kai es erwartet hatte, schlug ihre gemeinsame Ankunft - dass Kai sich bei Yuriy untergehakt hatte, war ein offensichtliches Zeichen, dass sie zusammen waren - hohe Wellen unter den Paparazzi, die sich auf sie stürzten wie ein Rudel hungriger Hyänen. Die Paparazzi riefen wild durcheinander, sprachen sie mal mit "Kai!", mal mit "Herr Ivanov!" an und überschlugen sich mit Fragen: 

"Ist das eine neue Beziehung?

"Seit wann seid ihr zusammen?"

"Wie macht ihr das, führt ihr eine Fernbeziehung?"

"Wann hat es gefunkt?"

"Wo und wie hatten Sie Ihr erstes Date?"

Kai hörte nur mit halbem Ohr hin, während er und Yuriy mit stoischen Mienen über den improvisierten roten Teppich schritten. Sie erreichten gerade den Eingang, da blickte Yuriy kurz nach oben und ein beinahe unheimliches Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Er hielt Kai am Arm fest, um ihn aufzuhalten, und nickte mit dem Kopf nach oben. Der Halbrusse folgte seinem Blick und - 

Fuck. Kai fühlte, wie sein Herz aufhörte zu schlagen, ehe es mit fünffachem Tempo wieder loslegte.

Ein Mistelzweig.

Ihm schwahnte übles.

"Warum bieten wir ihnen nicht eine kleine Show?", fragte Yuriy und kam seinem Gesicht immer näher. Kai schluckte. "Welche Art von Show?", murmelte er kaum hörbar, stellte sich dumm, obwohl die Situation zu eindeutig war, um sich dumm zu stellen. Er sah, wie Yuriy seine Augen schloss, blinzelte nach unten zu seinen Lippen, und dann-

Dann küssten sie sich, was aufgeregtes Johlen unter ihren Freunden, die direkt nach ihnen gingen bzw. schon im Gebäude auf sie warteten, und noch aufgeregteres Rufen unter den Paparazzi hervorrief.

 

Der Kuss war vergleichsweise kurz und unschuldig, ihre Lippen berührten sich beinahe nur flüchtig. Dennoch hinterließ er Spuren - sowohl bei Kai als auch bei Yuriy. Kai konnte nicht anders; er starrte. Und wenn er ein Deja-vú-Gefühl hatte, ignorierte er es gekonnt über dem wilden Pochen seines Herzens. Er ließ sich bereitwillig - und noch etwas unter Schock - von Yuriy ins Foyer und außer Reichweite der Paparazzi ziehen. Auch als sie sich längst wieder voneinander gelöst hatten, spürte Kai den sanften Druck von Yuriys Lippen auf seinen. Yuriy, der Kais Hand warm und sicher in der eigenen festhielt - vielleicht auch, um sich selbst zu erden -, sah stur geradeaus, weil er fühlte, wie sein ganzes Gesicht brannte. Er versuchte, seine Atmung und seinen Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bringen, indem er betont langsam und gleichzeitig atmete. Sie traten endlich durch die Eingangstore, um Boris und Hiromi wiederzutreffen.

"Da habt ihr aber so manchem die Show gestohlen!", gratulierte Boris augenzwinkernd. Eine gewisse Sorge zeichnete sich in seinem Gesicht ab, was jedoch nur Yuriy für einen Moment erhaschen konnte. Noch bevor er etwas sagen konnte, schaltete sich auch Hiromi in die Unterhaltung ein:  "Und was für eine Show das war!"

"Was soll ich sagen?" Yuriy strich sich betont lässig durch die Haare, spielte ihren Freunden frei nach dem Motto 'fake it 'til you make it' Nonchalance vor, die er nicht im Geringsten fühlte. Er zwang ein schelmisches Lächeln auf seine Lippen, das seine Nervosität überspielen sollte. "Kai ist eben unwiderstehlich. Das können die Paparazzi ruhig wissen."

Es war überraschend einfach, sich diese Erklärung aus dem Arsch zu ziehen, stellte Yuriy für sich fest. Vor allem, wenn er sich nicht mehr sicher war, wie viel davon überahupt noch erlogen werden musste.

Hiromi kicherte und stieß Boris in die Seite. "Das sollten wir nächstes Mal auch tun", schlug sie halb im Ernst vor.

Boris hob eine Augenbraue und schnaubte abfällig. "Ich weiß nicht, ob das bei uns so gut klappen würde, Kiska. Dafür sind wir nicht schwul genug", gab er zu bedenken.

Die Brünette seufzte mit einem Seitenblick auf Kai und Yuriy, die etwas Abstand zwischen sich gebracht hatten, nachdem die neugierigen Blicke der Paparazzi nicht mehr auf ihnen lagen, und betont aneinander vorbeisahen. "Da könntest du Recht haben", stellte sie ein wenig enttäuscht fest. "Wir sind einfach nicht schwul genug!"

