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You'll be in my heart

von

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Mein Leben ohne dich

Seiya
 

Die ersten Tage nach unserer Rückkehr erlebe ich wie in Trance.
 

Es ist schon komisch, ich habe den Großteil meines Lebens auf Kinmoku verbracht. Aber wenn ich jetzt durch die Straßen der Festung gehe, fühlt es sich eigenartig fremd an. Manchmal habe ich das Gefühl, als wäre es nicht mein Körper und ich könnte mir fast selbst dabei zusehen, wie ich orientierungslos umher tappe. So fühlt es sich zumindest an.
 

Ich bin in meine Heimat und doch fühle ich mich wie ein Fremder, der nicht hierher gehört. Fehl am Platz. So oft habe ich mich auf der Erde danach gesehnt zurückzukehren. Meist besonders dann, wenn uns unsere Lage aussichtslos erschien, weil wir die Prinzessin einfach nicht finden konnten. Weil wir uns verstecken mussten und keiner wusste, was hinter der Fassade von Three Lights vor sich ging. Es gab niemanden vor dem ich mich nicht verstellen musste und einfach nur ich selbst sein konnte. Bis zu dem Moment, an dem ich dir alles sagen konnte.
 

Mir sind die Gebräuche und Traditionen meines Volkes bekannt. Wenn wir jetzt mit anderen zusammensitzen, weiß ich, was von mir erwartet wird. Es fällt mir leicht mich wieder einzufügen. Zumindest nach außen hin. Aber irgendwie bereiten mir die Dinge nicht mehr die gleiche Freude, wie sie es früher getan haben. Vielleicht kann ich mich aber auch einfach nicht darauf einlassen. Vielleicht bin ich auch ein anderer...
 

Es ist eine völlig andere Welt und doch gibt es tausend Dinge, die mich an dich erinnern. Du bist mein erster Gedanke, wenn ich morgens aufwache und der letzte bevor ich einschlafe. Dazwischen versuche ich zu funktionieren. Aber in meinen Gedanken bin ich meistens bei dir.
 

Seit unserem Abschied habe ich angefangen in zwei Dimensionen zu denken: Die eine ist hier auf Kinmoku, die andere ist die Erde. Bei jedem Blick auf die Uhr beginne ich mir automatisch auszurechnen, welche Uhrzeit und Wochentag jetzt auf der Erde ist. Genauso oft frage ich mich, was du jetzt wohl machst…?
 

Ich habe jedes einzelnen Gespräch von uns im Kopf. Wenn ich nachts auf dem Hügel sitze und nach Jupiter Ausschau halte, kommen sie alle wieder hoch.
 

Ich muss mich tatsächlich zusammenreißen um mich nicht in den nächtlichen Illusionen mit dir zu verlieren. Es sind zwei Worte, an die sich meine Hoffnung klammert. “Auf Wiedersehen”.
 

Ich habe es ernst gemeint. Ich hoffe du weißt das. Denn der Gedanke, dich nie wieder zu sehen, ist für mich unvorstellbar.
 

Bunny
 

Auf dem Schulhof suche ich nach deinem Gesicht in der Menge. Ich weiß selbst, dass es dumm ist, weil du nicht einmal auf diesem Planeten bist. Aber es ist wie ein Instinkt, den ich nicht einfach unterdrücken kann. Ich sehe in jedem schwarzhaarigen Jungen dein Gesicht.
 

Gestern bin ich an einem Mann vorbeigegangen, der den gleichen Duft verwendet wie du. Mir hat es vor Sehnsucht fast mein Herz zerrissen.
 

Meine Welt ist sie gleiche geblieben, aber du fehlst. Und an jeder Ecke stoße ich auf Erinnerungen, die mich auf ihre Art und Weise darauf aufmerksam machen, dass du gegangen bist.
 

