Zum Inhalt der Seite

Der Sieben-Federn-Fluch

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Aufstand

 

Die zugigen Fenster waren finster. Vernagelt mit zahlreichen Brettern. Kaum ein Lichtstrahl ging hindurch, um das Haus aus seinem Dämmerschlaf zu wecken. Nur der Wind pfiff zwischen den Ritzen, klagte sein unheimliches Lied. Ein Lied von Leid und Schmerz, von düsteren Zeiten. Doch auch vom Flüstern hinter vorgehaltenen Händen, von keimenden Träumen, von schwelenden Feuern der Wut, die irgendwo in der Finsternis – heimlich, verborgen – längst schon zu schwelen begonnen hatten. Auf dem Boden unter den Fensterbänken streuten sich Glasscherben. Ein Rest der zersplitterten Scheiben hinter den Brettern. Das Haus ächzte vor Gebrechlichkeit. In jedem Winkel, in jeder Ecke nisteten Schimmel, Dreck und Staub. Der Verfall hatte die Regentschaft übernommen. Putz blätterte ab, die Balken waren morsch. Für die Zauberer wäre es mit ein wenig Schweiß und Spucke ein Leichtes gewesen, das Gebäude wieder auf Vordermann zu bringen. Doch es war ihnen die Mühe nicht wert. Nicht für dieses Haus. Sie nannten es abfällig „Die Heulende Hütte“. Für die anderen aber hieß es „Zufluchtsstätte“, „Hauptquartier“, „Versteck“ und für nicht wenige unter ihnen auch „Mein zuhause“.
 

Dicht an dicht drängten sie sich zusammen. Sie, die kleinen Wesen mit den Fledermausohren. Alle blickten sie nach vorne auf den klapprigen, alten Tisch, auf den jemand eine rote Tischdecke gebreitet und einen Kandelaber entzündet hatte. Alle fühlten sie vor Aufregung ihr Herz wie wild gegen die Brust schlagen. Manche blickten skeptisch drein, andere neugierig und unwissend oder von Wut und wilder Entschlossenheit gepackt. Männer und Frauen, Jungen und Mädchen. Eine junge Frau hatte in einer Ecke des Zimmers einen wohl gestohlenen Zauberstab auf einen Stapel Papiere gerichtet, der sich augenblicklich verdoppelte und von dem einzelne Blätter wie Vögel ins Halbdunkel des Raums entflatterten. Ein junger Mann hatte sich mit einem Pinsel in der Hand über eine Reihe von Pappbögen auf dem Boden gebeugt und malte Worte und Buchstaben aufs Papier. Wenige im Raum trugen Geschirrtücher um die Lenden oder Kissenhüllen als Kleider. Die meisten davon standen weiten hinten – in der Dunkelheit, im Schatten und drängten sich dicht an die Wände. Als hätten Sie Angst, als wollten sie nicht entdeckt werden. Der Rest trug Kleidung. Abgetragene, schmutzige, wirr übereinander gezogene Kleidung. Ein Wolltrumpf am einen, ein Nylonsöckchen am anderen Bein. Ein altes Puppenkleid um den Leib, eine Babymütze auf dem Kopf und Strickjacken voller Fehler, Löcher und fallengelassener Maschen.
 

Sie, die Vogelfreien, Ausgestoßenen, Verbannten und Wachgerüttelten. Sie, die entlaufenen, freigelassenen Sklaven und die wenigen, die sich erst zu widersetzen begonnen hatten. Die, die das Schicksal ereilt hatte und die, denen es noch drohte. Sie, die Hauselfen, die das Haus ausradieren und nur noch Elfen sein wollten. Die zutiefst Gedemütigten und doch vom grimmigen Stolz gepackten. Der Zündfunke des Feuers, das bald zu brennen beginnen und alle Ketten schmelzen würde.
 

Über die Szenerie, den Auflauf hinweg, blickten die steinernen, kalten Augen einer Statue. Einer Statue, die fleißige Elfenhände gefertigt hatten. Das Denkmal, das sie einem der ihren errichtet hatten. „Ermordet im Frühling 1998“, lauteten die letzten Worte der Inschrift am Sockel. Und durch die Türe, seitlich zum Denkmal, trat aus der lauen Frühlingsnacht, eine junge Elfe herein. Die Menge verfiel in Schweigen, machte ihr Platz, während sie auf den Tisch mit der roten Decke hinauf kletterte, ein Bündel Papier in der Hand, das sie nervös sortierte.
 

Auf dem Tisch, im Schein des Kandelabers hielt die Elfe für einen Augenblick inne. Und die Welt mit ihr. Gebannt, was nun geschehen würde. Dann blickte die Elfe mit wachen Augen hinab auf die schweigende Menge. Absolute Entschlossenheit sprach aus ihrem Blick.