Ihr melodramatischer Ton ließ Yuriy schmunzeln und einen Blick in Richtung Kai werfen. Dieser musterte ihn mit einem seltsam nachdenklichen Blick, der so intensiv war, dass sich dem Rothaarigen die Nackenhaare aufstellten. Kais Blick brannte ihm förmlich auf der Haut. Yuriy schluckte trocken und öffnete gerade den Mund, da gingen die Lichter aus. Der Rothaarige blinzelte desorientiert. Es war einen Moment lang dunkel, und während aufgeregtes Murmeln zunächst noch zunahm, ebbte es ab, als der Imperial March gespielt wurde, gefolgt von Gelächter der Umstehenden. Da hatte wohl irgendjemand mit der Soundanlage gespielt ... Auf der kleinen Bühne an einem Ende des Foyers trat Kogoro Daitenji auf die Bühne und tat so, als würde ihn der Star Wars-Soundtrack nicht minutiös aus dem Takt bringen. Er rieb mit einem Taschentuch den Schweiß von seiner Stirn und rückte seine Krawatte zurecht. Heute hatte er sich gegen seine Erkennungszeichen, die rote Fliege und die Melone, entschieden, trug dem Anlass entsprechend dennoch einen olivgrünen Anzug, der ihm die nötige Autoriät verlieh. Der Ausgang des Benefizturniers hatte die Kasse ordentlich klingeln lassen - die Teilnahme der alten Teams mit all ihren bekannten Gesichtern hatte viele Sponsoren, aber vor allem Fans mit großen Brieftaschen angelockt. Diese Tatsache konnte er seinen Kollegen, Schützlingen und Freunden nicht vorenthalten. Routiniert nahm er das Mikrofon an sich und stellte sich auf die kleine Bühne. 

"Verehrtes Publikum, liebe aktiven und inaktiven Sportlerinnen und Sportler! Das Benefizturnier war ein voller Erfolg - dank euch! Ich durfte gerade einen ersten Blick auf die Zahlen werfen. Trotz meiner langjährigen Erfahrung in diesem Metier bin ich schwer beeindruckt. Sie alle dürfen sich zurecht auf die Schultern klopfen! Liebe Sportlerinnen, liebe Sportler, eurer Leistung haben wir es zu verdanken, dass wir unsere gemeinnützige Arbeit fortführen und in unsere jüngsten Nachwuchstalente im Beysport investieren können.. Unser Konzept hat sich bislang bewährt, und schon zwei großartige Talente hervorgebracht, die heute sogar ihr Debüt feiern konnten: Kyoya und Nile!" 

Die Scheinwerfer suchten in der Menge nach zwei Jugendlichen, die etwas irritiert und schüchtern in Kameras und zu Daitenji herüber winkten. Dieser lächelte ihnen gönnerhaft zu, bevor er fortfuhr: "Ich werde die Rede kurz halten - denn gleich gibt es noch einen kleinen Vortrag des Wissenschaftskomitees, und danach stehen unsere Souschefs in den Startlöchern, um sich um Ihr leibliches Wohl zu kümmern. Sicherlich stimmen Sie mir zu, wenn ich sage: Die Feier haben Sie sich alle redlich verdient! Genießen Sie sie - ach ja, und die Bar ist jetzt auch eröffnet!"

Unter Gelächter und Applaus verschwand der BBA-Vorsitzende wieder von der Bühne. Boris ließ es sich nicht nehmen, der Rede auf zwei Fingern zuzupfeifen. Dies erntete  ihm einen Schlag gegen die Schulter vonseiten seiner Freundin, die die Augen verdrehte. Er bot ihr seinen Arm an, griff auf der anderen Seite nach Yuriy, um sie in Richtung der frisch eröffneten Bar zu ziehen. Kai, der eben noch an seiner Seite gewesen war - wenn auch mit Abstand - war irgendwo in der Menge untergetaucht. Der Rotschopf suchte mit einem dumpfen Gefühl in der Brust, über das er nicht weiter nachdenken wollte, die Menge nach ihm ab.

Dann erreichte Boris die Theke, bestellte eine Runde Shots und eine Runde Drinks, und beanspruchte Yuriys Aufmerksamkeit für sich. Der Rotschopf wusste nicht, ob die Flucht in den Alkohol eine wahnsinnig gute Idee war, aber er war schon hier und die Bar war eröffnet.

 

Yuriy verlor Kai für eine Weile aus dem Blick und konzentrierte sich stattdessen auf Boris und Hiromi. Nicht viel Zeit später tauchte Julia bei ihnen auf und flirtete schamlos mit ihm. Es schmeichelte ihm, ließ ihn aber auch seltsam kalt. Yuriy tanzte trotzdem mit der Spanierin, weil sie gut tanzte, und mit Hiromi, und ein wenig auch mit Boris, was begeistertes Johlen der beiden Frauen (und noch einiger Umstehender) auslöste.

Irgendwann erblickte er Kai, der sich in der Nähe von Kinomiya und seiner Freunde an eine Wand gelehnt hatte und vermutlich nicht sonderlich aufmerksam deren Unterhaltung zuhörte. Er hatte ein Glas mit einer unbestimmten  Flüssigkeit in der Hand und starrte ihn wieder mit demselben intensiven Blick an, den er auch zuvor gehabt hatte. Yuriy wusste nicht, ob es der Alkohol war oder die Intensität von Kais Blick, die ihn anzog wie eine Motte das Licht.

Er löste sich von der Tanzfläche und bahnte sich einen Weg in seine Richtung. Plötzlich hielt ihn eine Hand am Arm auf. Yuriy blinzelte irritiert den Rothaarigen ihm Gegenüber an, der ihn freundlich anlächelte. Der Russe brauchte einen Moment, um Brooklyn zu erkennen, der ihm anerkennend zunickte.

"Meinen Glückwunsch. Hab es grad im Newsfeed gesehen. Stark! Musste aber ja auch so kommen. Hat mich gewundert, dass es so lange gedauert hat", bemerkte er.

Yuriy kniff die Augen zusammen, schielte in Richtung Kai. "Danke. Lässt du mich jetzt bitte los?"

