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Beyond the Happy Ending

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Entschuldigt für die Verspätung!

Dies ist leider ein Kapitel, welches nicht ganz dem entspricht was ich wollte, denn mein Laptop ist abgestürzt und hat das Original komplett gefressen – also musste ich es neu schreiben und das ist immer schlecht. Gomen *ein paar Kekse als Entschädigung hinstellen* Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
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Prolog und was ihm folgte

Wenn das Monster schläft, träumt es von seiner Heimat.

Seine Heimat war einst eine nicht weiter bemerkenswerte Landschaft, von nicht weiter bemerkenswerter Schönheit. Ein Teil des Landes grenzte an den weiten, ungezähmten Ozean, während sich im Norden die rauen Gipfel der Bergketten zum Horizont erhoben. Bäume, die trotz ihrer weichen Rinde groß und unbeugsam waren, säumten die weiten Flächen von üppigen Grün, ehe sie zum Meer hin in riesig rote Dornenhalme übergingen, die zu jedem Neumond in einem farbenfrohen Tanz erblühten.

Ein schönes Land, ja. Ein bemerkenswert schönes Land, nein. Händler und Reisende die seine Heimat durchquerten, stimmten darin überein, dass es Besseres gäbe. So galten die umliegenden Domänen - mit ihren exotischen Anblicken und Düften, den mächtigen Herrschern und ihren prachtvollen Anhängern - als weit begehrenswerter.

Heutzutage, wenn das Monster seinen Gedanken im Wachzustand gestattete zu dem einst blühenden Ort seiner Geburt zu reisen, fragte es sich, wie es je hatte ertragen können, dort zu leben. Jetzt war seine Heimat leer, ausgedorrt und in blassgraue Farben getaucht. Das Leben war verwelkt und die Überreste einer ehemaligen Zivilisation im Staub der tödlichen Wüste begraben. Die einst pulsierende Magie vergiftet jetzt das Land, gespeist aus dem trostlosen Zorn seines Herzens.
 

Als das Monster jung war, wusste es noch nicht, dass auch die glücklichste Welt damit enden konnte, dass es sich in einem beengten Raum zwischen Bett und Fenster zusammenrollte und den Staub und den schweißgetränkten Geruch seiner eigenen Angst atmete, während der stetige Gestank nach brennenden Fleisch seine Nase flutete und ferne Schreie von getöteten Wesen seine Ohren erreichten.

In jener Nacht erkannte es das erste Mal, dass Verstecken kein Spiel mehr für Kinder war. Dass die Grausamkeit keine Grenzen und keine Limits kannte. Gedanken, die nicht in seinen Kopf gehörten und Gefühle, die nicht unter seiner Haut pulsieren sollte, strömten über ihn herein und im Moment eines einzelnen Herzschlages richtete es sich auf, um das Bild des Terrors mit eigenen Augen zu erblicken.
 

Wenn das Monster schläft, träumte es von dem Massaker.

Es träumt von den verzehrten Gestalten seiner Nachbarn, die bekannte Gesichter wieder und wieder gegen eine Wand schmettern, bis alles, was das einstige Leben ausgemacht hatte, zu einem Fleck auf der gemauerten Fassade verkommen war.

Es träumte von der eigenen Brutalität seiner Eltern, die die Körper seiner ehemaligen Freunde in blinder Wut zertrümmerten, von zwei Wesen die sich im Schnee und Schlamm wälzten, aufeinander einschlugen, zerrten und kratzten und den Schmerz unter jenen Wunden schon längst nicht mehr fühlen konnten.

Und all das war schrecklich, all das war furchteinflößend und doch berührte in dieser Nacht nichts davon seine eigenen Geist.

In jener Nacht war das alles spannend.

In jener Nacht brachte es sein Herz zum Klopfen und das Blut raste durch seine Adern, während es in gespannter Beobachtung ein Spiel verfolgte, welches so aufregend war, wie das Monster es noch nie erlebt hatte.
 

Und es wollte auch töten.
 

Es hungerte danach. Es wollte fühlen, wie etwas Lebendiges zu etwas Totem wurde. Es wollte im Augenblick des Todes über ihm stehen, wollte die Befriedigung spüren, die in dem Wissen lag, dass er derjenige gewesen war, der dieses Wesen aus der Welt atmenden Lebens in die Welt der Dinge befördert hatte, die nur noch verrotteten.

Es wollte das alles so sehr, dass das inzwischen erwachsen gewordene Monster sich tatsächlich fragen musste, ob jene Nacht nur dazu diente, einen Bruchteil seines Schicksals für die Welt offen zu legen. Ob es vielleicht anders gekommen wäre, wenn es sich nur weiter versteckt gehalten hätte. Vermieden, dass es sich die Hände mit Blut befleckte.

In seinen Träumen müsste all dies nie geschehen. Es könnte die Geschichte immer neu schreiben, sie umschreiben, Dinge umformen und rückgängig machen. Nichts war in Stein gemeißelt. Aber diesem einem Traum folgten wahre Ereignisse. Dieser Traum birgt das Wissen, dass all diese Dinge schon längst geschehen sind und folglich nicht geändert werden können. Dieser Traum zelebriert den Moment, in dem es zu einem Monster gemacht wurde.
 

Wenn das Monster schläft, träumt es von sich selbst.

Denn das Monster in dem Traum fürchtete sich nicht vor dem Tod, weil es um das Monster weiß, welches aus sich heraus wachsen wird. Es fürchtete sich nicht davor ein Leben zu beenden, weil es durch die erwachsenen Augen blicken kann und weiß, dass jene Nacht seine Bestimmung war. Es fürchtete sich nicht davor, den unveränderbaren Traum immer wieder zu träumen, der die Zukunft des Monsters besiegelt hatte.

Gefangen in den Momenten des Blutbades, hörte das Monster damals ein Rascheln und weiß, es ist noch jemand anderes im Raum.

Es weiß, es ist jemand, den es liebt.

Es weiß, er ist gekommen, um es zu töten.

Es weiß, es wird ihn zuerst umbringen.

Es weiß, im Augenblick seines Todes wird es ein Rausch krankhafter Glückseligkeit erleben, die keine andere Freude in seinem Leben je hervorbringen wird.

Und es weiß, es wird dieses Gefühl für den Rest seines Lebens vermissen.
 

Wenn das Monster wach ist, träumt es davon alles andere zu zerstören.
 

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Die Zeit war eine seltsame Sache, entschied Inu Yasha , als er sich in den Ästen des Goshinboku zurücklehnte und das milde Sonnenlicht durch die Blätter beobachtete. Der alte Baum hatte ihn wie so oft in seine Zweigen zurückkehren lassen und hieß ihn nun in seinem fünfzigjährigen Zuhause willkommen, um in seiner beruhigenden Gegenwart in allen Ebenen seines Bewusstseins Frieden und Akzeptanz zu finden, denn hier war sein Platz, der ihm einst als schützendes Heim diente und jetzt zu einem Ort der Freiheit wurde. Der laue Wind des bevorstehenden Herbstes strich träge durch die Baumkrone, ließ sein weißes Haar sich verspielt kräuseln und brachte den Geruch der umliegenden Felder mit sich. Seine Nasenflügel bebten leicht, die Welpenohren auf seinem Kopf zuckten und mit einem breiten Gähnen rollte er sich auf dem massiven Ast herum, um eine bessere Position einzunehmen.

Die vergangenen Monate waren seltsam ruhig, fast schon trügerisch friedlich und es juckte ihn danach, diese Stille absichtlich zu zerstören. Irgendetwas zu tun, um dieses nagende Gefühl des Unbehagens aus seinem Kopf zu bekommen. Sicher ließ sich irgendwo ein Yokai finden, der ihm einen guten Kampf liefern würde, oder?
 

Inu Yasha blinzelte langsam und ließ seinen Kopf auf das Holz unter sich sinken. Er lag in einer katzenähnlichen Position auf dem Bauch, Beine und Arme an den Seiten von sich gestreckt und unterdrückte ein weiteres Gähnen. Nein, es würde kein ernstzunehmender Gegner kommen, denn es schien, als wären alle starken Dämon wie von Zauberhand von der Landkarte verschwunden und hatten ihn hier in seinem eigenen Elend zurückgelassen. Eine halbe Ewigkeit war es jetzt her, dass er eine wirklich herausfordernde Schlacht geschlagen hatte und selbst diese war in seinen Augen nicht sehr anspruchsvoll.
 

Er langweilte sich.
 

Seit Narakus Tot vor knapp vier Jahren, schien alles um ihn herum in eine glückliche Normalität verfallen zu sein. Sango und Miroku hatten ihre kleine Familie, Shippo war fast am Ende seiner Ausbildung und Kohaku durchstreifte das Land, um sich als Dämonenmörder zu beweisen. Selbst das kleine Mädchen Rin hatte sich unter Kaedes Aufmerksamkeit erstaunlich gut entwickelt, bevor sie vor einigen Wochen entschied, dass es für sie Zeit wurde zu Sesshoumaru zurückzukehren. Sollte jemand verstehen was das Kind an dem stoischen Yokai-Lord fand oder warum der kalte Bastard eines Bruders sie mit sich reisen ließ.
 

Am Ende war es nur er, der irgendwie nicht anzukommen schien. Sein Leben war zu einem kreischenden Stillstand gekommen und bewegte sich seitdem in einer merkwürdig eintönigen Spirale um ihn herum.
 

Als Kagome nach drei Jahren des Wartens endliche wieder auftauchte, hatte er tatsächlich gehofft, dass er endlich zur Ruhe kommen könnte, fernab von der Jagd nach Juwelensplittern des Shikon no Tamas. Sie könnten sich im Dorf niederlassen, den Menschen helfen und einfach gemeinsam ihr Leben verbringen. Aber wie so oft wurde er eines besseren belehrt. Sicher, die junge Miko war zurück, aber sie musste dafür eine Menge opfern, viele von ihr geliebte Menschen zurücklassen und das lastete schwer auf ihrem gutmütigen Herzen. Es war ein langsamer und schleichender Prozess, aber jeder konnte sehen, dass es ihr von Tag zu Tag schlechter ging. Ihre einst so blühende Lebensfreude, begann unter den dauerhaften Umständen zu brechen und diesmal gab es für sie keinen einfachen Weg zurück in ihre Welt, um sich sorglos von den Strapazen für ein paar Tage zu erholen und die Dinge einfach zu vergessen – „Urlaub machen“, wie sie es damals nannte.

Denn Kagomes Weg zur einer richtigen Priesterin war schwer, schwerer noch, als sie es zu Beginn vermutete hatte und Kaede war nie wirklich nachsichtig mit ihr. Es war nun einmal so, wie es alle angehenden Mikos lernen mussten und es gab keine Bevorzugung oder Rücksichtnahmen, keine „niedrigere Punktzahl“ wie zu ihrer Zeit. So wie es Kikyo und Kaede vor ihr taten, musste sie die harte Ausbildung nun ebenfalls durchlaufen, ganz gleich, ob sich ihr Reiryoku schon während des Kampfes mit Naraku weiterentwickelt oder sie durch ihre gemeinsame Reise neue Fähigkeiten erlernt hatte.
 

Kagome hatte lange versucht mit den Veränderungen klar zu kommen, sich auf das einfache Leben ohne ihr neumodischen Dinge einzustellen und ihre eigene Zeit hinter sich zu lassen. Aber sie war nur ein Mensch und einige Monate nach ihrer Rückkehr brach sie unter der Last und dem schmerzenden Verlust zusammen. Sie hatte in dieser Nacht lange geweint und ihr Herz ausgeschüttet, während Inu Yasha still neben ihr saß und ihren schluchzenden Entschuldigungen und selbst auferlegten Qualen lauschte. Es gab nichts was er hätte tun können. Er liebte sie und sie liebte ihn, aber für beide war an diesem Tag klar, dass es so nicht weitergehen konnte.

Denn das wäre erst der Anfang ihrer Probleme, dass wussten sie beide. Kagome würde älter werden, während Inu Yasha in seinem derzeitigen Aussehen verweilen und in ihrer Lebensspanne nie die Erscheinung eines erwachsenen Mannes erreichen würde. Sie würden nicht heiraten können, denn als Priesterin war es ihr verboten und ob sie jemals Kinder zusammen gehabt hätten, war eine Frage, die sie nie beantwortet hatten. Und selbst wenn sie alles irgendwie überwanden, wäre sie gemeinsam mit dem Rest ihrer Freunde im Alter gestorben und es wäre seine Aufgabe gewesen, sie alle zu begraben.
 

So begleitet er sie wenige Wochen später zurück zu der Lichtung, auf der sie sich das erste Mal getroffen hatten, zurück zu Goshinboku und dem Knochenfresserbrunnen. Es waren nur sie beide, die Hände miteinander verschränkt und in eine bedrückende Stille getaucht. Worte würden nicht über ihre Lippen kommen, stattdessen verblasste alles um sie herum in den Hintergrund, als sie sich gegenseitig in die Augen starrten, wissend, dass es kein Zurück geben würde. Keinen Ausweg, keine Rettung. Vielleicht hätte es an diesem Tag regnen sollen, aber der Himmel würde nicht weinen. Stumm verbrachten sie ihren letzten gemeinsamen Moment, zu viel war noch zu sagen und die Zeit würde nie ausreichen, um alles erfassen zu können. Schlussendlich stellte sich Kagome mit Tränen in den Augen auf die Zehenspitzen und er senkte den Kopf, damit sich ihre ihre Lippen zu einem letzten Kuss treffen würde. Ein Kuss für die endlose Ewigkeit, der all ihre Empfindungen in diesem Sekundenaugenblick vermitteln würde. Und damit öffnete sich der Brunnen ein letztes Mal und sie kehrte zu ihrer Familie zurück, bevor sich ihre Verbindung zueinander für immer verschloss und die einstige Magie aus der Welt verschwand.
 

Die Miko gehörte niemals in diese Zeit und auch wenn es sie beide schmerzte, sie mussten voneinander loslassen.

Und Inu Yasha war wieder allein.
 

Er hätte sich aufregen, wütend oder verzweifelt sein können, aber er nahm an, dass es egoistisch wäre, wenn er ihre Entscheidungen in Frage stellen würde. Also akzeptierte er wie so oft sein Schicksal, verbannte die Trauer irgendwo weit in die Tiefen seines Herzens und beruhigte sich damit zu wissen, dass Kagome in Sicherheit und glücklich war.

Die erste Zeit über war er fast immer am Brunnen gewesen. Er kam mit der aufgehenden Sonne und blieb, bis sich die tröstende Nacht über ihn spannte, wie er es in den drei Jahren schon so oft tat. Manchmal schlief er sogar tagelang zwischen den feuchten Steinen und dem kalten Moos, hatte in der verzweifelten Hoffnung dort gesessen und darauf gewartet, dass er irgendwann das sanfte Leuchten am Boden wieder entdecken würde. Ihr Geruch verweilte noch immer in dem alten Holz und schenkte ihm in einer Vielzahl von schlaflosen Nächten eine tröstende Umarmung. Doch die Zeit hörte nicht auf sich zu bewegen und während er dort unten im fahlen Licht hockte, zog die Welt an ihm vorbei, ohne das er sich darum kümmerte. Es vergingen Tage, Woche, sogar Monate, bis er sich endlich aufrappelte und in das Leben zurückkehrte.

Es war ein Abschied, an der er heute kaum noch denken wollte. Denn damit war alles vorüber, was ihm einen konstanten Halt, eine feste Verbindung, zu den Menschen selbst gab. Und es tat höllisch weh. Wieder musste er jemanden gehen lassen und ähnlich wie bei Kikyos Tod, tat er das einzig Richtige, um jegliche Verbindungen zwischen ihnen zu trennen und damit den Abschied leichter zu machen. Er hatte Kikyo eine friedliche Ruhe gegeben und Kagome eine bessere Zukunft.
 

Das Letzte was er jetzt tun wollte, war dem Rest seiner Freunde zur Last zu fallen, indem er mit ihnen abhing, als wäre er verzweifelt auf der Suche nach einer Art der Aufmerksamkeit ihrer gemeinsamen Tage. Sie alle hatten nun ein eigenes Leben und während er in der Vergangenheit schwelgte, gingen sie immer voran.

Seine Hand fand die kühlen Perlen des Rosenkranzes und er rollte die glatten Kugeln langsam zwischen seinen Fingern hin und her. Er hatte nie daran gedacht Kagome nach ihrer Rückkehr zu fragen, ob sie die Kette entfernen würde. Jetzt war sie endgültig seine persönliche Fessel der Ewigkeit, die sich um seinen Hals schlang und niemals mehr entfernt werden konnte. Es war nicht unbedingt gut, aber irgendwie hatte er sich daran gewöhnt. Er mochte es so.
 

Bullshit!, spuckte ein brodelnder Teil in ihm brutal aus. Du hast es vorher gehasst und hasst es jetzt immer noch. Es war nur so lange in Ordnung, wie sie alle noch um dich herum waren. Aber jetzt ist Kagome ebenfalls weg und du hast jede Chance auf deine Freiheit verpasst. Du wirst nun für alle Zeit der gezeichnete Schoßhund einer Priesterin bleiben. Die Gedanken stürmten heftig durch seinen Kopf und er fragte sich, in wie weit das wohl der Wahrheit entsprach. Sicher, Kagome fühlte sich wohler um ihn herum, wenn er das Schmuckstück trug, aber sie hätte ihn doch genauso behandelt, wenn er die Kotodama Perlen nicht getragen hätte, recht?

Warum nur verschwand dann dieses seltsame Gefühl nicht?
 

Ein lautloses Stöhnen entkam seinen Lippen und er schloss träge die Augen, als er versuchte das dumpfe Pochen in seinem Kopf zu ignorieren. Er sollte einfach nicht so viel Zeit mit Nachdenken verbringen.
 

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Sesshoumaru würde den Geruch auch nach all den Jahren überall wieder erkennen. Er wusste nicht warum, aber er empfand den Duft so seltsam frustrierend penetrant, wie den Rest der Person selbst - ganz zu schweigen von einer Macht, auf die jener keinen Anspruch haben sollte. Denn dessen gesamte kriegerische Existenz war in nur einer einzig kurzen Brise gefangen, die vage mit dem Geruch von Erde und Geißblatt durchzogen und irgendwo dazwischen von der unverkennbaren Spur eines der mächtigsten Yoki berührt wurden war, bevor das dämonische Blut fast sprunghaft im sprudelnden Fluss von verdorbenen Menschenblut wieder ertrank.
 

Inu Yasha.
 

Diesen unhöflichen Halbdämon mit lautem Mund zu sehen oder auch nur zu hören, brachte seinen eigenen Verstand zum kochen und wenn er nur an diese lächerlichen Welpenohren und die Tirade an Beleidigungen, die der Jüngere nur allzu gern preisgab, dachte, hatte er das Gefühl Kopfschmerzen zu bekommen. Inu Yasha war eine so völlig irritierende Art, dass Sesshoumaru noch nie verstanden hatte, wie sie vom selben Vater stammen konnten. Selbst nach den letzten Jahren war es unvorstellbar, dass eine solch undisziplinierte und unhöfliche Persönlichkeit in irgendeiner Weise mit ihm selbst verwandt sein könnte.
 

Und doch entsprach diese Tatsache der Wahrheit und er könnte nichts daran ändern, bis einer von ihnen starb - vorzugsweise sein kleiner Bruder.
 

„Wie ich sehe war ich falsch in der Annahme zu glauben, dass selbst ein Hanyo ein gewisses Maß an Würde besitzen könnte, anstatt wie eine streunende Katze auf einem Baum zu hocken.“

Goldene Augen schnappten überrascht auf, bevor sie vor Benommenheit blinzelten und sich schlussendlich auf den Daiyokai konzentrierten. Krallen bohrten sich instinktiv in den Stamm des Baumes, der Körper richtete sich schlagartig auf und Inu Yasha starrte misstrauisch zu Sesshoumaru, seine freie Hand schwebte wartend über Tessaigas Griff.

„Es ist mir herzlich egal was du von mir hältst, du Idiot! Du störst meine Ruhe!“ Der Halbdämon spannte sich an, während er dem verdammt kaltäugigen Blick seines Bruders begegnete. Ob sie über die Jahre zu einem unausgesprochenen Waffenstillstand gekommen waren oder einfach keiner von ihnen wirklich die Chance nutzen wollte wieder anzugreifen, wussten sie nicht. Ihre Begegnungen waren steht´s spärlich und nur von kurzer Dauer, selten wurden Worte gewechselt, denn ein kurzes Treffen ihrer Augen reichte meist aus. Das Bedürfnis die Schwerter zu kreuzen, schien im Laufe der Zeit irgendwie weniger geworden zu sein und es überraschte sie daher beide, dass heute eine so angespannte Aura in der Luft zu verweilen schien.
 

„Dein Mangel an Respekt gegenüber deines älteren Bruders ist wirklich abscheulich. Aber ich denke, ich kann nichts anderes von dir erwarten.“ Obwohl die Worte eisig und ohne jegliche Emotion gesprochen wurden, hatte sich der Daiyokai noch immer nicht von seinem Platz bewegt oder eine Bewegung in Richtung seines Schwertes angedeutet. Er starrte einfach nur berechnend zu dem Hanyo hinauf, fast so, als wäre er sich nicht sicher, ob dieser seine Zeit wert war.

„Keh, wie es mich interessiert. Ich habe besseres zu tun, als dir irgendwelche Höflichkeiten entgegen zu bringen, Eisprinzessin. Was willst du? Suchst du einen Kampf?“ Inu Yasha sprang von dem Ast auf den Boden, Tessaiga bereits halb aus seiner Scheide gelöst und seine Lippen zuckten nach oben. Endlich, nach Monaten des nichts tun, ohne Kämpfe oder einer guten Jagd, gab es endlich einen allerletzten Faden den er ergreifen und festhalten konnte, bevor seine Existenz an Bedeutung verlieren könnte.
 

Eine Schlacht.

Mit Sesshoumaru.
 

Egal wie man es drehte oder wendete, es hatte doch immer etwas aufregendes, gegen seinen reinrassigen Bruder zu kämpfen. Vielleicht weil er am eigenen Leib erfahren hatte, wie stark der Yokai-Lord war. Vielleicht weil er darauf hoffte, endlich beweisen zu können, dass er ihm ebenbürtig war.

Vielleicht weil er wusste, dass in all ihren Kämpfen keiner von ihnen je den letzten Schlag ausgeführt hatte.

Und auch wenn alles um ihn herum verschwinden würde - Sesshoumaru war immer noch da, ein fester Bestandteil seines Lebens. Immer noch auf ihn herabschauend und endlich sein eigenes Schwert in einer flüssigen Bewegung enthüllend. Inu Yasha grinste wild, als das reine, metallische Singen von Tessaigas wahrer Form seine Ohren erreichte und er verstärkte seinen Griff, als er sich gegenüber von Sesshoumaru positionierte.
 

Einige Dinge würden sich wohl nie ändern.
 

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Sesshoumaru beobachtete mit milden Interesse, wie sein jüngerer Bruder das Erbes ihres Vaters schwang, ähnlich wie ein wütendes Kind sein Spielzeug schleudern würde. Unkontrolliert, Unpräzise und Wild - denn das war alles, was er in Wahrheit war. Ein Kind. Noch nicht einmal ansatzweise aus dem Welpenalter entwachsen. Inu Yasha mag vielleicht älter und - sicherlich aus der Gnade der Götter heraus - weiser geworden sein, aber nichts änderte jemals etwas daran, dass er noch immer vollkommen unbeholfen wirkte.

Für einen Augenblick hatte er das seltsame Bedürfnis zu seufzen, als er dem provokanten Herumgehüpfe des Jüngeren folgte. Sein kleiner Bruder schien offenbar besonders schlechte Laune zu haben, wenn er so schnell auf seinen Köder angesprungen war. Oder steckte vielleicht etwas anderes dahinter? Nun, es könnte ihn nicht weniger interessieren, aber er würde diesem sinnlosen Schauspiel ein Ende bereiten.
 

Und damit griff er an.

Kraft traf auf Kraft, die ersten Obszönitäten hallten über die Lichtung und wurden im selben Atemzug von kalter Emotionslosigkeit ignoriert.
 

Schläge wurden getauscht, der Halbdämon fluchte und Sesshoumarus Schwert schimmerte sanft rot, als es erneut die Haut des Hanyos schmeckte. Immer wieder prallte das Metall aufeinander, die Klingen surrten und summten bei jedem Aufschlag und die Luft füllte sich langsam mit dem Duft von Inu Yashas Blut. Aber keiner der beiden konnte genug Abstand gewinnen, um eine Welle an Yoki loszulassen und das Kenatsu ihrer Schwerter freizusetzen. Stattdessen drehten sie sich in einem ewigen Spiel umeinander, jagten und hetzten sich zwischen den Bäumen hindurch und weigerten sich, in irgendeiner Weise nachzulassen.

Die Zeit verschwamm zu einem unbedeutenden Faktor. Langsam streifte die Sonne über den Himmel hinweg, Wolken zogen auf und verschwanden, Minuten verstrichen zu Stunden. Als sich die ersten Anzeichen des hereinbrechenden Abends zeigten, begannen die Kräfte des Halbdämons langsam zu schwinden und ein Keuchen entfloh seinen Lippen. Der Jüngere brauchte mittlerweile alles, um seinen älteren Bruder zurückzutreiben, während der Yokai-Lord selbst noch immer vollkommen makellos wirkte. Einzig seine Augen zeigten eine leichte Veränderung, als sie sich zu prüfenden Schlitzen verengten.
 

Ohne eine wirkliche Aufgabe, niemanden den es zu beschützen galt, war der Kampf für Inu Yasha seltsam leer. Seine Angriffe wurden schlampiger, Flüchtigkeitsfehler bescherten ihm weitere Wunden und entzündeten eine neuen Schmerz in seinem Bauch. Was versuchte er eigentlich zu erreichen? Einen Kampf für Nichts und Niemanden, Blutvergießen aus seiner eigenen Sturheit und der Hoffnung heraus, dass sich Sesshoumaru vielleicht genauso gelangweilt fühlte wie er? Was nützte ihm einen Schlacht, in der er sich vermutlich nur selbst in den Tot stürzen würde, weil er keinen Anreiz zum weitermachen fand? Ein langsames, trübes Gefühl der Klarheit sickerte in seinen Geist und ließ ihn plötzlich viel zu offen und verletzlich zurück, als der Daiyokai erneut angriff, schnell und tödlich wie immer.

Und der Yokai-Lord bemerkte es. Der zuvor hitzige und wilde Ausdruck in den Augen des Halbdämons verschwand schlagartig und ließ nur zwei vollkommen emotionale und plötzlich viel kindlicher wirkende Goldbecken zurück, die im Augenblick des Schlacht völlig verwirrt und resigniert wirkten. Inu Yasha würde sicher nicht zu Depressionen neigen oder den Gedanken an einen Selbstmord in Betracht ziehen, denn diese Tat hätte dem Daiyokai schon vor langer Zeit eine Menge Ärger erspart. Also musste es einen anderen Grund geben, warum sein jüngerer Bruder mitten im Kampf seine Haltung aufgeben würde, besonders gegenüber jemanden, der die Absicht verfolgte ihn zu töten.

Sesshoumarus Mine wurde hart, aber er brach seinen Angriff nicht ab, sondern korrigierte lediglich Bakusaigas Schlagwinkel, als er auf den Jüngeren zustürzte.
 

Haut riss, Blut floss, die Knochen knackten unangenehm und die Klinge bettete sich direkt unter Inu Yashas rechter Schulter ein, welcher nur einen erstickenden Schrei aus seiner Kehle loslassen konnte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog er sich brutal von dem Schwert zurück, schlug es zur Seite und presste seine freie Hand auf die Wunde, um den roten Fluss zu stoppen. Es würde sicher nach einer Weile heilen, aber er konnte von Glück reden, dass der Ältere darauf verzichtet hatte, sein Yoki in die Klinge zu geben. Andernfalls hätte die Macht des Schwertes seinen Körper innerhalb von Sekunden zersetzt.
 

War das mit Absicht passiert?
 

„Verdammt... das war reines Glück!“, stieß er zähneknirschend hervor und schwankte leicht, als er sich der Tatsache bewusst wurde, dass er sich vorübergehend ablenkten ließ. Und natürlich vor Schmerz. Hölle tut der Scheiß weh.

Sesshoumaru sah mit leicht gerunzelter Stirn auf Bakusaiga hinab und für Inu Yasha schien es, als sei er mit dem ganzen Hanyo-Blut überall unzufrieden.

„Glück, Inu Yasha?“, fragte er seltsam sanft. „Wäre der Streik weiter links gewesen, wärst du jetzt tot. Hätte ich Bakusaigas Kraft entfesselt, wäre von dir nicht einmal genug übrig geblieben, dass es für eine angemessene Beerdigung reichen würde. Maße dir nicht an, dem Glück die Schuld dafür zu geben, dass du in all den Jahren einzig und allein wegen eines passenden Zufalls überlebt hast.“ Kalte, goldene Augen verengten sich leicht und glitten zurück zu Inu Yasha, der merklich schluckte.

„Einen Kampf offensichtlich zu provozieren, nur um dann das Interesse daran zu verlieren... kleiner Bruder, solch eine Handlung ist selbst für dich äußerst töricht und schwach.“ Was auch immer Inu Yasha zu einer solchen Aktion getrieben hatte, wenn er ihn jetzt tötete, würde er sicherlich keine angenehme Befriedigung darin finden. Also würde er sich vorerst zurückziehen und seine kostbare Zeit anderswo verbringen.

„Keh!“ Inu Yashas Spott fiel weitaus leiser aus, als es für ihn der übliche Fall war und der Halbdämon versuchte nicht zusammenzuzucken, als er Tessaiga erneut anhob. „Halte mir keine verdammten Vorträge. Ich und Tessaiga werden dich - Hey! Was zum Teufel tust du?“
 

Sesshoumarus Gesichtsausdruck änderte sich nie, als er sein Schwert in die Scheide steckte und sich auf dem Absatz umdrehte.
 

Dann ging er weg.

Aus dem Kampf.
 

Inu Yashas Augen weiteten sich, bevor er laut knurrte. „Sesshoumaru! Verdammte Hölle bleib gefälligst hier! Unser Kampf ist noch nicht vorbei, hörst du? Hast du Angst oder was?“

Doch es kam keinerlei Reaktion auf seine Anschuldigung, stattdessen entfernte sich der Yokai-Lord völlig geräuschlos von der Lichtung und ließ den Hanyo allein zurück. Vollkommen sprachlos starrte der Halbdämon durch seine zerzausten Haarsträhnen auf die sich zurückziehende Gestalt seines älteren Halbbruders.

Tessaiga entglitt ihm und fiel schwer in das Gras, ohne das er es wirklich bemerkte. Ein unbekannter Schmerz reiner Ablehnung schoss durch seinen Körper und er fühlte eine neue Wut auf die Welt um sich herum. War er jetzt nicht einmal mehr einen Kampf wert? War seine Existenz wirklich so bedeutungslos geworden, dass selbst Sesshoumaru kein Interesse mehr an ihm zeigte?
 

Was hattest du erwartet? Du bist allein und es ist lediglich nur schrecklich für dich. Deshalb versuchst du doch dich abzulenken, indem du Sesshoumaru in einen weiteren Kampf treibst, der niemals zu Ende gehen wird. Deshalb ist er weggegangen und hat dich wie ein verzweifelter Idiot zurückgelassen.

Du bist ganz allein, Hanyo und solltest dich besser daran gewöhnen. Niemand wird für dich kommen. Die letzten Jahre waren einfach nur ein Traum.
 

Das Knurren in seiner Brust wurde schlagartig tiefer und animalischer, ohne sein Wissen blitzen goldene Augen plötzlich rot, während dunkel gezackte Streifen seine Wangen zierten.

„Das nächste Mal kommst du mir nicht so einfach davon...“, murmelte Inu Yasha und kniete sich hin, um Tessaiga aufzuheben und es wieder zu umhüllen. Aber selbst als er das Schwert ergriff, zog sich sein dämonisches Blut nicht sofort zurück und die Klinge pulsierte wütend, als sie versuchte, die herausbrechende Macht einzudämmen. Seine Gedanken hatten einen gefährlichen Sturm entfacht, der drohte, über ihn zusammenzustürzen und ihn wie eine Welle hinaus ins offene Meer zu schleudern. Sein menschliches Gewissen schwankte, taumelte durch die Flut an unterdrückten Empfindungen und versuchte verzweifelt wieder an die Oberfläche zu kommen.
 

Und in diesem Augenblick erwachte irgendwo tief in seinem Körper die lang versiegelte Macht seines dämonischen Erbes vollkommen und wurde nun zu einem festen Teil seines Unterbewusstseins.
 

Unkontrollierbar. Bestialisch. Tödlich.
 

Tessaiga würde nicht mehr lange in der Lage dazu sein, Inu Yasha vor sich selbst zu bewahren.
 

Die schützende Kraft des Inu no Taisho begann zu verblassen.
 

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Die Nacht brach herein und der junge Halbdämon fand sich erneut an diesem Tag in den tröstenden Ästen des Goshinboku wieder, seinem eigenen kleinen Zufluchtsort. Die Wunde an seiner Schulter heilte langsam. Stück für Stück setzten sich Sehnen und Zellen wieder zusammen, Muskeln bildeten und strafften sich, um die Haut nach oben zu drückten und sein Blut begann wieder in einem stetigen Tempo zu fließen.

Da niemand in der Nähe war, musste Inu Yasha weder dreist, selbstbewusst oder arrogant sein. Er musste nicht bestreiten, dass er als Mischling minderwertig oder schwach war, sich den abwertenden Blicken der Dorfbewohner entgegen stellen oder die Schwere seiner eigenen Verletzungen herunterspielen.

In diesen Zeiten brauchte er kein tapferes Gesicht zu zeigen, brauchte niemanden seinen unzerbrechlichen Geist zu demonstrieren.

Während das Tal um ihn herum schwieg, Bäume im leichten Wind schwankten und die Sterne sich über das dunkle Firmament zogen, war der echte Inu Yasha still und nachdenklich. Seit der Schlacht mit Sesshoumaru traf ihn ein vertrautes Gefühl, welches bis tief in das Innere seines Geistes reichte. Ein Schmerz, der weit über die physischen Aspekte von Blut, Eingeweiden oder Sehnen hinausging, viel weiter noch, als es der heilige Pfeil in seiner Brust je geschafft hätte.
 

Seine Seele weinte vor Qualen.
 

Es war nicht so, als hätte er nie mit diesem Ergebnis gerechnet, aber in dem Moment der Wahrheit, hatte es ein ziemlich gewaltiges Loch in sein Herz gerissen. In all seinen früheren Kämpfen gegen Naraku gab es nie eine zweifelnde Frage des Sieges, jedenfalls nicht für ihn. Zu viel stand auf dem Spiel, als das sich auch nur ein Gedanke an das Aufgeben richten konnte. Die Leben und die Sicherheit aller waren in seiner Verantwortung. Also behielt er steht’s seine übermütige Haltung bei, strotzte vor Selbstsicherheit, wenn sie auf eine Niederlage stießen. Es war einzig und allein an ihm, sich durch pure Willenskraft und falsche Haltung am Kämpfen zu halten, sich immer weiter zu fordern und sich einem körperlichen Risiko auszusetzen, damit niemand aus seinem Rudel starb - nicht solange, wie er noch sein Schwert schwingen und einen Atemzug machen konnte.

In der krassen Realität hingegen, gab es immer zu viele Gründe, ein Versagen als Option zuzulassen. Die unterdrückte, aber sehr echte Angst vor dem Tod, war der erste Punkt. Die Angst vor dem erneuten Allein sein der Zweite. Die Bedeutungslosigkeit seines Daseins der Dritte.

Er hatte immer geglaubt, dass sie nach dem finalen Kampf weiterhin zusammenbleiben würden. Immerhin waren sie ein Rudel - sein Rudel - und keine andere Option wäre akzeptabel. Auch wenn er nur ein Halbdämon war, folgte er den Instinkten von InuYokai und diese waren nun einmal Pack-Tiere. Doch es war alles irgendwie außer Kontrolle geraten und die Folgen waren schwerer, als irgendwelche Verletzungen, die sein physischer Körper erhalten hatte.

Seine Hündchenohren zuckten, krampften und drehten sich, als sie angestrengt versuchten, irgendetwas außer seinem eigenen Herzschlag zu hören. Erinnerungen fluteten ungezwungen in seinen Kopf zurück und ließen längst vergangene Szenen plötzlich viel zu lebendig erscheinen.
 

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Eine kleine Lichtung sollte für diese Nacht ihrem Lagerplatz dienen. Die kleine Gruppe ließ sich erschöpft, aber auch ein wenig glücklich auf der üppigen Wiese nieder und nutzte die verbliebenen Stunden des Tageslichtes, um sich auf die kommende Dunkelheit vorzubereiten. Sie hatte im Laufe des Tages einen weiteren Juwelensplitter ausfindig machen können und waren dann kurz nach dem Mittag in den entscheidenden Kampf geraten – mit Erfolg. In Kagomes kleinen Glasgefäß glimmte in einem sanften Rosa ein weiteres Fragment.

„Kagome?“ Die Angesprochene hob ihren Kopf und blickte zu der jungen Jägerin, die ihren schweren Boomerang auf den Boden niederlegte.

„Ich werde gemeinsam mit Miroku nach Feuerholz suchen gehen. Wir sollten spätestens in einer halben Stunde wieder zurück sein.“ Der Mönch trat neben Sango, ein vollkommen treuherziges Lächeln auf dem Gesicht.

„Meine liebe Sango, ich wusste gar nicht, dass ihr so gern mit mir allein sein wollt.“ Dabei fand seine Hand ihren Weg über die Hüfte der Dämonentöterin, bevor sie langsam nach unten wanderte.

„Miroku.“ Das war die einzige Warnung die der Mann erhielt, bevor ein lautes Klatschen über die Wiese hinweg hallte und seine Haut sich rot verfärbte. Irgendwo im Hintergrund ertönte das spöttische Lachen eines kleinen Kitsunes, während Kagome nur den Kopf schüttelte.

„Es ist in Ordnung, Sango. Ich werde derweil Inu Yashas Wunden versorgen.“ Und mit diesen Worten verabschiedeten sich die Beiden und verschwanden im Unterholz.
 

„Inu Yasha?“ Die leise Frage erreichte die beiden spitzen Welpenohren hoch oben auf dem Kopf des Halbdämons und sie zuckten leicht, als sie sich in Richtung der Stimme drehten.

„Was ist es dieses Mal, Kagome?“ Der Hanyo hatte sich in die Äste des größten Baumes zurückgezogen und öffnete nur eines seiner goldenen Augen, um auf das Mädchen hinunterzublicken.

„Ich will mir deine Wunden ansehen. Mama hat mir etwas Neues für deine Verletzungen mitgegeben.“

„Keh, kein Bedarf. Ich heile perfekt, auch ohne deine Wundermittel“ , murrte er zurück und lehnte sich an das raue Holz des Stammes.

„Lass mich wenigstens einen Blick darauf werfen!“

„Ich sagte Nein.“

„Und ich sagte Ja!“

„Und ich sagte Nein!“

„Inu Yasha-“ Der Halbdämon wurde bei der Art und Weise seines Namens sofort hellhörig, aber er hatte keine Chance, um angemessen zu reagieren.

„Sitz.“
 

„Musst du immer so brutal sein?“ , jammerte der Hanyo und starrte finster auf die Verbände an seinem Arm. Er mochte diese komische Gefühl des Stoffes auf seiner Haut nicht, aber das Mädchen bestand einfach penetrant darauf, dass es die Heilung seiner Wunden fördern würde.

„Wenn du nicht jedes Mal so trotzig sein würdest, dann müsste ich auch nichts sagen.“ Antwortete die junge Miko schlicht und steckte den übrigen Rest ihrer Salben wieder in den gelben Rucksack.

„Genau, Inu Yasha. Hör auf Kagome immer Probleme zu berei- AUA!“ Shippo kreischte auf, als eine feste Faust auf seinem Kopf landete und der Halbdämon leise knurrte.

„Klappe du Garnele, niemand hat dich nach deiner Meinung gefragt!“ schnappte der Hanyo, während der Fuchs schnell aus seiner Reichweite sprang und sich in die Sicherheit von Kagomes Armen begab.

„Inu Yasha – Sitz.“
 

Sobald die Nacht schwer über dem Land hing und sich alle zur Ruhe gelegt hatten, blickte Kagome zu dem Halbdämon auf, dessen Gesicht den Sternen zugewandt war.

„Solltest du nicht schlafen?“ Die fast schon sanfte Frage erschreckte das Mädchen, doch sie lächelte nur und folgte seiner Sicht hinauf in den funkelnden Himmel, eine entspannte Stille zwischen ihnen.

„Meinst du, wir werden Naraku besiegen?“

„Was für eine dumme Frage, natürlich werden wir das! Ich werde ihm eigenhändig das Herz herausreißen.“ Ein goldenes Augenpaar starrte aus dem dunklen Baldachin zu ihr herunter, während der Rest von Inu Yashas Gestalt in der sterbenden Glut nur fahl beleuchtet wurde.

„Und was machen wir danach? Wenn wir ihn besieht haben?“ Die Miko rutschte etwas bequemer in ihren Schlafsack hinein und platzierte den jungen Fuchst sanft neben sich.

„Was wir danach machen?“ Wiederholte der Halbdämon nachdenklich. „Wir gehen alle ins Dorf zurück. Du kannst Kaede helfen und von ihr lernen, während ich die Dämonen fernhalte. Sango könnte die Bewohner trainieren und Miroku im Tempel arbeiten. Keh und Shippo könnte mit den andere Kindern spielen.“

Inu Yashas Blick wurde für einen Moment ernst und Kagome beobachtete die rauen Emotionen auf seinem Gesicht. Sie wussten beide, dass es keine Sicherheit dafür gab, dass sie alle unbeschadet aus dem Kampf mit dem bösen Halbdämon hervor gingen. Aber niemand traute sich je, diese Überlegungen lauf auszusprechen.

„Ich glaube -“ , setzte die junge Miko an und langsam begann ein warmes Lächeln auf ihren Lippen zu entstehen, als sich braune und goldene Augen wieder trafen.

„Ich glaube, dass würde mir sehr gut gefallen.“
 

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Ein kalter Luftzug, riss Inu Yasha aus seinem gedankenverlorenen Zustand und er steckte seine Hände tiefer in den Haori, um den letzten Rest der Wärme zu bewahren, auch wenn er innerlich bereits fror. Das lautloses Seufzen, welches unbewusst seinen Lippen entfloh, wurde dabei von dem traurigen Glanz in seinen Augen begleitet.

Es würden keine Stimmen hinter ihm her kommen, es würde kein sanftes Klingeln eines heiligen Stabes geben oder das Schnurren einer Feuerneko, die in den Armen ihrer Begleiterin saß. Der dunkle Wald wurde von keinem warmen Feuerschein erhellt, von keinen Gerüchen des Essens überlagert oder von einem harten Schlaggeräusch gestört.
 

Nichts davon war mehr da.

Das Dorf, sein Wald, war leer von Düften, Stimmen und Auren.
 

Und jetzt, als er begann langsam aufzuwachen, bröckelte sein einst so starker Geist in sich zusammen. In den Zweigen des Goshinboku spürte Inu Yasha zum ersten Mal den Effekt seines Kontrollverlustes. Während der Schmerz seiner heilenden Wunde in den Hintergrund rückte, war der Schmerz seiner beiden Individuen viel akuter - der Kampf zwischen Mensch und Dämon zerriss die bereits zerlumpten Enden seiner Seele nur noch weiter.