„Kindly ist heute hier, um zu euch zu sprechen“, sagte sie, „Zu euch zu sprechen, weil heute vor drei Jahren Meister Dobby ermordet wurde.“

Mitten aus der Menge erklang ein tiefes Schluchzen. Eine Hauselfe in einem hellblauen Kleid schnäuzte fest in ein Stofftaschentuch, während aus ihren Augen Tränen über Tränen quollen. Ein alter, grimmig dreinblickender Hauself, tätschelte ihre Hand. Sie beide trugen nicht zusammenpassende, selbstgestrickte Strümpfe.

„Wir alle sind heute hier um Meister Dobby zu gedenken“, sprach die junge Elfe weiter, „Uns zu erinnern, was er für uns getan hat und weiterzumachen, womit er begonnen hat. Kindly möchte dazu eine Rede vorlesen, die sie zusammen mit einer Hexenfreundin geschrieben hat.“
 

Die Elfe räusperte sich. Niemand sprach. Niemand rührte sich. Nur das Kerzenlicht auf dem Kandelaber flackerte, züngelte. Wild, gierig, wie eine Flamme, die nach dem Großbrand lechzte und das Holz schon spüren konnte.
 

„Liebe Freunde, Elfen, Verbündete“, begann die Rednerin vorzutragen, „Wir sind heute hier, um uns des grausamen Todes eines des unseren zu erinnern. Uns zu erinnern und fortzuführen, wozu er in nicht mehr gekommen ist. Dobby war ein Hauself wie wir. Doch er war noch viel mehr als das. Dobby war ein Held. Er war ein Held, weil er nicht mehr länger dulden wollte, ein Sklave zu sein. Er war ein Held, weil er den Mut hatte, aufzustehen und zu sagen:‚Dobby hat keinen Herrn. Dobby ist ein freier Elf!‘* kurz bevor ein Messer ihn in die Brust traf. Dobby fiel als Held im Krieg gegen Lord Voldemort, dem mächtigsten Schwarzmagier der Geschichte, der dafür bekannt wurde, in seinem Wahn vom reinen Blut, die Muggel und Halbmenschen unterdrücken zu wollen.“
 

Dann plötzlich hob sie die Stimme.
 

„Freunde, Elfen, Verbündete! Was Voldemort mit den Muggeln und Halbmenschen tun wollte, ist für uns seit Jahrhunderten grausige Realität. Die Zauberer haben den Elfen niemals Würde und Freiheit zugestanden. Doch welches Recht haben Sie, über uns zu bestimmen? Tausende und Abertausende von und schuften Tag und Nacht bis zum Zusammenbruch für ihren Wohlstand. Und welchen Lohn erhalten wir dafür? Kindly will es euch sagen: Schläge, Tritte und den Befehl, sich die Hände zu bügeln oder den Kopf gegen Türpfosten zu schlagen, bis wir vor Schmerzen nur noch Schreien können. Manche Elfen glauben noch immer, was die Zauberer uns seit Jahrhunderten erzählten. Dass es unsere Aufgabe sei, grenzenlos zu dienen. Unsere Würde, unsere Ehre. Doch es ist der Sklavenstand wirklich würdig? Ist er eine Ehre? Nein! Er ist ein Verbrechen. Es ist ein Verbrechen, was den Elfen angetan wird und ein Verbrechen, es ohne Widerspruch zu dulden. Denkt an Dobby, erinnert euch an ihn, vergesst nie, was er tat. Dobby starb als freier Elf. Jawohl, als freier Elf und nicht als Sklave.  Und er schämte sich nicht seiner Freiheit. Er war stolz auf sie!  Und mit diesem Stolz trat er Lord Voldemort und seinen Gefolgsleuten entgegen. Mit diesem Stolz starb Dobby an der Seite seiner Freunde für die Freiheit und gegen die Unterdrückung. Freunde, wenn Dobbys Tod nicht umsonst gewesen sein soll, dann ist es unsere Pflicht, seinem Weg zu folgen. Dann ist es unsere Pflicht für unsere Freiheit zu kämpfen wie er es tat! Lasst uns auf die Straße gehen, für Dobby!“
 

Sie blickte auf, blinzelte und fügte hinzu: „Das wollte Kindly euch sagen.“
 

Die Menge hielt den Atem an, lauschte. Noch hatte keiner ein Wort gesprochen. Noch hielt die Welt in ihrem Drehen inne, als ob sie auf etwas warten würde. Die Zeiger einer alten Wanduhr, die irgendwo in einer staubigen Ecke lag, rückten auf die volle Stunde.
 

Dann flog erneut die Türe zur Seite der Statue auf. Eine junge Menschenfrau mit buschigem, braunem Haar trat ein, gefolgt von einem Tross an Hexen und Zauberern. Die Elfe auf dem Podest lächelte, da kletterte die Menschenfrau auf den Tisch.
 

