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Kapitel 13

Kapitel 13

 

Ich starre dem Mafiaboss in seine kalten Augen. Meine verschränkten Hände verkrampfen sich mit jeder Minute mehr, die wir schweigend an der Tafel sitzen. 

Nach den Ereignissen in der 19ten sind wir zurück zu Victors Villa gefahren. Kurz nach unserer Ankunft wurde ich in das Esszimmer gebracht, mit der Begründung, dass Victor mit mir essen will. Jetzt sitze ich ihm gegenüber – zwischen uns eine geschätzt zehn Meter lange Tafel. Viele unangerührte Teller, Gläser und Weinflaschen stehen auf dem Tisch. Die teuren Speisen – von Pasta über feine Suppen mit edlen Garnierungen, bis zu zarten Filets – dampfen vor sich hin. Obwohl wir zu zweit sind, ist die gesamte Tafel mit Essen gefüllt, ganz ohne Grenzen.

»Willst du mich für eine weitere Viertelstunde böse angucken, oder können wir mit dem Abendessen beginnen?«, durchbricht Victor die Stille, als es ihm wohl zu langweilig wird, Blicke auszutauschen.

Ich verziehe das Gesicht. »Mir wird schlecht, wenn ich diese ganze Verschwendung sehe. Kennst du überhaupt Grenzen?«

»Es existieren nur die Grenzen, die ich setze.«

»Ah, hab mich geirrt. Mir wird schlecht, wenn ich dich sehe.« Ich lege den Kopf schief. Victor leckt sich gereizt über seine Lippen. Bevor er etwas erwidern kann, meine ich: »Willst du dich mit dem ganzen Essen entschuldigen? Denkst du, ich falle dir um den Hals, weil ich satt und glücklich bin?«

»Wofür sollte ich mich entschuldigen?« Victor greift zur Sitzfläche eines angrenzenden Stuhls. Zum Vorschein kommt die Pralinenschachtel, die ich ihm geschenkt habe. Er stellt sie vor sich auf seinen leeren Teller, dann beginnt er am Klebestreifen zu morkeln.

»Vielleicht, weil du dein Versprechen gebrochen hast? Vielleicht, weil du mich all diese schlimmen Dinge hast mitansehen lassen?« Ich balle die Fäuste. 

Victor scheint es nicht mal für nötig zu halten, mich anzuschauen. Er werkelt lieber an der Pralinenschachtel herum, bis er den Klebestreifen abzieht. Während er die Süßigkeitenverpackung öffnet, meint er nebenbei: »Du solltest im Auto warten. Hoffentlich war es eine gute Lehre, was passiert, wenn man meine Anweisungen missachtet.«

Diesmal bin ich es, der mit den Zähnen fletscht. Victor legt den Deckel der Pralinen beiseite. Dann nimmt er eine der Billigschokoladen und lässt sie langsam in seinen Mund gleiten. Mit einem seichten Schmunzeln stützt er sich auf seine Hand. Genüsslich kauend mustert er mich. »Schau, es war dir doch so wichtig, dass ich sie esse.« Victor öffnet den Mund, als will er mir beweisen, dass er brav aufgegessen hat.

»Was ist mit meinen Vorgängern passiert?«, frage ich aus dem Nichts heraus. Weil Victor die Augenbrauen hochzieht, füge ich an: »Ich bin nicht der Erste, den du für deine Spielchen hast entführen lassen. Wie viele waren vor mir hier und was ist mit ihnen geschehen?«

Victor isst eine zweite Praline. Dann lehnt er sich zurück. »Fragst du, weil du wirklich eine Antwort willst, oder weil du ein paar zuckersüße Ausreden hören möchtest?«

»Die Wahrheit… und nichts als die Wahrheit.«

Eine dritte Praline folgt in seinen Mund. Dafür, dass mein Geschenk so billig war, scheint es ihm zu schmecken. Oder er stopft sie sich aus Frust hinein.