Er würde wieder in das Exil gehen, vergessen und als Ausgestoßener leben, wie er es vor dem Juwel getan hatte. Keine Verpflichtungen, keine Versprechungen, keine Bindungen. Er hatte die natürliche Ordnung der Welt gesehen und Halbdämon gehörten ganz sicher nicht dazu. Vielleicht, nur vielleicht, hatte Sesshoumaru all die Jahre recht gehabt...
 

Der Wind dreht erneut auf, peitschte durch die knorrigen Zweige und wirbelte dicht an seinem Gesicht vorbei, ehe er die weiße Mähne in kleinen Spiralen verdrehte. Die einst feurigen Augen eines Kriegers, wirkten im fahlen Licht des Mondes abgenutzt und stumpf. Die feste Linie seines Kiefers und das einst jugendliche Gesichts war gezeichnet von Furchen der Hoffnungslosigkeit.
 

Inu Yasha war müde.
 

Das gesamte Durcheinander sammelte sich wie ein Leuchtfeuer in seinen Gedanken, begann die vertraute Umgebung seines Waldes mit quälenden Fragen zu überziehen, ließ mit jedem Atemzug neue Zweifel in ihm aufsteigen. Doch er bewies seine Stärke, indem er keine einzige Träne vergoss.

Vielleicht sollte er wieder anfangen zu reisen. Nur er allein, so wie vor langer Zeit. Wenn der erste Schnee fiel, könnte er vermutlich bereits im Süden sein. Die Ryukyu-Inseln boten im Winter wohl das angenehmste Klima und er wollte unbedingt noch einmal das Meer sehen - die Wellen dabei beobachten, wie sie sich im tosenden Sturm türmten, um mit der einzigartigen Kraft rauer Naturgewalten an den Klippen zu zerbrechen.

Noch ein paar Tage, dann würde er das Dorf verlassen. Er könnte Totosai besuchen oder bei Kogas Clan vorbei schauen, wenn er Glück hatte, schaffte er es sogar noch zum Grab seiner Mutter. Es wurde Zeit, dass er erneut begann, die verbliebenen Bindungen zu seinem alten Leben zu kappen. Schließlich war angeblich alles in Ordnung mit der Welt und ein Teil von ihm schämte sich dafür, dass er dieses Ergebnis tatsächlich hasste.
 

Und alles was er dagegen tun konnte, war zu versuchen, einen Anschein von Stärke zu bewahren, während seine menschliche Seite um die Stücke seiner verlorenen Seele trauerte.
 

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wichtige japanische Wörter:
 

Ningen: abfällige Bezeichnung für Menschen
 

Kami: Gott
 

Reiryoku: spirituelle oder göttliche Kraft
 

Yoki (oder auch Yoryoku): dämonische Energie und die Lebenskraft eines Yokai. Kann sowohl die körperlichen Fähigkeiten verbessern (Inu Yashas Sankon Tesso, um die Stärke und Angriffsreichweite seiner Klauen zu erhöhen), als auch Konstrukte bilden (Sesshoumarus Lichtpeitsche) oder in Form von Elementen kanalisiert werden
 

Kenatsu: eine Fähigkeit die hauptsächlich von Yokai-Schwertern besessen wird. Wenn Yoki in das Schwert geschleudert wird, kann der Benutzer seine Feine schlagen, ohne dass die Klinge physischen Kontakt hat. (Unter solch einen Angriff fällt zum Beispiel Inu Yashas Kaze no Kizu)
 

Yoketsu: visuelle Manifestation der dämonischen Energie in Form eines Strudels hinter einem Yokai. Wird dieser Wirbel und das damit verbundene Yoketsu durchtrennt, wird der Dämon sofort getötet.
 

Jaki: bösartige Energie, die ähnlich der dämonischen Aura ausgestrahlt wird. Entsteht aus der dunklen Natur

oder dem Willen (Yin) eines Individuums
 

dämonisches Jaki: jeder Dämon und Mensch besitzt das Potenzial Jaki auszustrahlen. Je böser der Yokai ist, desto größer sind die Fähigkeiten in der Kontrolle, Verwendung und Stärkung des Jaki, um Objekte und Menschen zu kontrollieren
 

Höllenjaki: entstand durch die vielen bösartigen Kreaturen in der Hölle und ist auch im Meido vorhanden
 

Shoki: alternative Bezeichnung von Miasma oder auch Sumpfgas genannt

Neumond

N° 1: Neumond

 

Einen Monat lang war er jetzt schon allein unterwegs und alles was er bei sich trug, war sein Feuerrattenoutfit und Tessaiga. Mehr hatte er nie gebraucht und mehr würde er auch nie brauchen. Der Abschied von seinen menschlichen Freunden war kurz, aber trotz ihrer gemischten Gefühle nicht weniger angenehm. Vielleicht lag es daran, weil sie alle ein tieferes Verständnis für seine Situation entwickelt hatten oder weil sie hofften, dass es ihm dadurch besser gehen würde. Jeder von ihnen wusste, dass es nichts auf der Welt gab was ihn noch länger an das Dorf binden würde und solange er das Versprechen gab sie irgendwann einmal zu besuchen, ließen sie ihn ziehen.

Und er würde zurückkommen. Nicht in ein oder zwei Monaten, oder in einem Jahr, aber irgendwann würde ihn sein Weg wieder zu seinen alten Gefährten führen. Zurück in die Arme seiner neugewonnenen Heimat und zurück zu Goshinboku.

 

Nach drei Jahren gemeinsamer Reise, war es fast schon seltsam allein durch die Wälder zu ziehen. Aber Inu Yasha konnte nicht sagen, dass er es nicht mochte. Es gab kein vorgeschriebenes Tempo, keine unnötigen Pausen oder das Bedürfnis in den Abendstunden ein Lager aufzubauen, er legte weitere Strecken zurück, ohne eine Anforderung an Schlaf und hatte sogar wieder begonnen rohes Fleisch zu verzehren – etwas, was er in Anbetracht des menschlichen Empfinden aufgegeben hatte. Alles kehrte zu seinen Wurzeln zurück und er war erneut nur für sich selbst verantwortlich, während er subtil den Sternen in den Süden folgte, einem unbestimmten Ziel entgegen.

 

Eine sanfte, aber recht kühle Herbstbrise streifte durch bunt gefärbte Baumkronen und ließ farbige Blätter in der Umarmung des Windes zu Boden tanzen. Jede Zelle im Körper des Halbdämons strahlte vor Entspannung und Ruhe, als er durch das Spiel von Licht und Schatten der Baldachine sprang, immer der wandernden Abendsonne folgend. Er atmete den Reichtum an unverfälschten Gerüchen ein, so viel schärfer, so viel reicher und so viel belebender, als er es jemals gerochen haben könnte. Überall um ihn herum erhoben sich die lebendigen, braunen Säulen der Erde, griffen weit hinauf in den Himmel und riesige Äste streckten sich aus und beschatteten das weiche Gras darunter. Getrocknete Zweige und Blätter bedeckten den Boden und dämpften den ein oder anderen Sprung nackter Füße, bevor jene wieder hoch oben zwischen Blattwerk und Gehölz verschwanden.

Obwohl sein stetiger Gang schnell war und die Meilen an ihm vorbeirasten, war Inu Yasha bereit, das Tempo zu erhöhen. Er konzentrierte sich und nutze seine fast gleitende Vorwärtsbewegung zum größten Vorteil aus. Mit jedem zusammenziehen und schnappen seiner Muskeln, setzte er seinen Fuß fest auf den Untergrund auf und katapultierte sich danach hoch in die Luft. Für einen Augenblick war er vollkommen schwerelos, bevor er in einem langen und tiefen Bogen nach unten stürzte und genau den gleichen Ablauf wiederholte, um in einer mühelosen Kurve wieder nach oben zu schießen.

Es dauerte nicht lange, bis er sich an seinen Rhythmus angepasst und darin entspannt hatte. Dies war so nah, wie er es jemals schaffen würde, wahre Freiheit zu erreichen und es war eine der Freuden, die er aus seinem gemischten Erben ziehen konnte. Es war eine Sache, an der schon seit seiner Kindheit festhielt – etwas, was ihm und nur ihm allein gehörte und niemals würde dieses besondere Gefühl übertroffen werden.

 

Der starke Herzschlag in seiner Brust, ließ seinen Körper vor Adrenalin erzittern und jeden Zentimeter mit neugewonnener Kraft erblühen. Der Wind rauschte an den dreieckigen, weißen Hündchenohren vorbei, riss an dem roten Stoff der Robe und Tessaiga vibrierte bei jedem neuen Aufprall auf dem Boden. Er konnte in der nahen Umgebung vereinzelte Wildtiere und kleinere Dämonen wittern und seine Nase verriet ihm, dass sich in einigen Kilometern Umkreis keine menschlichen Dörfer befanden. Seine goldenen Augen erhoben sich zu dem verfärbten Horizont und verfolgten berechnend den momentanen Stand der untergehenden Sonne.

Er müsste bald eine Pause machen und sich einen geeigneten Platz für die Nacht suchen. Ein paar Beeren und Wurzel sollten für den Abend genügen, denn er hatte am Vortag vorsorglich zwei Kaninchen gegessen, damit er in der Zeit seiner Menschwerdung keine schwere Nahrung zu sich nehmen musste. Je weniger er sich am Boden und damit auf unbekannten und unsicheren Terrain aufhalten musste, desto leichter würden er die kommenden Stunden überstehen.

 

Denn dies war der erste Neumond ohne sein Rudel.

 

Seine ausgeglichen Sprünge verkürzten sich, er gab seine überlegende Position in den Ästen der Bäume auf und bewegte sich stattdessen als rote und weiße Unschärfe über den Waldboden, bis er sich komplett verlangsamte und in einen seichten Lauf fiel.

Aus einem tief verwurzelten Instinkt heraus, begann der Halbdämon seine gesamte Umgebung schon fast klinisch zu untersuchen. Er identifizierte die in seiner Nähe vorhanden Individuen, kategorisierte sie und speicherte jedes noch so kleine Detail gedanklich ab, die darauf hindeuten könnten, dass etwas nicht stimmte. Die Schönheit um in herum, obwohl bemerkt und geschätzt, rückte in den Hintergrund und stattdessen konzentrierte er sich auf die Schatten, die Ecken und Nischen zwischen den Bäumen, die dunklen Orte, an denen Gefahren lauern könnten. Die ersten Fluchtwege wurden geplant und Fehler gesucht, die eine möglich spätere Verteidigung verhindern könnten, denn er musste auf alles vorbereitet sein, egal wie unwahrscheinlich es auch war.

Immerhin hätte Inu Yasha seine Kindertage in der rauen Natur nicht überlebt, wenn er in seinen Aufgaben nachlässig gewesen wäre. Beobachtungen zeigten ihm, Erfahrungen lehrten ihn und die Sturheit brachte ihn dorthin, wo er heute stand. Nur zu gut erinnerte er sich an seine selbst auferlegten Disziplinen, neue Dinge in phänomenaler Geschwindigkeit zu erlernen – und das nicht nur mit seinen Augen, sondern mit jedem seiner Sinne, die ihm gegeben wurden. Aufgeben gab es nicht und er ließ nur selten zu, dass sich sein körperlicher Zustand einmischte. Manchmal gab es Tage an denen er weder schlief, aß, sich ausruhte oder Verletzungen die Chance auf Heilung gewährte. Denn jede Sekunde zählte für ihn, ein Fehler und er hätte sein Leben verwirkt.

Kaum verwunderlich, dass er wegen seiner eigenen Dummheit mehr als nur einmal an der schmalen Grenze zwischen Leben und Tod tanzte. Aber irgendwie schaffte er es jedes Mal noch rechtzeitig zurück. Vielleicht war es sein Schicksal, vielleicht wollte selbst der Tod keinen Mischling bei sich, aber am Ende war er zu dem geworden, der er heute war.

 

Seine Hände streiften beiläufig über Blätter und Sträucher, als er an ihnen vorbei trat und sich umblickte. Die Bäume standen hier ausreichend weit auseinander, damit er ein umfassendes Sichtfeld hatte, waren aber immer noch nah genug zueinander, dass er im Notfall über sie hinweg flüchten konnte. Die Äste sahen groß und robust aus und hingen tief in Bodennähe, sodass er auch als Mensch problemlos an ihnen nach oben klettern konnte, um in den Baumkronen einen geeigneten Ruheplatz zu finden. Fast ein wenig melancholisch ließ er seinen Blick in das Blätterdach schweifen und erinnerte sich an seine jungen Jahre, als er praktisch ausschließlich zwischen den Zweigen der Bäume gelebt hatte, um seine gesammelte Nahrung und auch sich selbst vor allen möglichen Gefahren und Fressfeinden zu schützen. Vor allem nachdem seine Mutter gestorben war und seine Krallen und Milchzähne noch teilweise zu weich waren, um ernsthaften Schaden anzurichten, erwies sich dieser Ort am effektivsten und war im Gegensatz zu den feuchten Erdlöchern und kalten Steinhöhlen wirklicher bequemer.

Mit einem mentalen Seufzen ging er in die Hocke, tastete über das weiche Moos und grub seine Krallen ein paar Zentimeter in die feuchte Erde. Nahrhafter Boden, murmelte er geistig. Die beste Voraussetzung für Brombeeren und Pilze im Herbst, wenn er Glück hatte, fand er sogar ein paar Haselnüsse oder Eicheln. Als er sich erhob bebten seine Nasenflügel und er filterte die unterschiedlichen Gerüche und Düfte in der Luft. Zwei Rehe, ein Fuchs und kleinere Yokai, nichts was ihm gefährlich werden könnte. Einige Kilometer in östlicher Richtung befand sich ein Fluss, welchen er auf seiner Reise vor einige Tagen bereits gekreuzt hatte und er wusste daher, dass dieser eine gute Möglichkeit bot, um bei Problemen seinen Geruch und seine Spur zu verbergen – vorausgesetzt, er schaffte es bis dort hin.

 

Dennoch war dies wohl der beste Ort für eine Pause.

Inu Yasha würde für die Nacht hierbleiben.

 

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Die letzten Lichtstrahlen verblassten träge am dunklen Horizont und mit ihnen wurden jegliche seiner dämonischen Kräfte versiegelt. Tief eingebettet in seinem Körper, noch immer lebend und pulsierend unter seiner Haut, aber für Stunden nicht nach außen hin sichtbar. Es war nicht so, als würde sein Dämonenblut gänzlich verschwinden, stattdessen zog es sich weit in die Tiefen seiner Seele zurück und schien für diese eine Nacht in einen seltsamen Schlummern zu verfallen.

Und mit der Ankunft der Dunkelheit, setzten auch die körperlichen Veränderungen ein – und brachte den eigentlichen Schmerz mit sich. Einst weißes Haar blutete zu Tintenschwarz, spitze Zähne und Klauen wurden nutzlos klein und stumpf. Muskeln verkürzten sich, sein Rückgrat bog sich mehr, Knochen wurden dünner. Seine flaumigen Ohren schrumpften und sanken in seine Kopfhaut, für einen kurzen Augenblick gab es ein beständig dumpfes Pochen, welches sich langsam über seine Schädeldecke zu den Seiten hin ausbreitete, bevor sich der Knorpel und die damit verbundenen menschlichen Ohren bildeten.

Er hatte es nie für nötig gehalten jemanden zu berichten, wie quälend die eigentliche Transformation tatsächlich war, denn das Nachwachsen von Fleisch, Reißzähnen oder sogar Knochenfragmenten stellte sich immer als äußerst schmerzhaft heraus. Oftmals bemerkte er, dass sein Zahnfleisch blutete oder das die Haut an den Rändern seiner Krallen aufgerissen und verzehrt war und doch schien nie jemand seiner Begleiter darauf aufmerksam geworden zu sein. Und da er keine schlafenden Hunde wecken wollte – oder in seinem Falle Kagome – schwieg er einfach und ließ den Schmerz vorüberziehen.

 

Inu Yasha seufzte und lehnte sich an die raue Rinde des Baumstammes hinter sich zurück, als das Klopfen in seinem Kopf langsam nachließ und seine Schläfen aufhörten unter seinen Fingerkuppen zu pochen. Normalerweise ging seine Transformation schnell von statten, aber heute hatte er das Gefühl, dass sich sein dämonisches Blut nur schleppend langsam in sein Heiligtum zurückzog. Es war fast so, als müsste es zwanghaft aus seinen Adern herausgerissen werden und er hatte gespürt, wie es nur Sekunden vor seinem erzwungenen Schlaf wütend aufgeflammt war. Der Dämon in ihm hatte sich noch nie so dagegen gewehrt und er konnte keinen vernünftigen Grund erkennen woran es liegen könnte, denn schließlich war es jeden Monat, seit dem Tag seiner Geburt so verlaufen.

Seine allererste Verwandlung war für ihn die Hölle gewesen. Niemand hatte damals geahnt, dass es zu einer solchen Umwandlung kommen würde und obwohl er nur ein Säugling war, hatte sich der scharfe Schmerz tief in sein Bewusstsein gefressen. Als er wuchs, wurde es zwar nicht besser, aber er gewöhnte sich daran und das machte die Sache irgendwie einfacher. Nur zu gut erinnerte er sich, dass er einmal versucht hatte seine Menschwerdung aufzuhalten. Er hatte sich so verzweifelt an sein dämonische Blut geklammert und jede Unze seiner Kraft heraufbeschworen, um sich nicht verwandeln zu müssen. Aber am Ende konnte ein menschliches Herz mit dem Yoki in seinem Blut nicht umgehen und das sonst so überlegende Erbe seines Vaters hatte ihn in dieser Nacht fast getötet.

Er war zwischen seinen Formen stecken geblieben, halb verwandelt, kauernd auf dem Boden und vor Qual schreiend, während durch seine Adern flüssiges Gift schoss und ihn von Innen heraus zu verbrennen schien. In seinem Delirium nahm er damals wage die Gestalt seiner Mutter wahr, aber ihre Worte blieben für ihn ungehört und erst als sie ihn eine schützende, warme Umarmung zog und ihm das Gefühl vermittelte nicht allein zu sein, konnte er endlich loslassen. Es dauerte fast zwei Tage, bis er wieder bei Bewusstsein war und noch einmal drei, bis er sich ausreichend erholt hatte, um aus dem Bett zu steigen.

 

Seit diesem Tag hatte er nur noch ein einziges Mal gegen die Verwandlung gekämpft – später, als er älter wurde und dachte, dass er jetzt genug Willenskraft besaß, um es aufzuhalten. Aber das Ergebnis war das Gleiche, denn ein solch unnatürliches Ende der Veränderung blieb nie ohne Konsequenzen und das war die dumme, traurige Wahrheit die er akzeptieren musste.

Er war schließlich nur ein Halbdämon.

 

Auf seinem Zweig sitzend, zu den leicht funkelnden Sternen blickend, war Inu Yasha nun vollkommen zufrieden damit die verbleibenden Stunden bis zum Morgengrauen auszuharren. Sein Gewand wickelte sich fest um seinen Körper und hielt ihn in der kalten Herbstluft weitestgehend warm, während er sich in der Umarmung des mächtigen Baumes sicher und beschützt fühlte und eine tiefe Ruhe in seinen Geist Einzug hielt, obgleich er immer noch aufmerksam auf die Umgebung achtete.

Denn selbst in seiner menschlichen Zeit gab es eine Sache, die für ihn nie verschwinden würde; die Verbundenheit zu der tief verwurzelten und Jahrtausendealten Magie der Uralten, die durch das Land unter seinen Füßen floss. Sie waren da, noch bevor es Menschen und Yokai auf dieser Welt gab, sie durchfluteten und berührten, sie gaben und nahmen und sie waren selbst in dieser Nacht für ihn spürbar. Wann immer er sich in der Natur bewegte, fühlte er den Puls des Lebens aus den Tiefen des Planeten. Alles hatte seinen Platz und ein unsichtbares Netz, dass für ein stetiges Gleichgewicht sorgte, verband sich mit jedem Wesen und sogar mit Muttererde selbst.

Inu Yasha hatte nie wirklich darüber nachgedacht, warum er ein so starkes Bewusstsein zu den spirituellen Ebenen besaß oder warum gerade er die Bindung so deutlich spüren konnte. Vielleicht war es ein Erbe seines menschlichen oder dämonischen Blutes oder weil er aus zwei verschiedenen Rassen stammte. Aber sein Verständnis für die Uralten, das Empfinden für Reiryoku und Yoki wuchs mit ihm und jedes Mal, wenn er ein von Magie berührtes Wesen begegnet war, fühlte er die beruhigenden Impulse tief in seiner Seele.

 

Goshinboku war ein solches Wesen.
 

Der heilige Baum war 50 Jahre lang sein unfreiwilliges Zuhause gewesen. Dort gab es für ihn keine Angst, keinen Schmerz, keinen Hass. Nur Frieden. Er hatte sicher und behütet im Schatten seiner Umarmung geschlafen und die weiten Ästen wogen seinen trägen Körper, denn Kikyos Pfeil verband ihn damals mit dem Baum und verband gleichzeitig auch den heiligen Baum mit ihm. Er wurde von der Welt abgeschnitten, träumte in einem Strudel aus verschwommenen Farben und sein Geist öffnete sich mehr den je für die sanfte Kraft der Uralten. Er berührte und wurde von der Magie berührt.

Aber Inu Yasha schlief nicht allein. Goshinboku, als Baum der Zeit, war die gesamten Jahre über sein stetiger Begleiter und gab eine Teil seiner eigenen Kraft in das Blut des Halbdämons ab, damit er sich bis tief in die Knochen mit ihm vermischen konnte. Er wob das Band der Zeit, welches ihm ermöglicht hatte über ein halbes Jahrhundert vollkommen unberührt zu bleiben und die Grenzen seiner eigenen Ära zu überbrücken, um Kagome in sein Leben zu lassen und in die Zukunft der Welt einzutauchen. Und selbst als er erwacht war, kehrte der junge Hanyo doch immer wieder in seine Zweigen zurück, auf der Suche nach Trost und Akzeptanz.

 

Und vielleicht war gerade das der Grund, warum er den Aufruhr in der sonst so stillen Aura des Waldes spüren konnte. Er konnte es nicht erklären, aber das scharfe Gefühl einer tiefsitzenden Angst verpestete die friedvolle Magie um ihn herum und ließ selbst ihn unruhig werden. Es war selten, dass die Uralten tatsächlich von Dingen der Menschen oder Yokai beeinträchtigt wurden. Naraku war der Letzte, der mit seinem giftigen Miasma eine Erschütterung bis in den Tiefen des Planeten ausgelöst hatte, aber nie gab es ein so starkes Echo der Warnung, wie in den letzten Tagen.

Was auch immer das Land bedrohte, Inu Yasha wusste instinktiv, dass bald etwas passieren würde.

 

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Dunkle Augen wanderten langsam über den mondlosen Himmel, Tessaiga lag in fester Manier in seinem Schoß und Inu Yasha strich sich eine einzeln verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht, um sie hinter sein Ohr zu klemmen. Er steckte die Hände tiefer in die Ärmel seines Haoris und rutschte ein wenig auf dem Holz herum, um eine angenehmere Position zu finden. Noch sieben Stunden bis Sonnenaufgang – und bis jetzt war es erschreckend ruhig gewesen. Ab und an gab es ein leises Rascheln, ein entfernten Ruf eines Vogels oder das Heulen eines Wolfes, aber weder hatte ein Dämon seinen Standpunkt ausfindig gemacht, noch waren andere Tiere auf ihn gestoßen. Wenn das so weiter ging, könnte er vermutlich noch in die Versuchung geraten sein Glück auf die Probe zu stellen, nur um zu sehen, ob es das Schicksal es ernst mit ihm meinte.

 

„Glück.“ Das Wort flossen leise über seine Lippen und er legten den Kopf leicht schief, als er daran dachte, dass Sesshoumaru in ihrem Kampf etwas darüber gesagt hatte.

Maße dir nicht an, dem Glück die Schuld dafür zu geben, dass du in all den Jahren einzig und allein wegen eines passenden Zufalls überlebt hast.“

Ob das stimmte? War sein Überleben nur einer Reihe von Zufälle zu verdanken, die ihn irgendwie immer zur richtigen Zeit aus der Scheiße gezogen hatten? Nun, er war nur wegen Kagome aus Goshinbokus Armen entlassen worden und sie hatte Tessaiga irgendwie aus dessen Gefängnis befreien können. Außerdem hatte er seinem Bruder eher im günstigen Affekt den Arm abgeschnitten, als dass er es plante und er konnte die Windnarbe nur aus der Not heraus und nach einer beeindruckenden Demonstration Seitens Sesshoumarus entdecken. Nicht zu vergessen, dass er bis jetzt in seiner menschlichen Nacht noch nicht gefressen worden war oder das Kikyos Pfeil ihn damals nicht tötete.

 

Vielleicht hatte er tatsächlich nur durch Zufall überlebt?

 

Ein nachdenkliches Stirnrunzeln zierte sein Gesicht und er lehnte sich gerade näher an den Baumstamm, als ein erschreckend lauter Schrei durch die Nacht hallte und ihn fast von dem Ast stürzen ließ. Sofort war er in völliger Alarmbereitschaft, Tessaiga – wenn auch in dieser Zeit nur ein verrostetes Schwert – fest im Griff, während seine andere Hand die Rinde neben sich fest umklammerte. Inu Yasha hielt den Atem an, als er vorsichtig nach unten spähte und auf weitere Geräusche lauschte.

Und tatsächlich. Mehrere Zweige knackten und sprangen, Blätter rauschten und etwas lief schnell über das trockene Herbstlaub. Mit seinen menschlichen Augen konnte er von seinem Standpunkt aus nicht erkennen, was oder wer sich dort unten befand, aber er konnte hören, dass es sich in seine Richtung bewegte. Schnell.

„Scheiße“, murmelte er unter angehaltenem Atem und versuchte sein rasendes Herz zu beruhigen, bevor das unbekannte Ding noch bemerken würde, dass er hier war. Eine Welle des Unbehagen regte sich in seinem Inneren und er verzog missmutig das Gesicht, als er das Gefühl kalter Angst in sich spürte.

 

Keh, ich komme mir vor wie ein Feigling, wenn ich hier oben hocken und mich verstecke. Es ist nicht so, als wäre ich vollkommen schwach und selbst in diesem Zustand ist Tessaiga mir noch nützlich! Und... die Neugierde tötet schließlich nur Katzen... Sich selbst Mut zusprechend, drückte er die wachsende Besorgnis tief in sich zurück und kletterte langsam zu einem der dickeren und tiefer hängenden Ästen, um einen Blick zu riskieren. Von seiner neuen Position aus konnte er die Schritte deutlicher hören, gepaart mit lauten, keuchenden Atemzügen und erschrockenen Lauten.

Huh, es klingt nach einem Menschen, schnaubte er abwertend, obgleich er über diese Erkenntnis sehr erleichtert war. Eben doch ein echter Hund, dachte er triumphierend und hockte sich zufrieden auf, bereit wieder nach oben zu steigen. Es war schließlich nichts, was ihn interessieren könnte und solange kein Dämon hinter seinem Arsch her war, würde er sicher nicht eingreifen und sein Versteck preisgeben. Seine Hände fanden den nächsten Angst und er spannte seine Muskeln an, als die laute Stimme ihn in seiner Bewegung einfrieren ließ.

 

„Sesshoumaru-Sama? Könnte ihr mich hören?“

 

Abrupt drehte er sich wieder zurück, die Augen groß und ungläubig. Er kannte diese Stimme und würde sie nach über vier Jahren sicher überall wiedererkennen. Das war Rin – Sesshoumarus kleines Mädchen. Erneut lehnte er sich wieder ein Stück weit nach unten und spähte zwischen den Blättern hindurch. Das laute Rascheln ihrer Schritte verriet ihm perfekt ihre Postion und sie konnte froh sein, dass er nicht wirklich Hunger auf kleine Kinder hatte.

Sie war wieder näher gekommen, er konnte ihren schnellen Atem nun deutlich hören und dann sah er in alle dem Schwarz einen kleinen Schemen, der fast stolpernd und unsicher zwischen den Bäumen hindurch rannte. Sollten die Kröte und der Drache nicht immer in ihrer Nähe sein? Aber es gab kein lautes Rufen einer nervig hohen Stimme oder das Trampeln von schweren Füßen, die ihr folgten. Tatsächlich schien es so, als wäre das Mädchen wirklich allein.

 

Zum Teufel, wo war Sesshoumaru?

 

Ein schweres Seufzen brummte in seiner Brust und Inu Yasha beugte sich über den Ast, gerade rechtzeitig, um Rin an ihrem Kimono zu erwischen und sie nach oben zu ziehen, als sie an seinem Baum vorbei rannte. Er konnte das Kind schließlich nicht einfach sterben lassen, nur weil jemand bestimmtes sich dazu entschlossen hatte, sie zu verlassen. Er war sicher nicht weichherzig und er hätte all die Jahre nicht überlebt, wenn er sich für jeden und alles erbarmt hätte. Aber das hier war Rin, das kleine Mädchen, welches über vier Jahre im Dorf an seiner Seite gelebt hatte – er konnte sie nicht einfach in ihr Verderben rennen lassen, wenn sie zueinander eine seltsame Freundschaft aufgebaut hatten

Ihr kleinerer Körper zitterte noch immer vor Anstrengung und Panik und sie schlug ein wenig wild um sich, als er sie in seinem Schoß fallen ließ. Sie keuchte leise, hatte die Augen fest zusammengepresst und versuchte sich zum kleinsten Ziel zu machen. Ein Bild, welches ihm nur allzu bekannt vorkam. Inu Yashas Blick wurde scheinbar ausdruckslos, strahlte in seinen Zügen aber immer noch Weichheit aus. Ganz vorsichtig, um das Kind nicht noch weiter zu erschrecken, faste er ihre Finger zwischen seine warmen Hände und tippte ihr auf die Handoberfläche.

 

„Rin.“ Sie zuckte bei dem Klang ihres Namens zusammen und hob ruckartig den Kopf, um in sein Gesicht zu blicken. Eine einzelne, kleine Tränenspuren glitzerten auf ihren Wangen und ihre Augen weiteten sich minutiöse.

„I-Inu Yasha-Sama?“ hauchte sie leise, fast schon ungläubig.

„Wer sonst würde dich vom Boden aufsammeln, Göre?“ Fragte er murrend und ihr Gesicht spaltete sich jäh zu einem Lächeln, all die Angst schien verschwunden. Was für ein seltsames Kind.

„Ich bin so froh Euch zu wiederzusehen, Inu Yasha-Sama!“ , rief sie glücklich aus und wäre ihm vermutlich um den Hals gefallen, wenn sie nicht so hoch oben gesessen hätten. „Ich wusste ihr habt immer noch ein Augen auf mich, obwohl ich schon eine Zeit lang nicht mehr bei Kaede-Sama lebe!“

„Keh.“ murmelte er leise und lehnte sich wieder an den Baum, einen Arm sicher in Rins Reichweite und der andere hielt Tessaiga fest. Er hatte nicht vergessen, dass er während der letzten Jahre immer besonders auf das Mädchen aufgepasst hatte. Nicht zuletzt, weil er einen mörderischen Bruder im Nacken hatte. „Wie auch immer. Was machst du hier draußen? Sollte dieser grüne Frosch nicht bei dir sein?“ fragte er ein wenig mürrisch und schloss leicht die Augen.

„Ach, naja...“ , sie rutschte unruhig auf seinem Schoß hin und her und veranlasste ihn dazu, seine Augen doch wieder zu öffnen, als sie ganz verstummte.

„Ja?“
 

„Ich...weiß ehrlich gesagt nicht, wo sie sind. Ich ging zum Fluss, um Fische für Jaken-Sama und mich zu fangen und als ich zurückging, habe ich keinen mehr gefunden. Ich war der Meinung das sie vielleicht ein Stück weitergezogen waren, um einen besseren Platz für die Nacht zu finden. Also bin ich sie suchen gegangen und irgendwie ist es dunkel geworden, bevor ich sie finden konnte.

Normalerweise warte ich dann einfach, bis einer von ihnen zurückkommt, aber ich wollte nicht mehr eine solch große Last sein und Sesshoumaru-Sama wirklich stolz machen, wenn ich mich auch ohne seine oder Jaken-Samas Hilfe zurechtfinden kann... aber dann habe ich einen Wolf gehört und irgendwie... Naja am Ende habt Ihr mich ja erwischt.“ Sie seufzte leicht besiegt und rieb sich schnell über die Augen, um die verräterische Träne wegzuwischen. Dies war definitiv kein guter Start für sie, um endlich mehr auf eigenen Füßen stehen zu können. Irgendwie schon kläglich wenn sie daran dachte, dass sie bereits in weit schlimmeren Situationen gesteckt hatte und doch war es am Ende einfach nicht das Selbe. Denn auch nach all den Jahren konnte sie die tiefgreifende Panik gegenüber Wölfen einfach nicht vergessen und als sie das laute Heulen in der kalten Nachtluft wahrnahm, hatte die Angst doch wieder gesiegt. Ob sie jemals etwas richtig machen würde?

 

Auf Inu Yashas Gesicht hatte sich derweil ein ernster Ausdruck gebildet und er starrte das Kind nachdenklich an. Auch mit zwölf Jahre schien Rin sich immer noch viel zu sehr auf seinen älteren Bruder zu verlassen, obwohl sie sich der Gefahren um sich herum bewusst zu sein schien. Sie hatte im Dorf viel gelernt und war offener für die Welt geworden, aber es reichte noch lange nicht aus, damit sie alleine überleben könnte. Und solange einer von Sesshoumarus Begleitern in der Nähe war, war das vermutlich auch noch nie nötig gewesen. Sie hat noch so viel zu lernen...

„Inu Yasha-Sama? Würdet Ihr mit mir morgen nach Sesshoumaru-Sama, Jaken-Sama und Ah-Uhn suchen gehen?“ Er konnte die Hoffnung hinter ihren Worten deutlich heraushören und biss sich leicht auf die Unterlippe. Wenn sein idiotischer Bruder das Mädchen tatsächlich mutwillig verlassen hatte, dann würden sie ihn ganz sicher nicht finden und er hatte eigentlich überhaupt keine Lust, nach ihm zu suchen – aber das konnte er ihr nicht sagen und er wollte auch nicht Schuld daran sein, wenn sie auf ihrer Suche starb.

„Na sicher.“ Sagte er stattdessen und machte es sich wieder bequem, um die übrigen Stunden der Nacht schnell hinter sich zu bringen.

 

Irgendwann spürte er eine Bewegung auf seinem Schoß und beobachtete Rin dabei, wie sie wackelig versuchte, sich umzudrehen. Seufzen packte er sie an der Taille, hob sie ein Stück nach oben und platzierte sie dann so, dass sie mit dem Rücken gegen seine Brust lag.

„Oh“ , kam der überraschte Ausdruck aus ihrem Mund, bevor sie leise kicherte. „Vielen Dank, Inu Yasha-Sama.“

„Mhm.“ Murrte er nur faul und schloss wieder die Augen, während er einen Arm locker um ihren Bauch legte, um sie vor möglichen Stürzen zu bewahren und Tessaiga auf seinen Oberschenkel platzierte. Er konnte fühlen, wie sie sich leicht an ihn presste und ihre Finger den Saum seines Ärmels ergriffen, aber ansonsten blieb sie still. Erstaunlich, dachte er, sonst konnte man sie doch nie vom Reden abbringen. Aber scheinbar hatte sie die ganzen Aufregung und die Angst müde gemacht und irgendwie konnte er es ihr nicht verübeln – sie war doch immerhin noch ein halbes Kind.

„Inu Yasha-Sama?“ flüsterte Rin nun doch nach einigen Minuten der Stille und er konnte fühlen, wie sie sich in ihrer Position leicht verschob. „Warum seid Ihr eigentlich nicht im Dorf?“

„Lass diesen 'Sama' -Quatsch sein, dass habe ich dir schon mal gesagt. Nur Inu Yasha reicht vollkommen aus. Und ich bin hier, weil... ich eine Reise mache.“

„Oh das klingt wundervoll. Wohin geht Ihr?“

„Süden... oder so.“

„Vermisst Ihr das Dorf und Eure Begleiter gar nicht? Man kann schnell einsam werde, wenn man allein ist. Haben sie Euch auch verlassen, weil Miss Sango und Mönch Miroku jetzt Kinder haben?“

 

Autsch. Das tat wirklich weh.

 

„Nein Rin, ich habe sie verlassen.“ seufzte er leise und ignorierte den Stich der Einsamkeit der eifrig wieder versuchte, an die Oberfläche zu kommen.

„Oh...“ , ihre Finger zerrten und spielten an seiner Feuerrattenrobe und sie summte nachdenklich vor sich hin, bevor sie ihren Kopf nach hinten neigte und versuchte ihn anzusehen – obwohl sie aus ihrer Position heraus nur sein Kinn erkennen würde.

„Darf ich wissen warum?“, fragte sie schließlich und seine Augen schnappten wieder auf. Er würde heute Abend sicher keine Ruhe mehr bekommen.

„Warum was?“ hakte er stumpf nach.

„Warum Ihr aus Kaedes Dorf weg seid. Ist es wegen Lady Kagome?“ Die leichte Versteifung seines Körpers war der einzige Hinweis darauf, dass etwas nicht stimmte, aber Rin schien oder wollte es nicht bemerken. Inu Yasha neigte leicht den Kopf von dem Mädchen weg und starrte dagegen in den Weltraum. War er wegen Kagome gegangen? Ja, aber nicht nur. Es war so vieles was damit einher ging, dass er selbst gar nicht genau sagen konnte, welches seine Hauptgründe dafür waren. Er wusste nur eins: er musste gehen. Sonst wäre er vermutlich verrückt geworden und hätte im Sturm seiner Gefühle noch jemanden verletzt – und das war das Letzte, was er tun wollte.

 

„Ich vermisse Sie auch.“ Sagte Rin plötzlich und ihre warme Hand streifte die seine. „Sie war immer sehr nett zu mir gewesen und hat mir viele Dinge während der Zeit bei Kaede-Sama beigebracht. Sie erinnerte mich ein bisschen an eine große Schwester, die ich nie hatte. “ Ein leises Kichern hallte aus ihrer Kehle und brachte ein trauriges Lächeln auf seine Lippen, als er an die Zeit zurückdachte.

„Aber wisst Ihr was? Ich glaube, dass Lady Kagome sich gewünscht hätte, dass Ihr glücklich werdet. Ihr habt so viel für das Dorf und die Menschen getan, jetzt ist es Zeit, dass Ihr auch an Euch denkt. Sie hätte nicht gewollt, dass wir über ihren Abschied so lange traurig sind und vielleicht... habt Ihr sogar die Chance, sie eins Tages wiederzusehen.“ Der dicke Kloß in seinem Hals, ließ ihn ein paar Mal schlucken, bevor er sich räusperte und den Kiefer aufeinander presste. Verdammtes Kind, musste immer genau den wunden Punkt treffen. Sie war eindeutig viel zu schlau, als das es in ihrem Alter gesund wäre.

„Sicher, Göre.“ raunte er leise und blickte zu ihr herunter, damit sich ihre Augen treffen konnten, ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht, als sie nickte und sagte:

„Und wenn Ihr wollt, könnt Ihr sicher mit mir und Sesshoumaru-Sama reisen, wenn wir ihn morgen suchen gehen!“

 

„Das wird nicht nötig sein.“

 

Augenblick erstarrte jeder Muskel in Inu Yashas Körper und er spürte, wie die Panik in ihm ausbrach, als die sanfte Stimme unter ihnen seine Ohren erreichte. Ein entzücktes Quietschen stieß aus Rins Mund hervor und ehe er überhaupt hätte reagieren können, war sie bereits aus seinem Schoß gesprungen. Sein ganzer Körper war damit beschäftigt, vor Angst und Schock zu summen, während seine Gedanken wie ein Wirbelsturm durch seinen Kopf rasten.

 

Sesshoumaru.

 

Er war tatsächlich hier, zurückgekommen für das kleine Mädchen, welches freudig neben ihm stand und mit funkelnden Augen zu ihm aufblickte. Doch Inu Yasha reagierte immer noch nicht. Stattdessen versuchte er eine plausible Erklärung dafür zu finden, dass es sich bei dem Daiyokai da unten nur um eine Fälschung handeln musste. Vielleicht war ja etwas mit den Pilzen, die er gegessen hatte, nicht in Ordnung und diese lösten jetzt Halluzinationen aus? Von allen Kreaturen die er in dieser Nacht hätte vermeiden wollen, stand Sesshoumaru ganz oben auf der Liste.

Langsam drehte er den Kopf und starrte auf silberweißes Haar, das selbst in der Nacht zu leuchten schien – keinen Meter von ihm entfernt und ein gefährlich leuchtendes Augenpaar, dass ihn genau ansah. Die kalten, berechnend goldenen Pupillen blickten direkt in die tiefe Dunkelheit seiner eigenen Augen, bevor sich eine schmale Augenbraue leicht anhob. Das Herz des Halbdämon schlug nun wie wild in seiner Kehle und Tessaiga war so fest umklammert, dass er es vermutlich brechen könnte und doch konnte er kein Wort über seine Lippen bringen.

Es war nicht das erste Mal, dass sein Bruder ihn in dieser Form sah, schließlich hatte er ihnen – freiwillig oder unfreiwillig – bei einem Kampf gegen Moryomaru geholfen und damals war Inu Yasha auch in seiner menschlichen Gestalt. Aber an diesem Tag gab es eine Schlacht, bei der er einmal nicht Sesshoumarus Gegner war, er hatte sein Rudel bei sich und sich rechtzeitig zurückverwandelt. Doch hier, unter der stillen Decke der Nacht, war der Daiyokai ganz nah, zu nah und es wäre für ihn ein leichtes ihn einfach zu töten, ohne viel dafür tun zu müssen.

 

Inu Yasha starrte.

Sesshoumaru neigte königlich leicht den Kopf.

Eine Hand wanderte langsam zu Bakusaigas Griff.

Und Inu Yasha tat das Einzige, zu dem er in diesem Moment fähig gewesen wäre.

 

Er schoss davon.

 

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Während eines Neumondes wegzulaufen, war bestimmt nicht die schlechteste Entscheidung die man treffen konnte, wenn man ein Mensch war. Während eines Neumondes dagegen vor Sesshoumaru wegzulaufen, war ganz sicher eine bescheuerte Idee – und es sollte ihn nicht wundern, dass das genau der Grund dafür war, warum sein Bruder ihn so schnell erwischte.

Unter normalen Umständen hätte Inu Yasha jegliche Flucht vor einem Kampf mit jeder Zelle seines Körpers verabscheut. Aber im Moment regierte nicht die Vernunft in seinem Körper und keine rationalen Gedanken strömten durch seinen Kopf. Stattdessen war er innerhalb von Sekunden zu einer Beute geworden. Zu Sesshoumarus Beute.

 

Und der Daiyokai war auf der Jagd.

 

Eigentlich war sich Inu Yasha überhaupt nicht sicher, warum genau er geflüchtet war. Immerhin hatte er schon schlimmere Situationen durchgemacht und Rin war auch noch da. Sicher hätte sein Bruder unter den wachsamen Augen des Mädchens keine unüberlegten Schachzug ausgeführt, der ihn im Nachhinein in Erklärungsnot bringen würde – auch wenn er bezweifelte, dass Sesshoumaru irgendetwas erklären würde wenn er sich dafür entschied, ihn tatsächlich zu töten. Denn der erklärte sich nie selbst.

Und obwohl Inu Yasha ein stolzer Realist der Wahrheit um sich herum war und sich daher selbst zu einem Überlebenden erklärte, konnte er es niemanden vorwerfen, dass der Daiyokai diese Situation ausgenutzt hätte.