Den Bildern von dir in den Zeitschriften kann ich aus dem Weg gehen. Ich schalte das Radio nicht an, denn eure Songs unvorbereitet zu hören, ist zu viel für mich. Dafür höre ich sie nachts wenn ich allein bin in Endlosschleife. Manchmal rufe ich deine Nummer an, nur um deine Stimme auf dem Anrufbeantworter zu hören.
 

Ich schreibe dir Briefe, weil es noch so viel gibt, dass ich dir gerne sagen würde. Weil ich diese Dinge niemandem sonst anvertrauen kann. Schließlich habe ich jetzt Mamoru wieder. Das ist es, was ich die ganze Zeit wollte. Ich sollte glücklich sein, oder?
 

Jeder einzelne Brief bleibt eine Seite in meinem Notizbuch, weil ich keine Adresse habe, an die ich sie schicken könnte.

Alles was mir bleibt ist Jupiter...
 

Seiya
 

Gerade am Anfang war ich sehr versucht mich gehen zu lassen. Das einzige, was mich davon abgehalten hat ist Yuuiren.

Sie steht für mich über allem. Sie ist mein Ein und Alles und mein Grund morgens aufzustehen und zu versuchen wieder in mein Leben zu finden. Ich tue alles, damit zumindest ihr Leben ab jetzt ein sorgloses sein kann.
 

Nach unserer Rückkehr hat es einige Wochen gedauert, bis Yuuiren schlafen konnte, ohne sich an mir festzuklammern. Ich musste jede Nacht bei ihr bleiben, bis sie eingeschlafen ist. Mit der Zeit hat sie begriffen, dass ich sie nie wieder alleine lassen werde.
 

Taiki, Yaten und ich sind gemeinsam mit Yuuiren in unsere alte Wohneinheit gezogen. Wir sind schon zusammen aufgewachsen, aber nicht einmal auf der Erde waren die beiden so sehr Familie für mich, wie sie es jetzt sind. Wir kümmern uns gemeinsam um Yuuiren.
 

Ich möchte, dass sie die Schatten der Vergangenheit vergessen kann. Sie ist noch immer so viel ernster als ich es in ihrem Alter war. Vielleicht versuchen wir deshalb alle ihr bei jeder Gelegenheit eine Freude zu machen. Sie liebt es, wenn wir für sie als Three Lights auftreten. Manchmal kann ich dann tatsächlich sehen, wie die Unbeschwertheit zumindest für kurze Zeit in ihre Augen zurückkehrt.
 

Für mich selbst ist es eine Überwindung wieder in diese Rolle zu schlüpfen. Zu viele Erinnerung sind damit verbunden. Ich bin Yaten so unendlich dankbar, dass er von Beginn an gemerkt hat, dass ich nicht in der Lage bin den Text über die Moonlight Princess über die Lippen zu bringen. Ein stummer Blick genügte und er hat meinen Part übernommen.
 

Gelegentlich gesellt sich auch Kakyuu zu uns, wenn es ihre Verpflichtungen denn erlauben.

Seit unserer Rückkehr gibt es viel zu tun und Kakyuu gibt von Beginn an ein straffes Tempo vor. Bereits am Tag nach den Festivitäten hatte sie zahlreiche Termine. Sie plant, entscheidet, gibt die Richtung vor. Es ist als wäre sie keinen Tag weg gewesen. Man erkennt an ihrer unbändigen Energie, dass sie in ihrer Rolle vollkommen aufgeht. Ich kann nicht das gleiche von mir behaupten. Aber die Arbeit ist eine Ablenkung und bei jeder Aufgabe habe ich ein Ziel auf das ich hinarbeiten kann.
 

Ein paar Wochen nach unserer Rückkehr hat sie uns das größte Geschenk gemacht:

Sie hat es uns freigestellt zu entscheiden, welche Aufgaben wir künftig übernehmen wollen.
 