„Ich, Hermine Granger, die Vorsitzende des Bunds für Elfenrechte, darf euch allen verkünden, dass es mir gelungen ist, der ‚Demonstration der Freiheit‘ zu Ehren des Helden Dobbys einen Geleitschutz aus gut ausgebildeten Hexen und Zauberern - darunter Auroren und ehemalige Widerstanskämpfer gegen das Voldemortregime – zur Seite zu stellen. Für die Freiheiten! Für gleiche Rechte! Für die Elfenfront!“
 

Und nun geschah es. Wie ein Lauffeuer ging es durch die Reihen. Die Rakete hatte gezündet, die Bombe war explodiert. Die züngelnden Flammen hatten das Holz gefunden. Und die Menge brannte,  lichterloh, gröhlte so laut sie kommte: „Für die Freiheiten! Für gleiche Rechte! Für die Elfenfront!“
 

In die dunklen Ecken kam Bewegung. Die, die sich gerade noch schüchtern, ängstlich in die Schatten gedrängt hatten, traten hervor, wurden mitgerissen mit dem Strom der Wut, der endlich durch den Damm der Angst brach. Selbst die flatternden Flugblätter schienen nervös zu werden. Es kaum noch erwarten zu können, hinaus auf die Straße zu segeln und ihre Botschaft herauszuschreien. Auf Ihrem Papier stand in gedruckten Lettern geschrieben:
 

Wie Sie den Meister dazu bringen, Ihnen Kleidung zu schenken
 

Jede Elfe hat das Recht, ein würdiges Leben zu führen. Der Sklavenstand ist kein würdiges Leben. Er ist nichts als Unwürde. Nur die Freiheit ist würdig. Doch wie kommen Elfen zur Freiheit? Jede Elfe weiß, dass der Meister ihr dazu Kleidung schenken muss. Doch kein Meister tut das freiwillig. Daher muss die Elfe ein wenig erfinderisch sein. Wir sagen Ihnen, was Sie tun können.
 

Fünf einfache Tricks, die Freiheit zu erlangen

Es gibt zwei Wege, wie der Meister der Elfe Kleidung schenken kann. Er kann sagen „Nimm das!“ oder „Trag das!“ oder „Zieh das an!“. Und er kann ihr die Kleidung direkt vor die Füße werfen. Für beides gibt es ein paar Tricks, die fast immer funktionieren.
 

1.)     Lassen Sie schmutzige Kleidung einfach liegen. Fassen Sie sie nicht mehr an und waschen Sie sie nicht. Wenn der Meister Sie auffordert oder schimpft oder schlägt, tun Sie so, als wäre nichts gewesen. Der Meister wird irgendwann so wütend sein, dass er Ihnen die Kleidung für die Füße werfen wird.

2.)     Statt schmutzige Kleidung liegen zu lassen, können Sie auch Löcher in die Kleidung machen und „vergessen“ sie zu flicken

3.)     Legen Sie die Kleidung dem Meister in den Weg. Wenn er sich auf das Sofa setzen will: Legen Sie Kleidung dort hin. Wenn er sein Glas auf dem Tisch abstellen will: Legen Sie Kleidung dort hin. Der Meister wird sicher bald auf die Kleidung deuten und rufen wollen: „Nimm das da weg!“. Bevor er „da weg“ sagen kann, zaubern Sie einen schweren Stein in die Luft und lassen Sie ihn auf den Fuß des Meisters fallen. Der Meister schreit nun „Nimm das – AU!“. Damit hat der „Nimm das“ gesagt.

4.)     Wenn Sie dem Meister den Hut oder Mantel abnehmen, laufen Sie damit ziellos durch die Wohnung als wüssten Sie nicht wohin damit. Der Meister wird Sie auffordern, die Kleidung zur Garderobe zu bringen. Machen Sie weiter, bis er rufen will: „Trag das in die Garderobe“. Bevor er „in die Garderobe“ sagen kann, tun Sie das Gleiche wie in zwei.  

5.)     Holen Sie heimlich eine Socke aus dem Wäscheschrank des Meisters. Ziehen Sie Ihr Geschirrtuch oder Ihre Kissenhülle aus. Dann legen Sie es auf den Sessel oder eine andere gut sichtbare Stelle und verstecken Sie die Socke darin. Jetzt laufen sie nackt durch die Wohnung. Der Meister wird auf das Geschirrtuch oder die Kissenhülle deuten und sagen „Zieh das an!“. Er hat Ihnen damit auch befohlen, die Socke anzuziehen.
 

Viel Erfolg,  gz. die Elfenfront
 

Sie knickten sich, schlugen ihre Ecken gegeneinander, als wollten sie applaudieren. Dann flatterten sie dem Tross hinterher, der sich die Plakate griff und lärmend, scheppert, grölend aus der „Heulenden Hütte“ brandete.
 

„RECHTE FÜR ELFEN – WIR WOLLEN NICHT MEHR HELFEN!“, skandierten sie – Menschen und Elfen, Elfen und Menschen.
 

Gemeinsam setzten sie ihren Fuß hinaus auf die Erde vor der Heulenden Hütte. Die Erde, die bald schon nicht mehr dieselbe sein würde, wenn das Feuer erst einmal das Dorf erreicht hatte.

...............................................

* Zitat stammt aus J.K. Rowling, Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, S. 482



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück