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Missing Scenes

Sidestory zu "Ich packe meinen Koffer"
von

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2004 (I)

Die automatischen Türen schlossen sich mit einem leisen Geräusch. Die vier jungen Männer unterhielten sich leise auf Russisch; Gesprächsfetzen drangen zu ihr, doch sie waren zu undeutlich um sie zu identifizieren. Die vier jungen Männer waren zu unterschiedlichem Grad einbandagiert. Sie wirkten vor allem eines: erschöpft. Die kleine Gruppe schien sich eng um den Captain des Teams, Yuriy, herum zu scharen, als könne er gleich umfallen. Misaki berührte der Anblick der blassen, müden Gesichter, die alle ein wenig dem Rothaarigen zugewandt waren als müssten sie besonders auf ihn achten. Yuriy wirkte noch etwas wackelig auf den Beinen, blasser noch als die anderen.

Misaki hatte in der Nähe des Eingangs darauf gewartet, dass Kai das Krankenhaus verließ – er hatte am Telefon darauf bestanden, dass sie ihn nicht in seinem Zimmer abholte. Daitenji-san hatte ihr allerdings verraten, wann er entlassen wurde. Das hatte ihr Sohn ihr nämlich auch nicht sagen wollen. Manchmal war er so stur und bockig wie sein Großvater; doch Misaki hatte genug Erfahrung mit dieser speziellen Art von Sturkopf, die typisch für einen Hiwatari war.

Misaki machte einen halben Schritt und hielt inne als die Unterhaltung der kleinen Gruppe erstarb, während die vier sie musterten als sie näherkam. Misaki fühlte sich einen Moment lang stark an den Moment vor dem Verhandlungssaal nach der BioVolt-Verhandlung erinnert, als die Augen der vier ihr folgten. Doch der Jüngste, der sich beim letzten Mal eng an Yuriy gedrängt hatte, war nicht dabei, und im Gegensatz zu damals waren sie nicht vom fahlen Neonlicht eines Verwaltungsgebäudes beleuchtet, sondern standen im strahlenden Sonnenschein.

Wenn auch eindeutig blass um die Nasen und körperlich angeschlagen, wirkten sie gesünder als damals, lebendiger.

Kai blickte ihr entgegen, die rotbraunen Augen, die er von ihr hatte, überrascht geweitet. Er tat mit einem Seitenblick auf Yuriy einen halben Schritt nach vorne, während sie die letzten Meter überwandt und ihn in eine feste Umarmung zog. Er versteifte sich im ersten Moment. Misaki wusste nicht, ob sie ausversehen auf einen Bluterguss oder eine verbundene Wunde drückte oder ob ihn ihre Geste überraschte, da sie sein Bedürfnis, eine gewisse Distanz zu wahren, normalerweise respektierte.

Es dauerte zwei Herzschläge, die sich anfühlten wie zwei Ewigkeiten, ehe sie Kais Arme spürte, die sich vorsichtig um sie schlossen. Sie verharrte zwei weitere Herzschläge, die nun umso schneller vergingen, ehe sie die Umarmung löste. Ihre Hände blieben auf seinen Schultern ruhen. Sie atmete einmal durch, fühlte die Sorge, die beständig gewachsen war, während sie die Matches im Fernsehen verfolgte, von ihr abfallen wie ein schweres Gewicht. Sie lächelte ihren Sohn an, der die Geste zögerlich erwiderte. „Ich bin stolz auf dich“, erklärte Misaki zärtlich, leise auf Japanisch. „Aber warum bist du nicht nach Hause gekommen? Ich habe mir verdammt nochmal Sorgen gemacht“

Kai öffnete den Mund, schloss ihn wieder und öffnete ihn erneut, doch gab er kein Wort der Erklärung von sich. Er senkte den Blick. Aus den Augenwinkeln sah sie die anderen drei Blicke wechseln, die sie nicht lesen konnte.

Misaki atmete tief durch, zuckte mit den Schultern und ließ nun von ihrem Sohn ab. Sie wandte sich stattdessen den drei Russen zu, die sie aufmerksam und etwas skeptisch beobachteten. Sie lächelte, wie sie es vor dem Spiegel geübt hatte. „Ich habe von Daitenji-san gehört, dass ihr drei meinen Sohn daran gehindert habt, unvernünftig zu sein“, erklärte sie auf Russisch. Sie merkte, wie Kai neben ihr sich merklich unangenehm berührt wand.

Misaki reichte Yuriy, der neben Kai stand, die Hand. Dieser hob überrascht eine Augenbraue, erwiderte jedoch ihren Händedruck. Sie blickte ihm fest in die Augen. „Ich danke euch dafür“, erklärte sie. Kai verdrehte die Augen, verschränkte die Arme vor der Brust. „Jetzt reicht’s aber“, murmelte er peinlich berührt, und Misaki lachte leise.

Der Silberhaarige hinter Kai – Boris, wenn sie sich recht erinnerte – lachte spöttisch. „Ja Kai, hör auf deine Mutter“, trietzte er, während der große Blonde nur den Kopf schüttelte. „Zatknis‘, Borya“, knurrte der Angesprochene, während der Rotschopf zum ersten Mal hinter seinen distanzierten Gesichtsausdruck blicken ließ und leise lachte.

Das Geräusch schien die anderen beiden zu erschrecken, denn sie blickten überrascht zu Yuriy. Kai hingegen schmunzelte verhalten. Misaki lächelte warm, während sie das Team betrachtete, dem Kai beigetreten war. Sie erinnerte sich noch gut an das erste Mal, als sie das Team vor sich gesehen hatte. Sie hatten alls dünn und blass und traurig gewirkt. Sie waren alle um einiges gewachsen und wirkten drahtig. Besonders Yuriy schien schlicht in die Höhe geschossen zu sein und wirkte nun einfach lang. Sie waren noch immer blass, aber wirkten nicht mehr so traurig wie damals. Ganz im Gegenteil. Yuriy schien ihren Blick zu bemerken und musterte sie kühl, ehe er zu Kai blickte. Dieser zuckte mit den Schultern, und eine Konversation in Blicken begann, an der niemand außer ihnen teilnahm. Der Rothaarige hob eine Augenbraue, woraufhin Kai die Augen verdrehte und den Kopf schüttelte. Dann war es an Yuriy, die Augen zu verdrehen, woraufhin Kai nochmals den Kopf schüttelte.

Misaki sah den beiden zu, find Boris‘ Blick ein, ehe sie sich räusperte. Kai seufzte schließlich ergeben, steckte die Hände in die Hosentaschen und trat einen halben Schritt von der kleinen Gruppe weg. „Wir sehen uns morgen“, brummte er, und Yuriy grinste, wohl zufrieden mit dem Ausgang ihres stummen Austausches. „Pünktlich“, betonte er und es schien ein Witz zu sein, den nur sie verstanden, denn Sergej und Boris lachten.

Misaki schmunzelte und verabschiedete sich förmlich mit einer Verbeutung, ehe sie gemeinsam mit Kai den Weg in Richtung der Gästeparkplätze einschlug. „Was passiert morgen?“, fragte sie beiläufig als sie das Auto erreichten und einstiegen.

Kai gab einen unwilligen Laut von sich. „Yura, Borya und Seryoga wollen sich Tokyo ansehen“, er seufzte entnervt. „Ich dachte echt nicht sie seien die Typen für sight seeing

Misaki lachte amüsiert, während sie Fahrbahn wechselte. „Ihr habt viel geleistet. Ich denke, ihr habt euch ein wenig Urlaub verdient“, sie schmunzelte, während ihr Sohn neben ihr auf dem Beifahrersitz die Arme verschränkte und unwillig brummte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich konnte ein wenig Fluff nicht widerstehen. <3 Ich hoffe, ihr verzeiht ihn mir. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  WeißeWölfinLarka
2020-03-15T22:40:11+00:00 15.03.2020 23:40
Der Fluff ist großartig.
Die Umarmung! Und natürlich ist es Boris, der Kai ärgert, wie soll es anders sein! XD
Und dieses Blickduell, herrlich! Ich hab sehr gelacht! Ja, das verstehen wohl wirklich nur die beiden.
Ich mag auch sehr, dass du wieder so eine Rekurrenz (heißt das eigentlich so? Ich habe keinen Schimmer) geschaffen hast. ich musste auch an die Gerichtsverhandlung denken. Und dass Misaki das dann auch noch einmal so kommuniziert, fand ich gut.

Sehr gelacht hab ich auch über den "einfach nur langen Yuriy" XDDDD #beschde
Antwort von:  FreeWolf
26.03.2020 23:23
Die Parallele zur Gerichtsverhandlung war tatsächlich ein bisschen Absicht - heißt, ich habe beschrieben, wie die Jungs aus dem KH rauskommen und an die Szene im Gerichtssaal gedacht und dann MUSSTE ich die Parallele einfach herstellen, I'm so not sorry. :D

Tja, was soll ich sagen, Yuriy ist einfach ein #premiumlauch
Von:  lady_j
2020-02-24T19:33:35+00:00 24.02.2020 20:33
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dir für das hier auch schon live kommentiert habe, denn ich erinnere mich, wie ich dich für „lang“ gefeiert habe. HOWEVER, ich mache es jetzt offiziell noch mal.

Misaki empfängt eine Gruppe Zombies. Fix. Und, oh nein, sie alle kümmern sich um Yuriy (was ist das mit meinen feels heute) :‘(

Ich les nur einen Absatz über Kais Sturkopf und wie Misaki da stumm drunter leidet und will sie umarmen und ihn schlagen. Der Junge hat die Empathie eines Holzlöffels -.- Gott sei Dank hat Misaki aber genug. Mein Herz geht auf, wenn sie sich umarmen ;________;
In meinem Kopf ist Kai übrigens ungefähr so groß (und doppelt so breit lol) wie Misaki. Ich mag große Jungs mit zierlichen Mamas :‘D Umso besser, wie sie sich bei Yuriy dafür bedankt, dass er Kai in Schach gehalten hat (eigentlich müsste ihm die ganze Beyblade-Welt dafür zu Füßen liegen, man hat ja gesehen, was passiert ist, sobald er ausgeknockt war).

Yuriy ist ein Lauch, im besten Sinne. Ich mag unseren Lauch. Oh Mann.

Das stumme Gespräch zwischen ihm und Kai gefällt mir auch sehr gut, wieder so eine Szene, die mir deutlich vor Augen steht (wobei es mir durch die Bank weg bei dir so geht :D). Aber ganz ehrlich, die Jungs müssen Gesichtsmuskeln vom Feinsten haben.
Interessant aber, dass Yuriy recht kühl auf Misaki reagiert. Er scheint ja nicht so unkritisch ihr gegenüber zu sein. Fair enough. Mich würde interessieren, ob das nur meine Lesart hier ist, oder ob das später noch mal genauer dargelegt wird.

(Oh neinnn, kennst du dieses Extra von Thor Ragnarok wo der Grandmaster sich mit seiner Handlangerin über pantomimische Zeichen unterhält? Ich musste gerade so krass daran denken, weil mir die stumme Konvo zwischen Kai und Yuriy plötzlich so lang vorkam – das aber auch nur, weil ich nebenbei diesen Kommentar tippe.)

Ah, und Kai scheint immer zu spät zum Training zu kommen. Oder ist das eine Anspielung auf „You’re late“? Oooh, du gibst mir so viel Futter.

Antwort von:  FreeWolf
10.03.2020 23:09
Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass du "lang" und Lauch!Yuriy gefeiert hast. :D Danke für deine vielen Kommentare! Ich versuche jetzt mal zu antworten so gut ich kann, ja?
Misaki empfängt zwar eine Gruppe Zombies, aber ich würde sagen, sie sind aus dem Ärgsten heraus. Yuriy mag vielleicht noch wackelig auf den Beinen sein, aber dafür scharen sich ja die andern um ihn.
Kai ist leider auch nur ein Teenager, deswegen ist er irgendwo zwischen bockig udn liebesbedürftig und hach. :D Misaki findet es vielleicht auch manchmal sehr lustig, Kai ein wenig bloßzustellen. Hier hat sie allerdings gar nicht nachgedacht, sie war einfach nur froh, dass es ihm gut geht.

Yuriy ist, glaube ich, ein bisschen skeptisch Misaki gegenüber. Er lernt mit der Zeit wohl, dass sie es gut meint, aber ich weiß nicht, wann und ob er mal warm mit ihr wird. (Ich liebe diese eine Szeen unendlich und mir ist die stumme Konversation beim Schreiben auch länger vorgekommen als der Absatz XD)

:D Ich danke dir nochmal ganz herzlich für diesen tollen Kommentar, der mich übrigens immer noch überfordert. Ich freu mich so!
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
15.03.2020 23:41
Ich liebe deinen Kommentar, Jay, und kann dir da in allen Punkten zustimmen und wäre ich heute Abend eloqenter, dann hätte ich das auch noch erwähnt ;D
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
15.03.2020 23:42
Ah ja, die unterkühlte Art von Yuriy Misaki gegenüber hab ich aber auch sehr ... na, nicht erschrocken, aber ich war schon traurig über die Reaktion. Aber wer weiß, was er über sie denkt und denkt zu wissen, wie sie mit Biovolt in Verbindung steht - oder er mag sie nicht, weil, welche Mutter schickt den eigenen Sohn DORTHIN und kümmert sich nicht mehr? Wer weiß, was Kai ihm noch erzählt hat?
Antwort von:  FreeWolf
26.03.2020 23:24
Yuriys unterkühlte Art gegenüber Misaki hat jetzt keinen tiefergehenden Sinn, aber er weiß, wer sie ist und welche Position sie innehat und steht den anderen Hiwataris, abgesehen von Kai vielleicht, skeptisch gegenüber. Wie oben schon erwähnt. :) Ich weiß aber nicht, ob er sie so hart judged wie du es dir in deinen Fragen stellst. ;-)
Von:  LittleLionHead
2020-02-07T07:59:49+00:00 07.02.2020 08:59
Oooooh das ist wunderbar. So fluffig! Ich hatte beim lesen das Gefühl, ich würde direkt daneben stehen und das Ganze beobachten. Du hast es super hinbekommen, diese klassische, immer etwas schwierige Teenie-Mama-Beziehung mit der besonderen Eigenart von Kais Charakter zu verbinden. Meine Highlights waren die nonverbale Kommunikation zwischen Kai und Yuriy und der Satz "Ja Kai, hör auf deine Mutter!". Ich bin gespannt auf deine weiteren Ideen!
Antwort von:  FreeWolf
07.02.2020 15:58
Ooooh ich finde es wunderbar, dass du diese fluffige kleine Szene wunderbar findest! :D
Es war mir wichtig, zu zeigen, dass Kai und seine Mutter nach der ganzen Arbeit, die beide hineingesteckt haben, eben auch eine normale Beziehung haben. Ich vermute im Geheimen ja, dass Misaki ihn manchmal ein wenig provoziert, seine Teenie-Seite raushängen zu lassen - so ganz subtil, wie sie es hier tut. ;-)
Kai und Yuriy haben vermutlich vorher darüber geredet, dass Team Neoborg noch viel zu wenig von Japan gesehen hat - und die Konversation wurde offensichtlich nicht zu Ende geführt. Kai wird beim sight seeing aber hoffentlich nicht zu sehr leiden, hihi. :D

Vielen Dank für deinen Kommentar! <3 Ich freue mich sehr darüber!
Von:  Phoenix-of-Darkness
2020-02-07T02:53:05+00:00 07.02.2020 03:53
So...ich hab es ja versprochen...auch wenn es eine ungewöhnliche Zeit ist...

Ich mag dieses Kapitel sehr. Es wirkt so friedlich und das obwohl NeoBorg bandagiert ist.
Mein Favorit ist die herrliche normale Reaktion von Kai.
Es passt zu ihm (und auch zum Teenageralter), dass er dich schämt von seiner Mutti abgeholt zu werden. Auf der anderen Seite ging mir das Gerz auf als er ihre Umarmung erwiderte.
Besonders gefallen hat mir hierbei auch, dass du das mit den Herzschlägen eingefügt hast. Dieses kleine Detail kam bei mir sehr gut an.
Einen kurzen Moment gestützt habe ich hingegen, dass Kai sogar Borus eine Koseform verpasst hat. XD
Da hast du mich definitiv überrascht.
Antwort von:  Phoenix-of-Darkness
07.02.2020 03:54
Entschuldige die ganzen Vertipper...peinlich 🙈
Antwort von:  FreeWolf
07.02.2020 15:56
Ich glaube, um diese Uhrzeit ist es voll ok, wenn die Rechtschreibung nicht mehr so ganz stimmt. ;-) Danke für deinen Kommentar! Ich freue mich immer wahnsinnig zu lesen, wie du meine Texte gefunden hast!

Mir war es wichtig, zu zeigen, dass Kai auch nur ein Teenie ist, der sich hin und wieder schämt und der von seinem Team genauso verarscht wird wie alle anderen. Ich hatte großen Spaß daran, ihn von Borya triezen zu lassen. Er schämt sich aber weniger dafür, dass seine Mutter ihn abholt, sondern mehr, dass sie seinem Team zeigt, dass er nun mal nicht der souveräne Erwachsene ist, den er ihnen gerne vorspielt. Hihi :) Misaki ist was das angeht ein bisschen gemein, aber Team Neoborg nimmt es total gelassen, wie man merkt.
Das mit den Herzschlägen ist auch eine meiner Lieblingsstellen. <3 Das ist so ... aus dem Nichts gekommen und hat so herrlich gepasst, weil ich wirklich glaube, dass das im Oneshot und hier in den Missing Scenes tatsächlich die einzige Umarmung ist, die der erwachsene Kai bekommt.
Kai verpasst Boris einen Kosenamen, weil er sein Team eben auch lieb hat - und ein bisschen auch, um ihn zu verarschen. :) Ich glaube aber, dass die vier schon eine recht gute Beziehung zueinander haben. Hahaha, sonst würde Kai mit ihnen nicht sight seeing betreiben.


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