Trotzdem rannte er kreuz und quer durch das Unterholz hindurch, wie jeder typische Mensch der sich mit einem Yokai konfrontiert sah. Er spornte sich selbst zu neuen Höchstleistungen an, obwohl er dieses Tempo nicht lange durchhalten würde. Je länger er lief, desto flacher wurde seine Atmung, unkontrollierter und schneller, seine Muskeln begannen zu schmerzten und seine Sehnen waren zum zerreißen gespannt. Er taumelte mehr, als das er lief, orientierte sich mit Händen und Armen an den Baumstämmen vorbei und versuchte sich seinen Weg durch das Dickicht zu finden. Selbst für sein menschliches Gehör kam ihm sein eigener Herzschlag viel zu laut und schnell vor. Es hüpfte in seiner Brust und krachte unangenehm gegen seinen Brustkorb.

Dann passierte ihm der erste Fehler. Er verfing sich in einer hervorstehenden Wurzeln und ein erstickender Schrei entfloh seinen Lippen, als er Halsüberkopf nach vorn stürzte und zwischen feuchten Blättern und Geäst auf den Erboden traf.

 

„Verdammt!“ Inu Yasha fluchte atemlos und presste die Zähne aufeinander, als er sich wieder nach oben stemmte. Einer der Zweige hatte eine dünne, rote Linie über seine Haut geschlagen und eine tiefen Kratzer hinterlassen. Die Wunde brannte auf seinem kalten Gesicht und das Blut würde sicherlich von jedem Dämon in unmittelbarer Nähe gerochen werden. Gottverdammte Scheiße! Mit wütender Miene stürzte er sich wieder nach vorn, wissend, dass jede Sekunde kostbar war. Wenn er lange genug lief, würde der Bastard vielleicht das Interesse verlieren, schließlich hatte er Rin ja auch noch im Schlepptau. Oder er könnte zu dem Fluss gelangen, der seinen Duft vor dem Daiyokai verschleiern konnte.

Ein leichtes Summen war hinter ihm zu hören und – aus Angst oder Neugierde – drehte Inu Yasha den Kopf, um einen Blick in die Richtung zu werfen. Dies war sein zweiter Fehler.

Sein Lauf wurde schlagartig unterbrochen, als er mit voller Geschwindigkeit gegen etwas stahlhartes krachte, was ihn effektiv rückwärts auf den Boden fallen ließ. Für einen Moment war sein Geist nebelig und seine Augen von dem Aufprall benommen, dann stahl sich ein Husten aus seiner geschlagenen Lunge und er rappelte sich etwas auf. Vor ihm, scheinbar vollkommen unberührt, ragte die große und elegante Illusion kühler Distanz in Form seines Bruders über ihn auf. Er stand groß und mächtig, seine Kraft pulsierte um ihn herum und goldene Augen waren kalt auf ihn gerichtet.

„Scheiße...“, keuchte Inu Yasha und presste seine Hand an die noch immer blutende Wunde auf seiner Wange. „...aus was bist du eigentlich gebaut?“

Sesshoumaru reagierte wie erwartet nicht auf seine Aussage, stattdessen glitten seine langen, blassen Finger langsam über Bakusaiga, ohne das er einmal den Blickkontakt unterbrach. Sofort sprang Inu Yasha auf, musste aber seinen Arm um sein schmerzendes Mittelteil legen, in das sich der Griff des Schwertes seines Bruders bei dem Zusammenstoß hineingebohrt hatte. In diesem Zustand könnte er noch nicht einmal einen Treffer auf dem Daiyokai landen.

 

„Wie ich sehen, hat dir deine menschliche Seite Verstand gegeben. Ist es nicht ein menschlicher Instinkt, vor einem Raubtier davonzulaufen, kleiner Bruder?“ Der spöttische Unterton war in der sonst so stoischen Stimme deutliche herauszuhören und der Halbdämon presste die Zähne aufeinander, als sich seine freie Hand fest um Tessaiga ballte.

„Keh, hör auf große Töne zu spucken! Warum zum Teufel hast du Rin allein gelassen? Sie hat offensichtlich keine Ahnung, wie man sich im Wald zurechtfindet, geschweige denn, wie man im Notfall kämpft.“ Je mehr Zeit er gewinnen konnte, desto eher würde er sich vielleicht noch irgendwie vor dem Älteren verteidigen können.

„Und du könntest es? Mach dich nicht lächerlich.“ Sesshoumarus Mine verzog sich um keinen Zentimeter, als er die Gestalt vor sich genaustens betrachtete und Inu Yasha schlucken ließ.

Er hatte sich die ganze Zeit gesagt, dass Menschen nicht so schwach wären – vor allem er nicht – aber unter dem eiskalten Blick des Daiyokai schien sein Selbstbewusstsein rapide zu verschwinden. In dieser Nacht war er einem vollblütigen Yokai nicht gewachsen. Seine nutzlose menschliche Kraft könnte Sesshoumaru vermutlich noch nicht einmal ernsthaft Schmerzen zufügen und Tessaiga war in seiner rostigen Form fast unbrauchbar. Alles was er hatte, war sein Mut und vielleicht war genau das sein letzter Fehler.

 

„Wenn du das Mädchen loswerden willst, dann hättest du sie einfach töten sollen.“ Inu Yasha hatte die schnelle Bewegung in der Nacht noch nicht einmal wahrgenommen, als sich tödliche Klauen plötzlich um seinen Hals schlagen und ihn einige Zentimeter über den Boden in der Luft hielten. Völlig panisch schnappte er nach Luft, nur um festzustellen, dass seine Atemwege bereits gefährlich weit zusammengedrückt wurden und ihn nur ein geringes Maß an Sauerstoff einatmen ließen. Seine dunklen, weit aufgerissenen Augen begegneten den goldenen Gegenstücken seines Bruders, die vor seltsamer Intensität brannte und gelegentlich rot aufflackerten.

„Du bist wertlos.“ Die Stimme schnitt leise, aber wie ein kalter Wintersturm über ihn hinweg und die Finger an seiner Kehle spannten sich leicht an. „So wertlos, dass es sogar sinnlos wäre dich zu töten, Mischling.“

Sesshoumaru zog Inu Yasha nähe an sich heran, die Spitzen seiner Rüstung stachen in die Brust des Halbdämons und er musste den Kopf heben, um wieder in das Gesicht des Daiyokais blicken zu können.

„Du stellst keine Herausforderung für mich da, kleiner Bruder. Vielleicht warst du einmal meine Zeit wert, aber jetzt bist du nur noch der Schandfleck auf dem Blut meiner Familie. Du wirst so sterben, wie du gelebt hast. Einsam, in Schande und ohne Zweck.“

 

Wenn möglich weiteten sich Inu Yashas Augen noch einmal und er versuchte angestrengt, den Schmerz in seiner Brust zu ignorieren, der sich bei den Worten gebildet hatte. Seine Atemzüge waren keuchenden Lauten gewichen, er packte das gestreifte Handgelenk und grub seine nutzlosen Nägel hinein, ohne irgendeine Form von Schaden anzurichten. Er hatte sich nie um die Beleidigungen seines Bruders gekümmert, es hatte ihn nie gestört und im Eifer der Schlacht, hatte es ihn eigentlich nur weiter angetrieben. Aber das hier... das verletzte ihn mehr, als er sich jemals eingestehen wollte.

„Wa-Warum... hasst du mich.. so sehr?“ Der Luftmangel begann ihn langsam zu beeinträchtigen, die ersten Flecken tanzten vor seinen Augen und er verlor das Gefühl in seinen Beinen.

„Hass, kleiner Bruder? Ich hasse dich nicht. Um jemanden zu hassen, müsste man ein starkes Gefühl für denjenigen entwickeln und bitte denk nicht so hoch von dir selbst. Du bist nichts für mich und ich empfinde nichts für dich.“ Mit diesen Worten ließ er seinen Arm nach vorn schnellen und Inu Yasha einige Meter durch die Luft fliegen, ehe er unsanft auf einen Baumstamm prallte und nach unten rutschte.

 

Die eingetretene Stille wurde nur durch heftiges Atmen und gelegentliches Husten durchbrochen, als der Mensch verzweifelt seinen Hals rieb und versuchte, sein dröhnendes Herz zu beruhigen. Er fühlte, wie sich die Welle an Emotion vor ihm aufbaute, die die schmerzhafte Wahrheit in seine Seele gerissen hatte. Tränen sammelte sich in seinen Augen – ob von dem Luftmangel oder aus seinen eigenen Gefühlen heraus war ungenau - , aber er weigerte sich vehement sie fallen zu lassen. Dieses Vergnügen würde er Sesshoumaru sicher nicht gönnen. Langsam hob er den Kopf und starrte durch seine schwarzen Haare zu dem Älteren auf, der ihn mit unleserlicher Mine anblickte, angespannter und steifer als sonst.

Sogar in seinem menschlichen Zustand, konnte er die kalte Verachtung und den sengend heißen Zorn in der Aura des anderen spüren, das aggressive Ausbrechen des Yoki, welches alles zu verschlingen versuchte – und dies ließ einen Schauer über seinen Rücken gleiten. Er wusste nicht wann er den Älteren das letzte Mal so offensichtlich unkontrollierbar gesehen hatte, aber in diesem Moment war die tödliche Absicht in seiner Ausstrahlung deutlich sichtbar. Etwas hatte den Yokai aufgeregt, so sehr aufgeregt, dass es selbst für ihn offenkundig schwierig wurde, die Bestie in seinem Inneren unter Kontrolle zu halten. Die Wut brodelte unter seiner Haut und er trachtete vermutlich bereits nach dem Blut des Verantwortlichen, während ein leises Knurren über seine Lippen drang und die nun roten Augen hasserfüllt aufleuchteten.

 

Inu Yasha hingegen hatte seinen Bruder nie gehasst. Er hatte vielleicht die Kämpfe und schmutzigen Tricks um Tessaiga gehasst, aber er konnte sich nie dazu hinreißen, ein solches Empfinden gegenüber Sesshoumaru selbst zu verspüren. Und er hatte immer gehofft, dass das auf Gegenseitigkeit beruhen würde, vor allem, nachdem der Daiyokai Bakusaiga bekommen hatte. Doch jetzt, jetzt war er sich nicht mehr so sicher, denn er glaubte nun die grauenhafte und qualvolle Wahrheit seiner Existenz zu kennen und es machte die Sache nur noch schlimmer, weil es von dem einzigen Teil seiner Familie kam, was ihm noch geblieben war.

Und doch konnte er den kleinen Hoffnungsschimmer in seinem Herzen einfach nicht töten, denn am Ende war Sesshoumaru immer noch sein Bruder. Was auch immer den Yokai quälte, es hatte dafür gesorgt, dass dieser nicht mehr er selbst war und dies machte Inu Yasha viel mehr Angst.

 

Sesshoumaru betrachtete die vor Emotionen durchzogenen Augen. Trauer, Wut, Aussichtslosigkeit, Zorn und... Hoffnung? Alles zuckte innerhalb von Sekunden durch diese dunklen Iriden, waren selbst in der Dunkelheit der Nacht so ausdrucksstark wie ihre goldenen Zwillinge. Und irgendwie schlugen sie etwas tief in ihm an, von dem er keine Ahnung hatte, es jemals gefühlt zu haben. Also drehte er sich um und ging, genau wie nach ihrem letzten Kampf. Inu Yasha sagte nichts dazu, blieb einfach auf seiner Position am Boden und drehte auch nicht den Kopf, um ihn hinterher zu blicken.

Seltsamerweise war es für den Daiyokai nicht sonderlich befriedigend, dass er seinen jüngeren Bruder einfach so den Rücken zudrehte und verschwand, obwohl er dies schon so oft getan hatte. Aber in diesem Augenblick konnte er seinen eigenen Handlungen und Gedanken nicht mehr vertrauen und die plötzliche Wut auf Inu Yasha war fast so stark wie in jenen Tagen, nachdem ihr Vater gestorben war. Damals schwor er seinem Bruder einen schnellen Tod und war bereit alles dafür zu tun und trotzdem hatte er es nie hinter sich bringen können. Denn irgendwo in dem vor Bitterkeit und kaltem Zorn beherrschten Ödland seines Herzens, kümmerte er sich dennoch in all den Jahren um Inu Yasha. Es war immer ein Spalt in seinen Handlungen gewesen, den er nicht ausradieren konnte, ein Zögern, welches den entscheidenden Schlag verhindert hatte. Es irritierte ihn.

Und nun die Resignation in den Augen seines Bruders zu sehen, erschien ihn plötzlich als viel zu unpassend für die einst so feurigen Kugeln und dies löste ein seltsam belastendes Empfinden in ihm aus.

 

Das Schweigen der Nacht legte sich wie eine schwere Decke über den Wald und hüllte die beiden Gestalten in eine bittersüße Stille, getrennt und doch verbunden zueinander in der Bürde die sie trugen.

 

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wichtige japanische Wörter:

 

Ningen: abfällige Bezeichnung für Menschen

 

Kami: Gott

 

Reiryoku: spirituelle oder göttliche Kraft

 

Yoki (oder auch Yoryoku): dämonische Energie und die Lebenskraft eines Yokai. Kann sowohl die körperlichen Fähigkeiten verbessern (Inu Yashas Sankon Tesso, um die Stärke und Angriffsreichweite seiner Klauen zu erhöhen), als auch Konstrukte bilden (Sesshoumarus Lichtpeitsche) oder in Form von Elementen kanalisiert werden

 

Kenatsu: eine Fähigkeit die hauptsächlich von Yokai-Schwertern besessen wird. Wenn Yoki in das Schwert geschleudert wird, kann der Benutzer seine Feine schlagen, ohne dass die Klinge physischen Kontakt hat. (Unter solch einen Angriff fällt zum Beispiel Inu Yashas Kaze no Kizu)

 

Yoketsu: visuelle Manifestation der dämonischen Energie in Form eines Strudels hinter einem Yokai. Wird dieser Wirbel und das damit verbundene Yoketsu durchtrennt, wird der Dämon sofort getötet.

 

Jaki: bösartige Energie, die ähnlich der dämonischen Aura ausgestrahlt wird. Entsteht aus der dunklen Natur

oder dem Willen (Yin) eines Individuums

 

dämonisches Jaki: jeder Dämon und Mensch besitzt das Potenzial Jaki auszustrahlen. Je böser der Yokai ist, desto größer sind die Fähigkeiten in der Kontrolle, Verwendung und Stärkung des Jaki, um Objekte und Menschen zu kontrollieren

 

Höllenjaki: entstand durch die vielen bösartigen Kreaturen in der Hölle und ist auch im Meido vorhanden

 

Shoki: alternative Bezeichnung von Miasma oder auch Sumpfgas genannt

 

Millennium Teil I

[Vor Überlänge wird gewarnt. Dafür gibt es einige geschichtliche Ereignisse]

 

 
 

N° 2: Millennium, Teil I

 

Ein Sturm zog auf.

 

Die Luft hatte sich verändert und verkündete die Ankunft von klarem und kühlem Regen, während die elektrisierende Kraft der Naturgewalten auf der Zunge praktisch spürbar war. Rohe, unkontrollierbare Macht, der salzige Geruch des Meeres und die herannahenden Winde aus dem Norden.

Tief unten türmten sich schwarze Wellen zu monströsen Gebilden auf, wütend und ungezügelt, bevor sie krachend gegen die steilen Klippen schlugen. Gischt schäumte auf, die Felsen erbebten unter der rauen Urkraft der Erde und tosende Geräusche erfüllte die Umgebung.

Hoch oben, im scharfen Kontrast zu dem dunklen Meer, zeichnete sich die stille Silhouette einer einsamen Gestalt ab. Er stand unberührt und still, die Zeit spielte für ihn keine Rolle. Silberweiße Haare wirbelten im Spiel der Elemente um den schlanken, aber perfekten Körper und weißes Fell fächerte sich in einer einzig geschmeidigen Bewegung hinter ihm auf. Augen, so kalt wie das Licht eines sterbenden Sternes und gleichzeitig so golden scharf, wie der eisige Schnitt eines Schneesturms, blickten unberührt auf die wirbelnde Flut unter seinen Füßen, während sich in der Ferne die unklare Silhouette der Insel abzeichnete, auf der er vor vielen Jahren geboren und aufgewachsen war.

 

Nach über Zweihundert Jahren finde ich mich an diesem Ort wieder.

 

Sesshoumaru hob den Kopf und verfolgte die herannahenden Wolken am dunklen Himmel. Weit hinter ihm, unter dem schützenden Blätterdach des Waldes, flackerte der sanfte Schein eines sterbenden Lagerfeuers und erwärmte die schlafende Form eines jungen Mädchens. Ein grüner Kappa lag schnarchend an einem Baumstamm gelehnt, nur der zweiköpfige Drache war noch wach und behütend um das Kind gerollt, aber sie alle waren so unwissend in ihrem Blick auf die Welt.

Seine feinen Sinne hatte die subtile Änderung in der Aura des Landes bereits gespürt, die tiefe Resonanz einer drohenden Gefahr, die sich bald über sie hinweg erheben würde. Es kam langsam und schleichend, kroch unter dem beständigen Lebensfluss des Planeten entlang, wartend darauf, sein Gefängnis verlassen zu können. Nur wenige Wesen konnte die verborgene Macht so direkt wahrnehmen, aber alle spürten den Zug der Urinstinkte, der sie zurück in ihre Heimat rief. In einen sicheren Hafen, um der Bedrohung entkommen zu können. Es gefiel ihm nicht. In weniger als zwei Monaten hatte ein unbekannte Shoki das Land von innen heraus zerfressen und verzehrt, Yokai vertrieben und die Tiere unruhig gemacht. Die Veränderungen waren nur minimal, aber deutlich genug für diejenigen die hinsahen.

 

So betraf es die Wälder am meisten. Die Luft schien dichter zu werden, sobald man sie betrat und eine betäubende Kälte umschlang die Haut und weigerte sich loszulassen. Schatten und Nebelschwaden tauchten auf, wirbelten zu einem seltsamen Tanz zusammen, ehe sie einfach wieder verschwanden. Der Wind schien an den Baumgrenzen aufzuhören und die Düfte hingen verstopft in der Luft, wie ein stillstehender Teich um einen herum. Es roch nach muffiger Angst, verwesenden Land und den störenden Geruch von Blut. Es gab nicht mehr viel Leben. Die Wälder wurden vergiftet und die einst blühende Magie der Uralten, die das Land überflutet hatte, begann sich zurückzuziehen.

Alles schien aus dem Gleichgewicht geraten zu sein und was sich auf ein Territorium auswirkte, wirkte sich im Gegenzug auch auf ihn aus, denn es betraf nicht nur das Land auf welchem er gerade wandelte. Auch der Ort seiner Geburt litt unter der dauernden Anspannung und selbst wenn er seit vielen Jahren keinen Fuß mehr in seine Heimat gesetzt hatte, war er immer noch mit dem Geist des Landes und dem seines Vaters verbunden und es war nicht akzeptabel, dass dieser von irgendjemanden oder irgendetwas zerstört wurde.

 

Die Augen des Daiyokai verengten sich, als er die schmale Sichel des Mondes betrachtete, die in unbestimmten Abständen durch den verhangenen Himmel schimmerte. Eine Erinnerung, die in den Tiefen seines Geistes vergraben worden war, begann langsam an die Oberfläche zu dringen. Bilder einer längst vergangenen Zeit zogen auf und verschwanden wieder, Worte durchdrangen seinen Kopf und Empfinden kratzten über sein Herz. Die Welt um ihn herum verstummte und für einen Augenblick tauchte die vertraute Gestalt eines imposanten Yokai vor ihm auf.

Vater.

Niemand hatte bisher verstanden, wie tief seine Bewunderung für den Inu no Taisho war, noch das Bedürfnis, sich dem verstorbenen Daiyokai als überlegen zu beweisen. Obwohl ihre Beziehung zueinander oftmals recht kühl und distanziert wirkte, verspürte er einen großen Respekt und Zuneigung zu seinem Vater, der die einzige Person in seinem Leben war, für die er sich so stark gefühlt hatte. Jahrelang hatte er trainiert, war gereist und stellte sich Prüfungen, um die Anerkennung und den Stolz in den Augen seines Vater sehen zu können. Er hätte alles dafür getan.

Und doch erbte er am Ende nur Tenseiga und verlor seine einzige Chance darauf, den Titel als Heerführer der Hunde in einem richtigen Kampf zu erhalten und den Platz als General der Inuyokai einzunehmen. Denn wie viele Anhänger seiner Rasse, war sein Vater ein Nomade und eroberte die Region Shikoku, als er kaum älter als Sesshoumaru an diesen Tagen war. Und trotz seiner jungen Jahre hielt er das Land bis zu seinem Tot unter seinem Schutz und seiner Herrschaft und erschuf das erste Mal in der Geschichte seiner Rasse einen festen Ort, der als Zuhause angerufen werden konnte.

 

Was also sollte Sesshoumaru von dieser Seite seiner Familie noch erben können, außer die drei wohl mächtigsten Schwerter Japans? Einfach Inakzeptabel.

 

Vor über zwei Jahrhunderten stand er dem Inu no Taisho ein letztes Mal gegenüber. Sein Vater, obwohl vom Kampf mit Ryukotsusei schwer verwundet, strahlte noch immer die mächtige und unerschütterliche Aura eines Generals aus, einer Figur, die selbst in solchen Zeiten Respekt verlangte. Doch der große Daiyokai hatte ihm damals dem Rücken gekehrt und starrte, ähnlich wie er selbst, auf das offene Meer hinaus, während die Wellen zornig über den Sand rollten. Seine Zeit war knapp geworden, seine Kraft schwand mit jeder Sekunde und das Blut färbte den Schnee unter ihm rot und doch verließ sein Blick nie die halb versteckte Insel, die seine Heimat war.

Sesshoumaru wusste damals, dass sein Vater diese Nacht nicht überleben würde, er wusste von der menschlichen Frau und ihrem Kind und er wusste, dass sein Vater gehen und sie retten würde. Am Ende verlor der große Inu no Taisho sein Leben für ein niedere Frau und ihren Bastardsohn und hinterließ ihm nichts als ein Schwert, welches am Ende nur dafür gedacht war, die Stärke des Hanyo zu vergrößern.

 

Die feine Stirn kräuselte sich leicht, als er an seinen Halbbruder dachte. Jahrelang hatte er aus Neugierde Inu Yashas Wachstum aus dem Schatten heraus beobachtete, hatte die Qualen und die Not der Einsamkeit in seinen Augen brennen sehen. Der Junge war verstoßen, geschlagen und missachtet wurden, seine Existenz war ein Fluch für die Welt, ein Irrtum des natürlichen Gleichgewichtes. Er hatte Hass und Angst am eigenen Körper erlebt, Wut und Zorn gespürt und war nicht nur einmal knapp dem Tode entkommen. Und doch war er noch immer am Leben.

Sesshoumaru konnte nicht bestreiten, dass der Mischling mit Tessaiga zu einem passablen Kämpfer herangewachsen war, auch wenn seine Methoden kein einzigen Funken Eleganz beinhalteten. Die Hartnäckigkeit aufzugeben hatte ihn zu einem ernstzunehmenden Gegner geformt und er wusste aus eigener Erfahrung, dass es mehr als nur ein bisschen Kraft brauchte, um den Hanyo zu Boden zu schicken. Aber etwas schien sich in den vergangenen Monaten verändert zu haben. Ihr letzter Kampf war von verzweifelter Aggressivität beherrscht worden, Inu Yasha wirkte unkontrollierter und zerrissener, bis er am Ende plötzlich abgelenkt schien und jegliche Verteidigung senkte. Er hätte ihn an diesem Tag töten können. Und doch er tat es nicht und als er während des Neumonds auf ihn traf und seine menschliche Gestalt jegliche seiner Gefühle laut in die Welt projizierte, entdeckte er einen ganz neuen Schmerz in den Tiefen der dunklen Augen.

 

Inu Yasha stand an einem Abgrund. Er hatte einen Punkt erreicht, an der sich entscheiden musste, ob es sich lohnt, die Reise seines einsamen Lebens fortzusetzen oder nicht. Und er trug dazu bei, seinen kleinen Bruder buchstäblich über den Rand zu stoßen.

Vielleicht waren seine Worte in jener Nacht härter, als das der Hanyo sie in Wahrheit verdient hatte. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass Inu Yasha unbedacht im Eifer seines Selbst sprach, ohne sich über die Bedeutung und Folgen seiner Aussagen bewusst zu sein und vermutlich war er ganz besonders als Mensch anfällig für solch emotionale Reaktionen.

Aber seine eigene Geduld war an diesem Tag fast nicht mehr vorhanden, denn wie bei jedem Mitglied seiner Rasse, schwankte seine Macht mit den Phasen des Mondes und so wie er bei Vollmond die absolute Kontrolle über sich hielt, brachen seine niederen Instinkte bei jedem Neumond hervor und zerrten das Biest in seinem Inneren an die Oberfläche, veranlassten ihn dazu gegen das rohen Verlangen der Bestie zu bekämpfen und jeden Drang zum sinnlosen Töten zu unterdrücken.

Und als er Inu Yashas törichte Andeuten bezüglich Rin hörte, hatten sich in ihm die kalte Wut entfacht und für einen Augenblick seine unberührte Haltung komplett zerstörte. Er verlor sich in den angestauten Gefühlen und als er wieder die Kontrolle erlangte, lag Inu Yasha bereits wie ein getroffener Welpe am Boden.

 

Denn das Mädchen in diese Nacht allein zu lassen, war keinesfalls eine geplante Tat um sie zurückzulassen, noch war sie jemals in wirklicher Gefahr. Viel mehr war er nur daran interessiert gewesen zu sehen, in wie weit Rin sich ohne jegliche Hilfe zurechtfinden würde, während er selbst so viel Abstand wie möglich zwischen ihr und seinem Tier schaffte. Das Ergebnis war enttäuschend. Denn offensichtlich war niemand in diesem nutzlosen Menschendorf dazu in der Lage gewesen, ihr auch nur ansatzweise die entsprechende Grundlagen der Wildnis beizubringen, ehe sich sein kleiner Bruder dazu entschied einzugreifen.

Das Kind war nicht dumm, tatsächlich lernte sie grundlegende Dinge relativ schnell, war jedoch im Umgang mit überlebenswichtigen Fähigkeiten wirklich hoffnungslos. Zumal Rin auch das Alter erreicht hatte, indem ihre Neugierde und ihre Sicht auf die Welt sich drastisch veränderten und es daher notwendig war, sie einer gewissen Anleitung in solchen Bereichen zu unterziehen.

Doch Jaken konnte ihr diesbezüglich nur sporadische Sachen beibringen und er selbst noch weniger, denn als Yokai lernte man aus Instinkten heraus, wurde darauf trainiert und es lag seit der Geburt im Blut eines Dämons, als allererstes das eigene Überleben zu sichern und sich zu verteidigen. Menschen hingegen... Nun, Flucht war wohl eine ihrer häufigsten Eigenschaften.

 

Es war daher also kein Wunder, dass selbst Inu Yasha in seiner schwachen Form, Rin in dem Wald entdeckt hatte. Jeder Dämon mit einem halbwegs ausgebildeten Gehörsinn hätte das Mädchen ohne Probleme ausfindig machen und sie töten können, ohne dass sie sich der Anwesenheit eines potenziellen Feindes überhaupt bewusst war. Dagegen musste er anerkennend zugeben, dass sein kleiner Bruder geschickt darin war, sich während seiner Menschwerdung verborgen zu halten. Er hätte den Hanyo in dem Baum fast ignoriert, weil seine Präsenz hoch oben in den Ästen unbedeutend auf ihn gewirkt hatte – und damit auch sicherlich für alle übrigen Yokai. Aber eben nur fast. Denn trotz der Veränderung in Geruch und Aussehen, teilten ihm seine scharfen Sinne unterbewusst mit, dass es sich bei dem Menschen tatsächlich um seinen kleinen Bruder handelte.

Sein Eingreifen war Rins Glück. Inu Yasha dagegen hatte seinen wohl schlimmsten Albtraum während dieser Nacht auf den Plan gerufen. Als sich Sesshoumaru zu erkennen gab, konnte er die eiskalte Panik praktisch auf seiner Zunge schmecken und es war recht amüsant zu beobachten, wie unterschiedlich der Mensch zu seinem Halbdämonen-Selbst handelte.

Und trotzdem schien der Mischling auch während seiner schwachen Zeit nicht weniger aufbrausend und vorlaut zu sein als üblich. Sein Verdacht, dass diese Unhöflichkeit einzig und allein als eine Art des Selbstschutzes aufgebaut wurde, hatte sich in dieser Nacht erneut verhärtet, aber vermutlich durfte er auch nichts anderes von ihm erwarten - und in gewisser Weise empfand er es sogar als akzeptabel. Nur rückblickend betrachtet, hätte er sich vermutlich die Fragen stellen sollen, was der Halbdämon ganz allein in dem Wald getan hatte, aber zu diesem Zeitpunkt war dies nicht mehr Teil seines Interesse.

 

Ein Donnergrollen rollte über Himmel hinweg und der Horizont spaltete sich im gleißenden Licht, als Blitze durch die Wolkendecke brachen und in grotesken Formen durch die Luft zuckten. Sesshoumaru neigte leicht den Kopf, seine goldenen Augen fingen problemlos jeden Moment des Schauspieles ein und das Krachen der Wellen weit unter ihm versetzte den Augenblick in eine weitaus brachialere Stimmung, als man annehmen könnte und erinnerten ihn auf verdrehte Art und Weise an den Hanyo.

Die Dinge, die er in der Nacht zu Inu Yasha im bitteren Zorn gesagt hatte, konnte er nicht mehr zurücknehmen und sein Stolz war zu tief, als das er ein Gefühl von Bedauern in seine Haltung einfließen lassen würde. Immerhin war Inu Yasha selbst Schuld daran. Dennoch musste er zu geben, dass er irgendwo in den letzten Jahren eine gewissen Toleranz für den Halbdämon entwickelt hatte. Inu Yasha blieb nun einmal der zweite Sohn des Inu no Taisho und damit sein Bruder, auch wenn er nicht mehr als ein Hanyo war und der Rest der Welt ihn vergessen würde.

Doch die Dinge sind nun einmal passiert, nichts könnte die Worte ungeschehen machen und er wusste in den Moment, als er in die dunklen Augen blickte, dass er dieses Mal einen besonders schmerzvollen Punkt in Inu Yasha getroffen hatte – und irgendwo tief in ihm kratzte ein seltsames Gefühl an seinem Gewissen.

 

Vielleicht sollte er für die Zukunft seinen Bruder im Auge behalten. Und wenn er nur dafür sorgen musste, dass sich dieser Idiot nicht in einen sinnloses Tod stürzte und die Ehre seiner Rasse weiter befleckte.

 
 

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Sesshoumaru hatte die Verschiebung in der Aura gespürt, ehe der Wind den neuen Duft zu ihm brachte. Seine goldenen Augen verließen nie die schwarzen Wellen, als er die Annäherung hinter sich spürte und die einzige Anerkennung die er gab, war eine leichte Entspannung seiner Muskeln. Die etwas kleinere Gestalt nahm eine ebenso unberührte Haltung neben ihm ein und schweigend starrten sie beide weiter auf das offene Meer, welches im Spiel des Sturmes immer unberechenbarer wurde.

„Etwas scheint Euch in Aufruhr versetzt zu haben.“ Als der Daiyokai endlich sprach, war das Gewitter direkt über ihnen und beleuchtete ihre Körper in kurzen Abständen. „Was führt Euch hier her, verehrte Mutter?“

„Mein Sesshoumaru.“ Ihre Stimme war glockenhell und trotz des tosenden Wind um sie herum, verpasste sie nichts von ihrer üblichen Schärfe, als sie den Kopf leicht zur Begrüßung neigte. „Die Seelen sind unruhig geworden. Ich kann fühlen, dass das Land meines verstorbenen Partners erneut leidet. Die Zeit beginnt abzulaufen.“

„Ihr kennt also den Grund für die Beeinträchtigung des Lebensflusses?“

„In der Tat, mein Sohn.“

 

Sesshoumaru harrte noch einige Augenblicke aus, dann drehte er sich zu seiner Mutter und begegnete ihrem ausdruckslosen Gesicht. Es bestand kein Zweifel, woher der junge Daiyokai seine aristokratischen Gesichtszüge geerbt hatte, als er den kalten Blick erwiderte. Shayou war schon immer eine ungewöhnliche Mischung aus würdevollem, einwandfreien Anstand und beunruhigenden Unheil. Ihre unvorhersehbare Persönlichkeit löste in den meisten Leuten eine neue Art der Ehrfurcht aus und man konnte leicht von ihrer trügerischen Schönheit erfasst werden, ehe man erkannte, dass sie einem bereits das Herz aus der Brust gerissen hatte.

Sie war eine zartere Version ihres Sohnes, die gleiche blasse Haut, rosa Flecken die kunstvoll die hohen Wangenknochen zierten und der selbe Halbmond auf der Stirn. Ähnlich wie ihr Nachkommen schätzte Shayou Macht und verachtete Schwäche in fast jeder Form. Unter ihrem fast ätherischen Aussehen versteckte sich eine beeindruckende und vor allem unglaublich tödliche Gegnerin, denn das Gift, welches auch in Sesshoumarus Adern so frei floss, war eine Geschenk aus ihrer Linie der Abstammung.

 

„Du reist noch immer mit diesem Menschenkind. Offensichtlich hast du diese Eigenschaft von deinem Vater geerbt, Musuko.“ Es sollte ihn nicht überraschen, dass seine Mutter so banal das Thema wechseln konnte, als würde sie über das Wetter reden. Und obwohl ihre Aussage mit einer täuschenden Einfachheit gesprochen wurden, konnte der Daiyokai die tiefere Bedeutung hinter den Worten deutlich heraushören. Selbst nachdem sich sein Vater der Menschenfrau hingegeben hatte, blieb Shayou ihm gegenüber treu und auch nach seinem unwürdigen Tod hielt sie an der Bindung fest, die sie einst teilten. Vermutlich zählte sie zu den wenigen Personen auf diesem Planeten, die ein seltsames Verständnis gegenüber der Entscheidung des Inu no Taisho aufbringen konnten – ein Verständnis, was für Sesshoumaru wohl für die Ewigkeit verborgen bleiben würde.

„Tatsächlich“ , gab er ungerührt zurück und verfolgte das kurze Flackern ihrer Augen in Richtung des Waldes, ehe sich ein Hauch eines kalten Lächelns über ihr Gesicht legte.

„Waren es nicht zwei von ihnen? Dieser seltsame Junge fehlt in deinen Reihen. Hast du ihn seit deinem letzten Besuch bei mir nun doch gefressen? Oder hat auch er schlussendlich die Schwelle zum Tode überschritten?“

„Sei nicht lächerlich, Mutter.“ Obwohl Sesshoumaru den süffisanten Unterton bemerkt hatte, machte er sich keine Sorgen. Hätte sie die Absicht gehabt seinen Begleitern Schaden zuzufügen, wäre dies bereits bei ihrer Ankunft passiert. Sie war in allen Maßen effizient und nicht daran interessiert in irgendeiner Form einen perfiden Spaß aus dem töten von Individuen zu machen. Wenn jemand in ihren Augen sterben sollte, dann tat dieser es augenblicklich.

 

„Mhm, Menschen sind seltsame Wesen, findest du nicht? Eine so kurze Lebensdauer und so körperlich schwach und dennoch...hat ihre emotionale Macht die Fähigkeit, sogar mit der Stärke des größten Yokai zu konkurrieren.“ Shayou hob den Blick und ein gewisses Glitzern lag in ihren goldenen Pupillen, als sie auf eine Antwort wartete.

„Mutter, Ihr seid sicher nicht hier her gekommen, um mit mir über den potenziellen Wert der Menschheit zu sprechen. Warum habt ihr Euer Schloss in den Wolken verlassen?“

„So direkt wie immer, mein Sesshoumaru. Aber ob du es glauben magst oder nicht, trägt es einen großen Teil zu deinem gegenwärtigen Problem bei.“ Abwesend strich sie sich über ihre Fellboa, während sie ihren Sohn genau beobachtete. Es gab eine minimale Veränderung in seiner Haltung, aber das war auch der einzige Hinweis auf seine Irritation. Vielleicht musste sie ihrem Sohn noch ein wenig weiter helfen.

„Im Gegensatz zu uns besitzen die Menschen keine scharfen Krallen, Reißzähne oder Yoki, um sich zu behaupten und doch bringen sie es ohne Probleme fertig, diese Welt immer weiter zu bevölkern und sie zu beherrschen. Hast du dich nie gefragt, warum dies so ist?

Weil sie, von allen Lebewesen die es auf diesem Planeten gibt, doch am aller grausamsten werden und Jaki aus den dunklen Tiefen ihrer Gefühle und ihres Willen ziehen können, welches weit schrecklicher ist, als Yokai es jemals erlangen würden. Vielleicht sogar grauenvoller als das Höllenjaki, dem du einst im Meido gegenüber standest. Bist du nicht selbst einem Menschen nachgejagt, der seine Seele und sein Herz aus Empfindungen heraus an Dämonen verkaufte und es dadurch fast mühelos schaffte schwache Kreaturen zu kontrollieren und korrumpieren?“

Für einige Augenblicke war es seltsam ruhig, dann sprach Sesshoumaru leise und wandte die Augen von seiner Mutter ab, die noch immer das gefühllose Lächeln auf ihren Lippen trug.

„Solche Dinge sind für mich nicht von Belangen.“

 

Der Wind zog an ihnen vorbei und wirbelte fast identisch weißes Haar durch die Luft, als beide InuYokai ihre Sinne mit dem Rausch des Sturmes gleiten ließen und sich für einen Moment komplett der Welt öffneten. Das Land begrüßte die einfache, aber tiefe Form der Berührung und sandte eine ebenso unterschwellige Resonanz aus den Wurzel der Uralten an die Eroberer und derzeitigen Beschützer der Domäne im Westen zurück. Kraft flutete in Leben über und Leben erhob sich zu Kraft. Der Austausch war kurz, aber in seiner Intensität rein und erdverbunden. Sobald sich der Fluss der Energien wieder beruhigt hatte, ließ Shayou ihren Blick zum Himmel hinauf wandern und die Splitter der zarten Mondsichel beobachten.

 

Sesshoumaru war trotz seiner Jugend stark geworden und auch wenn er noch viel zu lernen hatte, bestand kein Zweifel darin, dass er der würdevolle Sohn seines Vaters war. Er hatte Toga bereits in dessen Macht übertroffen, obwohl ihm noch ein weiter Weg bevorstand, ehe er seine eigene Vollendung seines Yoki erreichen würde. Sie wusste nur zu gut von den Zerwürfnisse zwischen den beiden Inuyokai und kannte den Zorn ihres Sohnes, weil ihm sein Recht genommen wurde um den Titel als neuer Inu no Taisho zu kämpfen, ganz zu schweigen von der Misere, die die Aufteilung der Schwerter einst auslöste. Und dennoch war sie fest davon überzeugt, dass sich Sesshoumaru auch ohne offizielle Autorität gegenüber dem Rest ihrer Familie behaupten würde. Die Frage war nur, ob es für das, was kommen würde, ausreichte...

 

Nun, für den Moment jedoch, würde sie einen anderen Ansatz versuchen.

„Der Mond überschreitet bald ein halbes Millennium“ , begann sie kryptisch und konnte aus dem Augenwinkel erkennen, dass Sesshoumaru seine gesamte Aufmerksamkeit auf sie gerichtet hatte, auch wenn er ihrer Sicht zum Himmel hin folgte. „Sobald die Sonne ihren niedrigsten Stand am Horizont erreicht.“

„Ihr sprecht von der Wintersonnenwende.“

„Sehr richtig. Aller fünfhundert Jahre gibt es einen Tag, an dem die Magie der Uralten am schwächsten ist und sich tief in den Planetenkern zurückzieht. Immer dann, wenn die Wintersonnenwende und der Neumond aufeinander fallen.“

„Wenn ich mich recht erinnere, Mutter, tritt dieses Ereignis aller neunzehn Jahre auf. Was ist an diesem so besonders?“ Shayous Blick wurde für einen Augenblick fast mütterlich und sie nickte ihrem Sohn anerkennend zu, bevor ihre gleichgültige Maske zurückkehrte.

 

„Dies ist eine lange Geschichte, mein Sesshoumaru. Alles was auf dieser Erde lebt, wird in irgendeiner Form von den Kräften der Uralten gespeist. Die Menschen nennen sie Götter, während sie für uns die Manifestationen der reinen Energien sind, die unter unseren Füßen fließen.

Als Izanagi und Izanami einst das Festland dieser Welt erschufen, verbanden sie ihre Magie mit allem, was sich auf ihm befand und formten so das zarte Netz der Lebensströme. Ein natürliches Gleichgewicht wurde geboren, konstant zwischen Yokai und Menschen über viele Jahrtausende, bis die Urmutter Izanami selbst zu einem Dämon in der Unterwelt wurde, aus Wut auf ihrem Geliebten viele Sterbliche in das Reich der Toten holte und damit das giftige Höllenjaki freiließ. Die Balance zwischen den Rassen begann das erste Mal zu schwanken und immer mehr Yokai begannen, getrieben durch die bösartige Energie des Totenreiches, die übrigen Menschensiedlungen anzugreifen.

Als Ausgleich wurden Mikos - als Götterkinder und Abbild der Kami Ame no Uzume - , Mönche und shintoistische Exorzisten ausgesandt, um den Angriffen Einhalt zu gebieten. Reiryoku, die reinigenden Kräfte der Priester, sowie die tödlichen Waffen der Taijiya halten seitdem diese neue, aber zerbrechliche Stabilität aufrecht.“ Ihre Stimme wurde fast von dem Wind weggetragen und doch klang sie für den jungen Daiyokai so deutlich wie noch nie.

„Und sag mir Mutter, was hat dein Märchen mit dem Sterben des Landes zu tun?“ Sesshoumarus unmerkliche Gereiztheit floss von seiner Haut, obwohl seine Augen und seine Stimme leidenschaftslos blieben. Er hätte es besser wissen müssen, als sich auf die Anwesenheit der Dame einzulassen.

 

„Geduld Musuko“ , meinte Shayou einfach und ignorierte das minimal protestierende Knurren aus dem Mund ihres Nachkommens. „Die heilige Macht war für die Sterblichen eine unerforschte Kraft und getrieben aus ihrer unersättlichen Neugierde begannen einige Menschen explizite Experimente mit ihr durchzuführen, um eine noch stärkere spirituelle Nähe zu den Uralten zu erreichen. Aber die Ningen waren schon immer anfällig für Egoismus und Besessenheit und so suchten manche von ihnen einen Weg, um sie für ihre eigenen Zwecke brauchbar zu machen. Schlussendlich wurde aus der einst reinen Energie eine Magie geboren, die unheilvolle und chaotische Ausmaße annahm.“

„Schwarze Magie.“

„Ja. Eine tödliche und giftige Kraft. Im Gegensatz zu dem dämonischen Jaki verschlingt sie ihre Träger wie ein Parasit, zerstört, mordet und nährt sich an den Qualen ihrer Opfer, ohne eine wirkliche Form der Kontrolle. Einmal ihrem Zauber verfallen, wird man zu eine Marionette des manifestierten Hasses.“ Die Dame senkte ihren Kopf und ließ ihre Augen über die Landschaft hinter sich schweifen.

„Also ist das der Grund, warum die anderen Domänen und das eroberte Land des Vaters leidet? Weil schwächliche Menschen schwarze Magie anwenden und ihr Shoki durch durch die Erde fließt?“

„Es sind nicht irgendwelche Sterblichen über die du dir Gedanken machen solltest, mein Sohn.“

Sesshoumarus goldene Pupillen verengten sich, er starrte seine Mutter offen an und ließ für einen Moment seine Aura zornig aufflackern. Er schätze es überhaupt nicht warten zu müssen und noch weniger Geduld hatte er für diese sinnlosen Spielchen seiner Mutter.

„Wer ist dann dafür verantwortlich?“ Fragte er kalt, mit unverhüllt wütender Stimme.

Shayou betrachtete den jungen Daiyokai für einige Minuten still, während der Sturm an ihrem seidenen Kimono riss, die Kälte über ihre Haut trieb und doch nicht einmal ansatzweise so schneidend sein konnte wie der Name, der schließlich über ihre Lippen kam.

 

„SeKain.“

 
 

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Das alte Herrenhaus war ruhig, obwohl sich seit Tagen eine stagnierende Aura über das Land gelegt hatte, welche zäh und unangenehm schwer in der Luft hing. Die Fackeln an den Wänden zuckten und knisterten, das Feuer in dem großen Kamin flackerte in roten und gelben Farben, Flammen züngelten über den Stein und das Holz entlang und doch konnten es die Umgebung nicht erwärmen. Kälte sickerte durch jede Spalt, rau und beißend klammerte sie sich an jedes Lebewesen und löste selbst bei jedem Atemzug ein brennendes Gefühl in den Lungen aus. Vor den abgedeckten Fenstern glitten Schneeflocken durch die Nacht. Sanft, fast schon tanzend, bewegten sie sich in Richtung des Bodens, verhüllten die Gegend wie ein Vorhang aus tausend Sternen und waren dennoch nichts anderes als eine weiße Illusion tödlicher Gefahr.

In einer der großen Hallen hatten sich eine kleine Gruppe der ranghöchsten Inuyokai versammelt, während der Rest in den unzähligen Gemächern verweilte. Die Spannung war unter allen Dämonen, die sich in dem ehemaligen Anwesen einer menschlichen Adelsfamilie eingefunden hatten, deutlich spürbar, aber als ausgebildete Krieger hatten sie sich dazu gezwungen, sich auszuruhen.

Fünfhundert Jahre war es her, seit sie sich das letzte Mal in einer so großen Zahl wiedergetroffen hatten, aber jeder hatte den instinktiven Ruf der Familie gehört und viele waren ihm zurück in ihr Geburtsland gefolgt, um sich der kommenden Bedrohung zu stellen. Denn obwohl ihre Rasse bekannt dafür war, vor allem als Wanderer und Nomaden die Länder zu durchstreifen, waren sie am Ende immer noch Pack-Yokai und als solche empfanden sie alle eine starke Bindung zu ihrem Rudel und zu dem Ort, den sie als ihr Zuhause bezeichneten.

 

Wie in den vergangenen Tagen war der Raum mit Stille gefüllt und goldene Augenpaare richteten sich wartend auf die kniende Gestalt in der Mitte von ihnen. Lider geschlossen, Finger in einer komplizierten Haltung miteinander verschränkt und die Stirn in voller Konzentration leicht gespannt, summte die Seherin stumme Worte vor sich hin, während sie sich auf das Geschehen außerhalb fokussierte.

Niemand der Anwesenden kannte den Ursprung der Gefahr, obwohl sie diesem Schauspiel bereits viele Male folgten, denn es glich keine Zusammenkunft der Anderen. Der erste Ruf war lange vor ihrer Zeit in die Welt hinaus gesendet worden und vereinte damals ihre Vorfahren, ehe sie sich jedes halbe Millennium wieder treffen würden. Generation für Generation kehrte in die jeweils schützende Heimat zurück, immer schwankend in der Zahl, aber nie an Stärke verloren. Ein jeder konnte verfolgen wie kleine Familien wuchsen, während sie an anderer Stelle getrennt wurden, wie Kinder geboren wurden oder Gemächer plötzlich leer blieben, fehlend in der Präsenz ihrer Verwandtschaft. Aber nie gab es ein Hinweis auf den Auslöser, den Träger der Bedrohung, den Grund für die Zerstörung – bis zu diesem Tag.

 

Die vermeintliche Trance aller brach, als kalte Goldpupillen plötzlich aufsprangen, Hände ihrer Position verloren und die Seherin ihren Kopf ruckartig zu den Versammelten hob. Sofort traten einige vor, ehe sie innehielten und ihre Blicke auf die drei Ältesten unter ihnen richteten.

Was ist passiert, Seherin Noriko?“ Mamorus raue Stimme durchdrang den Raum und blasse, langfingrige Kralle strichen durch weiße Haarsträhnen, die sich über die linke Schulter nach unten ergossen.

Die Magie hat sich verändert. Sie...hat sich scheinbar geformt und etwas aus dem Schatten erhoben, eine manifestierte Präsenz, die sich durch das Land bewegt.“ Die Inuyokai hielt kurz inne, ehe ihre Augen über jeden einzelnen strichen. „Es kommt hier her.“

Die Temperatur schien schlagartig zu sinken, Auren wallten auf und brodelten zornig über die Köpfer aller Anwesenden hinweg, die plötzlich freigesetzte Macht knisterte und zischte in der eiskalten Luft. Mamoru und die zwei Anderen erhoben sich in ihrer eigenen Kraft und drängten die aufgewühlten Energien langsam zurück, während sie zu der Seherin in die Mitte des Raumes traten.

 

Noriko, sage uns was du damit meinst.“ Chikako, eine kleine und scheinbar recht einfache Dämonin und ebenso wie ihre Schwester Chiyoko eine der drei Ältesten, erhob das Wort legte der Jüngeren eine Hand in beruhigender Geste auf die Schulter.

Es scheint, als wäre etwas aus der schwarzen Magie selbst entstanden. Ein Wesen, dessen Kraft oder Gestalt nicht zu erkennen ist und das seine Anwesenheit bis jetzt vor uns verborgen hat. Aber es ist auf den Weg hier her. Und es kommt schnell.“

„Was ist die Bedeutung davon? In den letzten Jahrtausenden gab es nie eine Kreatur, die eine Bedrohung darstellte. Warum jetzt und warum so früh? Es sind noch drei Tage, bis wir den Zeitpunkt des Neumondes erreichen.“

Es ist mir unmöglich, eine Antwort auf diese Frage zu geben, Älteste Chiyoko.“ Noriko neigte leicht entschuldigend den Kopf, ehe sie wieder sprach. „Es hat die Grenzen des Landes noch nicht überschritten, aber es kann sich nur noch um Stunden handeln, bevor es die Domäne erreicht. Sein Jaki ist bereits stark genug, um meine Bannsprüche zu durchbrechen.“

 

Was schlagt ihr vor, Noriko?“ Ein Inuyokai löste sich aus dem Schatten einer Wand heraus und trat näher an die Versammelten heran. Er war breit gebaut, eine schwere Rüstung zierte seinen Körper und eine scharfe Narbe zog sich vom linken Schlüsselbein quer hinauf über sein gesamtes Gesicht, spaltete die ehemalig dunklen Markierungen auf seiner Wange und ließ das rechte Auge seltsam blass erscheinen.

Isamu“ , die Seherin schenkte dem Krieger ein flüchtiges Lächeln, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf alle richtete. „Die Magie der Uralten schwindet schneller, je länger es sich in einem Territorium aufhält. Wir sollten eine Barriere errichten, ähnlich der, die zur Wintersonnenwende geschaffen wird. Die Möglichkeit besteht, dass das Wesen schon jetzt einen Großteil des noch verbliebene Lebensflusses angreift und dann würde die übrige Energie nicht mehr ausreichen, um uns und das Land am Tag des eigentlichen Ereignisses zu schützen.“

Wird es dieses Wesen aufhalten?“

Ich weiß es nicht. In den wenigen Aufzeichnungen unserer Ahnen gibt es kein Hinweis darauf, dass sie selbst schon einmal einer realen Präsenz gegenüberstanden. Es scheint, als habe sich in den letzten fünfhundert Jahren irgendetwas verändert.“

 

Für einige Minuten herrschte leises Stimmengewirr in dem Raum. Theorien wurden aufgestellt, Vermutungen ausgesprochen und über Optionen nachgedacht. Ein Teil der Inuyokai wollte das Wesen direkt angreifen, bevor es vermutlich mehr Opfer geben würde, der andere Teil plädierte auf eine stille Beobachtung und keine vorschnellen Handlungen. Die Ältesten hatten sich zurückgezogen, verfolgten stumm die Argumentationen und berieten sich dann leise, welche Vorgehensweise für ihr Volk und das Land am sichersten wäre.

Schickt eine kleine Gruppe von Kriegern aus, die die Kreatur an der Grenze aufhält.“ Die tiefe Stimme rollte durch den Raum und beendete alle anderen Gespräche schlagartig. Der Neuankömmling hatte die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte an einem der Fenster und starrte durch einen Spalt nach draußen in den Schnee. Seine silberweißen Haare flossen aus einem hohen Zopf über seinen Rücken herunter und verdeckten das höllische Schwert, welches an der breiten Rüstung befestigt wurde.

Und ihr wollt sicherlich Teil dieser Gruppe sein. Habe ich nicht recht, Toga?“ Mamoru betrachtete den Daiyokai aus ernsten Augen und ließ dann seinen Blick über das restliche Rudel schweifen.

Ich habe nicht die Absicht ein unbekannten Feind in die Nähe unseres Volkes zu lassen. Nicht, wenn ich es verhindern kann, Mamoru.“ Die goldenen Pupillen des Inu no Taisho strahlten vor ungezügeltem Feuer, als er seinen Kopf zu dem Ältesten drehte und dann langsam näher kam. „Es muss einen Grund geben, warum diese Wesen gerade jetzt aufgetaucht ist. Wenn wir es abfangen können, haben wir vielleicht die Chance herauszufinden, wer der Verursacher der schwarzen Magie ist. Einen besseren Zeitpunkt wird es nicht geben und das weißt du.“

 

Ich stimme Toga zu.“ Isamu grinste für einen Augenblick verschlagen und stellte sich neben den General, beide fast gleich auf in ihrer Größe, auch wenn Isamu ein Stück breiter war.

Seid ihr euch in dieser Sache sicher, Inu no Taisho?“ Chikako und Chiyoko hatten gleichsam einen berechnenden Ausdruck auf ihrem Gesicht, obgleich Chikako ein fast unmerkliches Lächeln auf den Lippen trug.

Vollkommen.“ Er nickte den beiden zu, ehe sich seine Aufmerksamkeit auf den hinteren Teil des Raumes verlagerte und ein kurzes Grinsen an seinen Mundwinkeln zupfte. „Ich bin mir sicher, dass die Schutzherrin dieses Landes in meiner Abwesenheit alles unter Kontrolle hat.“

Shayous geschmeidige Gestalt bewegte sich gleitend über den Holzboden und der Stoff ihres Kimonos flüsterte leise bei jedem Schritt, als sie fast geisterhaft durch die Reihen der Versammelten glitt. Noriko nickte ihrer alten Freundin sanft zu und einige der anderen Inuyokai neigten sogar respektvoll den Kopf, sobald die Dame neben dem Inu no Taisho stehen blieb.

Stellst du meine Fähigkeiten in Frage, mein geliebter Toga?“

Ich würde dich nie unterschätzen.“ Der General starrte in die goldenen Pupillen seiner Partnerin und konnte das amüsierte Funkeln in ihnen deutlich erkennen, obwohl ihre Maske ausdruckslos blieb. Dann straffte er die Schultern, warf Isamu einen schnellen Blick zu und legte bestimmend eine Hand auf den Griff von Tessaiga. „Wir werden dieses Ding aufhalten.“ Damit streckte er seine pulsierende Aura aus und ließ alle in dem Herrenhaus die stille Vorladung verspüren - Es würde zu einem allerersten Zusammentreffen kommen.

 
 

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Der Schneefall hatte aufgehört, bevor der Sichelmond seinen höchsten Stand am Himmel erreicht hatte. Der Wald war ruhig und im matten Licht bewegten sich fünf Schemen lautlos durch die Nacht hindurch, bis sie am Ende der Baumgrenze innehielten. Vor ihnen erstreckte sich ein weißer Strand, der im Kontrast zum schwarzen Meer fast unangenehm hell wirkte und so die Umgebung in einen unnatürlichen Schein hüllte.

Selbst in der Dunkelheit war die Insel Awaji von diesem Punkt aus deutlich zu erkennen, die kürzeste Entfernung zwischen der Region Shikoku und dem Festland Japans und der schnellste Weg um die Domäne zu erreichen. Die Inuyokai Krieger hielten sich bewusst im Schatten und warteten stumm auf Anzeichen des kommenden Unbekannten, während ihre goldenen Augen immer wieder prüfend über die Umgebung glitten. Für einen kurzen Augenblick glühte der Horizont über ihnen auf, dann senkte sich die vertraute Aura der Schutzherrin über das Land und schloss sie alle vollständig in einer Barriere ein.

Isamu wandte seinen Kopf zu Toga, dessen Blick scheinbar auf das wirbelnden Meer fixiert war und richtete seine Aufmerksamkeit dann auf seine Schwester, die stillschweigend hinter ihn trat.

Imōto“ , raunte der Inuyokai leise und ihre Hand legte sich sanft auf seine Schulter. „Dein Geist scheint unruhig, Itsuko.“

„Du weißt was mich stört, Isamu. Ein Kampf gegen einen ungewissen Gegner ist riskant, noch dazu, wenn Magie im Spiel ist.“

„Du hast Magie noch nie gemocht.“ Der Krieger lächelte leicht, als er den Anflug von Missfallen auf dem Gesicht seiner Schwester sah und seine Reißzähne schimmerten für ein paar Sekunden im fahlen Licht.

Wundert es dich? Sie ist zu unkontrollierbar, zu flüchtig. Nichts was ich im Kampf bevorzugen würde. Magie hat noch niemanden etwas Gutes gebracht.“ Fast unbemerkt ließ Itsuko ihre Hand über ihr Doppelschwert gleiten und ein ernster Ausdruck zierte ihre Augen.

Mhm, mach dir keine Sorgen, Imōto. Ich bin sicher, dass Toga weiß was er tut.“

„Du setzt großes Vertrauen in ihn, Bruder. Was ist es, was dich so an ihm fasziniert?“ Itsukos Augen folgten seinem Blick zu dem General, der noch immer vollkommen ruhig in seiner Position verharrte und vermissten fast das wissende Grinsen im Gesicht des Älteren.

Sieh in seine Augen, Itsuko und dann wirst du mich verstehen.“

 

Der Wind schlug plötzlich um, bevor er ganz einfach zum erliegen kam und ein leises Knacken durch die Luft hallte. Das Wasser zischte, als würde es auf brennende Lava treffen und zog sich dann Stück für Stück von dem Strand zurück, um eine dunkle Masse an dessen Stelle zu hinterlassen. Tiefhängender Nebel breitete sich über die unmittelbarer Umgebung aus, nachdem der Schnee jäh zu schmelzen begann und die Inuyokai waren augenblicklich in Alarmbereitschaft, obgleich noch keiner von ihnen seine Waffen zog. Der Dunst wirbelte um die Krieger, dann gab es eine Bewegung innerhalb des Schleiers, erst unförmig und zäh, ehe es zu einer schemenhaften Gestalt zusammenwuchs, die fast schwerfällig wirkte.

 

Toga trat vor, die vier anderen Krieger folgten ihm in geschlossener Formation und reihten sich dann jeweils links und recht von ihm auf, als er in einigen Metern Entfernung zu dem Wesen zum stehen kam. Die Kreatur trat aus der schwarzen Masse auf den Strand zu, hielt dann plötzlich inne und streckte einen vermeintlichen Arm nach vorn, um träge nach der Luft zu greifen. Es gab ein Knistern, dann vibrierte der Boden und die Barriere des Landes flackerte auf, als die unbekannte Gestalt dagegen schlug. Kleine schwarze Linien splitterten unter der Faust hervor, breiteten sich von der Aufprallstelle wie ein Spinnennetz zu allen Seiten hin aus und doch hielt der Schutzzauber stand. Langsam ließ die Kreatur den Arm wieder sinken und richtete ihren unförmigen Kopf zu den Inuyokai hin, unternahm aber keinen weiteren Schritt um das Land zu betreten oder die Barriere erneut anzugreifen.

Dann wurde es still.

Das einstige Rauschen des Meeres schien immer weiter verschluckt zu werden, bis es nur noch zu einem wagen Summen im Hintergrund wurde und jedes noch so kleine Geräusch erschien plötzlich viel zu laut für die Welt. Die beiden Seiten standen vollkommen regungslos, darauf wartend, dass dem jeweils anderen der erste Fehler passieren würde. Doch die Krieger waren zu erfahren, um den Moment als solchen nicht zu erkennen und das Geschöpf wirkte auf einmal wie versteinert, sodass Minute um Minute verging, ohne das etwas passierte.

 

Eine wirklich beeindruckende Kreatur.“

 

Und damit brach der unheimliche Zauber, der über den Strand gefallen war und die Inuyokai zogen in einer einzigen synchronen Bewegung ihre Waffen. Dort, auf dem schmalen Grad zwischen Wasser und Land , stand ein einfacher junger Mann und starrte auf die unbewegliche Form der schwarzen Masse. Er hatte die Hände hinter seinem Rücken verschränkt, während seine dunklen Augen über die Gestalt schweiften, ehe sie zu den Inuyokai weiter wanderten und ein fast schon sanftes Lächeln sein Gesicht zierte.

Eine recht ereignisreiche Nacht, finden Sie nicht?“ Seine Stimme war leise und tanzte melodiös durch die Luft, als er leicht den Kopf neigte, ganz so, als würde er eine respektvolle Begrüßung andeuten.

Tatsächlich.“ Toga war der Erste, der sein Schwert zurück in seine Scheide steckte und unaufgefordert folgten ihm die restlichen Krieger, wenngleich sie auch nie ihrer Wache fallen ließen und die Hände immer noch in greifbarer Nähe zu ihren Waffen hielten. Die goldenen Augen des Generals zuckten über die Gestalt des Mannes und er atmete subtil den Duft ein, um seine Vermutung zu bestätigen, als er das Fehlen eines Yoki bemerkte: Er war ein Mensch. Und als hätte der Unbekannte darauf gewartet, spaltete sich sein Lächeln zu einem echten Grinsen, welches für den Bruchteil eines kurzen Augenblickes fast unheimlich wirkte.

Isamu bewegte sich leicht neben dem Inu no Taisho, ein unmerkliches Knurren hallte in seiner Brust wieder und vermittelte sein Missfallen gegenüber dem Neuankömmling. Niemand der fünf Yokai hatte die Annäherung des Menschen bemerkt, noch seine Präsenz in Form von Jaki, Shoki oder Reiryoku gespürt. Es war beinahe so, als wäre er einfach aus dem Nebel erschienen und selbst jetzt war seine Aura und sein Geruch verzehrt und undeutlich – nicht fassbar und außerhalb der Reichweite.

 

Ich muss zugeben, eine wirklich ausgezeichnete Arbeit.“ Der Mann trat näher an die Kreatur heran, begleitet unter den wachsamen Blicken des Inuyokai und blieb nur wenige Zentimeter davor stehen. „Ich hätte es fast nicht bemerkt...“

Von was sprecht Ihr, Mensch?“ Die dunklen Augen glitten zu Itsuko und wieder zurück und der Mann hob eine Hand und streifte mit den Fingern abwesend über das Geschöpf.

Die Barriere, die Euer Land beschützt. Sie wäre mir fast entgangen“, murmelte er beiläufig und ließ seinen Blick über die Umgebung streifen. „Wahrlich, die Schutzherrin Eurer Domäne ist stark, Inu no Taisho.“

Wenn irgendeiner der Krieger überrascht war, so zeigte es niemand von ihnen. Stattdessen war es jetzt an dem General, ein kaltes Lächeln auf seine Lippen gleiten zu lassen.

Ihr wisst also, wer ich bin?“

„Natürlich. Ich kenne Euch alle – Toga, erster Sohn von Raidon und Ima, Inuyokai aus den westlichen Ländern und Heerführer der Hunde.“ Dabei richtete er seine Augen direkt auf die goldenen Gegenstücke, als würde er versuchen sich in die Tiefen der Seele zu fressen. Togas inneres Biest knurrte protestierend unter dem durchdringenden Blick, es schlug und biss an dem mentalen Käfig der es eingeschlossen hielt und ließ seine Aura frei, um sich gewaltsam aus seinem Gefängnis erheben zu können. Hätte der Ino nu Taisho weniger Kontrolle über die Bestie, wäre es ihr sicherlich gelungen in Erscheinung zu treten, aber der General kannte seinen Dämon und es brauchte für ihn nicht viel, um ihn zurück an seinen Platz zu schicken. Schließlich wäre es äußerst pathetisch, wenn er so leicht von seinen niederen Instinkten unterworfen werden würde.

 

Dies ist Euer Werk?“ Isamu wies mit einem einfachen Kopfnicken in Richtung der Kreatur und runzelte leicht die Stirn, als die Hand des Menschen noch immer langsam über den unförmigen Körper glitten.

Ah, ganz recht. Ein kleiner Zeitvertreib aus der einfachen Neugierde heraus.“ Das sanftmütige Lächeln kehrte in das Gesicht des Mannes zurück und er klopfte spielerisch auf die vermeintliche Schulter seines Geschöpfes.

Was ist der Zwecke davon?“

Ein Zwecke? Nun ich würde meinen, es sollte mir als Unterhaltung dienen. Das Leben ist lang und wenn man nicht aufpasst, kann einem schnell langweilig werden. Als Yokai solltet Ihr dies doch am besten wissen.“

Also ist dieses... Ding nur zum Spaß hier?“ Itsuko strich angespannt über das Heft ihrer Klingen und hatte einen fast identischen Gesichtsausdruck wie ihr Bruder.

War es das nicht? Unterhaltsam? Ich für meinen Teil hatte Spaß, aber vielleicht unterscheidet sich meine Ansicht in der Euren...“ Dabei wechselte seine Miene von Belustigung zu kalter Süffisanz und ein raues Lachen hallte leise in seiner Brust wieder, während er seine Finger in die schwarze Masse bohrte, die scheinbar völlig mühelos unter dem Druck nachgab und sich um die eindringenden Gliedmaßen schloss.

Je weiter der Mann seinen Arm in die Kreatur eintauchte, desto kleiner wurde das Geschöpf. Feine dunkle Linien bildeten sich und wuchsen unter der Haut des Menschen, als würde das einstige Wesen einfach durch die Adern krabbeln, um zurück in den Körper zu fließen. Leidenschaftslos verfolgten die Inuyokai das Schauspiel, aber sie alle konnten den Gestank von faulem Fleisch und altem Blut nur zu deutlich in der Luft riechen. Sobald nichts mehr von dem Ding übrig war, wandte sich der Mann wieder den Kriegern zu, sein Gesicht verzerrt zu einem kalten und gefährlichen Ausdruck.

 

Wer seid Ihr?“ Ein tödliches Lächeln zuckte an den Rändern seiner Lippen, als er Togas Frage hörte, aber es erreichte nie seine Augen.

Also stellt Ihr endlich die richtigen Fragen, Hundegeneral?“ , fragte er blasiert und ließ seine unnatürlich weißen Zähne aufblitzen. Nichts mehr an ihm erinnerte an den sanften jungen Mann, der zuvor noch vollkommen friedlich am Strand gestanden hatte. „Man nennt mich SeKain, Erster und Einziger seiner Blutlinie und Träger der schwarzen Magie.“

„Demnach seid Ihr für die Verwüstung der Länder verantwortlich?“

Hoh? Sehr gut, General, sehr gut. Offenbar seid Ihr so schlau, wie ich es mir erhofft habe.“ Er ignorierte das Knurren der anderen Inuyokai und konzentrierte sich ausschließlich auf Toga, welcher ihn mit ausdrucksloser Miene anstarrte. „Wollt Ihr weiter raten oder soll ich Euch helfen?“

Wir werden Eurem Spiel langsam müde. Warum seid Ihr hier, SeKain? Was bezweckt ihr mit der Zerstörung der Domänen?“

 

Zerstörung? Es gibt keine Vernichtung. Ich reinige wie meine Ahnen vor mir die Welt seit Jahrtausenden von dem schändlichen Einfluss der Uralten. Aber es müssen sich doch immer wieder kleine Kakerlaken einmischen, die meine Selektion behindern... Menschen wie auch Yokai.“ SeKain zischte die Worte mehr, als das er sie wirklich sprach und in seinen Pupillen erschien ein bedrohlich Glanz, der die Auren der Krieger angespannt aufwallen ließ.

Ich frage ein letzte Mal; Warum seid Ihr hier?“ Die Stimme des Generals war mörderisch kalt und rollte knurrend über den Strand hinweg, dass selbst So`unga auf dem Rücken des Inu no Taisho vor dem Verlangen nach Blutvergießen sehnlich pulsierte.

Warum ich hier bin? Ich bin hier um dafür zu sorgen, dass diese elende Farce endlich ein Ende findet. Und was ist dafür besser gedacht, als die unverbrauchte und reinste Kraft, die in den Körpern allen Lebens zu finden ist?“ Damit trat er direkt an die Barriere heran, die unter der plötzlich ausbrechenden schwarzen Magie heftig zuckte, zischte und schließlich mit einem gutturalen Kreischen aufflackerte, um das tödliche Jaki abzuwehren. Auf der anderen Seite trat Toga ebenfalls vor, nur wenige Zentimeter trennten den Yokai von dem scheinbaren Menschen und goldene Pupillen trafen auf bodenloses Schwarz, als SeKain zu grinsen begann.

 

Ich werde mir Eure Seelen holen.“

 
 

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wichtige japanische Wörter:

 

Musuko: Sohn

 

Taijiya: Dämonentöter

 

Imōto: kleine Schwester

 

Ningen: abfällige Bezeichnung für Menschen

 

Kami: Gott

 

Reiryoku: spirituelle oder göttliche Kraft

 

Yoki (oder auch Yoryoku): dämonische Energie und die Lebenskraft eines Yokai. Kann sowohl die körperlichen Fähigkeiten verbessern (Inu Yashas Sankon Tesso, um die Stärke und Angriffsreichweite seiner Klauen zu erhöhen), als auch Konstrukte bilden (Sesshoumarus Lichtpeitsche) oder in Form von Elementen kanalisiert werden

 

Kenatsu: eine Fähigkeit die hauptsächlich von Yokai-Schwertern besessen wird. Wenn Yoki in das Schwert geschleudert wird, kann der Benutzer seine Feine schlagen, ohne dass die Klinge physischen Kontakt hat. (Unter solch einen Angriff fällt zum Beispiel Inu Yashas Kaze no Kizu)

 

Yoketsu: visuelle Manifestation der dämonischen Energie in Form eines Strudels hinter einem Yokai. Wird dieser Wirbel und das damit verbundene Yoketsu durchtrennt, wird der Dämon sofort getötet.

 

Jaki: bösartige Energie, die ähnlich der dämonischen Aura ausgestrahlt wird. Entsteht aus der dunklen Natur

oder dem Willen (Yin) eines Individuums

 

dämonisches Jaki: jeder Dämon und Mensch besitzt das Potenzial Jaki auszustrahlen. Je böser der Yokai ist, desto größer sind die Fähigkeiten in der Kontrolle, Verwendung und Stärkung des Jaki, um Objekte und Menschen zu kontrollieren

 

Höllenjaki: entstand durch die vielen bösartigen Kreaturen in der Hölle und ist auch im Meido vorhanden

 

Shoki: alternative Bezeichnung von Miasma oder auch Sumpfgas genannt

Millennium Teil II


 

N° 3: Millennium, Teil II

 

Das krachende Geräusch des niedergehenden Regens mischte sich mit dem Lärm der peitschenden Wellen und plötzlich schien die Welt um die beiden ätherischen Wesen aufzuschreien, als die Stille brach. Kalte Tropfen zersprangen auf hartem Stein, der Wind riss ungehindert an den seidigen Stoffen ihrer Kleidung, während die Blitze in ihrem eigenen Tanz den Himmel erhellten. Rinnsale von Wasser strömten über die blassen Gesichter, die trotz allem noch immer so unnahbar und unantastbar wirkten und dem Sturm um sich herum keine Beachtung schenkten. Die einst silbernen Strähnen hingen schwer und triefend an ihren Körpern und ihr weiße Fell verlor an Volumen, als es sich fast schützend um ihre Glieder wickelte.

Sesshoumaru starrte seine Mutter an, seine goldenen Augen waren berechnend auf die eisigen Gegenstücke gerichtet und er wartete stillschweigend darauf, dass sie weiter sprach. Shayou erwiderte seinen Blick für ein paar Sekunden, dann stieß sie einen leicht abfälligen Ton aus und zupfte an ihrem durchnässten Kimono herum.

 

„SeKain hielt sein Wort. Jedes halbe Jahrhundert, wenn die Wintersonnenwende kurz bevor stand, verschwanden unzählige Mitglieder der verschiedensten Rassen. Menschen wie Yokai, alle die herausragende Stärken und Fähigkeiten aufwiesen“ , erklärte sie leidenschaftslos, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. „Es gab keinerlei Anzeichen und keine Vorwarnung, um Jene zu schützen. Ihre Existenz schien einfach von der Welt getrennt zu werden und sie blieben verschwunden oder man fand das, was von ihnen übrig war, erst als der Schnee taute. “

„Er ist ein Mensch.“

„Tatsächlich. Doch erinnere dich, was ich dir über die Menschen erzählt habe. Er ist nicht nur ein Träger der schwarze Magie, sondern auch einer der Erstgeborenen ihrer physischen Manifestation, womöglich sogar der Einzige, den es noch gibt. Alles was an ihm einst sterblich war, ist schon lange nicht mehr vorhanden. Er mag existieren, aber er ist nicht am Leben.“ Der Daiyokai neigte bei den Worten den Kopf und seine feine Stirn kräuselte sich fast unmerklich, während die Regentropfen über sein Gesicht strömten.

„Selbst mit der Stärke eines jeden Inuyokai, war es uns nicht möglich SeKain aufzuhalten. Dein Vater schützte unser Volk, wie ich das Land beschützte, aber es war ein Kampf, den wir einfach nicht gewinnen konnten. Am Ende war es nur der Zeit geschuldet, dass wir keine größeren Verluste zu beklagen hatten.“
 

„Wie viele Yokai unserer Rasse nahm er bis heute?“

„Zwölf. Sieben konnten wir aufspüren, als das Eis zu schmelzen begann. Sie waren kaum mehr zu erkennen.“ Shayou zeigte keinerlei Emotionen, als die Worte teilnahmslos über ihre Lippen flossen. Sie empfand damals wie heute keine Trauer für die Toten, denn ein solches Gefühl war ihr fremd und an dem Tag des Fundes verspürte sie lediglich den leichten Stich des Bedauerns, weil ein unschuldiges Mitglied ihrer Art auf so bestialische Art getötet wurde.

„Hn. Wertloser Abschaum.“

Die Dame beobachtete ihren Sohn dabei, wie er sich von der Klippe abwandte und einige Schritte in Richtung des Waldes ging. Der starke Niederschlag ließ das Land um sie herum in Grau verschwimmen, alles wurde zu unbestimmten Schemen hinter einer Wand aus kaltem Regen und Sesshoumarus weiße Gestalt war wie ein einziges Leuchtfeuer in der Nacht, als er sich wieder zu ihr umdrehte.

 

„Du bist mir immer noch eine Erklärung schuldig, Mutter. Warum jedes halbe Millennium?“

„Ah, du hast es nicht vergessen, mein Musuko“ , erwiderte sie leise, folgte ihm aber nicht von der Steilküste fort. Stattdessen schnippte sie mit ihrer Hand und ließ eine Reihe an Wassertropfen von ihrer Haut fliegen, als ihre Krallen ein einsames Blatt im Sturm zerteilten.

„Hör mir gut zu, Sesshoumaru. Alles auf dieser Welt muss ein inneres Gleichgewicht bewahren. Dem Leben folgt der Tod, dem Tod folgt das Leben und der Mond geht nach der Sonne auf, wie die Sonne nach dem Mond aufgeht. Jedes Wesen auf diesem Planeten ist an diese einfache Sache gebunden und so wie unser Existenzfluss an die sterbliche Welt geknüpft wurde, wurde es auch die Magie der Uralten.

Dem irdischen Diesseits steht im Gegenzug Yomi no kuni als das Land der Toten gegenüber, gleichzeitig aber auch Takama-no-hara - das himmlische Reich.

So wird der Himmel von Amaterasu-ō-mi-kami und ihr Bruder Tsukuyomi no mikoto regiert, während Amaterasus Nachkommen auch die sterbliche Welt beherrschen und den ersten Tennō von Japan hervorbrachten. Wir Yokai sind aus der Unterwelt als Gleichgewicht zu den göttlichen Seraphim geboren, jedoch besitzen die Sterbliche, die Menschen kein solches Gegenstück.“

 

„Aber sie erhielten Reiryoku.“ Sesshoumaru hatte sein Gesicht von seiner Mutter abgewandt als er sprach, aber er folgte ihren Worten aufmerksam, auch wenn er an weiteren Geschichten nicht interessiert war und sich das Gefühl von Desinteresse immer weiter in ihm aufbaute. Er wollte gehen. Jetzt. Doch Shayou hatte schon immer den Drang verspürt, den wichtigen Dingen eine komplizierte Form zu geben und so schweiften ihre Erzählungen oft ins Unermessliche ab. Sehr zu seinem Leidwesen.

„Richtig. Sie erhielten diese Macht, um uns Dämonen und unser Yoki aufzuhalten, aber es war nie angedacht, dass sie unser Äquivalent werden sollten, da die Machtverhältnisse zwischen ihnen und uns nicht übereinstimmten. Stattdessen waren Ningen schon immer seltsame Kreaturen, gleichsam Retter und Zerstörer ihrer Rasse ohne fremdes Zutun. Als die schwarze Magie in ihren Händen geboren wurde und ihr Jaki sich vollkommen entfaltete, waren sie der erste Gegenpol zu der Magie der Uralten, der auf der sterblichen Welt existierte. Und obwohl diese neue Energie in ihrem Unheil stark war, war sie im Vergleich zu der göttlichen Kraft jung und ihre alleinige Existenz würde nicht ausreichen, um eine stabile Balance auf dem Planeten zu garantieren.

Aus diesem Grund schlossen Amaterasu und ihr Bruder gemeinsam mit Izanami, als erste Repräsentantin der Unterwelt, einen Pakt. Aller fünfhundert Jahre, wenn die Sonne am schwächsten ist und der Mond seine Licht verliert, zieht sich die Magie der Uralten in den Wintermonaten bis auf eine kleine Menge tief in den Kern des Planeten zurück und übergibt für einen Tag die Macht an Yomi no kuni. Da das Reich der Toten keinen direkten Herrschaftsanspruch auf die Lebenden stellen kann, ging dieser auf die Menschen über, die als Träger der schwarzen Magie auserwählt wurden. Sie sollten in diesem Zeitraum dafür sorgen, die übermäßige Kraft einzudämmen und die Welt somit von dem Ungleichgewicht säubern.“

 
 

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Diese sinnlosen Geschichten haben keinerlei Bedeutung für das Problem!

 

Das leise Knurren aus Sesshoumarus Brust wurde von dem Donnergrollen verschluckt und selbst mit überragenden Sinne war es fast unmöglich es zu erfassen. Seine Aura pulsierte deutlich vor Groll, der in langsamen Wellen über seinen Körper floss, während Mokomoko auf seiner Schulter irritierend vor sich hin zuckte.

Obwohl er von dem Wetter nicht beeinflusst wurde, empfand er den durchnässten Zustand seiner Kleidung als äußerst lästig, je länger er sich dem trostlosen Regen und seiner Mutter aussetzen musste. Er verspürte vielleicht keine Kälte, aber das klamme Gefühl der Seide auf seiner Haut und die unnatürliche Schwere seiner Haare wurde selbst für ihn nach einer so langen Zeit unangenehm.

Mit einem scharfen Blick wandte er sich Shayou zu, die ihn aus dem Augenwinkel beobachtete. Er hatte genug.

„Mutter, komm endlich zum Ende deiner ermüdenden Geschichten. Ich werde diesem Sturm überdrüssig.“

„Hoh? Sesshoumaru, willst du die Hilfe deiner Mutter etwa nicht annehmen?“, fragte sie in einem theatralisch bedauernden Ton und ihr Gesicht nahm einen süffisanten Ausdruck an.

„Ich habe nie um deine Anwesenheit gebeten“, erwiderte er kalt. „Beende deine Erzählung. Für uns beide.“

Shayous Miene wurde sofort wieder teilnahmslos und ihre goldenen Augen leuchteten intensiv, als sie ihren Sohn berechnend anstarrte, ehe sie wieder zu sprechen begann. So ungeduldig wie sein Vater.

 

„Die Träger der schwarzen Magie waren vielleicht stark, aber ihr Maß an Macht wie alles andere begrenzt. Über Jahrtausende fühlten wir ihre Präsenz als eine Bedrohung, die uns jedoch nie physisch angegriffen hatte. Unsere Schutzbarrieren hielten sie stehts von Shikoku fern und sie schadeten nur jenem, was von der göttlichen Macht berührt wurde.

SeKain jedoch... schien anders. Niemand kannte die wahre Größe seiner Kraft, seines Jaki oder zu was er fähig war. Noch bevor er sich uns zu erkennen gab, wurde die Bedrohung auf den Lebensfluss des Planeten mit jeder Wintersonnenwende stärker und gefährlicher. Als wir dann feststellten, dass er nicht nur ein Träger, sondern auch eine direkt physischen Manifestation der schwarzen Magie war, war es schon zu spät.“

„Ein Parasit, den man nicht loswird.“

„Tatsächlich. Selbst unsere Vorfahren sahen sich nie einem solchen Gegner gegenüber und es gibt zu wenig Information über ihn, um sein Wesen verstehen zu können. Er ist unberechenbar, tödlich. Bis heute konnten wir uns nur schützen, weil wir ihn bis zum Sonnenaufgang nach der Wintersonnenwende beschäftigen konnten. Sobald das erste Licht die Erde berührte, kehrte auch die Macht der Uralten zurück und SeKain verschwand spurlos, bis er in fünfhundert Jahren wieder auftauchen würde.“
 

„Er wird sterben.“ Sesshoumarus Klauen streiften langsam aber endgültig über Bakusaigas Griff und die Klinge vibrierte erwartungsvoll als Antwort, ebenso wie Tensaiga einen sanften Impuls abgab, als würde es seltsamerweise diese Absicht gleichfalls begrüßen.

„So selbstsicher, mein Sesshoumaru? Bedenke das selbst dein mächtiger Vater ihn nicht besiegen konnte und er trug die drei Schwerter bei sich.“

„Hn.“ Damit drehte sich der junge Daiyokai um und setzte seinen Weg in Richtung des Waldes vor. Es wurde Zeit, dass er zu seinem Rudel zurückkehrte, auch wenn er davon ausging, dass sie inzwischen vor dem Unwetter in einer nahegelegenen Höhle Schutz gesucht hatten. Zudem wollte er Rin mit Jaken nicht noch länger alleine lassen, obwohl er wusste, dass Ah-Uhn im Notfall das Mädchen aus jeder Gefahr herausbringen würde. Als er die Baumgrenze erreichte, hielt er ein letztes Mal inne und wandte den Kopf zu der stillstehenden Gestalt seiner Mutter zu.

 

„Bin ich ihm jemals begegnet?“ Seine Stimme war im tosenden Sturm leise, aber kraftvoll genug, um den Regen zu übertönen.

„Ja, Musuko.“ Die Dame strich ihre Finger durch ihre durchnässten Strähnen und verzog in Missfallen leicht das Gesicht sobald sie bemerkte, dass ihre Frisur völlig ruiniert war. „Als er wieder kam, warst du fast noch ein Kind.“

Sesshoumarus goldene Pupillen verengten sich leicht und seine Lippen formten eine schmale Linie. Er konnte sich nicht wirklich daran entsinnen, dafür waren seine Erinnerungen an diese Wintermonate zu verschwommen und unklar. Es war ein natürlicher Prozess, dass er während seines langen Lebens nur die wichtigsten Dinge in seinen Gedanken behielt und vor allem seine Kindheitstage verbargen sich mit dem Alter immer weiter hinter einem dichten Nebel.

„Dein Vater verbot dir meinen Palast in den Wolken zu verlassen und zu uns zu kommen...“ Bei dieser bewusst wagen Aussage zuckten Shayous Lippen ein wenig und eine unmerkliches Stirnrunzeln zierte das Gesicht des Daiyokais, ehe er in den Horizont starrte und ein weit entfernter Ausdruck seine Augen befiel.

„Und trotzdem hast du es getan und bist ihm gefolgt. Du magst jung gewesen sein, aber deine Fähigkeiten waren bereits weit über dem Niveau anderer Kinder in deinem Alter hinaus. Niemand vermochte es dich davon abzuhalten, an der Seite deines Vater zu stehen, um deinen rechtmäßigen Platz einzunehmen. Mein perfekter und idealer Sohn.“ Es war kein wirklicher Stolz, der in den sonst so leidenschaftslosen Worten Shayous mitschwang, stattdessen war der auffällig amüsierte Unterton darin sichtlich herauszuhören.

Doch Sesshoumaru würde nicht darauf hereinfallen. Für einen kurzen Augenblick ließ er seine Reißzähne aufblitzen, um seiner Mutter klar zu machen, dass er ihre falsche Anerkennung nicht begrüßte, vor allem, wenn es deutlich wurde das sie etwas vor ihm versteckte.

 

„Genug davon. Was erzählst du mir nicht?“ Er wurde diesem Spiel müde. Seine Mutter hatte immer schon ein Händchen dafür, die Gedanken andere in eine von ihr bestimmte Richtung zu lenken. Ein weitere Grund warum er sie so selten mit seiner Anwesenheit beehrte. Der tödliche Glanz in seinen Augen war zurückgekehrt und ebenso verlor Shayous Gesicht jegliche Form von Emotionen, als sie sich von ihrem Sohn abwandte und an ihm vorbei in Richtung des Waldes starrte.

„Dies ist momentan nicht von Bedeutung.“ Erwiderte sie knapp und reagierte auf Sesshoumarus Grollen mit einem eigenen Knurren. „Du solltest anfangen nach Westen zu reisen, Musuko. Ich werde dich in Shikoku erwarten.“

„Ich nehme keine Befehle entgegen, auch nicht von dir.“

„Natürlich tust du das nicht, aber du bist sicherlich daran interessiert deinem Rudel den nötigen Schutz zu geben, wenn der Winter einbricht. Außerdem bist du Togas Sohn und damit trittst du nun an seine Stelle.“

„Du vergisst, Mutter, dass ich den Titel des 'Inu no Taisho' nie erhalten habe. Ich bin weder dir, noch dem Rest unsere Rasse verpflichtet!“, zischte er kalt und seine Augen flackerten für einen Moment zornig rot, ehe sie in das gewohnte Gold zurückkehrten.

„Du hast die Position vielleicht nicht rechtmäßig in einem Kampf erhalten, aber du hast noch immer den Anspruch darauf. Erinnere dich daran, dass du schon einmal für Shikoku gekämpft hast, als der Pantherdämonenstamm erneut auftauchte. Damals bist du in die Fußstapfen deines Vaters getreten. Also komm in dein Geburtsland zurück, Sesshoumaru und beweise allen, dass du auch ohne eine Schlacht den Titel 'Heerführer der Hunde' verdienst.“ Es herrschte eine angespannte Stille zwischen ihnen, die nur von dem Gewitter durchbrochen wurde, bis sich der Daiyokai einfach abwandte und sich wieder in Bewegung setzt. Shayou blickte ihrem Sohn fast nachdenklich nach, ehe sie ein letztes Mal die Stimme erhob und ihre Zähne vor kaltem Amüsement glitzerten.