Wir sind mit dem Wissen aufgewachsen, dass wir eines Tages als Sailor Krieger für den Schutz der Königsfamilie und des gesamten Planeten verantwortlich sein würden. Eine andere Perspektive hat es für uns nie gegeben. Denn genauso lange wurde unser Planet von Feinden bedroht. Jetzt herrscht zum ersten Mal in unserem Leben Frieden. Die Möglichkeit, die Kakyuu uns jetzt bietet ist überwältigend.
 

Taiki muss dafür nicht lange überlegen. Er entscheidet sich für eine Position in der Wissenschaft. Es ist nicht nur sein persönliches Interesse, er glaubt auch unserem Volk so am besten helfen zu können. Es passt zu ihm. Er kann viel von dem einbringen, was er auf der Erde gelernt hat. Meistens kommt er erst spät abends nach Hause, weil er sich nicht von seinen Forschungen losreißen kann. An der Art wie er bei unseren gemeinsamen Abendessen von seiner Arbeit erzählt kann ich erkennen, wie er voll und ganz darin aufgeht.
 

Yaten hat länger gebraucht um sich zu entscheiden. Ich glaube, er hat sein Schicksal mehr als jeder andere von uns nicht nur akzeptiert sondern auch verinnerlicht. Er hat ihm alles andere untergeordnet. Seine Prioritäten jetzt neu zu ordnen ist ihm schwer gefallen. Eine Zeit lang hat er sich sehr zurückgezogen. Ich habe ihn oft dabei beobachtet, wie er tief in Gedanken versunken in den Palastgärten umher gewandert ist.
 

Bunny
 

Es ist Frühling und man merkt es den Menschen richtig an, dass sie mit den ersten warmen Sonnenstrahlen nicht nur neue Energie schöpfen, sondern auch neue Pläne schmieden.
 

Es sind unsere letzten Monate an der Schule. Zwölf lange Jahre haben wir auf nichts anderes hingearbeitet und jetzt stehen wir so knapp davor. Schulabschluss. Ich kann gar nicht glauben, dass es tatsächlich soweit sein soll.
 

Seit ich Ami kenne, wollte sie immer Ärztin werden. Ich habe sie immer für ihre Zielstrebigkeit bewundert und nie daran gezweifelt, dass sie ihre Ziele auch erreichen wird. Ihre Mutter hat letzte Woche für sie eine kleine Party veranstaltet um zu feiern, dass sie auf der Uni aufgenommen wurde, an die sie wollte - genau wie an allen anderen, für die sie sich beworben hat. Ihr selbst war es fast unangenehm so im Mittelpunkt zu stehen. Ich freue mich so für sie.
 

Minako hat ihren Preis von der Talent-Show doch noch nutzen dürfen - sie wird jetzt einen Song aufnehmen. Sie sagt, dass jetzt wo Three Lights nicht mehr da sind, jemand anders den Menschen mit Musik Hoffnung machen müsste. Und sie ist natürlich davon überzeugt, dass sie das sein wird. Typisch Minako eben.
 

Makoto hat sich bei einigen Konditoreien beworben. Sie möchte dort lernen und irgendwann ihren eigenen Laden aufmachen. Ich glaube, ihr fehlt es einfach noch an Selbstbewusstsein, um diesen Schritt zu gehen, denn sie macht schon jetzt die besten Torten der Stadt. Ich hoffe, dass sie das auch irgendwann selbst begreifen wird.
 

Ich beobachte auch die anderen aus meiner Klasse, wie sie ihr Leben nach der Schule planen.

Viele von ihnen kenne ich seit dem Kindergarten. Manchmal muss mir erst richtig bewusst machen, dass wir jetzt alle langsam erwachsen werden, sonst könnte ich es wohl immer noch nicht fassen, was aus ihnen geworden ist.
 

Umino hat tatsächlich nichts mehr mit dem nerdigen Streber aus der Unterstufe gemein.

Er ist noch immer einer der besten Schüler der Stadt und hat sich nebenbei unter anderem mit Hilfe von Kontaktlinsen zu einem gutaussehenden Typ gemausert. Letzte Woche hat er uns erzählt, dass er in Yale aufgenommen wurde. Ich kann mir nicht vorstellen, was für ein großer Schritt es sein muss, völlig auf sich allein gestellt in einem anderen Land zu leben.
 

Naru ist das komplette Gegenteil von ihm. Von ihr habe ich eigentlich immer gedacht, dass sie, ähnlich wie Ami, einen genauen Plan vom Leben hat. Vielleicht hatte sie den früher auch. Wenn ja, dann hat sie ihn über den Haufen geworfen.
 

Sie hat tatsächlich lange überlegt, was sie nach der Schule machen soll, aber keine Antwort gefunden. Ihre Eltern haben zugestimmt, dass sie sich ein Jahr Auszeit nimmt, bevor sie zu studieren beginnt. Das einzige, das sie jetzt nach unserer Abschlusszeremonie geplant hat ist, dass sie eine Woche später in ein Flugzeug nach Paris steigen wird. One Way.
 

Und dann ist da noch Rei. Yuichiro hat ihr vor ein paar Wochen einen Heiratsantrag gemacht. Sie hat ihn angenommen. Gleichzeitig hat ihr Großvater ihr angeboten den Tempel zu übernehmen. Ich glaube, am Anfang hat sie etwas daran gezweifelt, ob sie tatsächlich diesen traditionellen Weg einschlagen soll.
 

Von ihr habe ich immer gedacht, dass sie irgendwann einmal Karriere in der Geschäftswelt machen würde. Seit ich sie kenne, hat sie schon immer dieses bewundernswertes Selbstbewusstsein und ihr beharrliches Auftreten, mit dem sie Leute dazu gebracht hat, das zu tun, was sie wollte.
 

Aber sie hat ihre Entscheidung getroffen und wenn ich sie sehe, mit welcher Leidenschaft und Begeisterung sie neue Ideen für den Tempel entwickelt und umsetzt, zweifle ich keine Sekunde daran, dass es die richtige war. Ich sehe, wie Yuichiro und sie dabei an der Herausforderung wachsen, sowohl als Paar als auch als Einzelpersonen, ohne sich dabei selbst einzugrenzen. In der letzten Zeit habe ich angefangen zu zweifeln, ob das in unserem Alter überhaupt möglich ist.

Seiya
 

Ich wünschte du hättest heute hier sein können. Ich wünsche es mir jeden Tag, aber an Tagen wie heute besonders. Weil es ein guter Tag war und ich mich nicht erinnern kann, wann ich das letzte Mal so gelacht habe.
 

Einmal die Woche ist Yuuirens Abend und sie darf entscheiden, was es zum Abendessen gibt. Um ehrlich zu sein tut sie das jeden Tag, weil ihr keiner von uns einen Wunsch abschlagen kann, aber an diesem Tag ist es hochoffiziell.
 

Für diese Woche hat sie sich gewünscht, dass wir ein Gericht der Erde zubereiten. Bei ihrer Ankündigung brauche ich nur in Yatens große fragende Augen sehen, um zu erahnen wie ich selbst dreinschaue.
 

Auf der Erde hieß unser Kochbuch Pizzaservice. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass wir mit den Zutaten Probleme bekommen könnten.
 

Natürlich ist es Taiki, der dafür eine Lösung hat. Er ist der einzige von uns, der auf der Erde nennenswerte Kenntnisse im Kochen gesammelt hat. Was im übrigen auch für Kinmoku zutrifft.

Wir haben hier zwar nicht die gleichen Rohstoffe, aber er findet entsprechenden Ersatz und so steht einem gemeinsamen Pizza-Abend nichts mehr entgegen.
 

Er hinterlässt uns eine detaillierte Anleitung, wie wir vorgehen müssen, weil er selbst an diesem Abend länger arbeiten muss.