Er schüttelte die Hand auf seinem Oberarm ab und ließ den anderen stehen. Er ignorierte das bittere Gefühl in seinem Rachen, das die Erinnerung an Kais Kampf gegen ihn heraufbeschwor, während er den anderen auf halbem Weg zur Tanzfläche hinter sich ließ.

 

Kai sah, wie Yuriy seinen Blick einfing und sich zielstrebig in Bewegung setzte - zu ihm? Gedämpft drang Max' Anekdote über den Alltag als großer Bruder zu ihm durch, doch er konnte den Blick nicht abwenden. Dies gelang erst, als Mao und Gao in die Konversation stolperten, beide ein breites Grinsen im Gesicht, und Kai direkt ansprachen. Etwas unwillig löste er sich vom Anblick des Rotschopfes, nickte beiden Neuankömmlingen neutral zu.

"Ich konnte es erst nicht glauben, als Rei es mir erzählt hat", begann die Pinkhaarige, "aber jetzt ist es ja wohl amtlich."

Gao lächelte freundlich: "Glückwunsch. Wurde aber auch Zeit, hm? Man hat total gesehen, dass ihr aufeinander steht!"

Beide Teammitglieder prosteten ihm anerkennend zu.

Kai war nicht ganz klar war, wie oder was so einleuchtend in seiner und Yuriys bisherigen Laufbahn gewesen war, dass er und Yuriy zwangsläufig zusammen enden würden. 

"Was auch immer ihr damit sagen wollt, verstehe ich zwar nicht ganz, aber danke", brummte er.

"Wie, du verstehst das nicht? Liebe muss wirklich blind machen!"; wandte sich Mao an ihren Teamkollegen.

"Spätestens während der Weltmeisterschaft vor dem BEGA-Debakel war doch klar, dass zwischen euch was läuft!", bestätigte Gao gutmütig. "Man hat es euch einfach angesehen, dass ihr zusammengehört!"

Mao ergänzte mit einem enthusiastischen NIcken: "Du warst auch ganz schön fertig, als Garland Yuriy krankenhausreif geprügelt hat! Spätestens da hätte es bei dir auch Klick machen müssen."

Es war Kai ein Rätsel, wie die Sorge um einen Freund und ein Krankenhausbesuch, von dem eigentlich nur Daitenji-san wusste, wohl nur auf romantische Art ausgelegt werden konnte. Er musterte die beiden Mitglieder von Baihuzu leicht konsterniert, die sich - als sie bemerkten, dass er nicht plötzlich seine Persönlichkeit gewechselt hatte - auch bald wieder verabschiedeten. So schnell sie aufgetaucht waren, waren sie wieder verschwunden. Kai sah ihnen irritiert nach und ärgerte sich, dass er wegen ihnen Yuriy aus den Augen verloren hatte.

"Was sollte das denn?", brummte er duster und betrachtete seinen knallbunten Cocktail, den Takao ihm vorhin besorgt hatte. Dieser lehnte sich neben ihm an die Wand und zuckte mit den Schultern. 

"Sie freuen sich eben für dich!", erklärte er heiter.

Kai gestikulierte vage in Richtung der beiden Chinesen, die ihren Weg zu Rei gefunden hatten. "Ich habe Rei auch nicht zu seinem Stich gratuliert", murrte er. "Ich möchte wissen, wie Mao da aus der Wäsche geschaut hätte."

Takao und Max wechselten einen ratlosen Blick angesichts der Tirade. Kai schüttelte nur den Kopf und trank seinen Drink aus. "Vergesst' es einfach", murmelte er also.

 

Auf einmal tauchte  ein allzu vertrautes Gesicht in seinem Blickfeld auf. Kai spannte sich an, um nicht zu sehr durchscheinen zu lassen, wie er zusammenzuckte, und räusperte sich umständlich. 

"Hey", begrüßte er den Rotschopf, der sich lässig neben ihm gegen die Wand lehnte, nachdem er den Gruß erwidert hatte.

 "Ich hätte dich nie für ein Mauerblümchen gehalten, Hiwatari", erklärte er und ignorierte das Auflachen von Takao und Max neben sich, die ihrer Konversation wohl noch lauschten. Kai  zuckte mit den Schultern. 

"Nicht jeder kann ein Partylöwe sein wie du, Yura", erwiderte er. "Ich hab' dich mit Fernandez tanzen gesehen."

Yuriy löste sich leicht von der Mauer, um ihm einen Seitenblick zuzuwerfen. "Eifersüchtig?", stichelte er, was ihm nur ein Augenverdrehen erntete.

"Niemals", brummelte Kai und blickte Yuriy betont nicht an. Dieser ließ ein leises Lachen hören.

"Lass uns was trinken", schlug er dann vor. Kai nickte und winkte seinen beiden Teamkollegen zum Abschied.

"Keinen Alkohol mehr", erklärte der Silberhaarige und hob sein Glas, während er das Gesicht verzog. "Der Punsch, oder was auch immer das ist, schmeckt grausam." 

Er brauchte etwas Erfrischendes, Kühles. Es musste nicht mal etwas Alkoholisches sein - was Yuriy scheinbar auch gut vertragen könnte, denn er roch stark nach irgendeinem süßlichen Alkohol. Vielleicht Vodkashots? 

"Wer hat dich abgefüllt?"

Yuriy grinste ein gelöstes Grinsen. "Hiromi wollte mich unter den Tisch saufen!", erklärte er glücklich.

Kai hob amüsiert eine Augenbraue. "Hat sie gewonnen?"

"Sie hat ihre Shots an Borya weitergereicht.", erklärte der Rothaarige anklagend.

"Also zwei gegen einen?", stellte der Halbrusse amüsiert fest.

"Vollkommen unfair!", bestätigte Yuriy mit einem Nicken und sah dabei auf die Art niedlich aus, wie es nur betrunkene sein konnten. Kai wollte ihn an sich ziehen und nochmal kü-

Oh, fuck. Das war nicht gut.

 

Sie legten schweigend den Weg zur Bar zurück. Yuriy betrachtete ihn nachträglich von der Seite, während er dem Kellner über die schrillen Töne des laufenden Popsongs hinweg ihre Bestellung zubrüllte. Es dauerte nicht lange, da reichte Kai dem Rotschopf eine Flasche Wasser. Yuriy bedankte sich mit einem Nicken und lehnte sich an die Bar. Plötzlich stand Julia Fernandez vor ihnen, die Hände in die Hüften gestemmt und bedachte ihn und Kai mit einem argwöhnischen Blick.

"Ihr zwei seid zusammen?", rief sie über die Musik hinweg.

Yuriy runzelte die Stirn und nickte. "Und?", erwiderte er. 

Julia musterte ihn eindringlich, dann Kai. Schließlich warf sie die Hände in dei Höhe. "Ich hätte es wissen müssen, ihr zwei hattet schon nach der ganzen Sache mit BEGA nur Augen füreinander!", sie wandte sich aufgebracht ab.

Kai blinzelte irritiert, während sich Julias Rücken von ihnen entfernte. 

"Was war da los? Hast du sie abblitzen lassen?", fragte er amüsiert. Yuriy nickte. 

"Sie ist nicht mein Typ", erklärte er leichthin und zwinkerte seinem Gesprächspartner schelmisch zu. "Ich steh' mehr auf ... dich."

Er sagte es in einem scherzenden Tonfall, der sicher war, weil er sich notfalls darauf hinausretten konnte, einen Witz gemacht zu haben. Das sollte nicht notwendig sein, wie sich gleich zeigen würde. Kai lachte schnaubend. 

"Aber klar doch", gab er in demselben leichtfertigen Ton zurück. "Immerhin hast du mich vorhin vor versammelter Mannschaft geküsst."

Yuriy schwieg einen Moment lang, ehe er eine Hand auf Kais Unterarm legte und ihn ernst anblickte. "Wegen des Kusses", setzte er an. "Ist alles gut... zwischen uns? Ich weiß, das war nicht abgesprochen, aber die Gelegenheit war da und-"

"Klar", unterbrach ihn Kai und begegnete seinem Blick mit derselben Intensität von vorhin.

Yuriy räusperte sich umständlich. "Okay, cool." Er hoffte, ihm war die Erleichterung nicht zu sehr anzuhören.

 

"Moin ihr Töppe, was kocht?", unterbrach sie Boris in dem Moment, der mit einem Becher des grellbunt gefärbten Punsches in der einen und Hiromis Hand in der anderen neben ihnen auftauchte. Kai schlug sich mit der Hand auf die Stirn. 

"Ich hätte wissen sollen, dass er den dummen Spruch von dir hat!", rief er verzweifelt aus, was eine Reihe an Gelächter verursachte.

"Was, ihr trinkt ja kein Wässerchen", Boris schnupperte argwöhnisch an Yuriys Wasserflasche, trank einen Schluck und verzog den Mund. "Ihr müsst schon trinken, Männer!", forderte er dann. Yuriy und Kai wechselten einen Blick. 

"Lass uns uns unter die Leute mischen.", schlug Yuriy vor, während Boris sich quer über den Tresen legte, um dem Kellner eine Bestellung zuzubrüllen. "Bisschen... äh, wie sagt man so schön, präsentieren, zeigen was man hat?"

Kai hob eine Augenbraue. "Also Spaß haben? Du weißt, dass Takao und Max das schon seit Jahren versuchen und mich noch nie dazu gekriegt haben?"

Yuriys Augen funkelten schelmisch. "Die beiden sind ja auch nicht ich!"

 

 

Anfangs standen sie noch ein bisschen unschlüssig am Rand. Aber zu ihrem Glück spielte der DJ just in dem Moment "I'm sexy and I know it" von LMFAO und Yuriy hatte plötzlich dieses Blitzen in den Augen, das nur Unheil verheißen konnte. Kai öffnete gerade den Mund, um etwas zu sagen, da wirbelte er ihn schon herum, um ihn so in die Mitte der Tanzfläche zu bugsieren, wo es kein Entrinnen gab. 

"Oh bitte, kein Revival von Dotonbori", flehte er halbherzig; er hatte Warflashbacks von Boris in einem Leopardenstring.

"Nur ein bisschen", beruhigte Yuriy ihn. Kai fühlte sich dadurch nicht beruhigt. Yuriy schob sich eine imaginäre Sonnenbrille auf die Stirn, küsste seinen Bizeps und zog Kai an einem unsichtbaren Lasso zu sich. Kai versteckte sein Gesicht hinter vorgehaltenen Händen, spähte aber doch durch seine Finger hindurch. Er fragte sich unwillkürlich, ob er dieses Modell der Edition Fake-Freund nicht noch umtauschen konnte.

Als Yuriy dann auch noch anfing, im Takt der Musik seine Hüften zu kreisen und kraftvoll vor und zurück zu werfen, war es eh zu spät. Jetzt konnte er nur noch mitziehen, zu Yuriys und vor allem seiner eigenen Ehrenrettung. Er ließ sich von dem 'Lasso' einfangen und drehte sich leichtfüßig zu ihm, bis Yuriy ihn an der Hand zu sich zog und eindrehte, bis er an seiner Brust ankam. Sie sahen sich an, aber nur flüchtig, ehe Kai sich von ihm abdrückte. Er platzierte sich neben ihn, immer noch die lächerliche Melodie über ihren Köpfen. Gemeinsam gaben sie eine mehr schlecht als rechte Tanzversion des Videos wieder, indem sie nun rhythmisch ihre ihre Hüften kreisen ließen. Als der Song zu einem romantisierten Cover von Rihannas Umbrella wechselte, schnappte Yuriy sich Kai und legte seine Hand in seinem Rücken, um ihn fest gegen seinen Körper zu pressen. "Hey, was soll das?", protestierte dieser sogleich und stemmte die Beine trotzig in den Boden. "Wenn hier einer führt, dann ich!"

Yuriy hob spöttisch eine Augenbraue. Kai verdrehte die Augen und trat Yuriy auf den Fuß. Dieser gab einen Schmerzenslaut von sich. "Warum sollte ich dich führen lassen? Du kannst noch weniger tanzen als ich!", erwiderte er, womit er, zugegebenermaßen, nicht ganz Unrecht hatte. "Und wenn du mir nochmal auf die Füße steigst, heb ich dich hoch!"

"Das wagst du nicht!" Kai festigte seinen Griff an Yuriys Oberarm beinahe automatisch. Der Rotschopf grinste ihn auf eine Art an, die Unheil versprach. "Willst du das wirklich riskieren, Hiwatari?"

Kai tat, was er selten tat - er gab auf, weil er einsah, dass seine Proteste nicht beim anderen ankommen würden, und beschloss, stattdessen Spaß zu haben. Er und Yuriy tanzten durch ein Lied und noch ein zweites und schafften es, einen Wettbewerb daraus zu machen, wer die dümmsten Moves machen konnte. Anfangs sahen sie noch relativ koordiniert aus - soweit man einen Moonwalk koordiniert nennen konnte - aber bald übertrafen sie einander in übertriebenen Bewegungen. Diese wurden immer wilder.

 

"Siehst du, was ich auch sehe?!", fragte Takao, der seinen eigenen Augen nicht trauen wollte. Mitten auf der Tanzfläche sah er Yuriy UND Kai, die gemeinsam Dinge taten, zu denen er und Max Kai schon seit sie sich kennengelernt hatten zu überreden versuchten. Max wandte sich um und auch ihm fiel die Kinnlade herunter. Wortlos schlug er Manabu mehrmals auf die Schulter.

"Zwick mich mal, Chef - ich träume!"

"Was denn? Die beiden haben Spaß - und?!" 

"Kai und Spaß - das kannst du einfach nicht in einem Satz sagen!"

"Die einzige logische Erklärung ist: Aliens!", mischte Emily sich beschwipst in ihre Unterhaltung ein.

Takao konnte es einfach nicht fassen. Sein eingeschnappter Blick blieb den beiden Tanzenden allerdings verborgen.

 

Als Yuriy Kai aus Versehen gegen den Oberschenkel trat, legte dieser ihm einen Arm um die Hüfte und zog hin weg von der Tanzfläche. Der Rothaarige lehnte sich schwer atmend an ihn und legte einen Arm fast automatisch um seine Schultern. "Wohin gehen wir?", fragte er verwundert gegen Kais Ohr. Dieser ignorierte die Gänsehaut, die das bei ihm auslöste, gekonnt und starrte stur geradeaus in Richtung der Bar. "Ich brauch ne Pause!", verkündete er laut und bestellte zwei Flaschen Wasser, von denen er eine an Yuriy weiterreichte. Dieser nahm sie dankend entgegen und trank sie in einem Zug aus.

"Ist dir auch so heiß wie mir?", fragte Yuriy dann.

Kai nickte. "Viel zu heiß", bestätigte er.

Yuriy grinste verspielt. "Du solltest dich vielleicht ausziehen", schlug er vor und streichelte über Kais Arm, der inzwischen seine Hemdsärmel hochgekrempelt hatte.

Sein Fake-Date schnaubte. "Du hast sie doch nicht mehr alle. Zieh lieber dein Jackett aus, wenn dir heiß ist."

Yuriy starrte ihn kurz an, ehe er seinen Blazer betont langsam aufknöpfte. "Sag doch gleich, dass du mich ausziehen willst...", kokettierte er und ließ das Kleidungsstück lasziv von seinen Schultern rutschen. Trotz dieser Vorstellung konnte Kai ihn jetzt nicht ernst nehmen. Er lachte und schien zum ersten Mal seit dem Kuss unter dem Mistelzweig nicht mehr so angespannt zu sein. 

"Heb dir das für später auf", meinte er nur schmunzelnd und hängte Yuriys Jacke über einen Barhocker. Yuriy nickte, ein schelmisches Grinsen auf den Lippen.

"Hilfst du mir dann dabei?", fragte er und wackelte übertrieben mit den Augenbrauen. Dies lockte ein weiteres Lachen aus Kai heraus; in diesem Moment wollte Yuriy den Abend gar nicht enden lassen. Er stellte die leere Wasserflasche ab und bot Kai seine Hand an.

"Komm mit mir, mein Herz, und ich zeige dir die besten Moves, die du je gesehen hast." 

Kai wollte über den Kosenamen spotten, aber der Klumpen in seiner Brust machte bei dem Ton, mit dem Yuriy ihn aussprach, einen Hüpfer in seine Kehle und ließ kein Wort heraus. Also legte er einfach nur seine Hand in Yuriys und ließ sich von diesem - erneut - auf die Tanzfläche führen. 