 

„Mein Sohn, wir werden starke Inuyokai Krieger benötigen, um gegen SeKain eine Chance zu haben. Vielleicht wäre es ratsam das andere Schwert deines Vaters einzubinden – Tessaiga.“

Wenn Sesshoumaru sie gehört hatte, so zeigte er es nicht. Stattdessen wurde seine Gestalt zwischen den Bäumen immer kleiner, bis auch der letzte Hauch seiner weißen Erscheinung im Dunklen der Nacht verschwunden war. Für ein paar Minuten verweilte die Dame noch an ihrem Platz und starrte auf die Wellen hinaus, bevor ein gleißender Blitz den Himmel erhellte und die Klippe plötzlich wieder einsam und still im strömenden Regen dalag, ohne das etwas auf eine frühere Anwesenheit der beiden Wesen hindeutete.

 
 

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Wasser rauschte über den rauen Felsen hinweg und ergoss sich wie ein Vorhang über dem Eingang der Höhle, um sich in zahlreichen kleinen Pfützen und Flüssen auf dem Boden zu sammeln. Die kalte Herbstluft strömte in den Hohlraum hinein und ließ den Stein feucht und klamm zurück, während sich das Moos an die Ränder des Gesteines klammerte. Teilweise verbrannte Holzstücken waren an der hinteren Wand zu einem einstmals kleinen Feuer aufgebaut wurden, doch die Flammen brannten nicht lange genug, um wirklich Wärme zu erzeugen. Die restlichen Äste und Stöcke waren durch den Regen nass und unbrauchbar geworden und wurden ohne weitere Beachtung an den Felsen gelehnt.

 

Inu Yasha hatte sich in die letzte Ecke der Höhle zurückgezogen, die Arme vor der Brust verschränkt und seine nackten Füße irgendwie nahe genug an den Körper gezogen, um sich in dem rauen Wetter möglichst warm zu halten. Der Stoff seines Feuerrattenhaoris trocknete zwar schnell, aber die weiße Kosode, die er darunter trug, war noch immer vollkommen durchtränkt und würde es auch noch in den nächsten Stunden bleiben, sodass es ihm jegliche Hitze aus seinem System entzog. Goldene Augen starrte missmutig auf den Ausgang der Felsspalte und beobachteten die unzähligen Regentropfen dabei, wie sie beim Aufprall auf dem glatten Stein in tausende kleine Teile zersprangen.

 

Der Wind heulte auf, Hundeohren zuckten minutiös und der Halbdämon ließ ein Knurren über seine Lippen ertönen, als er genervt seine Krallen über seinen Kopf strich, um das juckende Gefühl darauf zu vertreiben. Oder zumindest versuchte er es, ehe sich seine Finger in der braun-grauen Masse, die einst seine Haare gewesen waren, verfingen und er ungewollt mit zu viel Kraft daran riss, sodass er vor Schmerz laut zischte.

Verdammter Regen. Verdammter Schlamm. Verdammter Wald.

So hatte er sich sein neues Leben ganz sicher nicht vorgestellt. Es würde ewig dauern, bis er die Matsch – und Erdbrocken aus seiner Mähne befreien würde, ganz zu schweigen von den zahlreichen Zweigen und Blättern, die sich darin verfangen hatten. Und weder besaß er einen Kamm, noch eine von Kagomes Wunderseifen, die immer nach Lavendel oder Honig gerochen hatten. Was auch immer das Zeug war, es hatte seinen Haaren unglaublich gut getan und verlieh ihnen ein fast seidiges Gefühl. Jetzt dürfte er wieder Stunden damit verbringen, sich in einem Fluss die Knoten und Klumpen herauszureißen, was bei dem kalten Wetter mehr als nur unangenehm war, auch für ihn als Halbdämon. Denn obgleich er eine höher Toleranz gegenüber solchen Umwelteinflüssen besaß, konnte er tatsächlich krank werden und so kurz vor dem Wintereinbruch würde dies im schlimmsten Falle sogar seinen Tod bedeuten.

Zurück zu den Wurzeln, dachte er seufzend und ließ die Anstrengung nach weiteren sinnloses Versuchen schließlich sein. Denn im Endeffekt war er dies doch nicht anders gewohnt und es würde wahrscheinlich nur noch ein wenig Zeit brauchen, bis er sich wieder vollkommen daran angepasst hatte.

 

„Keh, die letzten Jahre haben mich doch tatsächlich weich gemacht...“ Kopfschüttelnd lehnte er sich an den Stein hinter sich zurück und versuchte eine halbwegs bequeme Position zu finden. Während der Suche nach den Juwelenscherben hatte er wirklich angefangen den kleinen Luxus zu genießen, der ihm das Reisen mit seinen Freunden eingebracht hatte. Jeden Abend ein Lagerfeuer, frisches Essen, manchmal sogar eine Übernachtung in einem Dorf oder einem Tempel und immer mit der Gewissheit, dass sie alle zu Kaede zurückkehren konnten, wenn sie eine Pause brauchten. Nach all den Jahren der einsamen Wanderung war die Gesellschaft seiner Begleiter plötzlich ein unersetzlicher Teil seines Lebens geworden - Vor allem die beiden Priesterinnen.

 

So war seine Zeit mit Kiyko angenehm und beruhigend. Ihr Verständnis füreinander beruhte auf einem seltsamen Mitgefühl zueinander und damals freute er sich auf die Veränderungen in seinem Leben, wenn nur die Dinge ihren Weg gegangen wären. Er fand Trost in ihrer Gesellschaft, weil ihm das erste Mal seit dem Tod seiner Mutter von einem anderen Menschen Zuneigung entgegengebracht wurde. Die einzige Bedingung: er hätte ein Teil seiner Selbst verwerfen müssen und wäre ein reiner Mensch geworden. Im Nachhinein betrachtet war er froh darüber, dass er diesen Weg nicht eingeschlagen hatte, denn seine dämonische Seite zu verlieren war nichts, was er sich jetzt noch wünschen würde. Er hatte angefangen die verborgene Macht in sich zu akzeptieren, ihre Konsequenzen zu verstehen und mit ihr zu leben, auch wenn er sie in den letzten Wochen viel deutlicher spüren konnte, als je zuvor.

Kagome hingegen war eine Art Neuanfang und die Rettung seines Verstandes, als er seinem Dämonenblut voll erlag und dafür würde er für immer in ihrer Schuld stehen. Sie gab ihm ihr Vertrauen, ihre Hingabe, ihre Loyalität und ihre Liebe und hatte es nie versäumt, immer wieder an seine Seite zurückzukehren. Sein Wunsch sie zu beschützen, ließ ihn Tessaigas Macht entfalten und trieb ihn in vielen Kämpfen zu neuen Höchstleistungen an. Am Ende war Inu Yasha dankbar, die junge Miko in seinem Leben getroffen zu haben und er liebte sie genug, um sie gehen zu lassen.

Und doch hätte er dabei fast vergessen, wie es vorher gewesen war.

 

Seine goldenen Augen schweiften zu dem Schwert, welches neben ihn auf dem kalten Boden lag und seine Stirn kräuselte sich, als er sich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrierte. Er wusste genau, dass die Klinge nicht die Ursache seiner gegenwärtigen Situation war und er musste verrückt sein zu denken, dass sie tatsächlich ihren Teil maßgeblich dazu beitrug und dennoch nagte in ihm ein zweifelndes Gefühl. Denn wenn er es genau nahm, wäre das vermutlich alles nicht passiert, wenn Tessaiga normal gehandelt hätte – auch wenn man bei einem Dämonenschwert nie sagen konnte, was 'normal' eigentlich bedeutet.

Die letzten Wochen waren so oder so seltsam, es sollte ihn nicht wundern, dass früher oder später irgendetwas passieren würde. Die tödlich kalte Aura des Waldes war schlimmer geworden und kroch in den Verstand der Tiere und Yokai. Immer wieder wurde er mit dem aggressiven und unnatürlichen Verhalten der Waldbewohner konfrontiert und an einigen Stellen war die giftige Luft um ihn herum so dick, dass er die eisige Hand des Unheils über seine Haut fließen spüren konnte. Es machte ihn tatsächlich Angst.

Als er vor wenigen Stunden den Fluss überquerte, hatte der Gestank von Fäulnis und Blut seine Nase gestreift und obwohl er neugierig war, hatte er sich bewusst von dem Ort ferngehalten. Die Ereignisse der letzten Tage hatten ihm gezeigt, dass er sich sicherheitshalber von allen Unbekannten fernhalten sollte, wenn er nicht riskieren wollte, selbst zu einem Opfer zu werden.

 

Er war nur wenige Kilometer weiter südlich gewandert, als er angegriffen wurde. Drei Oni waren plötzlich aus dem Unterholz hervorgebrochen. Vollkommen verwüstet und mit Blut überzogen, hatten sie in blinder Wut alles zerstört, was ihnen in die Quere kam und es war nicht schwer zu erraten, woher sie kamen. Sie waren auf ihn losgegangen und er musste schnell feststellen, dass sie nicht ganz so leicht zu besiegen waren, wie er gehofft hatte.

Es war fast zu diesem Zeitpunkt, als ein tiefer Impuls durch seinen Körper schoss und ihn lange genug ablenkte, dass ihn einer der Yokai fast gegen den nächsten Baum schlagen konnte. Inu Yasha kannte das Gefühl. Sein Blut begann zu kochen, wallte plötzlich auf und flutete jeden Teil seiner Adern mit sengender Hitze. Seine Sicht verschwamm zu einem purpurnen Nebel, die Knochen knackten und ihrer Struktur verstärkte sich, während seine Reißzähne sich schmerzhaft durch sein Zahnfleisch schoben, als sie sich verlängerten.

 

Sein Dämonenblut erwachte, obwohl noch keine ernsthafte Gefahr für sein Leben bestand.

 

Instinktiv zog er Tessaiga und hätte in diesem Moment schwören können, dass er einen leichte Schock vom Griff der Klinge und dem Rosenkranz um seinen Hals erhalten hatte. Sobald sich das Schwert verwandelte, begannen die Veränderung in seinem Körper zu stoppen, kehrten aber noch nicht vollständig in den Normalzustand zurück. Doch ihm blieb keine Zeit, um sich darüber länger Gedanken zu machen, denn die Oni waren noch immer scharf darauf die Haut von seinen Knochen zu reißen.

Also griff er an und schmetterte Tessaiga in gewohnte Manier auf seine Gegner nieder. Dies funktionierte genau vier Mal, bevor es einer schaffte die Klinge mitten im Flug aufzufangen und ihn einige Meter in den Wald zu schleudern, wo er unsanft in den Schlamm krachte. Ein wenig betäubt schaffte er es gerade noch einem fliegenden Stamm auszuweichen und die Klinge nach oben zu reißen, um einen direkten Frontalangriff mit der vollen Breitseite des Schwertes zu blockieren.

Die Wucht des Aufpralls schickte ihn fast ein zweites Mal zu Boden und während er den Schlag mit aller Kraft parierte, konnte er die Annäherung der verblieben Yokai hinter sich spüren. Der Halbdämon knurrte verärgert, ließ die Faust des Onis nach links von der Klinge abgleiten und drehte sich in einer schnellen Bewegung unter dessen Beinen hindurch. Er konnte den Luftzug über seine Ohren gleiten fühlen, als die anderen Beiden nach ihm griffen und er duckte sich, um einen weiteren Treffer zu entgehen und zwischen den nächsten Bäumen zu verschwinden.

 

Als der Niederschlag einsetzte hatte er den ersten Dämon getötet, musste dafür aber auch einen gut platzierten Schlag in die Rippen einstecken. Der Sturm war nah, er konnte ihn riechen und er sollte schnellstmöglich einen sicheren Unterschutz suchen, bevor er in dem Regen womöglich noch die Orientierung verlor. Aber dafür musste er erst diese beiden Idioten besiegen. Mit einem weiten Sprung katapultierte er sich in eine sichere Entfernung, schickte sein Yoki in das erhobene Tessaiga und riss die Klinge mit einem lauten „Kaze no Kizu“ nach unten.

 

Und alles blieb still.

 

Weder war der halbe Wald zerstört, noch waren die Oni in Stücke zerrissen worden. Das Schwert blieb stumm, fehlend in dem vertrauten Knistern und Summen seiner Kraft. Und während sich Inu Yasha mehr als nur geschockt auf die fehlende Präsenz der Windnarbe konzentrierte, blitzten seine Augen erneut Rot auf und ein gutturales Knurren brach aus seinen Lippen hervor. Seine Wut und Irritation stieg, er leitete noch mehr von seiner Energie in die Waffe, um das Kongosoha hervorzurufen. Es knackte, die Splitter bildeten sich, doch dann blieb die Klinge mitten in der Transformation stehen, bevor sie zurück zu ihrem Ursprung kehrte und mit ihr auch plötzlich der wohl bekannte Wirbel des Kaze no Kizu kreischend auftauchte.

Inu Yasha, sowohl beunruhigt als auch gereizt von der gesamten Situation, stieß ein Brüllen aus und ließ dann einfach unkontrolliert einen Angriff nach dem anderen durch die Bäume schmettern.

Für einige Momente war er vollkommen für die Welt verloren, nur getrieben von seinen verwirrten Emotionen und Gedanken, während sein Yokaiblut wie Feuer durch seinen Körper brannte. Die beiden Dämonen waren längst tot, als er schwer keuchend die Arme sinken ließ und sich sogar ein wenig auf Tessaiga stützte, um wieder zu Atem zu kommen. Der Nebel in seinem Geist begann langsam seine Gedanken zu verlassen und das Rot blutete aus seinen Augen zurück, als er mit jeder weiteren Minute wieder zur Ruhe kam.

 

Regentropfen strömten über sein schlammiges Haar und seine Kleidung, als er sich erhob und das Schwert zurück in seine Scheide steckte, ehe seine goldenen Pupillen über das Ausmaß der Zerstörung vor sich wanderten. Tiefen Furchen spalteten den Boden, erzeugten ein hässliches Schlachtfeld und würden vermutlich für eine ganze Weile noch sichtbar und Zeuge seines Ausbruches sein. Bäume, die einst mächtig und jahrhundertelang an diesem Ort gestanden hatte, waren nun nichts mehr als zersplitterte Stämme, zerstreut in hunderten Metern Umkreis.

Für einen Moment schloss Inu Yasha die Augen und holte zitternd Luft, um seine ohrenbetäubenden Gedanken zu beruhigen. Sein Herz schlug laut und und wild in seiner Brust, seine Lunge versuchte den Sauerstoff so weit fließen zu lassen, dass er den Rest seines Körpers ernährte, obwohl er durch sein schnelles einatmen die Sache nur verschlimmerte. Jeder seiner Muskeln vibrierte unter der harten Anstrengung, als sich schließlich auch der letzte Rest seines überlegenen Dämonenblutes zurückzog und ihn in seiner natürlichen Halbdämonenverfassung zurückließ, verwirrt und entkräftet von seinem eigenen Ausbruch. Als sich seine Sicht der Welt wieder öffnete, rast nur ein einziges Wort durch seinen Kopf: Scheiße. Etwas war komplett schief gelaufen.

 
 

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Ein schweres Seufzen entkam den Lippen des Halbdämons, als er seinen Kopf an den kalten Stein lehnte und dem Drang unterdrückte, seine Schläfen zu massieren. Obgleich er sich jetzt beherrscht und ohne einen aggressiven oder impulsiven Drang fühlte, konnte er den verbliebenen Druck auf seiner Seele einfach nicht ignorieren. Er wusste, dass beide Teile seines Wesens in Aufruhr waren, lauter und drängender als es normalerweise der Fall war. Es war ein immerwährender Kreislauf aufwallender Emotionen und Empfindungen, sie rissen an seinem Gewissen, gleichsam in ihrer Intensität aber nie gleich in ihren Bedürfnissen.

Seit seinem Kampf im Wald, hatte sein menschlicher Teil Angst. Angst vor der Ungewissheit um Tessaiga, Angst vor seiner dämonischen Seite, Angst vor einem erneuten Kontrollverlust. Er überflutete ihn mit den schrecklichen Erinnerungen an das blutrünstige Monster, dass in ihm schlummerte. Die Kreatur, die alles und jeden ohne einen Funken Verstand schlachtete. Ein Beben erfüllte seine Glieder und Inu Yasha ballte die Hände, um die lebhaften Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. Er erinnerte sich gut daran, ohne ein Zutun seines emotionalen Selbst. Auch nachdem er damals stundenlang in einem kalten Flusswasser gebadet hatte, konnte er das Blut unter seinen Krallen sehen, den Gestank des Todes riechen und die Schreie seiner Opfer hören.

 

Auch jetzt noch hatte er Alpträume davon, selten aber lebhaft genug, um ihn mit laut schlagenden Herzen aufwachen zu lassen. Die Ereignisse hatten sich fest in sein Bewusstsein eingebrannt und selbst an den hellsten Tage, würde die Dunkelheit seiner eigenen Taten nicht verschwinden. Und immer wenn er wie jetzt in der Stille seiner eigene Gedanken zurückkehrte, beklagte sein Gewissen den Verlust seiner Menschlichkeit, warnte ihn vor der Versuchung und dem gefährlichen Reiz der ihn befallen könnte, wenn er sich vollkommen dem Yokaiblut hingab.

Seine dämonische Seite hingegen schlang sich fest um sein Herz, gab ihn das beruhigende Gefühl der Zustimmung seiner Taten und versicherte ihm, dass die Dinge so richtig waren. Es ist in Ordnung. Es musste so passieren. Dein Leben war in Gefahr und dir blieb keine andere Wahl. Das leichte Summen unter seiner Haut war Anzeichen genug dafür, dass sein Yoki zwar passiv, aber immer noch wach war. Der ungewohnt nahe Kontakt zu dem Biest in seinem Blut verwirrte ihn und machte ihn unruhig, er hatte noch nie einen so direkten Bezug zu ihm, obwohl er wusste, dass andere Dämonen es sehr wohl taten. Er hingegen hielt diesen Teil in den letzten Jahren mithilfe des Schwertes immer unter Verschluss. Nun aber flüsterte der Yokai ihm süße Dinge der verzehrenden Unschuld und fast vibrierte sein Körper von dem tiefen Schnurren, dass das Biest hinter seinem mentalen Käfig ausstieß.

 

Als Teil eines Dämons hatte er schon immer gewusst, dass das innere Tiere die Verkörperung der tiefsten Instinkte eines jeden Yokais waren. Es intensiviert Emotionen wie Hass, Wut, Lust oder Verlangen und sollte es einmal auf die Welt entlassen werden, war die Kontrolle darüber fast unmöglich. Je stärker ein Dämon war, desto mächtiger wurde auch das Biest und es war daher vollkommen natürlich, dass eine Vielzahl von ranghöheren Yokai ihr Yoki dauerhaft unterdrückten. Auf seiner Reise war er einigen von denen begegnet, die ihre wahre Kraft erst in einer echten Schlacht preisgeben würden und es jagte ihm doch noch immer einen gewissen Schauer über den Rücken.

Trotzdem hatte er nie gezögert gegen sie zu kämpfen. Er würde kämpfen, bis keine Unze Blut in seinen Körper geblieben war, bis jeder letzte Atemzug seine Lungen verlassen hatte. Er würde um sein Leben und das seiner Freunde kämpfen und es nie bedauern. Und am Ende würde er überlebe und heilen, denn inzwischen war es das, was er am besten konnte und er trug den Schmerz wie eine zweite Haut.

 

Vielleicht lag seine eigene Hartnäckigkeit darin, dass er als einer der wenigen auf beiden Seiten dieser Welt wandelte; dass er die Abgründe einer jeden Rasse kennengelernt hatte, noch bevor er ihre ehrbarsten Eigenschaft kannte. Denn die meisten Menschen kümmerten sich wenig darum, mehr über Dämon zu wissen oder zu erfahren. Sie wussten von der einfachen Tatsache, dass sie furchterregende, ewige Wesen waren, die irdische Kontrolle über die unglaublichsten Kräfte hatten. Und doch, während sie sich fürchteten, versuchte sie nie wirklich über das hinwegzublicken was sie nicht verstanden, was unter der Oberfläche und jenseits der kalten Masken der Yokai lag.

Und natürlich taten Dämon wenig, um irgendetwas gegen dieses Meinung zu setzten, denn ihr Interesse in die sterbliche Rasse war höchstens marginal. Oft war ihr Bild von emotionaler Unfähigkeit geprägt, ein unerklärliches Geschöpf, welches weder Schmerz, Glück oder Trauer fühlen konnte und abgesehen von instinktiven Gewohnheiten nichts als Gleichgültigkeit gegenüber eines jeden anderen Lebewesen empfand.

 

Doch Inu Yasha wusste es besser. Er hatte die tiefsten Gefühle in den kältesten Herzen der Yokai gesehen und fand Verständnis in den Augen der Menschen, in denen sonst nur Angst gegenüber Dämonen brannte. Die Welt war mehr als nur schwarz und weiß und dort wo sich die Grenzen mischten, entstanden manchmal die unwahrscheinlichsten Dinge.

Ein leichtes Grinsen zupfte an seinen Mundwinkeln, als er an die Worte zurückdachte, die er einst zu Naraku während ihres letzten Kampfes gesagt hatte und er schloss die Augen, als er die Bilder vor seinem Geist spielen ließ.

 

Naraku! Wir sind beide Halbdämonen... auch wenn wir es auf unterschiedliche Weise geworden sind. Wir vereinen das Herz eines Dämons und das eines Menschen in uns. Und gerade deshalb verzeihe ich dir nicht. Wir konnten uns entscheiden. Für eines der beiden Herzen.

Naraku, du hast dein menschliches Herz behalten, während du als Dämon gelebt hast. Du verfluchst Menschen... und leugnest dein menschliches Herz. Ich lasse nicht zu, dass du weiter meinen Freunden Schaden zufügst!“

 

Damals hatte sich das Meido Zangetsuha in seine ganz persönliche Form des Angriffes verwandelt und einen Großteil vom Körper der Spinne zerstört. Es mochte vielleicht nicht für die endgültige Vernichtung gereicht haben, aber es war zumindest ein kleiner Sieg gewesen. Im Stillen hatte er sich später oft gefragt, welches Herz nun eigentlich in seiner Brust schlug und ob er sich jemals bewusst für eine der beiden Seiten entschieden hatte - oder ob er das überhaupt wollte. Denn den einen Teil zu wählen, bedeutete den anderen unausweichlich zu töten und er wollte die Vorzüge seines gemischten Erbens nicht einfach so aufgeben, zumindest nicht mehr.

 

Ein sanften Impuls schoss durch seine Fingerspitzen in den Rest seines Körpers, als er unbewusst Tessaiga neben sich streifte. Stetig und ruhig wie ein Herzschlag zog es ihn in eine warme Umarmung und ein zufriedenes Gefühl breitete sich in ihm aus. Vielleicht konnte er auch weiterhin mit beiden Herzen leben und lernen, wie er den dämonischen Teil ohne Angst und Hilfe kontrollieren konnte. Schließlich war er jung und sicherlich standen ihm noch ein paar Jahre bevor, ehe er sich von dieser Welt verabschieden würde. Es wurde Zeit das er anfing, endlich erwachsen zu werden.

Goldene Augen öffneten sich plötzlich, huschten für den Moment prüfend über die kahlen Felsen, bevor sie zum Höhleneingang starrte, der vom Morgenrot erhellt wurde.

„Keh, ich bin tatsächlich eingeschlafen.“ Flüsterte er leise zu sich selbst und schüttelte den Kopf, um wirklich richtig wach zu werden. Kleine getrocknete Dreckklumpen lösten sich aus seinen Haaren, verstreuten sich über den kalten Boden und er stieß ein humorloses Lachen aus, als sich über die Augen rieb. „Diese dämlichen Idioten haben mich doch einiges an Energie gekostet.“

In einer einzigen Bewegung war er auf den Beinen und lockerte seine angespannten und steifen Muskeln, bevor er nach dem Schwert griff und es durch seinen Obi schob, die Finger bewusst ein paar Sekunden länger auf dem Griff verweilend. Als er zum Ausgang der Felsspalte trat, starrte er auf den Morgendunst, der sich über den Boden gelegt hatte. Eigentlich wollte er weiter nach Süden, aber ein ungutes Gefühl sagte ihm, dass er die Vorfälle des gestrigen Tages nicht ignorieren sollte. Wenn tatsächlich etwas mit Tessaiga nicht stimmte, dann wäre er vollkommen schutzlos gegenüber jeden Dämon und auch sich selbst. Und so sehr ihm die Idee missfiel, müsste er nun von seinem eigentlichen Weg abweichen und Richtung Westen wandern. Denn es gab nur einen Mann, der ihm dabei helfen könnte, das Rätsel zu lösen.

 

Totosai.

 
 

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wichtige japanische Wörter:

 

Ningen: abfällige Bezeichnung für Menschen

 

Kami: Gott

 

Reiryoku: spirituelle oder göttliche Kraft

 

Yoki (oder auch Yoryoku): dämonische Energie und die Lebenskraft eines Yokai. Kann sowohl die körperlichen Fähigkeiten verbessern (Inu Yashas Sankon Tesso, um die Stärke und Angriffsreichweite seiner Klauen zu erhöhen), als auch Konstrukte bilden (Sesshoumarus Lichtpeitsche) oder in Form von Elementen kanalisiert werden

 

Kenatsu: eine Fähigkeit die hauptsächlich von Yokai-Schwertern besessen wird. Wenn Yoki in das Schwert geschleudert wird, kann der Benutzer seine Feine schlagen, ohne dass die Klinge physischen Kontakt hat. (Unter solch einen Angriff fällt zum Beispiel Inu Yashas Kaze no Kizu)

 

Yoketsu: visuelle Manifestation der dämonischen Energie in Form eines Strudels hinter einem Yokai. Wird dieser Wirbel und das damit verbundene Yoketsu durchtrennt, wird der Dämon sofort getötet.

 

Jaki: bösartige Energie, die ähnlich der dämonischen Aura ausgestrahlt wird. Entsteht aus der dunklen Natur

oder dem Willen (Yin) eines Individuums

 

dämonisches Jaki: jeder Dämon und Mensch besitzt das Potenzial Jaki auszustrahlen. Je böser der Yokai ist, desto größer sind die Fähigkeiten in der Kontrolle, Verwendung und Stärkung des Jaki, um Objekte und Menschen zu kontrollieren

 

Höllenjaki: entstand durch die vielen bösartigen Kreaturen in der Hölle und ist auch im Meido vorhanden

 

Shoki: alternative Bezeichnung von Miasma oder auch Sumpfgas genannt

 

 

Erwachen

 

„Ich habe mich gefragt, wann ich dich hier sehen würde“ , war alles, was Totosai sagte, als Inu Yasha mit der aufsteigenden Sonne an der Höhle des alten Mannes ankam. Die Reise zum Vulkan verlief für den Halbdämon glücklicherweise ohne große Zwischenfälle und er war irgendwie froh, nach der langen Zeit ein vertrautes Gesicht zu sehen.

„Wüsste nicht warum du das tun solltest, alter Mann.“ Spottete er leise und lehnte sich fast beiläufig an einen der Felsbrocken vor dem Haus. Seit er das letzte Mal hier gewesen war, hatte sich nicht viel verändert. Ein Teil des ehemaligen Tierschädels fehlte noch immer und an seiner Stelle prangte ein Loch in Form eines perfekter Halbkreis, der entstand, als Sesshoumaru das Meido losgelassen hatte. Vereinzelt hingen Schwerter und Klingen an der Wand der Schmiede und ein Feuer züngelte knisternd neben einer ausgerollten Matte, die offenbar als Schlafplatz für den Schwertschmied diente. Mo-Mo, die dreiäugige Kuh, schenkte dem Neuankömmling für einen Augenblick ihre Aufmerksamkeit, ehe sich ihre Augen wieder schlossen und sie ihren wohlverdienten Schlaf fortsetzte.

„Unhöflicher Welpe. Solltest du so mit Älteren reden?“

„Keh, als ob es dich stören würde.“ Inu Yashas Hände glitten in die Ärmel seines Haoris und er verdrehte die Augen zum Himmel. Er wusste, dass Totosai seine Worte nichts weiter als harmlos sehen würde und daher steckte in ihnen auch kein wirkliches Feuer.

 

„Tee?“ Der ältere Dämon hob einen Kessel und beobachtete ihn mit seinen großen, nicht blinzelnden Augen, als er sich zu der Feuerstelle setzte. Ein Achselzucken seitens des Halbdämons war die einzige Reaktion und Totosai nahm es als eine Bestätigung. Während der Tee in einem kleinen, verbeulten Topf zubereitete wurde, ließ sich Inu Yasha mit einem leisen Seufzer gegenüber dem Schmied fallen und starrte in die lodernden Flammen.

„Nun Inu Yasha, was bringt dich hierher?“ Der Schmied zauberte von irgendwo her zwei Tassen, ohne auf die hochgezogene Augenbraue zu achten und blickte ihn nur ausdruckslos an, als er auf eine Antwort wartete.

„Ich war in der Nähe. Dachte, ich könnte genauso gut vorbeischauen und sehen, ob du noch am Leben bist.“ Schulterzuckend kreuzte der junge Hanyo die Beine, wohl wissend, dass er eigentlich nur aus einem ganz bestimmten Grund hier her gekommen war. Aber er würde sich nicht dazu hinreißen lassen, wegen seiner eigenen Sorgen schwach auszusehen. So war sein altes, unverschämtes Verhalten doch noch immer die beste Verteidigung. Totosai summte nur leise und reichte Inu Yasha eine der beiden Tassen, welcher bei dem bitteren Geschmack des Gebräus leicht das Gesicht verzog. Teekochen war definitiv keine positive Eigenschaft des Schwertschmieds.

 

„Sag mal, alter Mann, hast du eine Ahnung warum gerade alle so verrückt spielen? “ Die Frage überraschte den alten Dämon und er kratzte sich mit einem langen Finger im Ohr, während er die Lippen zu einer schmalen Linie zusammenpresste.

„Mhm, verrückt, meinst du? Also hast du es bemerkt.“

„Keh, was soll das heißen? Natürlich habe ich. Ist ja fast unmöglich es nicht mitzubekommen, wenn der ganze Wald nach Angst und Gift stinkt.“ Die Hündchenohren zuckten irritiert und seine Augen verengten sich leicht, als er Totosai anstarrte.

„Dann ist es also wieder soweit. Die Zeit vergeht schnell....“ Der Schmied nickte bestätigend zu seinen Worte, obwohl er eher zu sich selbst als zu Inu Yasha sprach und ließ den Halbdämon nur noch verwirrter.

„Von was redest du eigentlich, du alter Zausel?“

„... das letzte Mal war dein großartiger Vater noch da“ , sinnierte der Dämon weiter, ohne auf die Frage zu achten. „Was wird nun werden? Diese beiden ungezogenen und dummen Welpen wissen doch gar nicht, was auf sie zukommt...“

 

Thwack.

 

Inu Yasha knurrte gereizt und hielt drohend seine Faust nach oben, als er Totosai wütend anstarrte, der sich aus seiner verschobenen Postion wieder aufrichtete, einen deutlichen Abdruck auf dem Kopf.

„Ich habe keine Zeit für deine unnützen Worte, die keinen Sinn ergeben. Von was faselst du?“

„Wirklich keinen Respekt...Ihr Hundeyokai seid doch allesamt impulsiv...“

„Totosai.“ Der Schwertschmied verstummte bei der offensichtlichen Warnung sofort und schüttelte nur den Kopf, als er sich erneut eine Tasse Tee nahm und dann den Halbdämon seufzend musterte.

 

„Du bist zu jung um es erlebt zu haben und ich glaube, selbst dein Bruder dürfte sich nicht an dieses Ereignis erinnern. Aber diese seltsame Aura die du spürst, ist bereits Jahrtausende alt und taucht aller fünfhundert Jahre auf, wenn eine Wintersonnenwende kurz bevor steht.“

„Huh? Hast du eine Ahnung was es ist?“

„Nicht genug, um die richtigen Antworten auf deine Fragen zu geben. Als dein Vater während eines solchen Jahres hier war, hat er darüber nur wage Andeutungen gemacht. Wenn ich mich recht entsinne, hat es etwas mit der Macht der Uralten und einem Packt zu tun, der vor langer Zeit geschlossen wurde. Den Erzählungen zu Folge schien dieses Abkommen etwas in die Welt entfesselt zu haben, was mit jedem halben Millennium an Kraft gewinnt, im Gegenzug jedoch den Lebensfluss vergiftet.

Dein Vater war wie so oft bestrebt gewesen, dieses Problem zu lösen... ein wirklich störrischer Hund... Doch da es immer noch hier verweilt, nehme ich an, dass er es nicht geschafft hat. Aber ich kann nur das verfolgen, was mir die Schwerter sagen.“ Inu Yashas Blick zuckte zu den Waffen an der Wand und dann zu der Klinge in seiner Scheide. Er hatte zwar noch nie verstanden, wie Totosai mit den Schwertern kommunizieren konnte, aber offenbar schien es zu funktionieren.

„Du bist einfach nur zu alt und zu senil, um dich daran zu erinnern“ , murmelte er schließlich leise, wissend, dass er hier keine brauchbaren Antworten bekommen würde. Stattdessen zog er Tessaiga hervor und legte es auf den Boden. „Kannst du einen Blick darauf werfen?“

 
 

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Der große Hammer schwang durch die Luft, bevor er mit einem lauten Knall auf die Klinge niederschmetterte. Ein Feuerstrom erhitzte das Metall, ließ es wütend rot glühen und dann wiederholte sich der Vorgang erneut. Stück für Stück bearbeitete der Schmied das Schwert, während der Halbdämon in einem guten Abstand zu ihm stand, um der Hitze der Flammen nicht zu nahe zu kommen. Goldene Augen verfolgten jeden Handgriff und jede Bewegung aufmerksam und einmal wäre er fast gesprungen, als der Aufprall des Hammers ein widerlich knackendes Geräusch von sich gab. Einige Zeit später trat Totosai zurück, hob die Waffe in die Luft und inspizierte sie kritisch, ehe er nickte und sie wieder auf den Stein legte. In ein paar schnellen Zügen ließ er ein Tuch darüber laufen und polierte die Klinge, bis sie einen leichten Glanz auf sich trug, trotz ihres scheinbar alten Aussehens.

 

„Was hast du angestellt?“ Fragte der alte Dämon unverblümt und reichte Inu Yasha sein Schwert, der es prüfend durch die Luft gleiten ließ. „Das arme Ding sah aus, als hättest du damit Bäume gefällt. Schon wieder.“

„Keh“ , spottete der junge Hanyo nur leise und erweckte die wahre Form von Tessaiga, um es skeptisch anzustarren.

„Gibt es ein Problem?“ Totosai neigte neugierig den Kopf und seine großen Augen wanderten noch einmal über die Klinge, auf der Suche nach dem, was er vermisst haben könnte.

„War etwas falsch an Tessaiga?“

„Du meinst neben den ganzen Kratzern und Kerben, die du ihm zugefügt hast?“ Der seltsame Ausdruck in Inu Yashas Blick wurde tiefer und seine flauschigen Ohren plätteten sich etwas.

„Es funktioniert also alles ganz normal?“

„Willst du meine Fähigkeiten in frage stellen, du unhöflicher Welpe?“ Doch der Halbdämon achtete schon gar nicht mehr auf den älteren Dämon. Stattdessen trat er einige Schritte beiseite, leitete einen minimalen Teil seiner Kraft in das Schwert und spürte das sanfte Echo der sich entwickelnden Windnarbe, die tief durch das Metall summte. Tessaiga fühlte sich nicht anders an, als an jeden anderen Tag und reagierte perfekte auf jede noch so kleine Veränderung seines Yoki mit einem eigenständigen Puls. Hatte er sich vielleicht getäuscht und alles war nur eine Illusion, ausgelöst durch die verpestete Aura in dem Wald? Es wäre ungewöhnlich, aber nicht unmöglich, denn schließlich trieb Naraku mit seinem Miasma ebenso seine Spielchen

Ein nachdenkliches Stirnrunzel zierte sein Gesicht, als er sich seinem Bewusstsein absichtlich ein Stück weit mehr öffnete und dort sein Yokai vollkommen ruhig und still vorfand, wie es all die Jahre gewesen war. Und obwohl sein Temperament an den Ränder seines Geistes aufflackerte, verspürte er nichts von dem Anstieg seiner dämonischen Kräfte, kein Zittern der Muskeln oder das brennende Gefühl in seinen Adern. Alles war ganz normal.

 

„Inu Yasha.“ Sein Name ließ ihn aufblicken und er bemerkte, dass Totosai ihn noch immer fixierte. Dem alten Dämon war die Veränderung innerhalb des jungen Halbdämons aufgefallen, aber bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich ganz bewusst zurückgehalten und fungierte einfach nur als stiller Beobachter der Situation. Er wusste um den impulsiven Charakter des Hanyo, eine Eigenschaft, die er in gewisser Weise von seinem Vater geerbt hatte und es war für ihn daher ein leichtes zu erkennen, dass der Junge mit irgendetwas nicht zufrieden schien.

„Du bist unruhig, was beschäftigt dich?“

„Huh? Bin ich nicht!“ , protestierte er mit wenig Feuer und ließ die Klinge in ihre einfach Form zurückkehren, bevor er sich mit fester Miene an den Schmied wandte. „Würden Schwerter im Kampf vollkommen eigenmächtig handeln? Auch entgegen der Intention seines Besitzers? “

Wenn Totosai überrascht war, dann zeigte er es nicht wirklich, stattdessen verschränkte er die Arme vor der mageren Brust, als er sich wieder auf der Matte niederkniete und den Hanyo weiterhin beobachtete. Offenbar gingen die Gedanken des Halbdämons tiefer, als er angenommen hatte und er war erstaunt darüber, dass er diese ungewohnte Seite seiner Persönlichkeit so offen zeigte. Bei ihren früheren Treffer war der Junge ungeduldig und unhöflich, er hatte nie den Anschein erweckt, dass er sich tatsächlich intensiv mit sich und seiner Umwelt befasst, geschweige denn, die Dinge um ihn herum in Frage stellte. Aber vermutlich hatte er sich in ihm getäuscht, wie in vielen anderen Sachen, die ihn betrafen.

 

Als der ehemalige Inu no Taisho ihm erzählte, dass sein jüngster Sohn einmal das legendäre Schwert Tessaiga erben sollte, hatte er den alten Hund bereits für verrückt erklärt. Und sobald er Inu Yasha das erste Mal tatsächlich vor sich hatte, schwand auch der letzte Rest seiner Hoffnung. Aber dennoch hatte es der junge Hanyo geschafft, sich gegen jede Widrigkeit durchzusetzen und am Ende – mit ein wenig Hilfe – die Klinge vollständig zu meistern. Toga wäre stolz.

„Dämonische Schwerter können eine Art des eigenen Willens entwickeln und das impliziert in manchen Fällen auch eine gewisse Handlungsfreiheit. Es kommt immer darauf an, wie und woraus sie hergestellt wurden sind. Erinnere dich an Tokijin, die einstige Waffe deines Bruders oder an So´unga. Dessen Macht war sogar so stark, dass es ein ganz eigenes Individuum erschaffen hatte und nicht nur über den Schwerträger, sondern auch über Andere befehlen und handeln konnte. Und nur die stärksten Yokai waren in der Lage dazu, seinen giftigen Einfluss zu kontrollieren.“

„Vater.“

„Ganz genau. Dein Vater schaffte es, die tödliche Energie des Schwertes zu unterdrücken und es sich zu unterwerfen. Er hat nie jemanden verraten, woher diese Höllenschwert kam; ist eines Tages einfach damit aufgetaucht.“

„Also hast du es nicht geschmiedet?“

„Bist du verrückt?“ Totosai zuckte bei dem Gedanken an diese Waffe fast merklich zusammen. Er hatte dieses Ding in seiner Nähe noch nie gemocht. „Wer auch immer es erschaffen hat, musste Wahnsinnig gewesen sein. Wir können froh sein, dass ihr Hundebrüder es schlussendlich vollständig von dieser Welt verbannen konntet.“

 

Inu Yasha nickte nur verstehend und strich mit den Finger über das Metall in seinem Schoß.

„Also kann Tessaiga selbstständig handeln?“

„Natürlich, ist dir das während deiner Kämpfe noch nie aufgefallen? Als ich das Schwert aus dem Fangzahn schmiedete, waren Tenseiga und Tessaiga noch eine einheitliche Klinge. Stark sowohl in ihrer physischen, wie auch in ihrer mentalen Macht und es war zu erwarten, dass sie eigenständig agieren würde. Dein Vater war derjenige der sie trennen ließ und sie mitsamt ihrer Kräfte an euch vermachte, obwohl dein Schwert wohl einen weiteren besonderen Zusatz genoss.“

„Was meinst du damit?“ Goldene Augen weiteten sich etwas und seine Ohren standen hoch, als er den Worten aufmerksam lauschte.

„Nun, offenbar war deinem Vater bewusst, dass das Yokaiblut in deinen Adern irgendwann einmal zu einem Problem werden und eine Gefahr für dich darstellen könnte. Sobald ich die Klingen trennte, versiegelte er ein Teil seiner Macht in dem Schwert, eine Art Schutzmechanismus, der den Yokai in dir unter Kontrolle halten sollte, wann immer er auftaucht. Obwohl du deinen Vater nie direkt getroffen hast, ist seine Aura tief in deinem Bewusstsein verwurzelt, ebenso wie die Tatsache, dass er das Alpha eurer Familie war. Daher reagiert der Dämon in dir auf die anhaltende Energie des verstorbenen Inu no Taisho und unterwirft sich ihr.“

„Keh, so ist das also... Er hat das alles geplant, oder?“

„Wer?“

„Mein alter Mann.“

„Was ist mit ihm?“

„Die Schwerter. Er hat das von Anfang an geplant!“

„Welche Schwerter? Und wer bist du?“

 

Thwack.

 

„Einfach Senil“ , murrte Inu Yasha und senkte seine Hand, um Tessaiga wieder in seinen Obi zu schieben. Natürlich hatte er in den Kämpfen oft den Puls seiner Waffe gespürt und manchmal schien es sogar wirklich so, als hätte es ein ganz eigenes Leben, wenn es ihm auf seine ganz verdrehte Art und Weise den Arsch rettete. Doch wenn das Schwert bis jetzt auf einem so einfachen Weg mit ihm kommuniziert hatte, was bedeutete dann der Ausfall während des Kampfes mit den Oni?

Totosai sagte, ein Teil der Macht seines Vater wäre noch immer in Tessaiga - dies würde zumindest erklären, wie die Klinge seine Verwandlung bisher immer stoppen konnte. Und vielleicht war es eben auch genau der Grund, warum es nicht auf ihn reagiert hatte: Weil er zu diesem Zeitpunkt von seinem dämonischen Blut beherrscht wurde, sich die Aura seines alten Mannes dagegen aufgelehnt und dessen Macht das Schwert zu solchen Handlungen gezwungen hatte – zu seinem Schutz. Als er jünger war glaubte er immer, sein Vater hätte ihm außer seiner Feuerrattenrobe nichts hinterlassen und obwohl seine Mutter ihm stets versicherte, dass sein Vater ihn auf dem ersten und letzten Blick liebte, konnte sein hartnäckiger Verstand mit seinem Verlust nicht umgehen. Er war damals zu jung um zu verstehen, dass der Inu no Taisho für ihn und Izayoi gestorben war und es nie in seiner Absicht lag, sie zu verlassen.