Unser erster Versuch ist eine klebrige und gleichzeitig bröckelige Teigmasse, die mehr an unseren Händen klebt als sonst wo. Yaten und ich vereinbaren ewiges Stillschweigen über unser Scheitern und starten einen zweiten Versuch nachdem wir die sämtliche Beweise für unser Versagen in der Mülltonne neben dem Hinterausgang entsorgt haben.
 

Es war der dritte Versuch, der uns schließlich gelungen ist. Nachdem Taiki und Kakyuu gemeinsam aus dem Palast gekommen waren, saßen wir zu fünft um den Tisch und die warmen Pizzen. Sie waren nicht wirklich rund und wenn man jemals auf der Erde Pizza gesehen hat, würde man nur entfernte Ähnlichkeit entdecken.
 

Yuuiren ist sowieso hin und weg und das ist für uns beide die Hauptsache. Aber sogar Taiki nickt nach dem ersten Bissen anerkennend, wenn auch überrascht. Auf seine Frage, ob wir Probleme hatten, geben sich Yaten und ich begeistert darüber wie einfach es war. In dem Moment hören wir von draußen einen lauten Knall, bei dem wir alle zusammenzucken.

Taiki sitzt am nächsten zur Tür und lugt vorsichtig hinaus. Er sieht von der Tür zu uns.

Ich kann seinen Blick nicht ganz deuten. “Ihr hattet also überhaupt keine Probleme mit dem Teig?”, fragt er noch einmal und ich verstehe nicht, warum er jetzt ausgerechnet auf die Pizza zurückkommt. Als ich aufstehe, um mich selbst zu vergewissern, wird mir klar warum.
 

Die Wärme der Abendsonne hat den Teig zum Aufquellen gebracht. Die zwei großen Klumpen Teig haben sich mindestens versechsfacht. Der Mülleimer quillt über mit Unmengen an klebriger Teigmasse.
 

Als wir zu fünft vor den Unmengen Teig stehen und ich Yatens verdatterten Blick sehe kann ich nicht anders und ich fange an zu lachen, bis mir die Tränen über die Wangen laufen. Auch die anderen können sich nicht länger zurückhalten. Ich halte mir den Bauch, selbst mein Hals schmerzt bereits.
 

Wir lachen, bis wir alle keine Luft mehr bekommen. Selbst jetzt im Nachhinein, kann ich mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal so hemmungslos gelacht habe.
 

Als wir uns wieder gefangen haben ist es Yaten, der noch immer nach Luft ringend, Taiki auffordert von seinem Auftritt in der Kochsendung zu erzählen. Taiki greift sich bei der Erinnerung an den Kopf. Das Lachen kann er sich trotzdem, genau wie wir, nicht verkneifen.
 

Als er schließlich zu erzählen beginnt, habe ich sofort wieder dein Gesicht vor Augen. Nicht nur die Erinnerung, sondern ich sehe vor mir, wie es gewesen wäre, wenn du heute hier gewesen wärst. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie du mit Yaten und mir gemeinsam diesen misslungenen Teig fabrizierst. Ich sehe dein Gesicht vor mir, als Taiki unser Missgeschick aufdeckt und allein bei dem Gedanken muss ich abermals schmunzeln.
 

Gleichzeitig überkommt mich eine Welle der Sehnsucht, wie jedes Mal, wenn eine Erinnerung an dich in mir hochkommt. Das Verlangen nach deiner Nähe. Als würde mein Herz versuchen nach dir zu greifen. Aber du bist außer Reichweite...
 

Wenn wir abends zusammensitzen beginnen wir oft über unser Leben auf der Erde zu reden. Yuuiren hört immer ganz gespannt zu. Genauso wie alle anderen Bewohner von Kinmoku. Es hat sich bei diversen Anlässen so ergeben, dass wir begonnen haben von unserer Zeit auf der Erde zu erzählen und normalerweise wächst die Zahl unserer Zuhörer innerhalb kürzester Zeit. Sie sind fasziniert von dem blauen Himmel, den fremden Tieren, der Technik und den unterschiedlichen Bräuchen der Menschen.
 