Da gerade viele jüngere Tänzer ihren Füßen freien Lauf ließen, hatte der DJ eine Hip Hop-Phase und ließ einige Genre-verbundene Lieder spielen. Kais und Yuriys Stimmung war ausgelassen. Sie ließen sich auf das Genre ein und versuchten ein bisschen ernsthafter zu tanzen - mit fragwürdigem Erfolg. Yuriy sagte sich relativ schnell "Fuck it" und machte einen auf Fred Astaire für Arme.

 

"Das kann ich mir nicht mit ansehen", brummte Boris und deutete in Richtung seines Teamkapitäns.

Hiromi lachte. "Ach was, die beiden haben doch Spaß!", entgegnete sie. "Weißt du, ich habe Kai selten so gelöst gesehen. Yuriy tut ihm gut!"

Boris verzog das Gesicht und bereute es nicht zum ersten Mal, seine Freundin nicht in die Farce eingeweiht zu haben. "Die manövrieren sich ganz schön in was rein", prophezeite er duster. Er überging Hiromis überraschten Blick und drückte seiner Freundin anstelle einer weiteren Erklärung sein Bier in die Hand. "Fängst du bitte gleich mein Jacket?"

"Dein Jacket fang- Wieso, was hast du vor?"

Hiromi erhielt keine Antwort und musste sich beeilen, Boris zu folgen, falls sie erfahren wollte, was dessen Plan war.

 

Yuriy drehte sich ausgelassen, machte einen Schritt zurück, um plötzlich gegen einen Widerstand zu treffen: eine muskelbepackte, harte Brust. Er sah ein paar Zentimeter hinauf in das Gesicht des Besitzers dieses Muskelberges und wusste doch schon längst, wen er vor sich hatte. Boris grinste ihn an, die Herausforderung in seinem Blick eindeutig.

Mit einer Wellenbewegung seines gesamten Oberkörpers brachte Boris Abstand zwischen sich und seinen besten Freund. Mit rhythmischen Schritten zog er eine Linie auf der Tanzfläche, um Platz für sich und seine Performance zu machen. Drei Crisscross-Bounces und vor allem maskuline Drohgebärden sorgten für die nötige Aufmerksamkeit. Yuriy hob belustigt die Augenbraue. Er sprang ihm entgegen, legte einen Arm in seinen Nacken und ließ sich im Takt der Musik hüftschwenkend sinken, was von Gejohle einiger Umstehender kommentiert wurde, die das gemeinsame Tanzen der beiden im ersten Durchgang noch nicht gesehen hatten. Boris schüttelte den Kopf, hob den Zeigefinger und stupste ihn weg, zurück in Richtung Kai. Herausfordernd reckte er sein Kinn, um mit schnellen Schritten Abstand zu nehmen. Er schien in der Musik zu schweben, rutschte auf den Knien ("Dein Anzug!", rief Hiromi schrill) über den Boden, den Rücken weit durchgedrückt, hob und senkte seine Hüfte. Aufreizend zog er er seinen Blazer aus. Kai warf einen Seitenblick zu Yuriy, weil ihm die Geste seltsam bekannt vorkam. 

"Da hast du dir das also abgeschaut", stichelte er, doch Yuriys Aufmerksamkeit war auf seinen besten Freund gerichtet. Mit einem Sprung war Boris aus der liegenden Position wieder auf die Beine gesprungen, warf dabei in einer fließenden Bewegung das Jackett zu seiner Freundin, die es unter anfeuernden Rufen ihrer Freunde fing. 

Yuriy ließ das nicht auf sich sitzen. Er wollte schon Kai mit sich ziehen, doch dieser schüttelte seine Hand ab, da er sich eigentlich aus diesem Dance Off heraushalten wollte. Also wackelte Yuriy alleine mit runden Schritten auf Boris zu. Mit provokanten Bounces näherte er sich ihm, führte einen Crisscross aus, den er sich ebenfalls bei Boris abgeschaut hatte.

 

"Alter, was ist mit denen? Das hätte ich ihnen nie zugetraut!"

Wie aus dem nichts war Takao neben Kai aufgetaucht, der ihm freundlich auf die Schultern klopfte. "Und du hast dich auch nicht so schlecht geschlagen! Warum hast du das nie mit uns gemacht?"

Kai zuckte mit den Schultern, den Blick auf Yuriy geheftet. "Ihr seid nicht Yuriy", gab er unbekümmert zurück.

 

Anerkennend nickte Boris, rief jeodch mit einer siegessicheren Miene Yuriy zu: "It's my time to shine, bitches!"

Boris ließ keinen Zweifel zu, dass er auch andere Talente hatte. Er krempelte die Ärmel seines Hemdes nach oben und wartete einen Moment auf den richtigen Flow der Musik, bevor er die Arme voreinander kreuzte. Dabei schlug er seine Absätze zusammen, sprang aus dem Stand in einen bodennahen Handstand, dem eine Bodenwelle folgte. Mit einer Drehung um sich selbst auf dem Boden landete er auf seinen Knien und ging in die Hocke. Von dort wiederholte er einen Wechselsprung zwischen gestrecktem und angewinkeltem Bein aus der Hocke - die Prisjadka, ein eindeutiges Element aus dem Kosakentanz.

Die Umstehenden gröhlten. Yuriy zog seinen imaginären Hut vor ihm und verneigte sich großzügig. Boris winkte Hiromi und stellte sich bereit, als wollte er sie auffangen - wie in der Szene aus Dirty Dancing. Aber seine Freundin zeigte ihm den Vogel. Boris zog ein leidendes Gesicht und bildete mit den Händen ein zerbrechendes Herz, und als auch das nicht half, ließ er seine Brust so zucken, dass es aussah wie der Herzschlag in einem Cartoon. Hiromi seufzte nachgiebig - sie war nie wirklich genervt gewesen - und kam auf Boris zu, um ihn zu küssen. Diesmal beschwerte sie sich nicht wegen des Lippenstifts. 

Damit hatte nun das andere Pärchen die Aufmerksamkeit auf sich. Der Dance Off war entschieden und Yuriy legte Kai den Arm um die Schulter. Er war wieder außer Atem und nahm dankbar die halb volle Wasserflasche entgegen, die Kai ihm anbot. 

"Ich kann nicht glauben, dass du das grad wirklich gemacht hast", bemerkte Kai, mit vielleicht einer klitzekleinen Spur Stolz in der Stimme.

"Wir wären die Stars der Tanzfläche gewesen, wenn du dich nicht verweigert hättest", verkündete Yuriy. "Boris, der alte Angeber, hätte alt ausgesehen." 

"Sollen wir dem Punschgesöff noch eine Chance geben?", fragte Yuriy dann, entspannt und gelöst und glücklich.Er rieb kurz seine Wange an Kais Kopf, verweilte mit den Lippen an seinem Haar, halb ein Lächeln und halb ein Kuss. Er fing aus den Augenwinkeln Takaos Blick ein, der ihm einen Daumen hoch und ein Grinsen präsentierte.

"Wenn du dich traust - ich muss eben wohin", entschuldigte sich Kai und deutete in Richtung der Toiletten. Yuriy nickte ihm lächelnd zu und wartete sogar noch einen Moment, bis Kai in der Menge verschwunden war, bevor er sich zum Punsch aufmachte. Er genoss das Gefühl von Leichtigkeit und den Luxus, Kai ohne Weiteres zu berühren. Alles fühlte sich so einfach an - Yuriy hatte vergessen, dass Kai und er nicht wirklich zusammen waren, zumindest für einen Moment. Er hielt mitten in der Bewegung inne.

Oh, fuck. Längst war der Schein zum Sein geworden, ohne dass er es gemerkt hatte. 

 

Etwas später kehrte Kai von seinem Toilettengang zur Party zurück. Noch immer etwas atemlos schlich er am Rand der Tanzfläche entlang. Auf der Suche nach Yuriy blickte er in Richtung der Bar, wo der Punsch ausgeschenkt wurde. Bei der Gelegenheit schien er auch sein Jackett wieder an sich genommen zu haben. Kai blies sich eine Strähne aus der Stirn und beobachtete, wie der Rotschopf zwei Tassen vom Kellner übernahm. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Ihre Blicke trafen sich als Yuriy sich umdrehte und der Teamkapitän des Teams Neoborg lächelte ihn an, offen und glücklich und- 

Mit einem Mal spürte Kai seinen Herzschlag überdeutlich, der ein Ziehen quer durch seinen Körper blitzen ließ. Seine Brust wurde von einer plötzlichen Wärme erfüllt, die sich rasch ausbreitete, und ihm wurde auf einmal bewusst, wie verdammt echt sich ihre vorgespielte Beziehung anfühlte. Fuck, er hatte ihre Abmachung während der letzten Stunden komplett vergessen. 

"Scheiße ..."

Er beobachtete, wie Yuriy die Bar hinter sich ließ und am Rande der Tanzfläche in seine Richtung durchkämpfte. Kai schlug das Herz bis zum Hals; Panik breitete sich in ihm aus. Fuck. Die Wärme wich einem Knoten, der sich schmerzhaft in seiner Magengegend zusammenzog. Er musste hier weg!

 

Jemand rempelte ihn von der Seite an, und Yuriy verlor Kai für einen kurzen Moment aus den Augen. Dieser Moment reichte, dass er ihn nicht mehr dort fand, wo Kai noch eben gestanden hatte - es war beinahe wie zu Beginn des Abends, als Kai das plötzliche Halbdunkel genutzt hatte, um aus seiner Reichweite zu verschwinden. Verwirrt sah der Rotschopf sich um und rief Kais Namen, aber er war wie vom Erdboden verschluckt.

Immerhin konnte er einen bekannten, markanten Irokesen in der Menschenmasse ausmachen. Wie immer, wenn er Probleme hatte, wandte er sich an seinen besten Freund. "Hey, du Tanzkönig. Hast du Kai gesehen?"

Boris, den seine Freundin wohl momentan auch verlassen hatte, musterte Yuriy prüfend. "Was hast du angestellt?!" 

"Nichts!", beteuerte Yuriy und drückte Boris eines der Gläser Punsch in die Hand. "Du hast doch gesehen, dass wir Spaß hatten! Und dann sollte ich Punsch holen, und er ist kurz raus und- Borya, ich versteh das nicht, ich hab ihn doch eben noch gesehen und jetzt ist er weg!"

"Mach dich mal locker, Yura", beschwichtigte Boris den Redeschwall seines besten Freundes. "Vielleicht ist er nurz kurz raus?"

Yuriy hob ahnungslos die Schultern. "Fuck, was, wenn ich es verkackt hab?", murmelte er und fuhr sich aufgebracht durchs Haar.

Boris verdrehte die Augen. "Du bist eine Dramaqueen, Yura. Warum solltest du es verkackt haben?"

"Ich-", Yuriy brach den Satz, den er beginnen wollte, ab und suchte mit einem unglücklichen Gesichtsausdruck nach Worten. "Borya, es war alles so fucking einfach, ich hab total vergessen, dass wir nicht richtig zusammen sind."