Dann überkommt mich ein Schauer. Denn Victor antwortet auf meine Frage: »Sie sind tot.«

»Tot…?«, hauche ich, als hätte ich mir vorher nicht schon sowas in der Art gedacht. »Wie viele waren es?«

»Sieben… acht… ich habe nicht Buch darüber geführt.«

»Und alle hast du… umgebracht?«

Jetzt finden Victors Augen zu mir. Sein aufmerksamer Blick lässt mich schlucken. »Sie haben mich betrogen.«

»In welcher Form? Was ist ein Betrug für dich? Ist es Betrug, sich aus Angst um sein Leben zu verstecken, wie der Mann vorhin? Ist es Betrug für dich, wenn du angezweifelt wirst? Ist es Betrug, wenn ich nicht mehr bei dir sein will? Bringst du mich auch um, wenn ich deinen Wünschen nicht mehr entspreche?«, rede ich mich in Rage. Mein Herz beginnt zu rasen.

»Selbstverständlich«, erwidert Victor emotionslos, als würde es ihn nicht im Geringsten rühren, würde er mich jetzt, hier auf der Stelle erschießen. Als wäre er nicht für eine Sekunde traurig, würde ich nicht mehr leben.

Ich unterbreche unseren Blickkontakt. Dafür fasse ich mir an meine Brust, die sich für einen Moment so anfühlt, als hätte man mit einer Nadel durch meine Haut gestochen. Warum hat er das gesagt? Ist das sein verdammter Ernst? Bei ihm ist nichts, rein gar nichts? Nicht das letzte Bisschen Bedauern? So sieht er mich?

»Ich bedeute dir absolut gar nichts?«, kann ich mich nicht abhalten zu fauchen, als es aus mir herausplatzt.

Einen Atemzug lang weiten sich Victors Augen – ich kann es erkennen, auch wenn es nur minimal ist. Dann huscht sein Blick durch den Raum und er rutscht auf seinem Stuhl herum. Zumindest bis er sich wieder nach hinten lehnt. Seine Augen finden zurück zu mir. »Das heißt nicht, dass ich dich gerne tot sehen will. Mir wäre es lieber, wenn wir noch ein paar intime Stunden verbringen würden, bevor du dich entschließt, mich zu verlassen.«

»Sie hatte recht.« Entrüstet schüttele ich den Kopf. »Du bist ein Monster.«

»Ein Monster?«, lacht Victor kalt auf. Er nascht sogleich eine weitere Praline. Diesmal tippt er aber mit dem Fingernagel auf der Papierschachtel. 

Ich zucke zusammen, als er plötzlich aufspringt und seine Handflächen auf den Tisch knallt, sodass alles darauf zu wackeln beginnt. Er löst sich von seinem Platz, um mit langen Schritten auf mich zuzukommen. Jeden Meter, den er sich mir nährt, drücke ich mich weiter nach hinten gegen die Lehne.

»Du findest also, dass ich ein Monster bin, ja?« Victor bleibt neben mir stehen. Er packt meinen Stuhl. Mit einem kräftigen Ruck dreht er mich von der Tafel weg. Dann stützt er sich auf meine Armlehnen, beugt sich zu mir herunter, sodass kaum eine Hand mehr zwischen uns passt. Mein Herz rast, diesmal vor Unsicherheit. Victor verengt die Augen. »Ein Monster bin ich also… Gut, dann lass mich ein richtiges Monster sein.«

Ich weiß gar nicht wie mir geschieht, da küsst mich Victor einfach. Obwohl ich mich mit ganzer Kraft gegen seine Schultern stemme, versage ich dabei, ihn wegzudrücken. Seine Zunge leckt über meine Lippen. Als ich sie ihm nicht öffne, packt er grob mein Kiefer und drückt so fest zu, dass mir keine andere Wahl bleibt, als meinen Mund zu öffnen. Victors Zunge dringt in mich ein. Ich versuche mich aus seinem Griff zu winden, doch er lässt mich erst los, als ich seinen Arm von mir reiße. Keuchend wende ich mich zur Seite. Mit dem Handrücken wische ich mir über meine feuchten Mundwinkeln. Anschließend hole ich aus und schlage Victors so hart ins Gesicht, dass sein Kopf zur Seite fliegt.

»Widerliches Arschloch«, raune ich. »Du bist durch und durch ein ekelhaftes, krankes Monster.«

Anstatt auf mich einzugehen, fängt mich Victor erneut in einem Kuss ein. Er presst meine Handgelenke auf die Lehnen, während er sein Knie zwischen meine Beine auf den Sitz drängt. Seine Lippen lösen sich von meinen. Dafür schleichen sie mein Kinn hinab zu meinem Hals, an dem sie sich festsaugen.

»Victor! Hör auf! Lass mich los!«, schreie ich. Meine Versuche nach ihm zu treten, gehen geradewegs ins Leere. »Ich habe gesagt, du sollst mich loslassen!«

Gerade bin ich dabei, mir im Klaren zu werden, was passieren wird, wenn Victor mich tatsächlich weiter anfassen würde, da verringert sich auf einmal der Druck an meinen Handgelenken. Victor löst sich von mir, um sich ein Stück hochzustemmen. Überrascht blicke ich ihm in die Augen. Er blinzelt mehrmals, als würde seine Sicht verschwimmen. Dann taumelt er sogar ein Stück zurück.

»V-Victor…?«, frage ich überfordert.

Er stützt sich an der Tischkante ab. Seine Finger, die eben noch meine Handgelenke gehalten haben, finden jetzt an seinen Hals. Er beginnt angestrengt zu husten.

»I-Ist alles okay?«, frage ich, obwohl ich ganz eindeutige sehe, dass nichts okay ist. Den Schock von Victors Übergriff habe ich gerade völlig verdrängt. Fast hat es den Anschein, als bekäme er keine Luft mehr. Deshalb stehe ich auf, um zu ihm zu treten. Ich fange seinen Blick ein. »Was hast du?« 

Victor kneift die Augen zusammen. Atemlos keucht er: »Was war in der… Schokolade… Was…« Weiter kommt er nicht. Denn seine Beine geben nach, weshalb er auf die Knie geht. Ich folge ihm mit rasendem Herz nach unten, packe ihn an den Schultern. Gerade rechtzeitig – Victors Röcheln verstummt, als er gegen mich fällt. Notgedrungen halte ich seinen schweren Oberkörper, der mich selbst fast umkippen lässt.

»Victor!« Ruckeln an seinen Schultern bringt nichts. »Sag was, komm schon!« Tätscheln seiner Wangen zeigt keine Wirkung. »Was ist los? Bitte! Victor!«

Von dem ohnmächtigen Körper kommt keine Regung. Deshalb sehe ich mich verzweifelt im Raum um. Weil ich nichts erkenne, das mir helfen könnte, rufe ich so laut, dass man mich in den Fluren hören kann: »Hey! Ich brauche Hilfe! Hey!«

Lange lassen Victors zweite Schatten nicht auf sich warten. Adrian öffnet die Tür des Speisesaals. Als er mich mit dem bewusstlosen Victor am Boden sitzen sieht, stürmt er direkt herbei und nimmt mir den schweren Körper ab. »Was ist passiert?«, fragt er alarmiert, prüft den Puls seinen Bosses mit zwei Fingern.

Auch Elliot kommt wenige Augenblicke später herbeigeeilt. Doch dieser geht anders als sein Vorgänger, direkt auf mich los. Er zieht mich am Kragen hoch, um mich schmerzhaft fest gegen die Tischkante zu pressen. Seine Stimme ist beinahe tödlicher, als sein Blick, der mich zu durchbohren versucht: »Was hast du kleiner Drecksack mit dem Boss gemacht, hä? Wenn du ihn vergiftet hast, dann verspreche ich dir, werde ich dich wünschen lassen, an deinem Gift verreckt zu sein!«

»Elliot, hilf mir gefälligst!«, brüllte Adrian, der gerade dabei ist, Victors Arm über seine Schultern zu legen, um ihn hochhieven zu können. Böse knurrt Elliot mich an, dann lässt er mich los. Er legt sich Victors anderen Arm um die Schultern. Gemeinsam tragen die beiden unter ihren bewusstlosen Boss aus dem Speisesaal. 

 

Als die Tür zu meinem Schlafzimmer geöffnet wird, springe ich vom Sofa auf. Seit anderthalb Stunden bin ich schon in diesem Raum eingeschlossen. Nachdem Victor zusammengebrochen war, hatten Adrian und Elliot ihn in sein Zimmer gebracht und ihren Arzt kontaktiert. Weil sie wohl tatsächlich befürchteten, dass ich etwas mit Victors Zusammenbruch zu tun habe, sperrten sie mich hier ein. Dann hat das lange Warten begonnen, in dem ich die ganze Zeit ungewiss blieb, wie es Victor ging. 

Adrian tritt in den Raum. »Mr Carter, es tut mir leid, dass wir Sie hier festhalten mussten, aber diese Maßnahme galt nur zur Vorsorge. Wenn Sie möchten, können Sie jetzt zum Boss.«

Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Mein Herz hämmert, als ich Adrian zu Victors Schlafzimmer folge. Kaum betrete ich den Raum, schnellen meine Augen auf Victor. Er liegt zugedeckt in seinem Bett. Im Gegensatz zu vorhin, trägt er keine Anzugsjacke, sondern ein lockeres T-Shirt. Schweiß glänzt auf seiner Stirn. Zudem prangt ein Verband an seinem rechten Am über der Wunde von unserem zweiten Treffen. Hinter dem Bett steht Elliot, die Arme verschränkt und die mörderisch funkelnden Augen auf mich gerichtet. Vor dem Bett sitzt ein unbekannter Mann, den ich anhand seines weißen Kittels als Arzt zuordne. Als er uns bemerkt, zieht er das Stethoskop aus seinen Ohren, um sich zu mir zu drehen. Dann lächelt er schief.

»Wie geht es ihm?« Ich laufe zum Bett, kniee mich daneben. Vorsichtig streiche ich Victor eine Strähne aus dem Gesicht.

»Das ist Mr Carter, von dem wir dir vorhin erzählt haben«, stellt mich Adrian dem Arzt vor. Dann zeigt er auf den jungen Mann mit den schmalen Augenbrauen. »Das ist Mr Lessiko Foot, der begabteste Arzt in unseren Reihen.«

»Der sich für zwei Wochen ins Ausland verzogen hat«, wirft Elliot abfällig ein. 

Lessiko, wie der Arzt zu hießen schien, kratzt sich verlegen am Hinterkopf. Unter seinen Augen liegen dunkle Schatten, als hätte er seit Wochen nicht richtig geschlafen. Seine blasse Haut wirkt im Kontrast dazu kränklich. Selbst seine wirren blonden Haare scheinen wie ausgebleicht. »I-Ich musste doch den Stoff für m-mein neues Experiment besorgen, ahaha…«, leiert Lessiko dösig, als wäre er angeschwipst.

»Stoff? Mein Arsch! Der Boss war verwundet, du irrer Psychopath! Er sollte dich auseinandernehmen!«, erwidert Elliot zähneknirschend.

Um wieder zum eigentlichen Thema zurückzukehren, erklärt mir Adrian ruhig: »Bitte verzeihen Sie, Mr Carter, dass wir angenommen haben, sie hätten dem Boss Schaden zugefügt. Aber Sie verstehen sicher, dass wir zu jeder Zeit auf alles gefasst sein und jeden kleinen Verdacht ernst nehmen müssen.«

Ich atme tief durch. »Was war denn mit Victor?«

»Ein anaphylaktischer Schock«, antwortet Lessiko. Er verstaut seine medizinischen Instrumente in einer Klapp-Tasche, die er gegen seinen Oberkörper drückt. »Eine allergische Reaktion. D-Dabei hat er die Nuss-Allergie schon seit seiner Kindheit… glaub ich.«

»Nuss…«, hauche ich, als mir klar wird, dass ich wohl die Schuld an Victors Zusammenbruch trage. Ich beiße mir fest auf die Lippe. »E-Es kann sein, dass… in der Schokolade, die ich ihm geschenkt habe… also ich weiß nicht… das ist eine Vermutung. Ich habe nicht nachgesehen…«