Er hatte immer nur die Wut der anderen Menschen auf seine Mutter gesehen. Wie sie sie beleidigten und dafür verantwortlich machten einen Hanyo aufzuziehen, er hatte ihre Tränen gesehen und die bösen Wörter gehört und in all den Jahren wünschte er sich, sein Vater wäre gekommen, um sie aus dieser Hölle zu holen. Und als er älter wurde, in den kalten Tagen und Nächten, die er irgendwo halb verhungert in den Wäldern verbrachte, hatte er sein Herz verhärtet und ihn verflucht, bis davon überzeugt war, dass sein Vater das Salz seiner Tränen oder die Schmerzen seines Herzens nicht wert war.

 

Aber dann erhielt er Tessaiga und mit ihm die Gewissheit, dass der ehemalige General sich sehr wohl um ihn gesorgt haben musste. Das allein hatte bereits einen Großteil seiner Verbitterung besänftigt und je besser er mit dem Schwert wurde, desto Dankbarer fühlte er sich. Schlussendlich besiegelte der Kampf mit So´unga seine jahrelange Wut und er verstand, dass er sich all die Jahre der Ressentiments nur geirrt hatte. Nicht das er es irgendjemanden erzählen würde. Es war ihm schließlich schon immer schwer gefallen, seine Gefühle zu zeigen. Die Ereignisse seiner Vergangenheit hatten ihn dazu veranlasst, undurchdringliche Wände zu formen, die nicht leicht zu brechen waren, eine Notwendigkeit für sein Überleben.

Nun aber fühlte er eine seltsame Wärme in seinem Herzen, als er sich der Tatsache bewusst wurde, dass sein Vater selbst nach seinem Tod über ihn wachte und sogar ein Teil seiner Macht immer an seiner Seite bleiben würde. Es hatte etwas beruhigendes, einen tiefen Frieden, den er lange nicht mehr gefühlt hatte und ihn sogar dazu veranlasste, ein kleines Lächeln auf seine Lippen zu zaubern. Vielleicht war es gar nicht so schlimm, dass Tessaiga tatsächlich eigenständig handeln würde. Wer wusste schließlich besser mit dem Tier in seinem Inneren umzugehen, als sein eigener Vater? Was auch immer die Zukunft bringen mag, er würde bereit dafür sein.

 
 

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„In Ordnung, alter Mann. Wir sehen uns.“ Inu Yasha drehte sich um, ein neues Feuer hatte sich tief in seinem Bauch entzündet und ihn ins Leben zurückgeholt. All das kopflose Wandern ohne klaren Zweck, kein Ziel vor sich zu haben, begann ihn offenbar Wahnsinnig zu machen. Er würde nie soweit gehen zu sagen, dass er Naraku zurückhaben wollte, aber er hatte das wage Gefühl, dass er den Adrenalinschub der Schlacht vermisste. Und jetzt hatte sich ihm eine perfekte Gelegenheit ergeben, wie er diesen Mangel womöglich ausgleichen könnte: Er würde den seltsamen Vorkommnissen einfach auf den Grund gehen und vielleicht sogar das schaffen, woran sein Vater gescheitert war. Er hatte wieder eine sinnvolle Aufgabe.

„Warte Inu Yasha. Ich habe etwas, bei dem du mir noch helfen kannst.“ Totosai erhob sich von seinem Platz und verschwand in den hinteren Teil seines Hauses, ohne auf eine Antwort zu warten. „Vor einigen Monaten tauchte dein Bruder bei mir auf.“ Die Stimme des Schmiedes klang gedämpft und ein Stirnrunzeln zierte das Gesicht des Halbdämons.

„Sesshoumaru? Wollte der Bastard schon wieder ein neues Schwert? Ich dachte, Bakusaiga würde ihm endlich reichen...“ Nach seinem unglücklichen Treffen mit dem Daiyokai während des Neumondes, hatte er eigentlich alles versucht, um sich nicht mehr mit diesem Idioten zu beschäftigen und doch durchfuhr ihn immer noch ein seltsam stechender Schmerz, wenn er an den Älteren dachte. Schuld waren seine menschlichen Gefühle.

Totosai stürzte die Lippen. „Wie grausam, Inu Yasha. Warum würdest du denken, dass Sesshoumaru nur zu mir kommen würde, wenn er eine Bitte hat. Er hätte nur Hallo sagen können.“

„Also ist er gekommen, um Hallo zu sagen?“

„Nein, er hatte eine Bitte.“

„Keh, natürlich hatte er“ , murrte Inu Yasha sarkastisch und ignorierte Totosais Seufzer, als dieser wieder vor ihm erschien.

 

„Er hat einen Dolch in Auftrag gegeben, ist aber seitdem nicht mehr zurückgekehrt, um ihn zu fordern.“ Die flauschigen Ohren des Halbdämons zuckten und ein leicht verwirrter Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. Sesshoumaru war keiner, der eine so kleine, leicht verdeckte Waffe benutzten würde. Sein Stolz und seine Ehre würde es ihm nie erlauben, auf eine Technik zurückzugreifen, die einen Dolch erforderte. Was also wollte er damit?

„Du hast doch gerade nichts zu tun. Also suche ihn für mich und gib ihm die Waffe.“ Der Schmied schenkte den gemurmelten Fluch keine Beachtung und reichte dem Hanyo eine elegant gearbeitete Klinge.

„Ich bin kein Bote...“ War alles was Inu Yasha erwiderte, ehe sich sein Blick auf den Dolch konzentrierte. Das Metall schien hauchdünn und glänzte matt im Licht der Sonne, während sich ein kastanienbraunes Gehäuse um die Klinge hüllte. Das Holz fühlte sich in seiner Hand leicht warm an und er erkannte auf der einen Seite das feine Muster eingravierter Blumen. Der Rand der scharfen Schneide war mit den gleichen starren Muster versehen, welches auch Bakusaiga trug und es war nicht schwer zu erkennen, dass es zu Sesshoumarus Besitztümern gehörte. Offensichtlich hatte sich Totosai für die Herstellung Zeit genommen, aber es erklärte noch immer nicht, warum sein Bruder eine solche Waffe in Auftrag geben würde.

 

„Warum würde Sesshoumaru so etwas wollen?“ Fragte der Halbdämon skeptisch nach, als er den Dolch in einen seiner langen Ärmel verschwinden ließ.

„Ich stell keine Frage, sondern mache meinen Job.“ Der alte Dämon zuckte nur mit den Schultern und legte den Kopf schief, als er seinen Hammer an seine Schulter lehnte.

„Keh, du hast einfach immer noch zu viel Angst vor ihm“ , meinte Inu Yasha mit einem Grinsen, ehe er sich umwandte und ein kurzes „Bis irgendwann mal!“ über die Schulter rief. Und damit ließ er den Schmied hinter sich und machte sich wieder auf den Weg, ein neues Ziel vor den Augen. Er hatte zwar keine Ahnung wo sein verdammter Bruder war und eigentlich stand eine weitere Begegnung mit ihm ganz weit unten auf seiner Liste, aber er würde ihm sicherlich früher oder später über den Weg laufen.

Doch wenn es nach ihm ginge, könnte sich dieser Tag ruhig noch etwas Zeit lassen.

 
 

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Stille erfüllte das Land, nur das sanfte Geräusch eines schlagenden Herzens hallte zwischen den leeren Mauern und Steinen wieder, wie der eindringliche Rhythmus einer Taiko-Trommel.

 

Dunkle Augen öffneten sich der Welt und streiften über die trostlose Landschaft zu seinen Füßen, als er das erste Mal seit einer langen Zeit die kalte Luft um sich herum atmete und die Gegend mit jeden seiner weit geöffneten Sinne erfasste. Er konnte es wieder fühlen. Den Puls der Erde unter seinen Füßen, die leichten Verschiebungen in den Strömen der Macht und das Summen der schwarzen Magie um ihn herum. Berauschend in jeglicher Form und erfüllend mit der reinen und unverbrauchten Energie, die ihm in den letzten Jahrhunderten genommen wurden. Alles strömte wieder zu ihm zurück und er empfing es mit offenen Armen, um sich daran zu näheren und zu wachsen.

Fast fünfhundert Jahre hatte seine bewusste Form in den Tiefen seiner alten Heimat geruht. Niemals tot aber auch nie ganz lebendig, wurde er von den alten Mächten seiner Ahnen geschützt und bewacht, während sich sein Geist mit dem Fluss des Lebens verband und über die Jahre hinweg in vollkommener Ruhe mit der Zeit selbst verfloss. Nun aber war er erwacht und das fast vergangene halbe Millennium, welches er im Schlaf verbrachte, war für ihn nur ein flüchtiger Moment, ein sich immer wiederholender Wimpernschlag seiner Existenz. Jetzt kehrte sowohl sein Bewusstsein, als auch sein Körper in das sterbliche Diesseits zurück und mit ihnen brach auch die Kraft aus dem Inneren seiner Seele hervor und überflutete die Welt bis in jeden noch so kleinsten Winkel.

 

Sein blasses Gesicht neigte sich der Sonne entgegen und ein totes Lächeln zierte seinen Ausdruck, als er langsam über die staubige Erde lief. Er war früher aufgewacht als das letzte Mal, vielleicht zehn oder fünfzehn Tage, denn der Herbst hatte seinen Wendepunkt noch nicht erreicht. Es war immer ein reines Glücksspiel, wann er aus den Armen seiner Ruhestätte entlassen wurde. Meistens blieben ihm nur ein, zwei Monate, bis sich die Wintersonnenwende über das Land legen und er zu seiner vollen Stärker zurückkehren würde, um den Planeten von dem Einfluss der Uralten zu reinigen. Und wie jedes Mal in diesem immerwährenden Kreislauf, schien die Welt ihn zu dem Zeitraum seiner Ruhe offenbar komplett vergessen zu haben. Aber er empfand keine Empörung über diese Dinge. Schließlich waren die Menschen in ihrer Existenz zu kurzlebig, um jemals seine Präsenz zuvor verspürt haben zu können und die Dämonen selbst waren höchstens ein unliebsames Ärgernis, mit denen er auskommen musst.

 

SeKain ließ die alten Höhlen hinter sich und streifte durch das karge Land. Ein leichter Schmerz legte sich über seine Muskeln und Knochen, die viel zu lange im völligen Stillstand verweilen musste und nun gegen die plötzlichen Bewegungen protestierten. Doch er ignorierte das Gefühl und konzentrierte seine Gedanken auf die kommenden Tage, obgleich er dabei immer wachsam auf alles um sich herum war. Der kalte Wind zehrte an seiner Gestalt und wirbelte seine Haare hinter ihm auf, als er auf einem kleinen Hügel zum stehen kam und seinen Blick schweifen ließ. Fast fünfhundert Jahre und scheinbar nichts hatte sich an seiner so schönen trostlosen Heimat geändert.

Der Herbst hatte das Land rau und das Meer unerbittlich gemacht. Harte Winde rissen an den knorrigen Bäumen und peitschten um die zerklüfteten Felsformationen und Berghänge umher, während sie die wenig Blätter achtlos vor sich her trieben. Wo einst grüne Wiesen die Weiten der Landschaft prägten, war der Boden mit flächigen Moos und verdorrten Pflanzen bedeckt, die Dornenhalme grau und erstarrt. Schon lange waren die Flüsse versiegt, der Regen vergiftet und die Erde unter den Füßen nichts weiter als toter Staub. Vereinzelt erhoben sich Ruinen in die trostlose Umgebung hinein, die letzten Zeugnisse ehemaliger Zivilisationen nun nichts weiter als eine armselige Ansammlung von Holz und Steinen, ausgeblichen über Jahrzehnte im fahlen Licht der Sonne.

 

Hier war sein Geburtsort, das Heim seiner Familie und die Wiege einer einstigen Nation. Doch niemand war mehr übrig. Niemand außer ihm. Er war der letzte Überlebende, der das Erbe und das Vermächtnis seines Blutes in sich trug und er würde bleiben, bis die Sonne verglühte und der Mond in Stücke brach. Es war sein Schicksal, wie es zeitgleich auch sein Fluch war. Jahrhunderte um Jahrhunderte des Schlafens, nur um sich wenige Monate lang entfalten und die Macht der schwarzen Magie gänzlich fließen lassen zu können, bevor ihn das Licht der aufgehenden Sonne zurück in seine Ruhestätte zog und die Uralten wieder über das Land regierten. Doch bald würde es enden. Er hatte sein Ziel fast erreicht.

Amaterasu...ich werde mich nicht mehr länger deiner Herrschaft beugen.

 

SeKains Blick wanderte nach unten, ein fast unscheinbarer weißer Fleck erregte seine Aufmerksamkeit. Mit einem milden Lächeln kniete er sich hin und starrte auf die kleinen, halb zerrissenen Blätter einer einzelnen weißen Blumen, die inmitten der Ödnis versuchte zu erblühen. Er streckte die Hand aus und fuhr sanft mit den Fingerspitzen über die zarte Blüte, die sich unter seiner Berührung leicht neigte.

Das Gefühl auf seiner Haut war seltsam und zeitgleich auch vertraut, es löste ein Kribbeln in seinen Nerven aus, welches sich durch seinen gesamten Körper zog. Wie klein und einfach diese Blume doch war, so unschuldig in ihrer Existenz. So leicht zu zerstören. Sie erinnerte ihn an frisch gefallenen Schnee, rein und unverfälscht und doch...fehlte ihr etwas. Etwas bedeutendes. Ein leichtes Stirnrunzel bildete sich auf seine Gesicht, er wandte sich plötzlich ab und erhob sich wieder, um dem Abstieg der Sonne zu verfolgen.

 

Die kommende Nacht würde er nutzen um zu ruhen, seine körperliche Kraft wieder aufzuladen und seine mentale Energie zu stärken. Er würde es brauchen, um die nächsten Monate zu bestehen. Danach wurde es endlich Zeit, dass er Sie erschuf – Seine Kinder. Kreaturen, geboren aus dem Herzen der schwarzen Magie, genährt durch Wahnsinn und in so vielen Jahren perfektioniert. Wie er sie vermisst hatte.

Obgleich sie anfänglich nur das ungewollte Ergebnis eines gescheiterten Versuches waren, als er Jaki vom Körper eines Individuums trennte, erschuf er sie aus einer Laune heraus immer weiter und schickte sie in die Welt aus. Es war reine Neugierde die ihn trieb und oh, wie nützlich sie sich doch erwiesen. Ihre erste Form war grotesk und ohne einen wirklich definierten Körper, eine weder humane noch dämonische Gestalt, die sich immer wieder veränderte. Jetzt waren sie menschlicher, aber immer noch unbeständig.

Sie trugen keinen Geruch, keine Aura, nur das unverkennbare Gefühl von etwas bösartigen.

Aber sie fanden für ihn die Quellen der unverbrauchten und reinsten Kraft allen Lebens, während sie den unbrauchbaren Rest gnadenlos unschädlich machten. Dörfer und Tempel waren ihnen zum Opfer gefallen, all jene, die die Gefahr in ihnen erst zu spät erkannten. Selbst Dämonen schienen sich in ihrer Einfachheit zu täuschen, ehe sie dem Bann ihres Giftes verfielen und zu willenlosen und mordenden Monstern wurden – zu dem wurden, was schon immer in ihren Tiefen schlummerte.

 

Und doch überlebten nicht alle seine Kinder. Über die Jahre waren die Mönche und Priesterinnen stärker und besser geworden, resistenter gegenüber der schwarzen Magie. Und auch Yokai, die ihrem eigenen dunklen Willen widerstehen konnten, waren in der Lage sie zu töten. Es machte seine Sache....komplizierter. Er musste mehr Magie und Kraft anwenden, die ihm wiederum an andere Stelle fehlte und er hatte noch nicht die perfekte Vollendung in seinen Kindern gefunden. Sie sollte ihm gleich sein, sein Ebenbild und doch....

SeKain seufzte leise und fuhr sich mit der Hand durch seine Haare. Er konnte nicht alles haben und die Vorstellungen nach vollendeter Perfektion war ein unerreichbares Ziel, selbst für ihn. Schließlich war er nur ein Mensch und alles musste innerhalb einer festen Grenze funktionieren, obgleich die Linien an manchen Stellen dünn und verwaschen schienen. Nur dann war es ein leichtes sie zu übertreten, denn ihrer Unklarheit lockte einen an und machte es plötzlich so scheinbar einfach, die Dinge dahinter zu ergreifen. Und sie versprach so viel mehr, als die sterbliche Welt bieten konnte. Eine Macht, nach der nicht nur die Menschheit strebte und dennoch für so viele unerreichbar war. Die ideal Vollendung von Körper und Geist.

 

„Ich frage mich, wo wohl das Ende meiner Kraft liegen mag. Wann erreicht meine Magie den Punkt ohne Wiederkehr?“ Seine Stimme verlor sich im kalten Herbstwind und er starrte auf seine Finger, die zuvor das Blütenblatt berührt hatten. Er war schon so lange hier und hatte auf diese Fragen in all den Jahren noch keine Antwort gefunden. Seine Fähigkeiten waren begrenzt, ja, aber woran sie gebunden waren, war ihm noch immer ein Rätsel. Schließlich lebte er, ohne zu leben und hatte doch einen Atem, einen Herzschlag und die Möglichkeit des Empfindens. Wenn das nicht Leben war, was war es dann?

„Bin ich vielleicht einfach nur unfähig, mein eigenes Limit zu erkennen?“ Seit er auf diesem Planeten wandelte, gab es eine Vielzahl von Menschen und Dämonen, die ihm im Kampf gegenübergetreten waren – die einen erfolgreicher als die anderen. Und einige hatten es tatsächlich vollbracht, ihn an einen gefährlichen Punkt seiner Kraft zu drängen, an dem er selbst nicht mehr daran glaubte zurückkehren zu können. Die Angst vor dem Tod war nichts was er fürchtete, aber dennoch war die Ungewissheit auf sein womögliches Ende auf dieser Welt störend. Vor allem, wenn er seine Aufgabe nicht erfüllen konnte.

 
 

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Die Meeresschlange aus dem Norden war sein erster Gegner. Ein alter und weiser Dämon, der sich etliche Meter über den Grund des Ozeans erstreckte und schon viele Jahre an diesem Ort verweilte. Er traf ihn, nur ein halbes Millennium nach seiner Wiedergeburt und weil er seine neue Bedeutung für die Welt noch nicht ganz verstehen konnte, war diese Begegnung wohl eine der Gefährlichsten. In seinem Leichtsinn vergaß er damals fast, dass die Schlange schon Äonen vor ihm dort war und seine Kraft weitaus mächtiger war, als er sie selbst zu diesem Zeitpunkt besaß. Ihre... Auseinandersetzung war lang und schwer, ein ermüdendes Aufeinandertreffen zweier alter Magieformen und am Ende war er nur knapp daraus hervorgegangen.

 

Doch nicht immer war es ein Spiel auf Leben und Tot. Manchmal fand er die Präsenz früherer Gegenspieler wieder und manchmal verschwand sie einfach vollkommen. Diese menschliche Priesterin war eine von ihnen. Midoriko. Er erinnerte sich wage an sie, eine äußerst mächtige – und widerspenstig – Miko, die sich ein gutes Jahr nach ihrer Begegnung selbst opferte, um irgendeine geschaffen Kreatur aus tausenden Dämonen zu besiegen. Ihr eigenes Zusammentreffen verlief weniger befriedigend für ihn, denn er musste ihre göttliche Macht zähneknirschend anerkennen und sich mit einem Unentschieden zufrieden geben, an das er heute nur ungern dachte.

Was im Nachhinein mit ihr passierte, hatte nie wirklich sein Neugierde geweckt und auch dieses seltsame Juwel, welches am Ende aus ihrem Herzen übrig blieb, war nichts was er begehrte. Immerhin war dieses Shikon no Tama aus einem Teil der spiritueller Kraft entstanden und er hätte es lieber zerstört, als es zu besitzen.

Ohne Zweifel wäre die Frau in der Lage gewesen ihn zu töten, doch als eine Gesegnete der Uralten war ihre Aufgabe das Reinige der Dämonen und nicht das Töten von Menschen, die sie eigentlich schützen sollte. Also entzog sie ihm stattdessen einen Großteil seiner Macht und versiegelt diese zwei volle Millennien, ehe er wieder vollkommen hergestellt war.

Keine wirklich glorreiche Zeit für ihn. Verdammte Frau. Hätte ich sie nur getötet, hätten die Yokai die Welt vielleicht tatsächlich übernehmen können. Meine Arbeit wäre umso leichter gewesen...

 

Aber dann gab es natürlich noch Ihn. Den Inu no Taisho der Hundedämonen. Eines der wohl spannendsten und aufregendsten Zusammentreffen, welches SeKain je hatte. Wie war er doch begeistert von dem Mann, als er ihn das erste Mal traf. Diese Kraft, diese kontrollierte und doch zerstörerische Macht, die unter dessen Haut gebrodelt hatte. Und dann die Schwerter die er führte. Der erste Dämon der es vermochte eine himmlische Klinge zu tragen, während er zeitgleich auch ein Höllenschwert besaß. Was für eine schwerwiegende Aufgabe das wohl für den Yokai bedeuten musste, den immerwährende Streit zweier Mächte ganz allein bewältigen zu müssen.

Tatsächlich empfand er gegenüber dem General einen tiefen Respekt, den er über die Zeit nie verloren hatte. Er bewunderte sogar den stolzen und doch ehrwürdigen Inuyokai, dessen Verlangen und Drang sein Volk zu schützen so groß war, dass er dafür alles tun würde und doch stets diplomatisch und bewusst handelte. Es stand außer Frage das der Taisho ebenfalls temperamentvoll und impulsiv war und doch machte vielleicht gerade dies den Reiz aus.

Und oh, wie sich ihre Klingen doch gekreuzt hatten. Vermutlich war der Hundegeneral für die meisten Morde an seinen Kreationen verantwortlich und hatte ihn tatsächlich mehr als einmal großen Schaden zugefügt. Doch am Ende konnte auch er nicht alle Kinder seiner eigenen Rasse vor dem Unvermeidlichen retten, selbst wenn die Barrieren noch so stark gewesen waren – und das waren sie. Die Schutzherrin der Hundedämonen hatte eine wirklich gute Arbeit geleistet und es dauerte tatsächlich bis zu seinem nächsten Erwachen, ehe er herausgefunden hatte, dass die Hüterin in einer engen Beziehung zu dem Taisho stand.

„Mh, ein sehr enges Verhältnis.... Dieser Junge von damals...“

 

Ein Puls durchlief den Boden unter SeKains Füßen und summend zog er all die Energie um sich herum auf und ließ sie durch seinen Körper fluten. Jetzt da er wieder wach war, konnte er den Einfluss der schwarzen Magie viel besser kontrollieren und lenken. Auch wenn sie sich bereits in den letzten Monaten erfolgreich durch den Planeten gefressen hatte, war sie bei weitem nicht so stark, um der Macht der Uralten ernsthaft zu schaden. Aber dafür war er ja nun da.

Mit einem kalten Lächeln auf den Lippen, drehte er sich um und ging zurück zu der Ruhestätte seiner Ahnen. Er war gespannt darauf zu erfahren, was in den letzten Jahrhunderten seiner Abwesenheit passiert war und mit welchen Widerständen er wohl rechnen müsse. Immerhin konnte er vor ein paar Jahren eine mächtige Störung innerhalb der sterblichen Welt spüren, die selbst den Lebensfluss verunreinigt hatte und dies würde bedeuten, dass seine Aufgabe erheblich erleichtert wurde.

 

„Ich bin endlich zurück.“ Flüsterte er im Rauschen des Windes, seine Gestalt verblasste in dem aufgewirbelten Staub der toten Erde und der Ort kehrte zu seiner Einsamkeit zurück.

 

Wo er stand, blieb nur ein einziger, dunkler Fleck zurück und die einstige weiße Blume war verdorrt und schwarz. Sie hätte nie existieren sollen. So unvollkommen und fehlerhaft.

 

Ich hätte dich am Leben gelassen, doch dir fehlt eine wichtige Eigenschaft.

 

Dir fehlt die Farbe Rot.

 

Rot wie das Blut.

 
 

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wichtige japanische Wörter:

 

Ningen: abfällige Bezeichnung für Menschen

 

Kami: Gott

 

Reiryoku: spirituelle oder göttliche Kraft

 

Yoki (oder auch Yoryoku): dämonische Energie und die Lebenskraft eines Yokai. Kann sowohl die körperlichen Fähigkeiten verbessern (Inu Yashas Sankon Tesso, um die Stärke und Angriffsreichweite seiner Klauen zu erhöhen), als auch Konstrukte bilden (Sesshoumarus Lichtpeitsche) oder in Form von Elementen kanalisiert werden

 

Kenatsu: eine Fähigkeit die hauptsächlich von Yokai-Schwertern besessen wird. Wenn Yoki in das Schwert geschleudert wird, kann der Benutzer seine Feine schlagen, ohne dass die Klinge physischen Kontakt hat. (Unter solch einen Angriff fällt zum Beispiel Inu Yashas Kaze no Kizu)

 

Yoketsu: visuelle Manifestation der dämonischen Energie in Form eines Strudels hinter einem Yokai. Wird dieser Wirbel und das damit verbundene Yoketsu durchtrennt, wird der Dämon sofort getötet.

 

Jaki: bösartige Energie, die ähnlich der dämonischen Aura ausgestrahlt wird. Entsteht aus der dunklen Natur

oder dem Willen (Yin) eines Individuums

 

dämonisches Jaki: jeder Dämon und Mensch besitzt das Potenzial Jaki auszustrahlen. Je böser der Yokai ist, desto größer sind die Fähigkeiten in der Kontrolle, Verwendung und Stärkung des Jaki, um Objekte und Menschen zu kontrollieren

 

Höllenjaki: entstand durch die vielen bösartigen Kreaturen in der Hölle und ist auch im Meido vorhanden

 

Shoki: alternative Bezeichnung von Miasma oder auch Sumpfgas genannt

 

Begegnung


 

N° 5: Begegnung
 

 

Inu Yasha hatte seine Richtung geändert, seit er von Totosai aufgebrochen war und der Schmutz und Ruß sich langsam wieder in Gras und Bäume verwandelt hatte. Sein Weg führte ihn nun immer weiter nach Südwesten und doch hielt der momentane Frieden des Waldes weder seine Hündchenohren davon ab, hin und her zu zucken, noch verhinderte er das unangenehme Kribbeln, welches derzeit auf seiner Haut lastete. Bisher waren drei Tage vergangen – drei Tage scheinbar friedlichen Reisens, abgesehen von diesen gelegentlichen Anfällen des Unbehagens und doch konnte er unter all der Ruhe nicht bestätigen, ob tatsächlich etwas in der Luft lag oder nicht.

Zum wiederholten Male an diesem Tag hob der Halbdämon seine Nase, atmete die ungefilterten Gerüche um sich herum ein und kategorisierte die Düfte, die im Wind mitgetragen wurden. Er verlangsamte sein Tempo und ein leichtes Stirnrunzeln bildete sich in seinem Gesicht, als er immer häufiger denselben Hauch von Etwas auffing, bevor er es genauso schnell wieder verlor. Es irritierte ihn, er konnte nicht spezifisch bestimmen was genau er da eigentlich roch, aber es schien um ihn herum zu schweben, obwohl es nicht greifbar war. Leise knurrend steckte er die Arme tiefer in die Ärmel seiner Feuerrattenrobe, ein einziges flauschiges Ohr zuckte und drehte sich dann in die Richtung, aus der es das nächstgelegene Geräusch gehört hatte und aus dem Augenwinkel konnte der Halbdämon erkennen wie ein Hase zwischen dem Unterholz verschwand, aber er lief weiter und schenkte dem Tier keine Beachtung.

 

Die Krallen seiner linken Hand streiften eine glatte und harte Oberfläche, unbewusst umfassten seine Finger die Scheide des Dolches und strichen langsam über das Holz. Er hatte das leichte Gewicht während seiner Reise größtenteils ignoriert und sich nur während einer Pause in der Nacht noch einmal näher damit beschäftigt, war aber immer noch nicht wirklich dahintergekommen, was Sesshoumaru mit dem Ding wohl wollte. Anfänglich war ihm der Gedanken gekommen, dass der Daiyokai vielleicht genug davon bekommen hatte, seine Klauen mit unwürdigen Dingen zu beschmutzen und daher die Waffe bevorzugen würde, doch am Ende fiel ihm ein, dass ein gewisser Teil seines Bruders es sogar priorisieren würde, seine Krallen in Blut zu baden – solange nichts seine makellose Robe berührte.

Also musste er sich fragen, ob der Dolch vielleicht ein Art Geschenk war, obgleich er sich nicht vorstellen konnte, dass es jemanden gelungen war Sesshoumarus Gunst zu erlangen, der nicht Rin hieß. Das Mädchen war vermutlich die einzige Person auf der Welt, die tatsächlich etwas von dem Daiyokai bekommen hatte, was mehr als nur Desinteresse oder Ablehnung war.

 

Inu Yasha hatte in den letzten Jahren oft verfolgt, wie sein Bruder dem Menschenkind während seiner kurzen Besuche immer wieder Kleidung oder kleine Gegenstände mitgebracht hatte, die er wahrscheinlich irgendwo auf seinen Reisen aufgesammelt hatte. Man könnte fast meinen, dass Sesshoumaru in der vergangenen Zeit nicht nur über das Kind gewacht hatte, sondern sich darüber hinaus auch tatsächlich um sie sorgte und das hatte dem Halbdämon an machen grauen Tagen einen schmerzhaften Stich versetzt. Er konnte Rin keinen Vorwurf dafür machen, dass sie sich in das kalte Herz seines Bruders geschlichen hatte, aber er konnte auch nicht einfach die Tatsache ignorieren, dass sie etwas besaß, wofür er jahrelang erfolglos gekämpft hatte.

 

Ein Mensch, der mehr Anerkennung erhält, als die eigene Familie.

 

Kopfschüttelnd unterdrückte er den Gedanken und biss die Zähne zusammen, um die aufkeimenden Gefühle auszublenden. Er war sich bewusst, dass sein dämonisches Selbst über diese Entwicklung wütend war, während sein menschlicher Teil mit dem Empfinden des Verrates zu kämpfen hatte, doch er würde diese Sachen nicht an sich heranlassen.

 

Aber ist es fair? Akzeptanz für sie, während du nur Zurückweisung erhältst?

 

Nein, es war nicht fair, aber das war sein Leben noch nie. Er musste sich schon immer mit der Scheiße beschäftigen und war am Ende auf die ein oder andere Art und Weise darüber hinweggekommen. Verdammt, er war schließlich besser als das und am allerwenigstens verdiente Rin seinen Zorn darüber. Wenn überhaupt, sollte er Sesshoumaru die Schuld dafür geben, doch sicherlich würde er damit eher Zeit verschwenden, als irgendetwas zu erreichen. Also warum es überhaupt versuchen? Schlussendlich konnte er die Dinge nicht ändern, egal wie sehr er sich anstrengen würde und wenn er an das letzte Zusammentreffen mit seinem Bruder dachte, dann war er sich sicher, dass es seine bereits verwirrten Gedanken und Gefühle nur noch mehr in Mitleidenschaft ziehen würde.

Immerhin hatte der Daiyokai sehr deutlich gemacht, was er von dem Halbdämon hielt, auch wenn Sesshoumaru in den vergangenen Jahren oft Worte sprach, dann aber entgegen ihnen handelte. Nicht das Inu Yasha jemals aus den Taten des Älteren schlau geworden wäre, denn in den meisten Fällen blieb er eher mit irritierender Verwirrung zurück, als tatsächlich zu begreifen, wie dessen Wesen funktionierte. Aber schließlich war es Sesshoumaru gewesen der seinen Tod forderte und solange er noch auf der Welt wandelte, konnte er sich nicht wirklich darüber beschweren – es gab ihm immerhin die kleine und verdrehte Hoffnung, dass ihn wegen dieses Versprechens niemand anderes töten konnte und das war doch auch irgendwie ein Trost, oder?

 

Vermutlich wären seine Gedanken noch weitergewandert, wenn er nicht plötzlich zum Stillstand gekommen wäre. Seine beiden Ohren zuckten und waren hoch oben aufgerichtet, als sich seine Augen verengten. Als ob es von einem fernen Wind getragen würde, hätte der Halbdämon schwören können, dass er gerade die leisesten Geräusche eines Lachens gehört hatte. Doch im Gegensatz zu der angenehmen Wärme, die der Klang normalerweise anregte, liefen ihm ein kalter Schauer über die Wirbelsäule und genau wie der Duft, war auch der Klang so schnell verschwunden, wie er gekommen war.

Mit ernstem Blick durchsuchte Inu Yasha den umliegenden Wald nach jedem noch so kleinen Anzeichen einer Präsenz, aber alles was er lokalisieren konnte waren Wildtiere und dies hinterließ ein zutiefst verstörendes Brennen auf seiner Haut, als wäre er in Eiswasser eingetaucht.

Und zum ersten Mal seit seinem Aufbruch zweifelte er an seiner Entscheidung das Dorf verlassen zu haben. Seinen sicheren Hafen. Denn in gewisser Weise war es neben Goshinboku der einzige Ort, den er jemals Zuhause angerufen hatte und es war eine Basis für sich und die Anderen gewesen, als sie Naraku gejagt hatte. Es war Kikyos Zuhause, dann Keades, jetzt das seiner Freunde und es hätte auch Kagomes Zuhause werden können.

 

Doch wie bei allen Dingen im Leben, musst es einmal ein Ende geben. Er hatte dieses Kapitel endgültig abgeschlossen, als er sich auf seine Reise begeben hatte und wenn er jetzt wieder zurückkehrte, könnte er es vielleicht nie wieder verlassen und das würde er in Zukunft sicher bereuen. Schließlich hatte er schon immer mit dem Wissen leben müssen, dass er früher oder später aus dem Dorf geschmissen wurde, spätestens dann, wenn die Gören von Sango und Miroku im Alter starben. Warum sollte er also darauf warten wie ein Hund vor die Tür gesetzt zu werden, wenn er von selbst gehen konnte?

Seine Finger fanden den Rosenkranz um seinen Hals und er richtete seinen Körper zur vollen Größe auf, als er einen tiefen Atemzug ausstieß und versuchte seine Gedanken zu rationalisieren. Genug davon, dachte er sich und begann wieder in einen Laufschritt zu fallen. Er hatte die Entscheidung getroffen und er würde jetzt nicht davon zurücktreten. Im Moment gab es wichtiger Dinge, mit denen er sich befassen musste und dafür brauchte er keinerlei Ablenkung. Schließlich hatte er ein Ziel und wenn er dies erreichen wollte, musste er auf seine eigenen Stärken vertrauen, ohne immer wieder an die Sachen zu denken, die er womöglich verloren hatte. Und was würde sein Vater nur sagen, wenn er ihn in dieser Position sehen würde? Oder noch schlimmer Sesshoumaru?

 

Mit einem geistigen Kopfschütteln steigerte Inu Yasha sein Tempo und verschwand wieder zwischen den bunten Blättern und schweren Ästen. Er würde schon herausfinden was diese seltsamen Vorfälle ausgelöst hatte und denjenigen finden, gegen den sein alter Herr gescheitert war. Und je mehr Yokai er dazwischen töten musste, desto eher konnte er auch ein wenig Stressabbau betätigen. Mit einem leichten Grinsen schoss sich der Halbdämon über die nächsten Bäume hinweg und war schon bald inmitten der farbigen Baumkronen nicht mehr zu erkennen.
 

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Goldene Augen starrten nach vorn, während Sesshoumaru unbehelligt durch das dichte Laub und Unterholz schritt. Vereinzelte kämpften sich Sonnenstrahlen ihren Weg durch das massive Vordach von Ästen, um die Erde darunter tatsächlich berühren zu können und färbten das Licht der Umgebung in ruhigen Orange- und Brauntönen, zwischen denen der Daiyokai fast unwirklich wirkte.

Nachdem er Jaken mit Ah-Uhn bei Rin gelassen hatte, war der Hundedämon weiter in den Wald hinein gewandert, um sich in aller Ruhe mit den Ereignissen der vergangenen Tage und Wochen befassen zu können. Schritt für Schritt schlängelte sich seine imposante Gestalt zwischen den Bäumen hindurch, während seine ausdruckslose Maske unverändert blieb und nichts um ihn herum an ihn heranzutreten schien. Seit dem Gespräch mit seiner Mutter, fand sich der Hundedämon immer öfter in seinen eigenen Gedanken wieder. Die Dinge, die er von Shayou erfahren hatte, waren milde gesprochen beunruhigend und ein Teil von ihm erzürnte sich darüber, dass solche Ereignisse trotzt ihrer Priorität bis jetzt vor ihm verborgen gehalten wurden. Schließlich war die Tatsache, dass ein Mensch dazu in der Lage war den Lebensfluss der Uralten zu stören, problematisch und die Ungewissheit und das Fehlen an brauchbaren Informationen waren selbst für ihn eine unliebsame Sache, die er möglichst schnell beseitigen wollte.

 

Für den Augenblick jedoch schloss Sesshoumaru die Augen und erlaubte den Frieden der Natur kurzzeitig einen Zugang zu seinem gesamten Wesen. Tief Luft holend, konnte er trotz der ruhigen Aura um sich herum noch immer das Gift in den Venen des Planeten pulsieren fühlen und er brauchte ein paar Sekunden, bevor er die wachsende Verärgerung in die entlegensten Teile seines Bewusstseins stoßen konnte. Mit aller Kraft leerte er vorerst seine Gedanken, übergab seinen Körper Mutter Natur und hielt seinen Geist ruhig und zentriert, als seine Sinne sich in... etwas verfingen. Der Daiyokai blieb stehen und starrte stumm nach vorn, während er versuchte genau das aufzuspüren, was sein Yoki so verstörend fand. Aber sobald er sich an etwas Greifbaren klammerte, war es genauso schnell verschwunden und dieses Gefühl zu verfolgen war, als würde man versuchen den Wind selbst zu verfolgen.

 

Frisch genervt begann sich der Hundedämon wieder zu bewegen und folgte dem leisen Echo seiner Instinkte, welche ihn weiter hinein in den Wald zogen. Es irritierte ihn mehr als alles andere, dass er nicht identifizieren konnte, was gerade über seine Sinne gekrochen war und für einen Wimpernschlag blitzen weiße Reißzähne gefährlich auf, bevor der stoische Ausdruck genauso schnell wieder sein Gesicht erreichte und jegliche Regungen verloren gingen.

Er mag vielleicht noch immer arrogant sein, aber bei weiten nicht mehr so stolz und dumm, wie noch vor wenigen Jahren. Die Zeit, die er damit verbrachte gegen Naraku zu kämpfen, hatte viel dazu beigetragen seine Gedanken über die Bekämpfung eines Feindes zu ändern und er verstand jetzt, dass es töricht wäre, solche Schlachten ohne angemessene Unterstützung zu führen. So sehr es ihn auch störte, er würde keine offensichtlich voreiligen Züge begehen, bevor er nicht alle nötigen Antworten auf seine Fragen hatte und dies schloss seine momentane Situation mit ein.

 

Seine kurze Reise führte den Daiyokai auf eine kleine Lichtung, unweit von dem Platz entfernt, an dem er seine Begleiter zurückgelassen hatte. Er würde es nicht riskieren, in solch unsicheren Zeiten Jaken die volle Verantwortung für Rin zu überlassen, wenn die verbliebenen Yokai in den letzten Wochen weitaus aggressiver und gefährlicher geworden waren. Auch wenn er als das tödlichste Wesen im gesamten Umkreis galt, gegen Dummheit konnte selbst er nichts ausrichten und es wäre daher naiv zu glauben, dass die Dämonen trotz seiner anhaltenden Präsenz nicht angreifen würde. Und so sehr der nervige Kappa seine Bemühungen ihm gegenüber hoch hielt, dagegen hätte auch er keine Chance.

Sesshoumaru neigte leicht den Kopf, während der Wind sanft über sein Gesicht flüsterte. Das Summen seiner Instinkte hatte nicht aufgehört, stattdessen wurde es mit jedem Atemzug nur deutlicher, obgleich er keine Gefahr in etlichen Kilometern Entfernung spüren konnte. Etwas war dort draußen. Und sobald er den Fuß hob und wieder zu gehen begann, verband sich derselbe störende Geruch mit seinen Sinnen, nur um erneut wieder spurlos zu verschwinden. Seine Geduld wankte für einen Augenblick, er hatte keine Zeit für solch belanglose Spiele. Mit einem leisen Knurren ließ der Hundedämon sein Yoki durch den gesamten Wald pulsieren, bevor er mit kalter, verachtender Stimme sprach: „Zeig dich.“

 

Einen Moment lang war es still, dann ertönte ein schleichendes Lachen als Antwort. Goldene Pupillen blieben ausdruckslos, als sie sich auf den Rand der Bäume konzentrierten, an denen sich langsam eine dunkle Masse zu materialisieren begann. Blätter raschelten, die Gestalt wuchs auf Menschenhöhe an, aber genau wie der Duft und das Lachen war seine Form flüchtig und veränderte sich ständig.

 

„Ihr seid groß geworden, Sohn des verstorbene Inu no Taisho. Sesshoumaru, wenn ich mich recht erinnere? Der Spross des verstorbenen Generals, obwohl Ihr seinen Titel nicht übernommen habt...“ Die Stimme war nicht über ein flüstern hinaus, aber entgegen allen Erwartungen klang sie weich und tief und jegliche Anzeichen von Gefahr schienen ganz plötzlich verschwunden. Doch der Hundedämon würde sich nicht täuschen lassen.

„Euer Vater hat mir viel Unmut bereitet, Sohn von Toga.“

Sesshoumaru blieb ruhig, seine Augen verengten sich minimal und er hielt sein stoisches Aussehen aufrecht, als er keinen Grund darin sah, auf diese Anschuldigung zu antworten. Schließlich war das, was einst passierte, zwischen dem ehemaligen General und diesem Menschen und nichts was ihn in irgendeiner Weise betreffen oder kümmern würde. So wurde die Stille stattdessen erneut von einem Lachen unterbrochen, welches zwischen den knorrigen Ästen wiederzuhallen schien.

 

„Nun, ich kann sehen, dass Ihr wohl eher nach Eurer Mutter kommt. Es ist dann also der junge Halbdämon, der Eurem Vater in dessen... Temperament nacheifert, habe ich nicht Recht?“

„Genug.“ Sprach der Hunddämon kalt und sein Yoki flammte weiter auf. „Entweder Ihr greift an oder seid aus meiner Gegenwart verschwunden.“ Sesshoumaru bewegte sich keinen Millimeter aus seiner Position heraus, auch wenn er innerlich brodelte.

Ihm missfiel die Tatsache, dass diese vermeintliche Kreatur offenbar bereits mehr Wissen über die aktuelle Situation hatte als er selbst und das war in seinen Augen einfach inakzeptabel. Zumal die jüngsten Entwicklungen auch dazu geführt hatten, dass seine schon ohnehin brüchige Beziehung zu seinem Halbbruder fast nicht mehr vorhanden war und wenn dieser seltsame Mensch tatsächlich auch über Inu Yasha und damit Tessaiga Bescheid wusste, dann befanden sie sich mehr als nur im Nachteil.

 

„Als ich erfuhr wer Euer Vater war, habe ich darüber tatsächlich nachgedacht. Aber ich halte Euch für so schlau, dass Ihr denselben törichten Fehler des Inu no Taisho kein zweites Mal begehen werdet.“ Das Wesen krümmte sich leicht, bewegte sich schwerfällig um den Stamm eines Baumes herum und hob den Kopf, als würde es ihn direkt anstarren. „Denn ich bin sicher, Ihr habt bereits erfahren wer ich bin.“

„Was mein Vater tat, lag allein in seiner Verantwortung.“

„Das ist erfreulich zu hören. Dann werden wir gut miteinander auskommen.“ Die melodiöse Stimme schwebte durch die Luft und kräuselte sich in den spitzen Ohren des Daiyokai. Gestreifte Augenlider zuckten sich leicht und Mokomoko wog in schwerer Verärgerung hinter ihm hin und her.

