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Creature and the Curse

von

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Adams Schloss unterschied sich deutlich von der Burg seines Vaters. Es war größer, höher und irgendwie protziger. Die Türme wirkten schlanker, die Front war offener und zu Phillips Überraschung gab es keine Ringmauer(1). Lediglich eine kleine, steinerne Gartenmauer mit einem schmiedeeisernen Tor hielt die Außenwelt davon ab, die breite, steinerne Brücke zu betreten, die zum eigentlichen Haupttor führte.

Es war eine mutige Konstruktion. Schwer zu verteidigen, doch als er Adam danach fragte, versicherte ihm dieser, dass schon seit Langem niemand mehr Zugbrücken und Wehranlagen baute. Im Falle eines Angriffs konnte man die steinerne Brücke sprengen, oder die herannahenden Gegner mit dem Tromblon(2) abschießen, einer Weiterentwicklung des eher ungenauen Handrohres(3), das sich, so Adam, zu einer beliebten Waffe gemausert hatte.

Außerdem gehörten zum Schloss größere, terrassenförmig angelegte Gärten, mit fein säuberlich in Reih und Glied stehenden Buchsbäumchen. Phillip hatte noch nie so akkurat beschnittene Bäume gesehen. Hätte er es nicht besser gewusst, er hätte angenommen, dass die grünen Pyramiden gleich zu salutieren beginnen würden.

 

Und auch das Innere des Schlosses hielt so einige Überraschungen für ihn bereit. Die Eingangshalle war riesig, mehrstöckig und finstere Gargoylefiguren blickten aus jeder Nische auf ihn herab. Die Flure waren breit, mit Teppich ausgelegt und vielfach gesäumt von schweren Rüstungen. Sein Vater hätte sicher viel dafür gegeben, hätte er die eine oder andere von ihnen für seine Waffenkammer haben können. Rüstungen, das wusste Phillip, waren ziemlich teuer.

 

Doch obwohl das Schloss riesig war und gefühlt endlos viele Treppen und Gänge besaß, schien es menschenleer zu sein. Neugierig blickte Phillip nach oben, wo ausladende Kronleuchter eine Vielzahl an Kerzen beherbergten, die die großen Räume mal mehr, mal weniger gut ausleuchteten. Irgendjemand musste die da oben doch angebracht haben.

Sein Blick wanderte zu Adam, doch so sehr er es auch versuchte, er konnte sich nicht vorstellen, dass sein neuer Freund jeden Tag eine Leiter hinaufkletterte, um Hunderte von Kerzen anzuzünden. Es musste also Personal in diesem Schloss geben, auch wenn es sich nicht zeigte.

 

«Gefällt es dir?», fragte Adam, während er die ersten Stufen einer weiteren, schier endlosen Treppe hinaufstieg.

«Die Rüstungen sind wunderschön», gestand Phillip, «Sie müssen ein Vermögen gekostet haben.»

Adam schenkte ihm etwas, was mit ein bisschen Fantasie vielleicht als Lächeln durchging. «Ich hätte mir denken können, dass gerade sie es dir angetan haben», erklärte er, «Aber ich fürchte, ich muss dich enttäuschen. Die meisten Rüstungen hier sind nicht für den Kampf gemacht. Es sind billige Dekorationsstücke. Sie taugen nicht für den Schutz eines echten Menschen. Obwohl … Ein paar Ausnahmen sollte es geben. Ich glaube, im Jagdzimmer steht ein solches Exemplar. Ich war seit Jahren nicht mehr dort, aber wenn du möchtest, können wir es uns gerne ansehen.»

Phillip öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, doch sein Magen war schneller als er. Es war nur ein leises Knurren und in einer normalen Unterhaltung wäre es vielleicht einfach untergegangen, doch Adam spitzte fast sofort die Ohren.

«Es tut mir leid», beeilte er sich, zu versichern, «Ich hätte wissen sollen, dass du lieber erst in den Speisesaal gegangen wärst, aber … Ich wollte dir unbedingt noch etwas zeigen.»

Phillip beschleunigte seinen Schritt, um vollständig zu seinem zerknirscht dreinblickenden Gastgeber aufzuschließen, «Das macht doch nichts», versicherte er, als er auf seiner Höhe angekommen war, «Vielleicht weißt du es noch nicht, aber ich bin von Natur aus neugierig. Und egal, was du mir zeigen willst, ich brenne schon darauf, es mir anzusehen.» Er lächelte dünn, dann stieg er an Adams Seite die letzten Stufen hinauf.

 

Die Treppe mündete in einen leeren Flur. Hier gab es keine Rüstungen und auch die Kerzen auf den Kronleuchtern sahen aus, als wären sie schon vor langer Zeit heruntergebrannt. Staub lag auf den Fensterscheiben und in den bodenlangen, dunklen Vorhängen waren Mottenlöcher.

Adam trat an Phillip vorbei und ging auf eine hohe Flügeltür zu. «Das hier», erklärte er, «Ist der Westflügel. Normalerweise lasse ich niemanden hier herein. Nicht einmal das Personal, aber für dich mache ich eine Ausnahme.»

 

Die Tür glitt so leise auf, als wäre sie gar nicht da, doch was Phillip in dem neuen Raum sah, überraschte ihn erneut. Es schien sich um eine Art Arbeitszimmer zu handeln. Zumindest ließ der riesige Schreibtisch das vermuten. Doch obwohl das Möbelstück aus edlem, dunklen Holz bestand, war es völlig zerkratzt. Ein beinloser Stuhl lag schief in einer Ecke, ein anderer war bereits völlig in seine Bestandteile zerfallen. Löchrige Vorhänge säumten einen Durchgang, der vermutlich in ein Schlafgemach führte und ein völlig zerstörtes Gemälde hing in traurigen Fetzen von der Wand.

Adam wandte sich dem Durchgang zu, führte ihn an einem völlig zerwühlten Bett vorbei, dessen Vorhänge mindestens genauso kaputt waren, wie alle anderen Dinge im Raum. Schließlich blieb er vor einem kleinen Tisch mit einem gläsernen Behältnis stehen. In seinem Inneren schwebte eine einzelne Rose.

 

«Das ist die Rose, die die Zauberin mir gab», murmelte er mit belegter Stimme, «Wenn ihr letztes Blatt zu Boden fällt, werde ich für immer ein Monster sein.»

Phillip musterte die Blume. Sie war filigran, ihre Blätter blutrot und die wenigen Dornen glänzten in einem unheimlichen Licht.

«Sie hat bereits fünf Blätter verloren», flüsterte Adam, den Blick stur auf das Tischchen gerichtet.

Wie von selbst fand Phillips Hand den Weg zu seiner Pranke. Sein braunes Fell kitzelte auf seiner Haut, trotzdem drückte er die Finger tief in den dicken Pelz hinein. «Mach dir keine Sorgen», flüsterte er, «Wir bekommen das wieder hin. Ich weiß noch nicht genau wie, aber ich verspreche dir, wir lassen nicht zu, dass dieser Fluch sich erfüllt. Wir finden einen Weg. Zusammen. Und bis dahin … Sag mal, schläfst du hier?»

Adams Blick huschte beschämt zu dem großen Himmelbett, dessen Decken und Kissen auch schon einmal bessere Tage erlebt hatten. «Das sind meine Privatgemächer», erklärte er, als sei es das Normalste auf der Welt. «Ich weiß, sie sind nicht besonders gut in Schuss. Manchmal, wenn ich einen besonders schlechten Tag habe, dann …»

Phillip nickte langsam. Er brauchte keine genauere Erklärung, um zu erahnen, was hier an besonders schlechten Tagen vor sich ging. «Ich möchte dir nichts einreden», begann er vorsichtig, «aber ich denke, das ist nicht besonders gut für dich.»

Adam schaute ihn verdattert an, also holte Phillip etwas weiter aus. «Ich kann mir vorstellen, dass du die Rose zu jeder Zeit in Sicherheit wissen willst. Einfach für den Fall, dass es ihr plötzlich schlechter geht, aber hast du dich hier einmal umgesehen? Das Bett ist völlig durchgelegen, eines deiner Kissen verliert scheinbar Federn und da hinten ist eine Fensterscheibe kaputt. Von den Stühlen und Tischen und dem Kerzenleuchter da drüben, reden wir gar nicht erst. Dieses Zimmer ist nicht mehr zu retten und ich denke, so ein Ort bekommt dir nicht.» Er seufzte. «Jeden Abend, wenn du ins Bett steigst, siehst du das magische Glühen dieser Blume und jeden Morgen wachst du dazu wieder auf und weißt, dass du einen weiteren Tag verloren hast. Dieses Zimmer ist eine Folterkammer und du bist der Gefangene. Das kann einfach nicht gut für deine Seele sein.»