»Du kleiner Wichser!«, brüllt Elliot, sodass ich zusammenzucke. Er will über das Bett nach mir greifen, aber Adrian ist schnell bei ihm, um ihn zurückzuzerren. »Der Boss hätte sterben können, ist dir das klar? Ich bin dafür, dass wir ihn auf der Stelle beseitigen! Nachher ist der noch ein Agent vom Carlos Clan! Ich sag’s euch! Aber es hört ja nie jemand auf mich!«

Meine Schultern sacken aufgrund der wüsten Beschuldigungen ein. Elliot reißt sich von Adrian los. Mit einem Zungenschnalzen dreht er den Kopf zur Seite. Ich beuge mich über Victor, um in sein feuchtes Gesicht zu sehen. Er hätte sterben können… wegen mir?

»Du hast… ha… schöne Hände…«

Verwirrt blicke ich zu Lessiko auf. Sein Lächeln wirkt abwesend. Er zieht die Ärmel seines Kittels über seine Hände, die in weißen Handschuhen stecken. »Meine sind richtig hässlich, ha… ahahaha…«

Aus Instinkt ziehe ich meine Hände vom Bett herunter. Dann rutsche ich einen halben Meter von ihm weg. Wenn ich nicht gesagt bekommen hätte, dass dieser Mann ein ernstzunehmender Arzt sein soll, würde ich gleich eine weiteres Stück vor ihm fliehen. Der hat nicht mehr alle Latten am Zaun. Das sind alles kriminelle Irre, was habe ich erwartet?, schießt es mir durch den Kopf. 

»Du machst ihm Angst«, mahnt Adrian den jungen Arzt.

Dieser sieht endlich weg. »T-Tut mir leid. Das s-sagen… ahaha… die meisten…« Jetzt späht er wieder flüchtig zu mir. »Sie sagen, dass ich verrückt bin… ahaha… lustig.«

Ein verunsichertes Schmunzeln huscht über meine Lippen, obwohl ich mich am liebsten vor dem seltsamen Typen verkrümelt hätte.

Plötzlich vernehme ich ein Husten. Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden legt sich auf Victor, der träge seine Augen öffnet. Er sieht sich im Raum um, bis sein Blick an mir hängenbleibt. Mein Herz setzt einen Sprung aus.

»Was ist geschehen?«

»Du hattest einen ana… anapyl… einen allergischen Schock wegen Nüssen«, komme ich den anderen mit Erklären zuvor.

Victor wischt sich hustend über die Stirn. »Was ist das hier? Habe ich was zu verschenken? Oder warum beobachten mich vier Mann in meinem Schlafzimmer? Raus, sofort!« Er wedelt auffordernd Richtung Tür.

Auf sein Kommando setzen sich alle schweigsam in Bewegung. Gerade will ich erleichtert ausatmen, weil ich Victor heute nicht mehr sehen muss, da ruft er mir hinterher: »Du bleibst hier, Jesse.«

Ich beiße mir auf die Lippe. Anschließen gehe ich die drei Meter zu Victors Bett zurück.

»Lessiko« Angesprochener, der eben die Tür hinter sich schließen wollte, zuckt zusammen. Wahrscheinlich hat er dieselbe Hoffnung gehegt, seinem Boss nicht mehr gegenübertreten zu müssen. Victor raunt dunkel zu dem jungen Arzt: »Wir sprechen uns morgen.«

Lessiko nickt beklemmt, bevor er diesmal wirklich die Tür schließt. Nun sind Victor und ich ganz alleine. Weil ich vor seinem Bett stehe bin ich um einiges größer als er – eine ganz ungewohnte Art Victor anzuschauen.

»Bist du enttäuscht?« Er legt einen Arm unter den Kopf.

Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. »Warum?«

»Fast hätte mich deine Schokolade erwischt. Leider hast du es nicht geschafft, mich mit diese einmaligen Chance umzubringen«, lacht er bitter.

Entsetzt balle ich die Fäuste. »Du glaubst, ich würde mir wünschen, dass du stirbst?«

»Tust du nicht?« Victor mustert mich von den Knien bis zu meinem Ansatz. »Du bist ein Gefangener in meinem Haus, sagst selbst, dass ich ein Monster bin, das dir schlimme Dinge angetan hat und willst trotzdem nicht, dass ich sterbe?«

»Natürlich nicht!«, platzt es aus mir heraus. Ich stemme mich auf die Matratze, um Victor so nahe zu kommen, dass ich sogar das Weiten seiner Pupillen wahrnehme. »Nicht jeder ist so ein schreckliches Monster wie du. Du hast dich an mir vergriffen. Du hast mir schlimme Dinge gezeigt, die ich niemals vergessen werde. Doch deswegen wünsche ich niemandem den Tod!«

Für einige Sekunden betrachten wir uns schweigend. Dann beginnt Victor laut zu lachen. Sein Gelächter wechselt zwischendurch zu Husten, bis er sich schließlich angestrengt durch die Haare fährt. »Jesse… du solltest mich hassen. Hass ist gut, er treibt dich an, wenn du im Dreck liegst, mit der Spucke der Leute am Hals. Hass ist das einzig wahre Gefühl. Deswegen hasse mich, Jesse. Mit jeder Faser deines Körpers.«

Mein Blick wird sanfter, als ich mich auf die Bettkante setze. »Das möchte ich aber nicht. War dein Wille nicht immer, dass ich dich begehre?«

Victor schnaubt verächtlich. »So naiv…«

»Mag sein, dass ich für dich nur ein dummes Spielzeug bin, das du rumschubsen kannst.« Victor erstarrt, als ich die Decke anhebe, damit ich unter diese schlüpfen kann. Daraufhin ziehe ich sie mir über die Schultern. Ich spüre seine Körperwärme. Erst jetzt wird mir bewusst, wie kalt ich mich gefühlt habe. Mein Herz springt einmal ganz schnell. »Immer noch besser, als ein trauriger und einsamer Steinklotz zu sein.«

Weil ich direkt an Victor liege, kann ich ihn schlucken hören. »Einsam?«

Keine Ahnung, das ist einfach so ein Gefühl. Wenn dich jeder hassen soll, kann dich doch keiner lieben. Du armer, einsamer Mann… alles besitzen und doch niemanden um sich haben, denke ich in dem Moment.

»Bist du wirklich überzeugt, es gibt kein stärkeres Gefühl, als Hass?« Ich schaue zu Victor auf, der meinen Blick erwidert.

»Was machst du überhaupt in meinem Bett?«, weicht er meiner Frage aus.

Ich zucke mit den Schultern. »Willst du mich etwa nicht in deinem Bett?«

»Komm darauf an, was wir darin machen.«

»Bestimmt nicht das…«, beginne ich, verstumme allerdings, als ich Victors Hand an meiner Stirn spüre. Er streicht mir meine Haare hinters Ohr. Wo seine Fingerspitzen mich berühren, beginnt meine Haut zu kribbeln. Mein Körper sehnt sich nach tröstender Wärme, ganz gleich welcher Art. Victor streicht über meine Wange, meine Kehle, mein Schlüsselbein…

Er hat mich verletzt. Denke an das ganze Blut, denke daran, wie er sich an dir vergriffen hat. Diese Zärtlichkeiten sollte ich nicht genießen. Möglicherweise sollte ich ihn doch hassen. Ja! Jesse, hasse ihn, na los…!, schweifen meine Gedanken umher, während ich seufzend die Augen schließe. Shit…


Nachwort zu diesem Kapitel:
Willkommen zurück!

Schön, dass ihr wieder mit dabei wart! Es kam ja schon länger nichts mehr. Meistens lade ich ja immer auf FanFiktion.de. hoch, weshalb die Geschichte hier etwas langsamer geupdated wird.

Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen und ihr seid gespannt auf mehr!

PS: Habt ihr schon Jesses neues Bild gesehen? ;)

Liebe Grüße


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