„Macht keine Fehler, SeKain. Ich werde Euch anstelle meines Vaters töten und ich werde sicher nicht nachsichtig mit Euch sein.“

 

Damit schoss eine leuchtend grüne Peitsche über die Lichtung hinweg, Sesshoumaru folgte seinem Angriff mit seinem eigenen Körper und vergiftete Klauen gruben sich tief in die schwarze Masse ein. Ein Zischen erfüllte die Luft und die Kreatur an seiner Hand begann sich Stück für Stück aufzulösen, als sie unter dem Einfluss des Giftes zu schmelzen begann. Die zähe Konsistenz klebte noch ein paar Momente länger zusammen, bevor sie zu nichts weiter als einem verkommenden Fleck auf dem Boden zusammenfiel.

„Mhm, immer so stoisch und doch so heißblütig. Ihr Söhne des verstorbenen Inu no Taisho seid wirklich unterhaltsam. Ich freue mich auf unsere nächste Begegnung, Sesshoumaru.“ Und mit diesen flüchtigen Worten blieb, was auch immer gerade noch vorhanden gewesen war, übrig und jegliche Spur von SeKains Präsenz verschwand spurlos mit dem nächsten Windstoß.

 

Silberne Strähnen bewegten sich sanft, als Sesshoumaru auf die Überreste des seltsamen Geschöpfes blickte und seine goldenen Augen tödlich kalt glänzten. Als Granit stehend, berührte nicht einmal ein Luftzug die Haut des Daiyokai, als sein Yoki wütend über sein Alabasterfleisch kochte und er sich selbst um Ruhe bemühte. Höchstwahrscheinlich vergingen nur ein paar Sekunden, bevor er sich genug kontrollierte, um seine Kraft wieder in sich zu ziehen und die gefährliche Aura vollkommen aufzulösen. Dennoch blieb der bittere Beigeschmack, denn er hatte sich nun doch zu einer impulsiven Tat hinreißen lassen und seinem Gegner damit mehr offenbart, als es vermutlich gut wäre.

Wortlos drehte er sich um und verließ die Lichtung, um zu seinen Begleitern zurückzukehren, die Gesichtszüge härter als üblich. Mit SeKains plötzlichen Auftauchen hatten sich die Dinge geändert und das schneller als ihm lieb war und in eine Richtung, die er nicht anstreben wollte. Anscheinend wurde es nun doch Zeit, dass er sich in dieses seltsame Spiel einmischte.
 

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Die heiße Quelle zu erreichen, war verdammt schwer. Inu Yasha musste sich von der Sicherheit der Baumkronen hinab auf die mit Laub bedeckte Erde begeben und sich durch Gebüsch und Unterholz zwängen, um überhaupt an das dampfende Wasser heranzukommen. Einmal dort, zog er seinen Haori und Hakama aus, faltete die Kleidung zu einem kleinen Bündel am Rande und legte sein Schwert sicher daneben. Vorsichtig trat er über die rauen Felsen, bis er eine gute Einstiegsstelle gefunden hatte und ließ sich langsam in das heiße Becken hinabgleiten, welches ein entzücktes Seufzen von seinen Lippen riss.

Oh wie ich das vermisst habe...

Verglichen mit der unangenehmen Kälte des Tages, war dies hier ein sehr willkommenes Stückchen Paradies und mit geschlossenen Augen lehnte sich der Halbdämon an einen glatten Stein zurück. Er konnte bereits spüren wie sich seine verspannten Muskeln und Sehen lockerten und die übrig gebliebenen blauen Flecke im sprudelnden Wasser heilten.

 

Es kam nicht oft vor, dass er eine heiße Quelle fand. Auch während seiner früheren Reisen war eine solche Entdeckung mit einer gewaltigen Portion Glück versehen und vor allem in den kalten Jahreszeiten, war die Hitze eine begrüßenswerte Abwechslung, welche man definitiv auskosten musste. Mit einem leisen Stöhnen glitt er weiter vorwärts, sein jetzt nasses Haar breitete sich fächerartig hinter ihm auf und er stieß einen tiefen Atemzug aus, als er seine Augen halb öffnete. Der weiße Dampf wirbelte um seinen Körper herum und seine goldenen Pupillen beobachteten entspannt, wie der Dunst im matten Licht des Tages höher stieg und dann verschwand. Je weiter er sich der Mitte näherte, desto tiefer und trüber wurde das Wasser und seine Form verschwamm weiter mit den Schatten in der Dunkelheit, bis sich plötzlich etwas über sein Bein hinweg bewegte und er vollkommen erschrocken aus seiner Position aufsprang.

In einer fließenden Bewegung stieß er seine Hand nach unten, umfasste das unbekannte Ding, warf den Arm zurück und ließ den Wasserkäfer mit einem männlichen Aufschrei und den Worten „Verdammte Scheiße!“ fliegen.

 

Direkt vor Sesshoumarus Gesicht.

 

Inu Yasha wusste nicht, wer in diesem Augenblick mehr überrascht war. Sesshoumaru, dessen kalter Ausdruck für einen Sekundenbruchteil tatsächlich abrutsche, oder er selbst, der immer noch mit tropfenden Haaren und weit aufgerissenen Augen in einer ziemlich kompromittierenden Haltung vor seinem Bruder herum hüpfte. Trotzdem schaffte es der Daiyokai das beleidigende Tier aus der Luft zu fangen und nahtlos hinter sich zu werfen, wo sich Jaken wie aus dem Nichts zu materialisieren schien und den Käfer gegen den Kopf bekam. Der kleine Kappa stolperte und taumelte zurück in die Büsche, bevor er unsanft auf den Boden landete. Doch der Halbdämon achtete nicht wirklich auf die Kröte, sondern starrte den Älteren nur weiter an, bis sein anfänglicher Schock zu Panik übersprang und er sich mit einem gekonnten Sprung wieder zurück in das tiefere Wasser flüchtete.

 

„Was zum Teufel machst du hier? Verfolgst du mich oder was?“ rief er genervt aus, die beiden dreieckigen Anhängsel fielen flach auf seinem Kopf zurück und er knurrte leise, als er einen guten Abstand zwischen ihnen schaffte – nun zumindest so weit, wie es ihm die Quelle erlaubte. Derweil wurde der ausdruckslose Blick von Sesshoumaru berechnend und er neigte leicht den Kopf, als seine goldenen Pupillen über Tessaiga schweiften, welches unweit von ihm entfernt lag und dann zurück zu seinem sehr schutzlosen Bruder glitten.

„Denk gar nicht erst daran, Bastard! Ich kann dich auch ohne mein Schwert schlagen.“ Inu Yashas Knurren wurde lauter, er folgte der Blickrichtung seines Bruders und knackte mit den Fingern, um seine Aussage zu unterstützen. „Verschwinde schon von hier, ich wollte in Ruhe entspannen. Ich werd dir später in den Arsch treten!“

Sesshoumaru hob nur leicht eine Augenbraue und der Halbdämon wusste genau, dass der Andere in seinen Worten keinerlei Bedrohung fand. Vor allem nicht, wenn er nackt vor ihm im Wasser hockte.

 

„Temperament, Inu Yasha.“

„Fick dich.“ War die gereizte Antwort, ehe das Rascheln der Büsche seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

Keine Sekunde später brach eine lachende Rin zwischen den Blättern hervor und wäre fast blindlings in die Quelle gestolpert, wenn der Halbdämon nicht nach vorn gesprungen und sie zurückgeschoben hätte. Irgendwo im Hintergrund erkannte er viel zu spät zwei Sachen. Erstens, er hatte dadurch seine Aufmerksamkeit von Sesshoumaru abgewandt und Zweitens war er gerade nackt vor einem Kind. Sehr nackt. Scheiße. Scheiße. Scheiße! Es war offensichtlich, dass die Verlegenheit über Inu Yasha herfiel und trotzdem waren seine Reflexe immer noch schnell genug. Sobald er sich sicher war, dass das Mädchen außer Gefahr war, duckte er sich innerhalb eines Wimpernschlages ins Wasser zurück und versteckte alle exponierten Stellen seines Körpers.

 

„Oh, Inu Yasha-Sama!“ Rin blickte mit einem Lachen zu ihm herüber, scheinbar überhaupt nicht irritiert oder erschrocken über die Situation und er konnte nur hoffen, dass sie nichts gesehen hatte, was sie in ihrem jungen Alter noch nicht sehen sollte. Verdammt, er fühlte sich schon fast so pervers wie Miroku, wenn er hier so schamlos herumsprang und er wollte nicht daran denken, was Kagome zu ihm sagen würde, wenn sie ihn jetzt sehen könnte. Er fingerte unbewusst an dem Rosenkranz um seinen Hals und plötzlich beschlich ihn eine tiefsitzende Angst, dass er, wenn er ihn nicht festhalten, alles von ihr vergessen würde. Seine Schultern sanken ein Stück herab und er unterdrückte ein leichtes Seufzen, als er diesen Gedanken schnell wieder abschüttelte. So sehr er es wollte, er konnte nicht zurückgehen, aber er konnte gleichzeitig auch nicht von ihr loslassen. Zumindest noch nicht.

„Wolltet Ihr Euch auch in der heißen Quelle entspannen?“ Es gab ein kleines Plätschern, dann watete Rin an einem flacheren Stück des Beckens ins Wasser und seufzte glücklich, als die Wärme über ihre Beine kroch. Seine goldenen Augen hoben sich und er kehrte in die Realität zurück, als die sanften Wellen seinen Körper erreichten.

„Das war der Plan...“ murrte er leise und starrte böse zu Sesshoumaru, der seinen Blick mit Unzufriedenheit erwiderte. Blöder Idiot. Warum musste er auch gerade an der Quelle auftauchen, die er für sich ausgesucht hatte? Das Mädchen summte leise und tauchte ihre Hände ins Wasser, ehe sie mit einem sanften Lächeln zu Inu Yasha aufschaute.

 

„Es ist schön Euch wiederzusehen, Inu Yasha-sama. Ich konnte mich das letzte Mal gar nicht von Euch verabschie-“ Sie wurde unterbrochen, als Jaken nach seiner kurzen Ohnmacht wieder neben Sesshoumaru auftauchte, mit großen Augen auf den Halbdämon blickte und dann zu kreischen begann.

„Mischling! Wie kannst du es wagen den Ort zu beschmutzen, den Sesshoumaru-Sama extra für uns ausgesucht hat? Und Rin, in deinem Alter gehört es sich nicht, mit fremden Leuten einfach ein Bad zu nehmen!“

„Jaken-Sama, Inu Yasha-Sama ist weder schmutzig, noch ein Fremder. Er ist ein Freund und unter Freunden sollte man teilen.“

„Dummes Mädchen! Welcher dieser törichten Menschen hat dir denn diesen Unsinn beigebracht?“

„Ihr liegt falsch, Jaken-Sama, das ist kein Unsinn. Würdet Ihr sonst nicht jedes Mal verhungern, wenn Sesshoumaru-Sama oder ich Euch nichts von dem Essen abgeben würden? Was Ihr gesagt habt, war gegenüber Inu Yasha-Sama wirklich sehr unhöflich“, erwiderte sie ungewohnt ernst und ließ den Kappa mit offenen Mund zurück, als sie ihren braunen Augen auf den Daiyokai richtete und der weiche Ausdruck wieder ihr Gesicht ergriff. „Ich werde nach Ah-Uhn schauen. Bis bald, Inu Yasha-Sama.“ Und mit einer leichten Verbeugung verschwand sie wieder in den Wald, wohl wissend, dass sie momentan an dieser Situation nichts ausrichten konnte.
 

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Inu Yasha hätte über Jakens entsetztes Gesicht gelacht, wenn er sich nicht der noch immer bedrohlichen Anwesenheit seines Bruders bewusst gewesen wäre. So zuckten seine flauschigen Ohren nur leicht und er biss sich auf die Lippen, um das Grinsen davon abzuhalten, über seinen Mund zu wandern. Für ein paar Sekunden öffnete und schloss der Kappa seinen Schnabel, ohne das ein Wort ertönte, dann richtete er seinen feuerspeienden Stab auf den Halbdämon, bereit, ihn vollständig zu verbrennen. Ehe der Hanyo reagieren konnte, schickte eine vermeintlich unsichtbare Kraft den kleinen Yokai zurück zwischen die Bäume, wo er erneut mit einem dumpfen Schlag zum Erliegen kam und sich nicht mehr regte.

 

Mit zusammengekniffenen Augen starrte Inu Yasha zurück zu Sesshoumaru, doch dieser sah aus, als hätte er sich um keinen Zentimeter bewegt. Gruseliger Bastard, dachte er und schüttelte gedanklich mit dem Kopf. Doch während ihn der Daiyokai mit seiner üblichen, unberührten Überheblichkeit musterte, hielten seine Augen etwas Scharfes in sich, das normalerweise nicht vorhanden war. Der Halbdämon täuschte Unwissenheit vor und begann stattdessen das Wasser aus seinen Haaren zu streichen, hielt aber inne, als sich ein paar Rinnsale seinen Hündchenohren gefährlich näherte. Er zuckte bei dem unangenehmen Gefühl zusammen, schüttelte dann den Kopf und ließ eine Welle an Tropfen nach allen Richtungen fliegen.

Ein leises Knurren ertönte und Sesshoumaru trat einen guten Schritt zurück, um der beleidigenden Flüssigkeit auszuweichen.

„Hast du keine Manieren?“, fragte er flach und fuhr mit den Fingerspitzen prüfend über Mokomoko, zufrieden, dass das Fell trocken geblieben war.

„Keh, als ob ich so etwas nötig hätte“, schoss Inu Yasha zurück, „nimm endlichen den Stock aus deinem verdammten Arsch und hör auf, so eine Prinzessin zu sein!“

 

Hätte er sich auch denken können, dass er das vielleicht hätte nichts sagen sollte.

 

Das Empfinden von Krallen, die sich um seinen Hals wickelten, war so vertraut, dass er fast nur resigniert Seufzen wollte. Jedoch war das Gefühl gegen Seide, Rüstung und Sesshoumaru gedrückt zu werden, während man selbst nichts anderes als nur die eigene nackte Haut trug, mehr als nur beunruhigend und er wackelte verzweifelt, um nur noch näher an den Körper des Älteren gezogen zu werden.

Inu Yasha hob den Kopf und funkelte in das geschmolzene Gold von Sesshoumarus Augen, die im Gegensatz sein seinen viel härter und kälter wirkten. Kleine Bluttröpfchen quollen an den Einstichstellen seines Nackens hervor und liefen mit dem restlichen Wasser ungehindert über seinen Körper hinweg, als er zeitgleich versuchte, seine eigenen Krallen in das Handgelenk seines Bruders zu schlagen. Der Daiyokai reagierte nicht auf die Wunden an seinem Arm, sondern starrte einfach nur aufmerksam in das Gesicht des Halbdämons, als wäre er sich selbst noch nicht so sicher, was er als nächstes tun würde. Das war definitiv seltsam und würde Inu Yasha nicht gerade vor Luftmangel ersticken, hätte er diese Tatsache sicher weiter in Frage gestellt. Doch im Moment war er mehr damit beschäftigt, die aufkommenden, brennenden Tränen in seinen Augen zu unterdrücken und ein wenig hilflos zu versuchen gegen den Älteren zu treten, um sich irgendwie aus seiner misslichen Lage zu befreien.

 

Der Griff um seinen Hals war definitiv nicht stark genug um ihn zu töten, aber er wusste, wenn er nicht bald etwas unternahm, würde er sicher ohnmächtig werden. Es war schon fast lachhaft, dass ihm diese Situation so verdammt bekannt vorkam und er sich erneut Sesshoumarus Launen aussetzen musste. Wenigstens wirkte sein Bruder gefasster als das letzte Mal und wenn da nicht dieser seltsame Ausdruck in dessen Augen wäre, könnte man fast meinen, es sei alles ganz normal und der ältere Hundedämon würde ihn einfach mit einem abwertenden Kommentar zurück ins Wasser werfen und gehen.

Doch der Daiyokai hielt seine Position und Inu Yashas Magen machte einen kleinen Satz, als eine unbekannte Emotion durch die kalten Pupillen des Anderen blitzte. Die schmalen Augen waren auf einmal voller Neuberechnung und Wissen und der Jüngere glaubte zu verstehen, dass sich irgendetwas geändert haben musste. Was auch immer gerade durch Sesshoumarus Kopf lief, es hatte etwas in ihm ausgelöst und minutiös plätteten sich Hündchenohren, bevor sich der Halt um das Genick des Halbdämons plötzlich lockerte und er tief einatmete.
 

Mit jedem neuen Luftzug, wurde er sich dem starken und vertrauten Geruch seines Bruders bewusst. Eine Mischung aus unberührtem Wald, einem ankommenden Gewittersturm und etwas Scharfen, was er einfach nicht identifizieren konnte. Und darunter pulsierte all das vertraute Yoki in einem stetigen Strom dahin, tief und mit wildem Moschus versetzt, der an Kreaturen und Dunkelheit erinnerte. Es war der Geruch eines Raubtieres. Und.... Familie. Verwirrt und mehr als nur ein bisschen beunruhigt von all dem, begann sich Inu Yasha langsam zurückzuziehen, als er bemerkte, dass er sich zu weit in den Duft hinein gelehnt hatte und seine Nase fast die blasse, glatte Haut des Älteren berührte. Und wie durch ein Wunder, ließ ihn der Hundedämon tatsächlich los und er stolperte ein paar Schritte zurück in die heiße Quelle, Sesshoumaru über ihn aufragend.

Als Inu Yasha klar wurde, dass er noch immer vollkommen nackt und irgendwie schutzlos dastand, griff er nach seinem Hakama, zog die Hose und den Fundoshi an und band sie hastig mit dem Obi zusammen. Sein Blick war misstrauisch, als er den stillen Daiyokai beobachtete, der ihn einfach nicht aus den Augen ließ, so als würde er auf irgendetwas warten.

 

„Was?“, durchbrach der Jüngere irgendwann das Schweigen zwischen ihnen, seine Stimme noch immer rau von dem vorherigen Missbrauch seines Halses.

„Rin mag dich.“ Die plötzliche Aussage war so stumpf und so unerwartet, dass Inu Yasha den Mund öffnete, obwohl ihm keine Erwiderung darauf einfiel. Er hatte mit allen möglichen Beleidigungen gerechnet, aber ganz sicher nicht mit so etwas. Doch wenn er in das Gesicht seines Bruders blickte, wurde ihm klar, dass dieser es vollkommen ernst meinte.

„Ähm.... es scheint so?“ , murmelte der Halbdämon unsicher und fragte sich, in welche Richtung dieses Gespräch wohl gerade ging.

„Hn.“ Als würde dieses Wort die Welt erklären, hob Sesshoumaru den Kopf, bevor er sich scharf in die Richtung umwandte, in die Rin verschwunden war. Fast zeitgleich hallte ein Brüllen und Krachen durch den Wald und beide Brüder waren innerhalb weniger Sekunden zwischen den Bäumen verschwunden, um sich dem entgegenzustellen, was auch immer da kommen mag.
 

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Inu Yasha, der nur schnell nach Tessaiga und seinem Haori greifen konnte, erhaschte einen kurzen Überblick über die Situation, ehe das Schwert in seinen Händen mit einem Brüllen erwachte und er eine Kaze no Kizu in Richtung des Skorpiondämons schickte. Das Biest kräuselte sich unter seinem Angriff hinweg und schlug mit seinem Stachel in seine Richtung, wurde aber von der leuchten grünen Peitsche des Daiyokai abgelenkt, der wenige Meter über den Boden schwebte.

Der Halbdämon erkannte aus dem Augenwinkel, wie Rin sich hinter einem Baum presste, Jakens bewusstlose Gestalt neben sich auf den Boden und er fluchte leise, als der den Drachen seines Bruders auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung entdeckte. Er wich dem heranfliegenden Schwanz des Yokai aus, blockierte die aufgewirbelten Steine und Dreckklumpen mit Tessaiga und schoss dann zu dem Mädchen, die bei seinem plötzlichen Auftauchen erschrocken aufkeuchte, bevor ihre Augen vor Erleichterung glänzten.

„Hier. Das sollte dir für den Moment genügend Schutz geben.“ Damit warf Inu Yasha seinen Haori über Rins kleiner Gestalt, die von dem langen Stoff fast verschluckt wurde und war in Sekundenschnelle wieder zurück ins Kampfgeschehen gesprungen.

 

Sesshoumaru hatte den Skorpion in der Zwischenzeit auf einem Augen erblinden lassen und schnitt eine tiefe Wunde in den Rumpf der Bestie, ehe er der nächsten Windnarbe des Halbdämons ausweichen musste. Fast schon amüsiert beobachtete er, wie sein halbnackter jüngerer Bruder den Angriffen des Dämons auswich und dabei wie ein aufgeregter Welpe knurrte und Obszönitäten bellte, als er vergeblich versuchte, einen gescheiten Treffer zu landen. Nachdem er sich das Schauspiel noch einige Minuten angeschaut hatte, zog er in einer fließenden Bewegung Bakusaiga aus seiner Scheide und ließ sein Yoki aufflammen, sodass die Klinge in ein unheimlich grünes Licht getaucht wurde.

Inu Yasha, der den plötzlich Anstieg der Energie gespürt hatte, rollte unter dem Körper des Dämons hervor und warf sich beiseite, ehe er selbst zum Opfer der Zerstörungskraft von Sesshoumarus Kenatsu wurde. Der Yokai zischte wütend, drehte sich zu dem schwebenden Hundedämon und richtete sich zu seiner vollen Größe auf - bevor er jäh in seiner Bewegung innehielt und sich sein verbliebenes Auge auf den kleinen Flecken Rot konzentrierte, der sich in einigen Metern Entfernung hinter einem Baum versteckte. Mit einem Brüllen und einem unerwarteten Geschwindigkeitsschub, schoss er zur Seite, ließ seinen Schwanz nach vorn schnellen und schlug augenblicklich nach dem roten Ding, nur um von einer scharfen Klinge in zwei Hälften geschnitten zu werden, die sich von unten in sein Körper bohrte.

 

„Verdammtes Arschloch!“ Der Halbdämon presste sich mit aller Kraft gegen den schweren Torso des Skorpions, Tessaiga fest in dem Fleisch eingebettet. Der Dämon wölbte sich auf, versuchte das Schwert aus sich herauszuholen, aber je mehr er sich bewegte, desto tiefer rutschte es hinein. Mit einem letzten Aufbäume, stieß er seinen Stachel nach unten und erwischte den Körper unter sich mit der Ecke der tödlichen Spitze, bevor es einen plötzlichen Ruck gab und die Waffe quer durch seinen Hals schnitt.

Blut spritze, Rin schrie entsetzte auf und Inu Yasha taumelte nach hinten, als der Yokai leblos neben ihn auf den Boden knallte.

„Fuck... schrei nicht so Rin!“ Das Brennen von etwas Fremden in seinen Adern lenkte den Halbdämon von dem Mädchen ab und er blickte auf seine Schulter, in der sich ein glänzend schwarzer Splitter des abgebrochenen Stachels eingebettet hatte. Seine Vision verschwamm für einen Moment, dann verstand er, was ihn so an diesem Gefühl störte. Gift. Dieser verdammte Skorpion war tatsächlich giftig gewesen! Scheiß Arschloch...

 

„Inu Yasha-Sama! Geht es Euch gut?“ Rin hatte sich ziemlich schnell wieder gefasst, war vorgetreten und packte den Halbdämon am Arm, als sie ihn ein wenig Schwanken sah.

„Keh, alles gut“, murmelte er, ehe seine Knie nachgaben und er etwas unelegant auf den Boden landete, Tessaiga in seiner kleineren Form neben ihm.

„Verzeiht mir, Inu Yasha-Sama, aber ich denke nicht, dass Ihr in Ordnung seid.“ Klang die Stimme des Mädchens immer schon so weit weg? Sie stand doch gerade noch neben ihm... Sein Blickfeld verschwamm plötzlich zu weißen und blauen Farben, dann ragten die Bäume über ihm hinaus und er musste mehrmals blinzeln, bis er erkannte, dass er den Himmel anstarrte. Von irgendwoher ertönte ein gereiztes Knurren.

„Wertloser Hanyo. Du bist selbst für Rin nutzlos, wenn du so anfällig für Gefahren bist.“ Für einen Moment war sich der Halbdämon nicht sicher, wer die Worte gesprochen hatte, bis ein dunkler und gefährlicher Geruch seine Nase erreichte.

 

Sesshoumaru.

 

Warum war sein Bruder dort? Hatte er etwas verpasst? Irgendetwas sagte ihm, dass er den Älteren im Augen behalten sollte, aber er konnte sich nicht mehr daran erinnern warum dies so war. Stattdessen wallte das Blut unter seiner Haut auf, er konnte spüren wie sein Dämon an die Oberfläche krabbelte und sich zwanghaft aus seinem Gefängnis schälte. Inu Yasha biss die Zähne zusammen, versuchte den Drang zu unterdrücken und kämpfte gegen sich selbst an. Verdammt, er durfte nicht die Kontrolle verlieren! Nicht hier, nicht wenn Rin noch irgendwo in der Nähe war!

Plötzlich kniete sich ein Schatten neben ihn und beugte sich in sein Blickfeld, goldenen Augen starrte aufmerksam in seine rotgefleckten Pupillen und das Biest in ihm biss gefährlich nach dem fremden Yokai, in seinem Delirium nicht wissend, wer die Person neben ihm war. Gefahr! Töte ihn! Töte ihn! Wieder ertönte ein Knurren, dieses Mal viel näher, lauter und befehlender und dann erhob sich eine fremde und doch so vertraute Aura über den Halbdämon und drückte die ausbrechende Kraft in ihm mit Gewalt zurück. Das unbekannte Yoki flutete in seinen Körper, schien sich auszubreiten und seine Zellen zu zerreißen, der Schmerz verdoppelte sich und als ein leises Jammern drang aus der Kehle des Hanyo, als sein Geist zwanghaft aus dem Nebel des Terrors gezogen wurde.

 

Inu Yashas Augen flatterten auf und zu, die Gestalt über ihm verschwamm für ein paar Atemzüge, ehe er sich wieder fokussieren und zur Besinnung kommen konnte. Seine nebeligen Pupillen glitten orientierungslos über magentafarbene Streifen auf Augenlider und Wangen, einen dunklen Halbmond, der in einem lebhaften Kontrast zu der weißen Haut und den silbernen Haaren stand und er versuchte sich verzweifelt daran zu erinnern, wer der Fremde war. Wer bist du...? Diese Person war ihm so vertraut. Woher nur kannte er ihn? Diese Markierungen... er hatte sie schon einmal gesehen, aber... noch nie so bemerkt... Großer Bruder?

„Wenn du das überlebst, stehst du in meiner Schuld.“ Der tiefe Bariton vibrierte in Inu Yashas Hündchenohren, holte ihn in das Hier und Jetzt zurück und fast schon gefügig sah er zu, wie fremde Krallen das Bruchstück aus seiner Schulter zogen und es beiseite warfen. Sesshoumarus Augen verengten sich bei der strengen Betrachtung der Wunde leicht und er warf einen letzten Blick auf das blasse Gesicht seines Bruders, bevor er leise hinzufügte: „Und das „Wenn“ ist hierbei sehr groß.“

 

Das Letzte was Inu Yasha sah, waren die grünen, giftumnebelten Klauen des Älteren, die in seine offenen Adern einsanken, bevor der Schmerz explodierte und über seinen Körper hinwegrollte.

 

Und dann war seine Welt nichts als schwarze Qual.
 

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wichtige japanische Wörter:

 

Ningen: abfällige Bezeichnung für Menschen

 

Kami: Gott

 

Reiryoku: spirituelle oder göttliche Kraft

 

Yoki (oder auch Yoryoku): dämonische Energie und die Lebenskraft eines Yokai. Kann sowohl die körperlichen Fähigkeiten verbessern (Inu Yashas Sankon Tesso, um die Stärke und Angriffsreichweite seiner Klauen zu erhöhen), als auch Konstrukte bilden (Sesshoumarus Lichtpeitsche) oder in Form von Elementen kanalisiert werden

 

Kenatsu: eine Fähigkeit die hauptsächlich von Yokai-Schwertern besessen wird. Wenn Yoki in das Schwert geschleudert wird, kann der Benutzer seine Feine schlagen, ohne dass die Klinge physischen Kontakt hat. (Unter solch einen Angriff fällt zum Beispiel Inu Yashas Kaze no Kizu)

 

Yoketsu: visuelle Manifestation der dämonischen Energie in Form eines Strudels hinter einem Yokai. Wird dieser Wirbel und das damit verbundene Yoketsu durchtrennt, wird der Dämon sofort getötet.

 

Jaki: bösartige Energie, die ähnlich der dämonischen Aura ausgestrahlt wird. Entsteht aus der dunklen Natur

oder dem Willen (Yin) eines Individuums

 

dämonisches Jaki: jeder Dämon und Mensch besitzt das Potenzial Jaki auszustrahlen. Je böser der Yokai ist, desto größer sind die Fähigkeiten in der Kontrolle, Verwendung und Stärkung des Jaki, um Objekte und Menschen zu kontrollieren

 

Höllenjaki: entstand durch die vielen bösartigen Kreaturen in der Hölle und ist auch im Meido vorhanden

 

Shoki: alternative Bezeichnung von Miasma oder auch Sumpfgas genannt

 

Vergiftet


 

N°6: Vergiftet
 

 

Er ging durch die Dunkelheit, in die Dunkelheit und aus der Dunkelheit. Es war nur er und würde es für immer sein. Sein Wesen war nicht enthalten, frei und treibend, die Barrieren um ihn herum waren nicht mehr existent. Die Freiheit erschreckte ihn, es gab nichts, woran er sich festhalten konnte und doch verspürte er danach das bittersüße Bedürfnis des Verlangens.

 

Und alles flog auseinander.

 

Es tat weh sich zu bewegen, weil er sich nicht bewegen konnte. Es war, als ob ein Netz aus Feuer unter seiner Haut kochte, krank und heiß sprudelte es in seinen Adern und verbrannte ihn von innen heraus. Wenn er gekonnt hätte, hätte er geschrien. Hätte dieses Gefühl in sich angeschrien, welches in seinem Körper wütete, sich über die Sehnen ergoss und die Muskeln in Flammen setzte. Er wollte das es aufhörte zu brennen, unaufhörlich, schleppend, zäh. Doch er konnte nicht atmen, er konnte nicht denken und hier an diesem Ort des absoluten Nichts, gab er nur ihn. Nackt und in seiner einfachsten Form, kitzelte ihn der fieberhafte Wahnsinn und er verlor sich in dem eisigen Griff des Todes, der ihn fest umklammerte.

Inu Yashas Bewusstsein zog sich zusammen und versuchte diesen verzehrenden Schmerz zu lindern, aber er wickelte sich nur noch weiter um ihn und hielt ihn an seiner Stelle. Der Halbdämon verspürte die Notwendigkeit freizugeben. Grenzenlos zu sein und sich auszudehnen, bis er die Ecken des Universums erreichen konnte. Denn das Versprechen nach Freiheit war groß. Freiheit von den Menschen in seiner Umgebung, Freiheit von sich selbst. Er musste nur loslassen, einfach ausatmen und nie wieder einatmen.

Und für den Moment glaubte er daran und ließ sich wieder treiben, fühlte wie Teile von ihm davon schwebten.

 

Frei – endlich frei.

 
 

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Vergiftet.

 

Sieben Tage und sieben Nächte lang verwüstete ihn das Fieber. Tagelang nur zittern und keuchen, unfähig mehr als nur dünne Brühe zu essen, kaum mehr Nahrung als Wasser, um schlussendlich überhaupt nichts mehr essen zu können. Inu Yashas Augen rollten unter seinen Augenlidern, seine Haut war feucht und schweißnass und seine weißen Haarsträhnen klebten an seiner Stirn. Es war zu viel für ihn, sein Körper war blass und seine Sehnen zuckten vor Anstrengung, obwohl es nichts gab, mit dem sie hätten belastet werden können. Die Wunde an seiner Schulter war rot und blutig, aufgerissen von dem Stachel und verätzt von der Säure. Seine Adern stachen hervor, entblößt und gefüllt mit zwei Arten von Giften, die sich gegeneinander aufbäumten und versuchte, die Oberhand über den jungen Halbdämon zu gewinnen.

 

Inu Yasha würde sterben.

 

Rin seufzte leise und sah auf den leidenden Hanyo hinunter, als sie ihm ein feuchtes Tuch auf die Stirn legte. Augenlider teilten sich, ein kurzer weißer Blitz und dann waren sie wieder verschlossen, verloren für die Welt in einem giftigen Delirium. Es wiederholte sich tagtäglich, ein immerwährender Alptraum. Sie wusste genau, dass sie nicht viel für den Halbdämon tun könne, außer über ihn zu wachen und das Wissen anzuwenden, welches sie bei Kaede gelernt hatte. Aber dennoch war sie fest davon überzeugt, alles in ihrer Machtstehende zu tun, um irgendwie zu helfen. Das war sie ihm schuldig.

Ihre braunen Augen wanderten über den sterbenden Hanyo, der von dem flackernden Licht in einen goldenen Schein getaucht wurde und für einen Augenblick starrte auch sie gedankenverloren in das Feuer und verfolgte das Züngeln der Flammen an dem trockenen Holz. Sie hatte Angst. Angst um den Halbdämon. Angst vor der Zukunft.

 

Denn was sie tun konnte, war nicht genug. Sie hatte keinerlei Erfahrung mit Giften und so wie Inu Yasha im Moment aussah, war es nicht nur die toxische Substanz, die ihn quälte. Eine Infektion musste die Hitze tief unter seine Haut gebracht haben, eine abscheuliche und kranke Hitze, die ihn von innen heraus tötete. Und sie hatte keine Ahnung, wie sie diese aufhalten sollte. Die Menschen im Dorf, die ähnliche Symptome zeigten, waren innerhalb weniger Tage gestorben, da selbst Kaedes Heilkräuter nicht stark genug waren, um die Qual zu lindern und hier, inmitten des Waldes, gab es keine Pflanzen die ihr nützlich sein könnten. Außerdem war Inu Yasha ein Halbdämon und die wenigen Male, in denen das junge Mädchen ihn verletzt gesehen hatte, hatte er den Schmerz und die Verletzungen immer hartnäckig ertragen und dagegen angekämpft. Aber vielleicht war er jetzt zu weit von seinem Bewusstsein entfernt, um dies tun zu können.

 

Also badete Rin seine Haut und versuchte vergeblich, sein Fieber zu kühlen und ihn mit der mageren Suppe zu füttern, die sie mit den wenigen Zutaten aus dem Wald herstellen konnte. Für seinen Schmerz gab es nichts. Noch einmal befeuchtete sie das Stückchen Stoff, drehte das Wasser heraus und legte es über seine Stirn, ein paar Haarsträhnen hatten sich über sein Gesicht verirrt und sie strich diese mit einem traurigen Ausdruck sanft beiseite. Sie wollte nicht das er starb, aber sie fühlte sich so nutzlos und am allerschlimmsten war dieses ständig nagende Gefühl der Schuld an ihrem Herzen. Es war ihre Schuld, dass der Halbdämon verletzt wurde, dass er ihr seinen Haori gegeben hatte und dadurch so schutzlos gegenüber dem Skorpion war. Wenn sie nur nicht so unachtsam gewesen wäre...

Es hatte sie viele Bitten und Überredungen gekostet, Sesshoumaru davon zu überzeugen, sie in eine kleine Höhle zu führen, den bewusstlosen Hanyo über Ah-Uhns Rücken gelegt und einen entsetzt dreinblickenden Jaken an seiner Seite. Der Daiyokai hatte ihr die volle Verantwortung für seinen jüngeren Bruder übertragen und sie angewiesen, den Unterschlupf nicht zu verlassen, bevor der Hanyo nicht gestorben sei, ehe er spurlos verschwand und bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr auftauchte. Der kleine Kappa hatte sich beschwert, aber niemand achtete auf ihn und am Ende wurde er mit einem tödlichen Blick zum Schweigen gebracht, bevor er den scharfen Befehl erhielt bei ihr zu bleiben. Seitdem hockte Jaken missmutig am anderen Ende der Höhle und warf immer wieder böse Blick in ihre Richtung oder murmelte leise Worte, die sie einfach ignorierte.

 

Ihre Finger griffen nach dem kleinen Dolch, den sie zufällig in einer Innentasche von Inu Yashas Haori gefunden hatte und sie drehte die Waffen zum wiederholten Male in ihren Händen. Die schlichte Schönheit faszinierte sie, obwohl sie nicht genau sagen konnte warum. Der Griff passte seltsam gut in ihre Hand, nicht zu schwer, aber auch nicht zu leicht und das eingravierte Muster erinnerte sie an die unzähligen Blumenfelder im Frühling. Obgleich sie keine Ahnung von Waffen hatte, war sie sich sicher, dass die Klinge scharf und tödlich war, aber sie traute sich nicht die umhüllende Scheide vollständig abzuziehen, weil sie das Gefühl hatte etwas zu öffnen, was ihr nicht zustand. Schließlich war es gut möglich, dass der Dolch ein Geschenk von Inu Yasha an Kagome gewesen war und nun, da die Priesterin nicht mehr da war, hielt er es als Erinnerungen fest bei sich und wäre sicher nicht froh darüber, wenn jemandes anderes die Klinge nutzen würde.

 

Rin konnte sich noch gut an den Tag erinnern, an dem die junge Miko für immer gegangen war. Sie hatte den schmerzhaften Blick in den Augen des Halbdämons gesehen und obwohl sie noch jung war, verstand sie seinen Verlust. Als er in den folgenden Tagen nicht auftauchte, war sie fast bereit gewesen nach ihm zu suchen, doch Kaede hatte sie nicht gehen lassen wollen. „Gib ihm Zeit“, waren ihre Worte und obwohl es ihre Sorge nicht linderte, vertraute sie auf die Vorahnung der alten Priesterin. Dann tauchte Inu Yasha eines Nachts einfach wieder in ihrer Hütte auf, stiller und verschlossener als sonst und er hatte sie angeblickt und gemeint: „Kagome ist dort, wo sie immer hätte sein sollen.“ Und ab diesem Zeitpunkt ging alles wieder seinen gewohnten Gang, auch wenn sie sehen konnte, dass der Hanyo nie diesen traurigen Ausdruck in seinen Augen verlor.

Er hatte drei Jahre lang auf Kagome gewartet. Drei Jahre, in denen ein anderer bestimmt schon längst weitergezogen wäre. Doch Inu Yasha blieb standhaft und glaubte daran, dass Kagome eines Tages wieder zu ihm zurückkehren würde und als sie dann plötzlich wieder da war.... sie hatte ihn wahrscheinlich noch nie so glücklich gesehen - und gerade deswegen schmerzte es sie daran zu denken, dass er am Ende die Miko für immer loslassen musste.

 

Während sie unter Kaedes Obhut stand, fand sie sich ziemlich häufig in der Gesellschaft des Hanyo wieder. Anfänglich war sie von seiner rauen Art etwas irritiert, war er doch so anders zu Sesshoumarus stillem Auftreten, aber irgendwann hatte sie einfach angefangen darüber hinauszusehen und sie erkannte, dass Inu Yasha unter seinem unhöflichen Verhalten noch so viel mehr versteckte. Vielleicht war dies einer der Gründe, warum sie schlussendlich eine seltsame Freundschaft zueinander aufbauten oder weil es sich der Halbdämon heimlich zur Aufgabe gemacht hatte über sie zu wachen, wenn er glaubte niemand würde es bemerken.

Denn von all den Dingen, die Rin über Inu Yasha gelernt hatte, war sie sich einer Sache ganz sicher: Der Hanyo war viel einfühlsamer und emotionaler, als es auf den ersten Blick schien und in gewisser Weise ähnelten sich die beiden Brüder in dieser Hinsicht wahrscheinlich mehr, als es ihnen lieb wäre. Denn wo Sesshoumaru seine Emotionen hinter einer kalten Maske streng verborgen hielt, versteckte Inu Yasha sie hinter einer Front seines impulsiven Charakters und das Mädchen zweifelte nicht daran, dass Dämonen in solchen Dingen weitaus komplizierter waren, als dass Menschen jemals ein tieferes Verständnis dafür entwickeln könnten.

 

Was auch immer das tiefere Wesen der Hundedämonen war, sie würde es vermutlich nie vollständig erkennen können.

 
 

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Ein leises Keuchen riss Rin aus ihren Gedanken und sie blickte überrascht zu Inu Yasha, dessen rissige Lippen sich teilten, bevor ein fast lautloses Wort aus seiner Kehle drang.

„M-Mutter.“

Ihre Kehle wurde staubtrocken und sie konnte den Stich der Traurigkeit nicht verhindern, wie sie auch ihre eigenen Tränen nicht aufhalten konnte, still zu fließen. Ein Zittern durchlief ihren Körper und sie presste die Zähne fest zusammen, in dem mageren Versuch stark zu bleiben. Wie sie sich wünschte jemand wäre in diesem Moment bei ihr, um sie in den Arm zu nehmen, dass jemand anderes auf dem Sterbebett lag, als ein ihr liebgewonnener Freund.

Doch hier saß sie, allein in einer kahlen Höhle und versuchte verzweifelt die Nässe auf ihren Wangen abzuwischen und das Schluchzen aus ihrem Mund zu unterdrücken. Ohne Erfolg. Rin strich mit dem Handrücken über Inu Yashas erhitzte Haut und drückte dann die Stirn auf seine Brust, sein Haori bald feucht von ihren Tränen.

Niemand hatte es verdient allein zu sterben, vor allem nicht Inu Yasha.

 

Ihre Finger verkrampften sich um den roten Stoff des Feuerrattengewandes und das Mädchen konnte den leisen Herzschlag unter sich fast nicht mehr hören, wie auch das Heben und Senken des Oberkörpers immer langsamer wurde. Ihre Hände streiften nach oben, schlangen sich vorsichtig um den Hals des Halbdämons und umarmten ihn fest, während Rin ihren Kopf an den heißen Nacken presste.

„Bitte Inu Yasha... stirb nicht“, flüsterte sie schniefend und hoffte irgendwie darauf, dass sie die Krankheit aus seinem Körper drängen könnte, wenn sie ihn nur lange genug halten und nicht loslassen würde. So war das plötzlich heftige Aufflackern des Feuers die einzige Warnung die sie erhielt und als sie sich aufrichtete, war er nahe genug, um sie beide zu töten. Doch Sesshoumaru stand einfach nur regungslos am Eingang der Höhle, als wäre er die ganze Zeit dort gewesen.

„S-Sesshoumaru-Sama.“ Der Name kam etwas ungläubig über Rins Lippen und für einen Augenblick konnte sie sich nicht entscheiden, was sie tun sollte. Also verweilte sie in ihrer fast schon beschützenden Position und schenkte dem Daiyokai trotz der Tränen ein Lächeln.

„Er ist dem Tode nahe.“ Die kühle Feststellung ließ das erleichterte Gefühl im Körper des Mädchens schwinden und sie nickte leicht müde, als sie wieder auf den Halbdämon starrte. Es gab eine abrupte Bewegung von links, den Ansatz einer schrillen Stimme, aber so schnell wie es begonnen hatte, war es auch wieder vorbei und Jaken lag zusammengesunken in der Ecke, wo er die letzten Stunden geschlafen hatte. Ah-Uhn hob nur einen seiner Köpfe, ein sanftes Schnauben ertönte als Begrüßung, bevor er sich wieder zusammenrollte und seine Augen schloss.