 

"Was?", kam es plötzlich von schräg hinter Yuriy. Dieser sah über die Schulter und erblickte Hiromi, die die Hände in die Hüften stemmte. "Dieser Ficker", murmelte sie, halb zu sich, ehe sie Yuriy anblickte und erklärte: "Mit Kai hab' ich ein Hühnchen zu rupfen. So einen kindischen Move hätte ich ihm niemals zugetraut."

Ehe Yuriy etwas erwidern konnte, hatte sie sich umgedreht und war davonmarschiert. Der Rotschopf sah verdutzt zu seinem besten Freund, der mit den Schultern zuckte. "Ich hab's dir mehrmals gesagt, dass die Aktion in die Hosen gehen wird. Du hast es mir nicht geglaubt", gab er neutral von sich.

Yuriy gab einen frustrierten Laut von sich. "Bist du ein fucking Orakel?"

"Wer von uns sagt denn immer 'fake it till you make it'?! Zumindest sah alles, was ihr heute Abend gemacht habt, sehr echt aus. Wenn es dich tröstet, glaube ich, dass es Kai ähnlich geht wie dir."

"Weil du jetzt nicht nur Orakel bist, sondern auch Kai-Exeget?", Yuriy schnaubte abfällig. "Wir sind nicht zusammen und ich glaub nicht, dass Kai das anders haben will. Ich weiß' ja nicht mal, wieso ich überhaupt dem ganzen Mist zugestimmt hab."

Boris sah ihn von der Seite her an. "Sicher nicht? Für mich sah das so aus, als wärst du recht verzweifelt verknallt."

Yuriy schüttelte den Kopf, wie um einen lästigen Gedanken zu verdrängen, und stierte den Silberhaarigen böse an. "Fick dich, Borya", knurrte er. Nach einem Moment fügte er hinzu, leiser und vielleicht etwas unglücklicher als ihm lieb war: "Nach heute ist es ohnehin vorbei, Kai ist mich los, und gut ist."

 

23:11

Kai: Wir können so nicht weitermachen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  kylara_hiku_Lamore
2021-01-04T19:52:42+00:00 04.01.2021 20:52
O.O Kai mit Fliege und Hosenträger! Also ehrlich yuriy schaut gegen ihn wirklich voll cool aus! ( ich persönlich finde Hosenträger nur cool wenn sie an der seite runter hängen . =))

Wo hast du diesen Spruch eigendlich her?? Er ist irgendwie zu einem Markenzeichen dieser Story geworden!

Ich finde es total toll dass alle irgend wie wissen dass die beiden auf einander stehen nur sie selbst nicht! XD aber gut dass sie das ja langsam zu bemerken scheinen!

Und action ich wußte ja nicht dass Boris so gut tanzen kann! Und wie du Hilary da mit einbaust finde ich einfach nur fabelhaft!
Ich weiß vor lauter emotionsschwankung gerade nicht ob das Ende für mich jetzt einfach nur traurig ist oder doch eher so OMG was ist da gerade alles passiert???

Ich hoffe doch es gibt ein happy end!
Antwort von:  FreeWolf
10.01.2021 23:44
Kai mit Fliege und Hosenträger ist mein persönlicher kink <D

Den Spruch mit den Töppen hat die liebe Mitternachtsblick geprägt, glaube ich - aber so ganz genau kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich habe jedenfalls sehr gelacht und deswegen musste es in die Fic. :D

Boris als Tanzbär ist ganz Larkas Schuld! :D Sie hat ein paar tolle Tanzszenen in "Love despite" drin, und ich bin beim gemeinsamen Schreiben dagesessen und war sehr glücklich ihr zuzusehen, wie sie zaubert! :)

Danke für deinen lieben Kommentar!!
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
14.01.2021 20:29
ABER DU MUSST DIR DAS MIT HOSENTRÄGER UND FLIEGE IN COOL VORSTELLEN!!
XD
Ja, das mit dem Spruch war mal ein Comic irgendwo und wir haben den adaptiert, wie Wolfi sagt. Wurde dann zu nem geflügelten Wort und Running Gag in dieser Geschichte ^^°

hehe, ja, das war so eine typische Trope für den Prompt, dieses "friends to lovers" ohne, dass sie es selbst von einander wissen. Manchmal ist Klischees bedienen toll :D
Ich freue mich übrigens sehr, dass wir dir Emotionsschwankungen bereitet haben :D Danke für deinen Kommentar.
Von:  Phoenix-of-Darkness
2020-12-30T19:50:21+00:00 30.12.2020 20:50
So viele Gefühle:
🤩❤😅🤣😥😱😭
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
30.12.2020 20:56
ich hab jetzt herzlich gelacht. die Emoji-zusammenfassung beschreibt es sehr gut, so hab ich mich beim Schreiben auch gefühlt!
(und ewnn man das zusammen mit jemandem schreibt, dann überrascht man sich gegenseitig, also umso mehr fühls wie deine XD)
Antwort von:  FreeWolf
02.01.2021 22:22
ich finde die Emojis sehr perfekt :D danke dir für diesen Einblick in die Fühls!! <3
Antwort von:  FreeWolf
02.01.2021 22:23
UND OH GOTT JA ICH HATTE BEIM SCHREIBEN SO HART VIELE FÜHLS
Antwort von:  Phoenix-of-Darkness
03.01.2021 08:10
Ich konnte es nicht anders beschreiben...ich war überrannt von Fühls 😅


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