Wir zählen Fakten auf und manchmal auch die ein oder andere lustige Anekdote. Wir ernten damit einige staunende Gesichter und etliche Lacher. Ich merke auch, dass die Erinnerungen, die mir wirklich am Herzen liegen, nicht direkt an die Erde geknüpft sind; sondern dass das Wertvolle daran die Menschen in ihr sind und sie genauso gut hier auf Kinmoku hätten passieren können. Und vor allem von dir handeln...
 

Über diese Erinnerungen reden wir nur, wenn Yuuiren eingeschlafen ist und wir unter uns sind.

Vielleicht weil wir die einzigen sind, die einander in dieser Hinsicht verstehen und wir uns nicht erklären müssen, warum dieses Leben für uns noch immer so greifbar ist.
 

Ich kenne meinen Grund für meine Sehnsucht nach der Erde. Aber an der Art, wie Yaten und Taiki manchmal in Erinnerungen schwelgen, merke ich, dass dieses andere Leben auch an ihnen nicht spurlos vorübergegangen ist.
 

Und dann gibt es Erinnerungen, über die ich nicht einmal mit ihnen reden kann.

Weil es die kostbarsten Momente für mich sind. Vielleicht weil ich Angst habe, dass sie mir sagen, dass ich aufhören soll zu träumen. Weil ich dann der Wirklichkeit ins Gesicht sehen und zugeben müsste, dass sie Recht haben?
 

Bunny
 

Mamoru hat mich mit einem Wochenendtrip nach Osaka überrascht. In den letzten Wochen haben wir kaum Zeit füreinander gehabt, weil er neben der Uni noch im Krankenhaus arbeitet und ich für meine Abschlussprüfungen lernen muss.
 

Ich weiß nicht, wann wir das letzte Mal ein ganzes Wochenende gemeinsam verbracht haben. Wir sehen uns gemeinsam die Stadt an und spazieren durch die weitläufigen Gärten des Osaka Castle. Den ersten Abend verbringen wir gemeinsam in einem romantischen Restaurant. Es fühlt sich fast so an wie früher.
 

Ich bin gerührt davon, wie viel Mühe er sich gegeben hat. Er hat alles bis ins kleinste Detail geplant und ich hätte mir kein schöneres Wochenende vorstellen können. Für unseren letzten Tag in der Stadt hat er sogar vorab Eintrittskarten für einen beliebten Freizeitpark besorgt. Als wir vor dem riesigen Eingangsportal stehen, überkommt mich freudige Erwartung auf die Attraktionen und ich ziehe Mamoru fast hinter mir her um so schnell wie möglich zu der ersten Achterbahn zu kommen.
 

Es hätte ein unvergesslicher Tag werden können. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass mich meine Erinnerungen selbst hier, so weit weg von zu Hause einholen würden.
 

Zuerst passiert es in der Warteschlange zur ersten Achterbahn mit der wir fahren wollen.

Kurz nachdem wir uns eingereiht haben, bemerke ich die Unruhe, die mich überkommt. Anfangs schiebe ich meine Gänsehaut auf die Aufregung vor der Fahrt zu.
 

Aber nachdem wir in den überdachten Teil des Wartebereichs ankommen, fügen sich die Puzzlestücke langsam zusammen. Der Innenbereich ist einer Redaktion nachempfunden, die dominierenden Farben um uns herum sind blau, rot und gelb. Erst jetzt erkenne ich, dass die Achterbahn nach dem Thema Superman gestaltet ist.

Genau wie in Tokyo…
 

Es ist die Titelmusik des Films, die in Endlosschleife abgespielt wird, die schon von Beginn weg meine Erinnerungen an unseren gemeinsamen Tag Vergnügungspark angestoßen hat. Ich bin überwältigt davon, dass mein Körper darauf reagiert hat, noch bevor ich die Erinnerung selbst zuordnen konnte.
 