«Meine Seele?»

Phillip nickte. «Dein Herz. Dein Innerstes. Der Teil, auf den es wirklich ankommt. Vielleicht ist es etwas forsch von mir, aber ich denke, du solltest dir ein anderes Zimmer für die Nacht suchen. Eines, in dem du dich auch mal für ein oder zwei Stunden entspannen kannst. Eines mit einem frisch gemachten Bett und Stühlen mit vier Beinen dran. Du weißt schon. Eines in dem du nicht jede Sekunde lang an diese gruselige Pflanze denken musst.»

«Sie zu ignorieren, heißt nicht, dass der Zauber schwindet», erinnerte Adam ihn und Phillip musste zugeben, dass er damit natürlich recht hatte.

«Der Zauber wird davon natürlich nicht verschwinden», stimmte er ihm zu, «aber trägst du ihn nicht ohnehin schon jeden Augenblick des Tages in deinem Herzen? Muss er dich dann auch noch in deine Träume verfolgen? Sag mir, wann hast du das letzte Mal etwas Schönes geträumt?» Er sah Adam fragend an, doch dieser schien nicht direkt eine Antwort darauf zu haben. Er überlegte einen Augenblick, dann noch einen und schließlich seufzte er.

«Manchmal, da träume ich, ich hätte jemanden gefunden, der den Fluch brechen kann», gestand er ihm, «doch selbst im Traum gelingt es nie.»

Phillip schluckte. Er hatte zwar geahnt, dass sich das alles schlecht auf Adam auswirkte, doch es tat dennoch weh, sich vorzustellen, wie sein Freund sich Nacht für Nacht in seinem Bett wälzte und hoffte, besser keinen Traum zu haben, als einen, in dem er wieder einmal den Kampf gegen den Fluch verlor. Er warf der Rose einen bösen Blick zu. Sicher konnte die Pflanze nichts dafür, aber sie war dennoch ein äußerst perfides Folterinstrument. Wenn er diese Zauberin jemals in die Finger bekam, dann würde er …

«In Ordnung», murmelte Adam und riss ihn damit aus einer wirklich unfreundlichen Fantasie, «Du hast gewonnen. Wenn du meinst, dass es hilft, werde ich heute nicht in diesem Zimmer schlafen.»

Phillip lächelte. «Das freut mich zu hören. Und ich hoffe, du weißt, dass du mir jeder Zeit als Gast in meinem Zimmer willkommen bist.»

Adam runzelte die Stirn. «Du hast dein Zimmer doch noch nicht einmal gesehen», erinnerte er ihn. Phillip zuckte mit den Schultern. «Muss ich auch nicht. Ich vertraue einfach darauf, dass du mir ein Hübsches aussuchen wirst. Besonders, wenn du mich dorthin begleiten willst.»


Nachwort zu diesem Kapitel:
(1) Eine Ringmauer ist eine Wehrmauer, die den inneren Bereich der Burg umgibt und im Falle eines Angriffs schützt. Teilweise bestand sie sowohl aus Mauer als auch aus den Rückseiten einiger, am Rand der Anlage gelegener, Gebäude.

(2) Schusswaffe mit trichterförmig erweiterter Mündung, durch die sich das Schrot besser einführen lässt. Wird im Film auch von Gaston verwendet. Interessanter Weise handelte es sich um eine beliebte Waffe bei Seefahrern und Kutschern, da die breite Öffnung Schrot mit großer Streuung verschießt, so dass die Chance besteht, auch mehrere Gegner mit einem Schuss (oder bei stärkerem Wellengang bzw. vom Kutschbock aus) zu treffen.

(3) Erste von einem Mann alleine transportier- und abschießbare Feuerwaffe, die sich etwa ab dem Jahr 1280 von China aus nach Europa verbreitete und dort bis etwa 1520 im Gebrauch blieb. Die Waffe war umständlich zu handhaben, sehr anfällig auf Feuchtigkeit und es war schwer damit zu zielen, weshalb sie gegenüber Bogen und Armbrust im Nachteil war. Außerdem galt die Waffe als nicht sehr ritterlich, war aber billig in der Produktion, weshalb sie trotz aller Nachteile im Gebrauch blieb. Komplett anzeigen

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