Ich will es nicht, aber sobald ich diese eine Erinnerung bewusst erfasst habe, kommen mit ihr noch so viele andere hoch. Und mit ihnen die Sehnsucht. Es ist ein eigenartiges Gefühl. Du bist nicht da. Aber irgendwie doch. Ich erwarte fast, dass du jeden Moment in der Schlange neben mir auftauchst.
 

Als wir schließlich in der Achterbahn sitzen, ist es nicht die Aufregung über die Fahrt, die mein Herz zum rasen bringt, sondern die Erinnerung an den Moment, als du mich in der Disko schützend an dich gedrückt hast. Dass wir mit einem Wahnsinnstempo abwärts rasen, bemerke ich nur am Rande.
 

Als wir anschließend durch die Schaustellerbuden spazieren blitzen Bilder in meinem Kopf auf. Die bekannten Geräusche und Gerüche verstärken sie nur. Unmengen Süßigkeiten. Die Geisterbahn. Ich kann fast körperlich spüren, wie wir uns damals vor Schreck aneinander geklammert haben. Ich glaube es war der einzige Tag, den wir beide komplett sorglos miteinander verbracht haben. Als ich einen Greifautomat sehe, kommt mir augenblicklich der kleine rosa Teddy in den Sinn, der zu Hause auf meinem Nachtisch sitzt. Ich brauche nichts, um mich an dich zu erinnern. Wenn ich die Augen schließe ist dein Gesicht nach wie vor so präsent in meinen Gedanken.
 

Trotzdem ist es fast wie ein unerwartetes Geschenk, dir auf diese Weise nahe sein zu dürfen. Gleichzeitig habe ich ein schlechtes Gewissen. Mamoru hat sich soviel Mühe gegeben. Hier neben ihm zu stehen, während ich in Gedanken bei dir bin zerreißt mich fast innerlich.
 

Seiya
 

Nüchtern betrachtet haben wir nur ein paar Monate unserer Leben auf der Erde verbracht. Wir sind schon länger wieder zurück, als wir dort waren. Es ist schon komisch, wie eine so kurze Zeit ihre Spuren hinterlassen kann…
 

Die Welt um mich herum ist dieselbe geblieben. Ich wurde mit dem Schicksal geboren, den Planeten zu beschützen. Es war immer klar, wie mein Leben aussehen würde. Ich hatte eine einzige klar definierte Aufgabe. In der Sekunde in der uns Kakyuu uns die freie Wahl ermöglicht hat, zu tun was wir möchten, warst du der erste Gedanke, der mir in den Sinn kam. Aber das ist natürlich keine Option...
 

Seitdem werde ich das Gefühl nicht los, dass ich kein einziges Talent besitze, das hier auf Kinmoku von Nutzen sein könnte. Zumindest nicht, seit es nicht mehr meine einzige Pflicht ist, den Planeten zu beschützen.
 

Es ist das einzige, das jemals von mir erwartet wurde. Jetzt herrscht Frieden und ich weiß nicht, was ich einbringen kann, um unserer Gemeinschaft zu helfen. Ich bin nicht untätig und helfe mit, wo ich kann. Für mich ist es ebenso Pflicht wie willkommene Ablenkung.
 

Gleichzeitig sehe ich wie Taiki und Yaten in ihren neuen Rollen förmlich aufgehen. Als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Auch mir steht Kakyuus Angebot noch immer offen - ich kann frei wählen. Aber ich finde nichts, wofür ich mich begeistern kann. Ich bin gut im Sport. Basketball, Football, Softball. Gib mir einen Ball in die Hand und ich laufe zu Höchstleistungen auf. Doch was kann ich hier damit bewirken, wenn es darum geht einen Planeten wieder aufzubauen?
 

Selbst auf der Erde hatte ich in dieser Hinsicht Scheuklappen auf.

Es gab Musik. Sport. Und dich. Es sind Probleme, die du nie hättest. Ich wünschte, ich hätte deine Fähigkeit mich für so viele Dinge begeistern zu können. Du hast die Dinge einfach auf dich zukommen lassen und alles ausprobiert.

Kochen, Musik, Comic zeichen

Kuchen! Egal ob es darum geht ihn selbst zu backen oder zu essen.
 

Ich selbst kann bis heute nicht fassen, dass ich dich zu Softball überreden konnte.

Noch weniger, dass wir tatsächlich gewonnen haben, aber das ist eine andere Sache.
 

Ich sehe dich vor mir, wie du dich um Chibi-Chibi gekümmert hast oder den weinenden Jungen, der im Park hingefallen ist. Deine Fähigkeit, dich in andere hinein zu versetzen.
 

Ich habe keinen Zweifel daran, dass du gut mit Kindern arbeiten könntest.

Na gut, vielleicht wäre es nicht ideal, wenn eine Lehrerin ständig zu spät kommt…

Vielleicht wäre auch Kochlehrerin nicht unbedingt die ideale Wahl…
 

Ich weiß genau, mit welchem empörten Gesichtsausdruck du mich ansehen würdest, hätte ich diesen Gedanken vor dir laut ausgesprochen.
 

Aber ich kann mir auch vorstellen, wie du mit den Menschen am Rand der Gesellschaft arbeitest und vielleicht passt das noch viel besser zu dir. Weil du niemanden aufgibst und auch für sie ein Hoffnungsschimmer sein kannst.
 

Bunny
 

Wir haben seit fast einem Jahr Frieden auf der Erde. Ich werde wie alle anderen in meiner Klasse studieren gehen können. Ein ganz normales Leben führen.
 

Meine Eltern fragen ständig, was ich nach der Schule machen möchte. Vor ein paar Wochen hat mein Vater einen ganzen Stapel Broschüren von verschiedenen Universitäten nach Hause gebracht. Sie fragen, was ich studieren möchte, welche Schulen mich interessieren.
 

Was ich später einmal machen möchte.
 

Früher war diese Frage so einfach. Ich wollte Konditorin werden, Lehrerin, Popstar, Tänzerin, Tierärztin, wie die meisten Mädchen hatte ich im Kindergarten eine Phase, in der ich unbedingt Prinzessin werden wollte. Jetzt frage ich mich, ob es nicht in der Vorstellung viel besser klingt, als es eigentlich ist.
 

Seit Wochen beobachte ich die anderen um mich herum, wie sie Pläne schmieden. Für den Sommer. Die Zeit nach der Schule. Ihr Leben.
 

Bei manchen, wie Ami zum Beispiel, habe ich keinen Zweifel daran, dass sie diese Ziele erreichen werden.

Ich bin mir nicht so sicher wie Minako, ob sie tatsächlich der neue Superstar sein wird. Aber sie probiert es und wird sehen, was passiert. Genau wie Naru, die für ihre Europareise überhaupt keine Pläne gemacht hat und erst nach ihrer Ankunft sehen wird, wohin es sie verschlägt. Ich beneide sie beide um diese Möglichkeit. Denn egal wie ich mich entscheide, ich weiß, worauf es im Endeffekt hinauslaufen wird.
 

Ich kenne meine Zukunft. Für mich wird es keine Überraschungen geben. Im Gegenteil, es wird von mir erwartet, dass ich alles tue, um diese Version der Zukunft zu erhalten. Wie wir es schon so oft getan haben. Es ist etwas, auf das ich mich freuen sollte. Schließlich weiß ich, dass in der Zukunft alles gut werden wird. Alles wird so sein, wie es soll.
 

Früher war das nie ein Problem für mich. Mir war einzig und allein wichtig, dass ich mein Leben mit Mamoru verbringen würde.
 

Jetzt ertappe ich mich manchmal dabei, wie ich mich im Stillen frage, ob das genug ist.



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