 

„Sesshoumaru-Sama....“ , begann Rin wieder leise und konnte die kalten Goldaugen auf sich spüren, „I-ich kann nichts für Inu Yasha tun... sein Fieber steigt die ganze Zeit und er ist halb verhungert, weil ich ihn durch seinen geschwollenen Hals nicht zum Essen bringen kann... Und das ist alles nur meine Schuld!“

„Sei nicht töricht, Rin. Du trägst keine Schuld an der Schwäche des Hanyo.“

„Aber es ist!“ Ihr plötzlicher Ausbruch überraschte sie beide, obwohl es der Hundedämonen nicht zeigte. Doch das Mädchen achtete nicht darauf, denn im Augenblick war sie zu überwältigt von ihren eigenen Emotionen und sie wurde sich schlagartig bewusst, dass sie in ihrem jungen Alter nicht wirklich damit umgehen konnte. Ihre Standhaftigkeit der letzten Tage begann zu brechen. „Ich meine... wenn ich nicht gewesen wäre, wäre er nicht verletzt wurden. Egal was ich tat, alles war nutzlos. Ich bin für seinen Tod verantwortlich!“

Sesshoumarus Blick wurde härter und er schritt in den kleinen Unterschlupf hinein, seine Gestalt füllte fast die komplette Höhle. „Wenn er stirbt, dann nur, weil er aufgehört hat zu kämpfen. Er traf seine eigene Entscheidung, als er sich dazu entschlossen hatte dem Yokai entgegen zu treten, obwohl er in diesem Moment schutzlos war. Es ist seine Dummheit, die ihn das Leben kostet.“

„Das ist nicht wahr!“ Rin wäre fast aufgesprungen, doch sie wollte sich nicht aus ihrer Position lösen und schüttelte nur heftig den Kopf. „Es ist nicht wahr... Inu Yasha hat mich beschützt, wie er jeden seiner Freunde beschützen würde. Er hat mich beschützt, wie er Kagome beschützen würde und daran gibt es nichts falsches.“ Ihre wässrig braunen Augen starrten in ausdrucksloses Gold, die Tränen rannen weiter über ihre Wangen.

„Er beschützte mich so, wie Ihr mich immer beschützt habt.“

 

Sesshoumaru schwieg und blickte auf das menschliche Kind, welches er vor mehr als vier Jahren in seine Obhut aufgenommen hatte. Nur das an seiner Stelle kein Kind mehr saß. Längst waren die Tage des stummen und gebrechlichen Kindes vorbei. Rin war zu einem jungen Mädchen herangewachsen, welches sich nicht länger mehr nur um Blumenfelder kümmerte. Sie lernte auf eigenen Beinen zu stehen und auch wenn sie manchmal noch ein wenig wackelte, begann sie ihren Verstand dort zu nutzen, wo es wichtig war.

Das junge Mädchen, welches Tenseiga einst aus einer scheinbaren Laune heraus gerettet hatte, war älter geworden, erwachsen. Und sie hatte das erste Mal seit ihrer gemeinsamen Reise den Mut entwickelt, ihm zu widersprechen. Gleich zweimal. Irgendwo in ihm verspürte er das zufriedene Gefühl des Stolzes. Kinder wurden doch so seltsam schnell alt.

 
 

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Ein erstickender Aufschrei riss beide aus ihrer stillen Betrachtung, Inu Yasha drehte den Kopf und verzog das Gesicht vor Schmerzen. Sein ganzer Körper spannte sich an, Fäuste ballten sich und Krallen kratzten nutzlos über den glatten Stein. Ein Zittern erfasste ihn, der Schweiß begann augenblicklich zu fließen und ein Geräusch, welches einem kläglichen Wimmern am ähnlichsten klang, brach aus seinen Lippen hervor. Feuchtigkeit begann unter seinen Wimpern zu glitzern und dann lief die erste und einzige Träne – er war gefangen in einem fieberhaften Alptraum.

Rin keuchte erschrocken auf und versuchte die windende Gestalt des Halbdämons möglichst ruhig zu halten und verpasste dabei den sich verengenden Blick des Daiyokai. Inu Yasha war schwach. Unter normalen Umständen hätte er sich wenig für diese Erkenntnis interessiert, immerhin war der Junge nur die Hälfte von ihm. Aber dies waren keine normalen Umstände und Sesshoumaru wurde wütend.

Der Hanyo war nach all den Kämpfen stark genug geworden, um dem Gift seiner Säureklauen zu widerstehen und das schädliche Skorpiongift mit den befindlichen Toxinen in seiner Blutbahn zu verbrennen und doch würde er im Nachhinein an einer einfachen menschlichen Infektion sterben. Für einen Moment streifte seine Hand Tenseiga, doch das Schwert blieb schmerzhaft stumm und würde nicht auf seine stille Anfrage reagieren. Es war erniedrigend daran zu denken, dass ein Sohn des Inu no Taisho auf eine solche demütigende Art und Weise zu Grunde gehen würde, dass selbst das Schwert des Himmels ihn für unwürdig hielt.

 

Doch Sesshoumaru würde nicht zulassen, dass dies die letzte Schlacht war, die der Hanyo in dieser Welt schlagen würde. Der Halbdämon hatte noch immer seinen Zweck und nach alldem, was er zuvor beobachtete hatte, schien Rin tatsächlich eine Freundschaft zu ihm entwickelt zu haben und würde es sicher nicht gut verkraften, ihn sterben zu sehen. Seine goldenen Augen wurden härter und er starrte zu dem Mädchen, von dem die Angst in Wellen abzurollen schien, bevor er wieder zu seinem Halbbruder blickte. War er nicht derjenige gewesen der dafür sorgen wollte, dass der Hanyo sich nicht selbst umbrachte? Oh Inu Yasha würde tief in seiner Schuld stehen. Sehr tief.

„Rin.“ Ihr Name reichte aus, damit ihr Kopf sofort zu ihm schnappte und er konnte den Hoffnungsschimmer in den braunen Augen deutlich sehen. „Wenn du ihn retten willst, bereite etwas Brühe vor die er schlucken kann und geh frisches Wasser vom Fluss holen.“

 

„Sofort Sesshoumaru-Sama!“ Und zurück war das Kind, welches ohne Zweifel jedem seiner Befehle folgen würde. Schnell wischte sie sich ihre eigenen Tränen von ihrem Gesicht und sprang dann auf, um die mageren Reste der Suppe in einem kleinem Topf zu erwärmen, den sie neben anderen Dingen von Kaede als Abschiedsgeschenk erhalten hatte, ehe sie mit einer Schüssel hinaus zum Fluss verschwand. Der Hundedämon näherte sich dem Halbdämon, sobald das Mädchen verschwunden war und ließ seinen kühlen Blick über dessen Körper laufen.

Die einst sonnengebräunte Haut war tödlich blass, der Hanyo schnappte hechelnd nach Luft und seine Augen waren zwischen dichten, schwarzen Wimpern kaum sichtbar; blind und nicht sehend in seiner Betäubung. Sesshoumaru hatte ihn noch nie so gesehen. Er fand es unpassend. Der Daiyokai beugte sich nach unten, sodass sein Mund nur noch wenige Zentimeter vor einem der Welpenohren entfernt war und sprach dann mit einer Stimme, die kaum über ein flüstern hinausging:

„Du wirst erst sterben, wenn ich es dir erlaube, kleiner Bruder. Nicht früher. Ich habe deinen Tod für mich beansprucht und ich bin der Einzige, der dich töten kann. Vergiss das nicht.“

 

Sesshoumaru heizte das Lagerfeuer noch einmal an. Die Flammen schlugen nun fast bis zur Decke der kleinen Höhle und erzeugten eine brennende Hitze auf der Haut. Ah-Uhn wurde gemeinsam mit einem bewusstlosen Jaken nach draußen geschickt, denn der Hundedämon hatte wenig Geduld in diesem Moment auch mit dem nervigen Kapps umgehen zu müssen.

Alles was dem Halbdämon im Moment helfen würde war Wärme und der Daiyokai zog das rote Gewand von seinem Bruder. Binnen weniger Minuten, begann der Hanyo zu schwitzen, obwohl sein Körper zitterte, als ob ihm kalt wäre. Doch die Infektion musste noch hinauskommen. Sesshoumaru roch an der einfachen Brühe, ein paar wilde Kräuter, Pilze und Nüsse, die der Wald im Herbst zu bieten hatte. Es würde niemanden groß ernähren können, aber für Inu Yasha war dies vollkommen ausreichend. Wenn er Glück hatte, würde ihm das genügend Energie geben, damit sein dämonisches Blut die Krankheit abwehren konnte.

Mit einem letzten unzufriedenen Blick auf den Halbdämon, fragte sich der Daiyokai wütend, wann er zu einem Kindermädchen für seinen kranken Halbbruder geworden war, eher er einen Schluck der Flüssigkeit in den Mund nahm und Inu Yashas Kopf am Nacken nach oben hob. Er drückte mit seiner verbliebenen Hand den Kiefer ein Stück weit auf, bevor er seine Lippen auf die des Hanyo drückte und die Suppe langsam nach unten fließen ließ, während er seinen Hals massierte, um das Schlucken zu erleichtern.

 

Es dauerte fast eine viertel Stunde, ehe die Schüssel zur Hälfte geleert wurde und mehr als einmal musste Sesshoumaru den Drang unterdrücken, den Jüngeren einfach zu erwürgen, weil er ihn zu einer solch erniedrigenden und mühseligen Arbeit zwang. Als er den Kopf schließlich wieder senkte, bemerkte er die feine Schweißschicht, welche sich durch die Hitze selbst auf seiner Haut gesammelt hatte und er knackte mit den Fingerknöcheln, als er einen Schritt zurücktrat. Inu Yasha hatte sich während der Prozedur kein einziges Mal bewegt und das trieb ein fast unmerkliches Stirnrunzeln auf das Gesicht des Hundedämons.

Er war kein Yokai der Schwäche tolerierte und dies war der Hanyo, der Naraku getötet und es gewagt hatte, ihm ein Arm abzuschneiden. Dies war sein Halbbruder, der sein Leben für andere opferte, der drei Jahre lang unerbittlich auf das eine Mädchen gewartet hatte und immer der dumme, treue Wachhund eines menschlichen Dorfes gewesen war. Und jetzt lag der laute und dreiste Idiot still, krank und verletzlich nur wenige Zentimeter vor ihm im Sterben.

Sesshoumarus Lippen kräuselten sich, er war mehr als nur unzufrieden.

 

Im selben Augenblick kam Rin zur Öffnung der Höhle hinein, das Wasser schwappte ein wenig hin und her, tropfte aber nicht auf den Boden. Ihr Gesicht war leicht gerötet, vermutlich war sie schnell gelaufen und die Wärme in der Höhle machte es ihr nicht einfacher, wieder zu Atem zu kommen. Mit einem sanften Ausdruck stellte sie die kühle Flüssigkeit neben den Halbdämon und richtete dann ihren Blick auf den Daiyokai, der ihre Bewegungen mit stummer Miene verfolgte.

„Geh dich ausruhen, Ah-Uhn wird dich warmhalten.“ Der Hundedämon wusste, dass das Mädchen seit einer guten Woche nicht mehr anständig geschlafen hatte und wenn er die Infektion vollständig aus dem Körper des Hanyo herausholen wollte, musste er das Feuer noch einmal richtig Hochheizen, um sein Fieber zu brechen – etwas, was Menschen nicht verkraften würde. Sollte Inu Yasha zu Bewusstsein kommen, würde er sich von dort aus erholen können.

„Ja, Sesshoumaru-Sama.“ Mit einer Verbeugung lief Rin zurück zum Ausgang, hielt dann aber noch einmal inne und drehte sich zu ihm zurück. „Ich danke Euch. Für alles.“ Der aufrichtige Ton in ihrer Stimme, ließ ihn den Kopf zu ihr drehen und sie schenkte ihm das gleiche strahlende Lächeln, welches sie ihm an dem Tag gab, als er sie in dem Wald nach den Verletzungen in ihrem Gesicht fragte. Er, verletzt durch die Windnarbe, noch unfähig sich zu bewegen und sie, ein kleines, verwaistes Mädchen, welches über eine solch einfache Frage tatsächlich lächelte. Für ihn. Seine Augen weiteten sich minimal, zu wenig als dass sie es bemerken könnte, ehe seine Maske zurück an ihren Platz rutschten.

„Geh schlafen, Rin.“ Nichts weiter wurde gesagt, das Mädchen verschwand nach draußen und ließ den Daiyokai mit den Halbdämon allein.

 
 

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Sein Bewusstsein kehrte schleppend langsam zu ihm zurück und doch konnte Inu Yasha nicht vollständig erwachen. Als würde er durch die Dunkelheit schwimmen, schaffte er es manchmal einen Teil seiner Umgebung wahrzunehmen, konnte beinahe die Kraft aufbringen, seine Augen zu öffnen, bevor er wieder in die tröstende Tiefe des Schlafes zurückfiel. Die Momente der Klarheit waren kurz aber stark, er fühlte sich überfordert mit den Empfindungen seines Körpers und konnte nicht einordnen, was richtig und was falsch war.

Er fühlte sich heiß und zeitgleich kalt, seine Schulter brannte, obwohl er keine Ahnung hatte warum. Der Rest seiner Glieder war taub und kribbelte, während eine ungeheure Hitze über seine Haut kroch und sein Blut zum Kochen brachte. Aber so intensiv die Wahrnehmungen auch waren, so plötzlich verschwanden sie wieder und der Halbdämon vergaß alles um sich herum, bis er wieder erwachen würde.

 

Als er sich das nächste Mal der Außenwelt öffnete, wirbelte Sesshoumarus Duft durch seine Sinne und Inu Yasha war in diesem Augenblick klar, dass er sterben würde. Sein Halbbruder war viel zu nah und er viel zu schwach, um irgendetwas anderes tun zu können, als sich seiner Gnade auszuliefern und zu hoffen, dass der Ältere vielleicht ein wenig Sympathie zeigen und ihn wenigstens schnell töten würde. Panik überflutete ihn, obgleich er sich nicht bewegen oder sprechen konnte. Er wollte nicht sterben. Nicht so, nicht hier. Vielleicht hätte er eine Niederlage in einem Kampf gegen den Daiyokai verkraften können, aber das hier.... das war einfach demütigend. Er lag auf dem Rücken, sein verletzlicher Bauch und seine Kehle waren in einer Weise der Welt um ihn herum präsentiert, wie er es niemals hätte zu lassen können. Ein gefundenes Fressen für jedes Raubtier und Sesshoumaru war ein solches Raubtier. Wäre er stark genug gewesen, hätte er wenigstens versucht sich umzudrehen, aber er war so schwach, dass er nur nach Luft schnappen konnte.

 

Etwas lief über seine Schulter, die Verletzung brannte für einen Augenblick, bevor sich die Muskeln entspannten und locker wurde. Der warme, nasse Schwall kehrte immer wieder in ruhigen Bewegungen über seine Wunde zurück, federleichte Berührungen strichen über seine Haut, bevor sie wieder verschwanden. Niemals hörte Inu Yasha das metallische Geräusch eines gezogenen Schwertes oder das vertraute Zischen von Giftklauen, es gab keine Krallen die sich in seinen Körper bohrten, seinen Hals quetschten oder ihn zerrissen. Alles blieb ruhig und er erhielt nicht mehr Schmerzen als die, die bereits durch seine fiebrige Gestalt wallten. Es verwirrte ihn, sein Verstand konnte nicht begreifen was geschah und so ließ er sich zurück in das Nichts gleiten und hatte bald schon das Gefühl, dass er alles nur geträumt hatte.

 

Er wurde Sekunden, Minuten oder Jahre später wieder in die Wachwelt gezogen, als eine Flüssigkeit in seinen Mund floss und er verzweifelt versuchte sie zu schlucken - Wasser. Kaltes, klares Wasser, welches seinen brennenden und geschwollenen Hals beruhigte und ihn dazu veranlasste, mit seinem Mund nach mehr zu suchen. Doch er fand nur einen merkwürdig warmen Druck über seinen Lippen. Der Duft seines Halbbruders verweilte immer noch um ihn herum und sein Bewusstsein konnte nicht mehr länger unterscheiden, was ihm gehörte und was Sesshoumaru. Plötzlich fiel es ihm schwer wach zu bleiben, sein Versuch scheiterte und die Dunkelheit rollte wieder über ihn hinweg.

 

Er hatte die Zählung verloren, wie oft schlief und aufwacht, nur um wieder zu schlafen und aufzuwachen. Und immer, wenn er sich aus der warmen Geborgenheit hinaus kämpfte, war Sesshoumaru um ihn herum. Der Halbdämon verstand es nicht. Er wusste nur, dass seine Kraft langsam zu ihm zurückkehrte und dass die Hände, sich über seine Stirn bewegten und die Krallen, die seine Wangen berührten, ihm in diesem Augenblick nichts anhaben konnte. Es machte ihn seltsam glücklich.

 

Und für Inu Yasha war dies Beweis genug, dass er tatsächlich sehr krank sein musste, um von solchen unmöglichen Dingen zu träumen.

 
 

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Das Fieber brach endlich, als der Himmel in oranges Licht getaucht wurde und sich die Morgendämmerung über das stille Land legte. Inu Yasha Schüttelfrost hörte auf und an seiner Stelle begann echter Schweiß von seinem Körper zu strömen, als er plötzlich der erdrückenden Hitze in der Höhle erlag. Sein Herzschlag stabilisierte sich und seine Atmung wurde von Minute zu Minute ruhiger, das Rasseln in seiner Lunge hatte aufgehört und die tödliche Blässe verschwand. Als würde er seit einer langen Zeit das erste Mal wieder richtige Atmen können, ließ der Halbdämon die Luft um sich herum in seinen Körper strömen und sammelte seine neugewonnene Kraft, um endlich seinem Schlummer entkommen zu können.

Goldene Pupillen erschienen unter schwarz flatternden Wimpern, Inu Yasha öffnete mit ein wenig Anstrengung seine Augen und fand eine Schale an seinen Lippen und seinen Kopf auf einem weiß gekleideten Oberschenkel gepolstert. Einen Augenblick lang musste sein Verstand noch um die Funktionen seiner Glieder ringen, bevor er automatisch den Mund öffnete und die Brühe in seine Kehle fließen ließ. Das Schlucken tat weh, wie es auch das Atmen tat, aber es war ein ganz anderer Schmerz, als den, den er in den letzten Stunden gefühlt hatte. Oder waren es Tage? Vielleicht schon Wochen? Er wusste nicht wie lange er geschlafen hatte, aber das bewusste Gefühl seiner steifen Muskeln, der salzige Geschmack auf der Zunge und die Wärme seiner eigenen Haut waren Beweis genug. Er war am Leben. Und dieses Wort hatte noch nie so süß für ihn geklungen.

 

„S-Stopp.“ Es dauerte eine Weile, bis er das Wort über seine Lippen bringen konnte, seine Stimme rau und heiser, weil er sie so lange nicht gebraucht hatte. Ein brennendes Husten schlich sich in seine Kehle, er zuckte bei dem kratzigen Gefühl zusammen und kniff für einen Moment die Augen zu, um die sich darin sammelnde Flüssigkeit zu unterdrücken. Sobald er sich etwas beruhigt hatte, schob der die Schale mit leicht zitternden Händen von seinem Gesicht weg, nur um inmitten der Bewegung innezuhalten. Lange schlanke Finger, die mit scharfen Krallen verziert waren, schlangen sich anmutig um die Schüssel. Zwei magentafarbene Streifen wickelten sich auf der blassen Haut um das schmale Handgelenk und ein Stück eines rot-weißen Ärmels gelangte in seine periphere Sicht. Und dies war der letzte Hinweis, den er brauchte.

Mit den minimalen Energiereserven die er in seinem Körper gesammelt hatte, bäumte sich Inu Yasha auf und stieß aus seiner Position nach oben. Adrenalin schoss durch seine bereits missbrauchten Adern und er versuchte verzweifelt nach Tessaiga zu greifen, als sich seine Welt zu drehen begann. Doch er hatte es nicht erreichen können und stattdessen schlangen sich zwei kräftige Hände um seine Schultern und hielten ihn mühelos ruhig. Der Halbdämon keuchte schwach und wollte sich noch einmal aus dem Griff seines Bruders befreien, aber seine Körper erschlaffte und er lag wieder still, ausgelaugt von seinem sinnlosen Kampf um Freiheit. Große Augen starrten in stummen Entsetzen zu dem Daiyokai auf und er musste sich nun doch fragen, ob er gestorben und in der Hölle gelandet war.

 

Die flachen, goldenen Augen, die zurück starrten, zeigten deutlich Sesshoumarus Missfallen. Tatsächlich wirkte seine gesamte Gestalt höllisch. Das normalerweise makellose Haar war leicht zerzaust, ein dünner Schweißfilm bedeckte seine Haut, während seine Rüstung und seine Schwerter ordentlich an eine Wand gelehnt wurden waren. Alles was er trug war die rote und weiße Seide, der dunkle Obi und die schwarzen Stiefel. Selbst Mokomoko hatte sich hinter ihm über den Boden erstreckt und ohne das Fell wirkte der Daiyokai noch größer und schlanker. Inu Yasha konnte mit seinem frisch erwachten Bewusstsein die Änderung in dem Aussehen des Hundedämons nicht vollständig begreifen. Er blinzelte mehrmals, aber das Bild ging einfach nicht weg und je länger er aufblickte, desto deutlicher wurden zwei Tatsachen: Er war noch am Leben und er hatte auf Sesshoumarus Bein geschlafen!

 

„Ich bin tatsächlich in der Hölle“, entkam flüsternd seinen Lippen und er stöhnte dann gebrochen auf. Es konnte nur die einzig logische Erklärung dafür sein, warum der Idiot eines Bruders ebenfalls hier war und ihn offenbar wie ein Kindermädchen pflegte. Das war seine Strafe. Für den Rest seines nun unsterblichen Lebens, würde er von Sesshoumaru gequält werden, angefangen in diesem Augenblick.

Dies ließ nur die Frage aufkommen, ob die Unterwelt es für eine gute Idee gehalten hatte, anstatt eines normalen Höllendämons einfach seinen Bruder als seinen persönlichen Foltermeister zu wählen oder ob der Daiyokai ebenfalls von dem beschissenen Dämon getroffen wurde - obwohl es in seinen Augen unmöglich war, dass der Ältere tatsächlich an einem so kleinen Yokai gestorben wäre und hatte er das Tier nicht eh in zwei Hälften geschnitten? Verwirrt blickte Inu Yasha immer noch zu dem Hundedämon auf, keine wirkliche Erklärung für das Ganze um ihn herum und die Stille machte ihn nur noch unbehaglicher, bis er schließlich den Mut aufbringen konnte, weiter zu sprechen.

„Was ist passiert?“

 

Sesshoumaru ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Stattdessen studierte er etwas in dem Gesicht des Jüngeren, bevor er sich tatsächlich dazu entschloss, etwas zu sagen. Ob er gefunden hatte was er suchte, konnte der Halbdämon nicht sagen, aber die Gesichtszüge des Daiyokai wurden wieder hart und abwertend und seine kühle Stimme vibrierte verächtlich in den Hündchenohren.

„Du bist tief genug gesunken, damit durch ein solch einfaches Gift eine Infektion in deinen erbärmlichen Körper eindringen konnte. Seitdem ist eine Woche vergangen.“ Wenn Inu Yashas Augen noch größer werden könnten, so taten sie es in diesem Moment, bevor er schwach grinste.

„Scheiße...Du musst jetzt enttäuscht sein, oder?“ Die Resignation in seiner Stimme war deutlich zu hören und er schloss wieder seine Lider, um den stechenden Blick des Älteren zu entgehen. Also war das doch alles nur eine Einbildung seines Fiebertraumes? Die Reinigung seiner Wunde, das kühle Wasser oder Sesshoumarus ständige Präsenz? Er dreht den Kopf und starrte zwischen halbgeöffneten Augen auf seine Schulter. Die Haut war noch immer wütend rot und eine frische Narbe spannte sich an der Stelle, an der der Stachel eingeschlagen war. Es würde dieses Mal wohl eine Weile dauern, bevor sein Körper wieder vollkommen unberührt von jeglichen Verletzungen war.... Das Einzige was fehlte war die Infektion und auch ansonsten war die Wunde sauber und trocken.

Langsam und misstrauisch roch der Halbdämon subtil an der Verletzung und sein Kopf schnappte so hart zurück, dass er für einen Augenblick Sterne sah. Er schüttelte sich und versuchte das zu unterdrücken, was seine Sinne ihm sagten. Sein Atem stockte und er begegnete erneut den kälteren, schmalen Zwillingspupillen über sich. Rins verblassender Duft war um ihn herum, aber darüber hinaus lag Sesshoumarus Geruch überall auf seiner Wunde – und überall auf ihm.

 

Er wurde gepflegt von... seinem Bruder?

 
 

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Plötzlich krampfte sich Inu Yashas Magen zusammen und seine Welt begann sich in schwindelerregender Schnelligkeit zu drehen.

„Oh fuck, ich glaube, ich werde krank.“ Er keuchte und konnte den widerlich sauren Speichel schmecken, der aus der Seite seines Mundes lief. Ein Ruck lief durch seinen Körper und er presste die Hand auf den Mund, um den überwältigenden Drang des Erbrechens zurückzudrängen. Seine Muskeln krampften, neuer Schweiß lief über seine Haut und er begann unkontrolliert zu zittern. Eine schmale Hand drang in sein Sichtfeld ein und mit weit aufgerissenen Augen versuchte der Hanyo von Sesshoumaru herunterzurollen, als er angestrengt keuchte und jegliche Farbe wieder restlos aus seinem Gesicht verschwand. Er war kreidebleich.

„B-bleib weg von mir!“, brachte er in leisen Tönen panisch über die Lippen, seine Ohren vor Entsetzten so weit in das Haar zurückgesteckt, dass man sie kaum noch sehen konnte. „Nimm was du willst, aber geh weg von mir!“

 

Sesshoumarus Augen verengten sich leicht bei dem Anblick seines Bruders, der wie ein getretener Welpe vor ihm zurückwich. Der Angstgeruch hing schwer in seiner Nase und veranlasste ihn fast dazu, seine Zähne zu blecken. Inu Yasha hatte in einem Kampf noch nie ein solches Verhalten gezeigt, aber die alleinige Erkenntnis, dass der Daiyokai sich um die Verletzungen gekümmert hatte, schien eine solche Reaktion auszulösen. Es ärgerte den Hundedämon mehr, als ihm lieb wäre und er kehrte zu seinem kalten und ungerührten Gesichtsausdruck zurück, als er sprach.

„Unhöflich wie immer. Offenbar ging es dir nicht schlecht genug, wenn du noch nicht einmal Dankbarkeit zeigen kannst.“ Seine Stimme war so flach und stoisch wie gewöhnlich, „Sag mir, wie willst du mich in deinem momentanen Zustand dazu bringen, zu gehen?“

 

Als hätten diese Worte etwas in dem Halbdämon ausgelöst, flackerten die zuvor ängstlich goldenen Pupillen mit einem wütenden Feuer auf. Ein wenig erstaunt sah der Ältere dabei zu, wie Inu Yasha sich trotz bebender Arme von Boden drückte, dann seine Beine unter seinem Körper vorzog und genug Kraft aufbringen konnte, um sich tatsächlich nach oben zu stemmen. Er schwankte, stolperte einige Meter nach hinten, fand dann aber das Gleichgewicht und hielt sich keuchend aufrecht.

Sein Blick schwang kurz durch die Höhle, doch er konzentrierte sich nicht wirklich auf seine Umgebung. Nichts ergab für ihn Sinn. Sesshoumaru sollte sich nicht um ihn kümmern, sollte nicht so lange in seiner Nähe sein, ohne ihn zu töten. Die Welt um ihn herum drehte sich und eine bekannte Dunkelheit kroch an den Rändern seiner Sicht entlang. Er musste irgendetwas verpasst haben, irgendein Detail musste ihm fehlen. Welche Art von krankem Spiel war das hier? War er vielleicht am Ende wirklich verrückt geworden und das war alles nur eine Halluzination seines kranken Kopfes? Der Halbdämon taumelte erneut und wäre fast gestürzt, doch seine pure Willenskraft und das Adrenalin hielten ihn aufrecht. Die verweilende Hitze in dem kleinen Unterschlupf brannte auf seinem nackten Oberkörper, sein Haar hing strähnig und verfilzt über seinen Rücken.

 

Seine Nase zuckte verzweifelt, er versuchte irgendetwas anderes außer dem Daiyokai zu riechen und konnte den schwachen Duft des Drachens und der Kröte erkennen, Rins seltsam blumige Präsenz lag ebenfalls in der Luft. Wo zum Teufel war er überhaupt? Und wo war das Mädchen? Inu Yasha machte sich keine großen Illusionen über die Wahrnehmung seines Bruders. Für den Älteren war er schwach und wertlos, er hasste ihn bis auf das Blut, welches durch seine Adern floss. Er wurde für den Tod seines Vaters verantwortlich gemacht, obwohl er nur ein Neugeborenes war. Seine Augen begannen zu brennen und er drückte die beschämenden Tränen weit zurück. Der Halbdämon wusste, dass er sich beruhigen und nachdenken musste, aber mit Sesshoumaru so nahe an seiner Person und vor allem in seinem derzeitigen Zustand, lösten seine Sinne nur Alarm aus.

Inu Yasha fühlte sich überarbeitet und schwächer, als er es jemals in seinem Leben gewesen war. Seine dämonische Seite drängte ihn zum Gehen. Das erste Mal tatsächlich vor der Gefahr wegzulaufen . Seine menschliche Seite schwieg aus Angst und seine Emotionen wallten immer wieder auf und nur ein klarer Gedanke schoss ihn durch den Kopf: Er wäre fast gestorben und Sesshoumaru hatte ihm das Leben gerettet. Der Boden unten seinen Füßen schien sich zu bewegen und kam abrupt näher, um seinen versagenden Körper zu begegnen.

 

Doch anstatt auf glatten Stein zu schlagen, wurde seine zusammensinkende Gestalt von einem Arm aufgefangen, der sich wie eine Eisenstange unter seine Brust hakte und ihn in der Höhe hielt. Der Halbdämon hustete geschlagen unter dem harten Druck und hielt angestrengt die Augen offen, als er sich weigerte ohnmächtig zu werden.

„Verdammter Skorpion. Ich hätte ihn dafür gleich nochmal töten sollen“ , murmelte er schwach eine völlig dumme und sinnlose Überlegung. „Und du bist so irritierender Idiot... und eine beschissener großer Bruder.“ Er hob und drehte kraftlos den Kopf an und starrte mit müden Augen nach oben, um in das immer perfekt teilnahmslose Gesicht des Älteren zu blicken.

„Was willst du von mir?“ Die Frage klang beinahe wie eine verzweifelte Bitte, aber Inu Yasha würde nie eine Antwort darauf erhalten. Golde Pupillen drehten sich plötzlich nach hinten und wurden leer, als die letzte Kraft des Hanyo schwand und er den Kampf gegen die Bewusstlosigkeit verlor.

 

Der Drang zu Seufzen überwältigte Sesshoumaru und er konnte sich nur knapp davon abhalten, das erniedrigende Geräusch über seine Lippen zu lassen. Er lockerte seinen Griff um die schlaffe Gestalt und ließ Inu Yashas Körper weiter über seinen Unterarm fallen, bevor er ihn zurück zu seinem vorherigen Liegeplatz trug. Seine empfindlichen Ohren nahmen Geräusche von Bewegungen außerhalb der Hütte auf und er ahnte, dass Rin soeben erwacht war und innerhalb kürzester Zeit in der Höhle erscheinen würde. Der Daiyokai ließ den Jüngeren wieder auf das provisorische Lager fallen und nur wenige Sekunden später erschien das Mädchen am Eingang. Ihre Augen wanderten zwischen ihm und seinem Halbbruder hin und her und ein vorsichtiges Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht.

 

„Guten Morgen, Sesshoumaru-Sama.“ Rin sprach leise, vermutlich wollte sie den Hanyo nicht aufwecken, obgleich das in seinem jetzigen Zustand eher unwahrscheinlich war. Der Hundedämon schenkte ihr ein fast unmerkliches Nicken und sie trat zu dem liegenden Halbdämon, um sich neben ihn zu knien und ihn zu untersuchen. Ein Keuchen entkam ihren Lippen und sie lehnte sich über Inu Yashas Oberkörper, damit sie besser auf die Wunde starren konnte.

„Es... es ist verheilt und seine Infektion...“ Sofort schoss ihr Blick zu ihm zurück und ihre großen, braunen Augen begannen zu glitzern und sich mit Dankbarkeit zu füllen. „Ihr habt ihn wirklich gerettet! Ich danke Euch, Sesshoumaru-Sama, auch im Name Eures Bruders.“ Rin schaffte es tatsächlich nicht zu weinen, schniefte aber ein paar Male, ehe sie sich aufrappelte, um den roten Haori über die nackte Haut zu ziehen.

Nie verlor sie dabei das Lächeln und den hoffnungsvollen Gesichtsausdruck. Die Erleichterung schwebte um sie herum und mit der aufsteigenden Morgensonne, hatte der Daiyokai wieder einmal ihre kleine Welt verbessert.

„Du bist glücklich.“ Der Hundedämon blickte nicht zu ihr, doch in seinen Worten schwang eine fast unmerkliche Frage mit.

„Ja.“ Und mit dieser einfachen Aussage trat Sesshoumaru aus der erstickenden Wärme der Höhle, hinaus in die kalte Morgenluft. Frischer Wind streifte um seine Gestalt und er ließ seine Hand durch seine offenen Haaren gleiten, um die Strähnen wieder an ihren Platz zu bringen. Später, entschied er, würde er den Rest seiner Rüstung holen. Für den Moment jedoch, erlaubte er sich im Licht des neuen Tages zu stehen, nur bekleidet in seine Seide.

 

In dieser Nacht hatte er genug von Inu Yashas Verwundbarkeit gesehen. Jetzt würde der Halbdämon seine Kräfte wiedergewinnen und zu seinem unhöflichen Selbst zurückkehren können. Und sobald sich der Jüngere ausreichend erholt hatte, konnte der Daiyokai auch seine Forderung stellen und das wütende Feuer wieder in den Augen seines Bruder brennen sehen. Ihm war jetzt klar, dass er den Hanyo nie wieder in einer solch erbärmlichen Position haben wollte, auch wenn er sich fragen musste, warum ihn das plötzlich so sehr störte.

 

Doch seltsamerweise hatte er darauf keine Antwort, nur eine Erinnerung an eine einzelne Träne im Feuerlicht und den Geruch von Salz in der Luft.

 

Sesshoumaru wusste es nicht. Überhaupt nicht.

 
 

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wichtige japanische Wörter:

 

Ningen: abfällige Bezeichnung für Menschen

 

Kami: Gott

 

Reiryoku: spirituelle oder göttliche Kraft

 

Yoki (oder auch Yoryoku): dämonische Energie und die Lebenskraft eines Yokai. Kann sowohl die körperlichen Fähigkeiten verbessern (Inu Yashas Sankon Tesso, um die Stärke und Angriffsreichweite seiner Klauen zu erhöhen), als auch Konstrukte bilden (Sesshoumarus Lichtpeitsche) oder in Form von Elementen kanalisiert werden

 

Kenatsu: eine Fähigkeit die hauptsächlich von Yokai-Schwertern besessen wird. Wenn Yoki in das Schwert geschleudert wird, kann der Benutzer seine Feine schlagen, ohne dass die Klinge physischen Kontakt hat. (Unter solch einen Angriff fällt zum Beispiel Inu Yashas Kaze no Kizu)

 

Yoketsu: visuelle Manifestation der dämonischen Energie in Form eines Strudels hinter einem Yokai. Wird dieser Wirbel und das damit verbundene Yoketsu durchtrennt, wird der Dämon sofort getötet.

 

Jaki: bösartige Energie, die ähnlich der dämonischen Aura ausgestrahlt wird. Entsteht aus der dunklen Natur

oder dem Willen (Yin) eines Individuums

 

dämonisches Jaki: jeder Dämon und Mensch besitzt das Potenzial Jaki auszustrahlen. Je böser der Yokai ist, desto größer sind die Fähigkeiten in der Kontrolle, Verwendung und Stärkung des Jaki, um Objekte und Menschen zu kontrollieren

 

Höllenjaki: entstand durch die vielen bösartigen Kreaturen in der Hölle und ist auch im Meido vorhanden

 

Shoki: alternative Bezeichnung von Miasma oder auch Sumpfgas genannt

 

 

 

 

Die Schwere einer Schuld


 

N° 7: Die Schwere einer Schuld

 

Drei Tage vergingen und Inu Yasha heilte.

 

Nun, zumindest tat es sein Körper, denn sein Stolz lag noch immer in Trümmern und jedes Mal, wenn er die Augen aufschlug, wurde er wieder daran erinnert. Natürlich war Sesshoumaru nach seinem erneuten Zusammenbruch einfach verschwunden und an seine Stelle war Rin getreten, die ihn fast schon akribisch versorgte und nicht mehr aus den Augen lassen wollte. Als er aufwachte, war das Mädchen um seinen Hals gefallen, hatte leicht geweint und darüber geschluchzt wie froh sie sei, dass es ihm wieder gut ginge, bevor sie sich vom ihm löste und ihn zu einer strikten Ruhe zwang. Kaede hat eindeutig abgefärbt, knurrte er unterschwellig und verschränkte die Arme vor der Brust, als er missmutig aus der kleinen Höhle starrte. Nicht das er schmollte, denn das tat er mit Sicherheit nicht. Überhaupt nicht. Und dennoch saß er hier und verfluchte den Regen dafür, dass er Sesshoumarus Geruch bereits weggetragen hatte, noch bevor er den Älteren in Stücke reißen konnte.

Inu Yasha war zu dem Entschluss gekommen, dass er überhaupt keine Ahnung hatte, was er von all dem halten sollte, was passiert war. Die trüben Erinnerungen an sein Debakel hinterließen einen sauren Geschmack im Mund und er versuchte sich stattdessen mit allem abzulenken, um nicht mehr daran denken zu müssen. Denn zu viel Nachdenken führte zu Fragen. Fragen auf die er keine Antwort hatte. Selbst Rin konnte ihm keine aufschlussreiche Erklärung liefern und so knurrte und murrte er zum wiederholten Male und ließ den grünen Kappa bei jedem Ton zusammenzucken und ihm einen bösen Blick zuwerfen, ohne das Jaken jedoch etwas sagte – was ihm in Anbetracht der momentanen Stimmung des Halbdämons vermutlich das Leben rettete.

 

Rin dagegen ließ sich von Inu Yashas schlechter Laune nicht beeindrucken und ignorierte die gemurmelten Flüche und das gereizte Zucken der Ohren, als sie etwas Wasser in dem Topf erwärmte, um die Wundränder an seiner Schulter zu reinigen. Trotz seiner Proteste bestand das Mädchen darauf, dass sie seine Verletzungen behandeln sollte und nachdem sie ihn mit großen, braunen Augen und unvergossenen Tränen angeschaut hatte, hatte er missmutig nachgegeben und ihr die Oberhand überlassen. Keh, ich hasse es einfach Mädchen weinen zu sehen...

Sein Blick senkte sich und er starrte auf die rote Narbe, die sich quer über seine Haut zog. Vorsichtig fuhr er mit den Fingern über das vernarbte Fleisch und seine goldenen Pupillen trübten sich vor Erinnerungen, sodass er Rins Gegenwart erst bemerkte, als sie direkt vor ihm stand. Ihre Augen lagen wachsam auf seiner Schulter und glitten dann prüfend zu ihm, ehe sie sich mit einer Schüssel neben ihn kniete und ein Tuch in das aufgeheizte Wasser tauchte.

 

„Es sieht schon viel besser aus, Inu Yasha-Sama.“ Kommentierte sie leise und lächelte leicht, als er nur schnaubend den Kopf abwandte.

„Keh, es würde auch von alleine heilen, ohne dass du daran herumtasten musst“, grummelte er, zog jedoch ein paar Strähnen seiner Haare beiseite, um ihr einen besseren Zugang zu ermöglichen.

„Da bin ich mir sicher.“ Rin kicherte und drückte den feuchten Stoff gegen die Verletzung und strich dann fast sanft über die rote Haut. Sie hatte sich sehr bemüht ihm alle Einzelheiten über die fehlenden Tage seines Lebens mitzuteilen, bis hin zu Sesshoumarus mysteriösen Auftauchen. Danach gab es nur noch sein verwaschenes Gedächtnis und magere Erinnerungsstücke. Das Mädchen hatte keine Ahnung was der Daiyokai getan hatte und Inu Yasha ebenso nicht.

Egal wie er es drehen und wenden würde, es gab für ihn einfach keine vernünftige Erklärung, warum sein Bruder überhaupt gehandelt hatte. Schließlich wäre es für den Älteren ein leichtes gewesen, Rins Bitten einfach zu ignorieren und ihn in diesem Wald sterben zu lassen. Immerhin musste er dann nicht Bakusaigas Klinge mit Hanyoblut beschmutzen - Hölle, Inu Yasha hätte diesen Ausgang sogar erwartet. Aber dann.... hatte Sesshoumaru ihn vom Rande des Todes zurückgebracht.

Und als er das Szenario immer und immer wieder vor seinem geistigen Auge abspielte, wurde ihm plötzlich eines bewusst:

 

Wenn du das überlebst, stehst du in meiner Schuld.“

 

Sein Körper ruckte jäh nach oben und veranlasste Rin dazu auf ihren Hintern zu fallen und ihn ein wenig perplex anzuschauen, doch er bemerkte es nicht wirklich. Ein leises Zischen floh über seine Lippen und er vergrub sein Gesicht in seinen Händen, als er laut stöhnte. Seine Ohren zuckten unruhig, bevor sie sich plätteten und sich in die weiße Masse an Haaren vergruben.

Schuld.

Er hatte in seinem Leben noch nie jemanden irgendetwas geschuldet! Es war ein einfaches, ungeschriebenes Gesetzt, dass er sich niemals etwas zu Schulden kommen lassen würde und bis dahin hatte sich auch niemand darum gekümmert.

Doch jetzt... Jetzt war es Sesshoumaru! Und er hätte wissen müssen, dass der Ältere nie irgendetwas tat, ohne einen bestimmten Grund oder eine Absicht zu verfolgen. Vor allem nicht, wenn es um die Gesundheit seines Hanyo-Bruders ging!

Inu Yasha holte scharf Luft und versuchte diese neue Offenbarung in den entferntesten Teil seines Geistes zu drücken, nur um dabei kläglich zu scheitern. Er war ihm verpflichtet. Diesem dämlichen, reinrassigen Idioten verpflichtet?! Zur Hölle damit! Eine wütende Entschlossenheit erfüllte seinen Körper und er wäre aufgesprungen, um diesen Bastard seine Meinung zu sagen, als sich Rin erneut in sein Blickfeld schlich und ihn somit effektiv von jeglicher Aktion abhielt.

 

„Inu Yasha-Sama?“ , fragte sie leise nach und legte eine Hand auf seinen Arm, der vor neuem Adrenalin leicht zitterte. „Geht es Euch gut?“

„Keh, als ob ich mich einfach geschlagen geben würde! Was glaubt er, wer er ist? Dieser... dieser Bastard!“ Im Zorn fiel dem Halbdämon keine passende Beleidigung ein, er hielt seinen Körper in einer wackeligen Hocke, zu verwirrt und aufgebracht über die gesamte Situation. Er fluchte und brodelte innerlich, ballte die Hände zu Fäusten, nicht genau wissend, wohin er mit den abrupten Emotionen hinsollte.

Seine Augen zuckte zu Tessaiga, der Drang einfach etwas kaputt zu schlagen war groß, aber dann.... atmete er stattdessen Rins blumigen Duft ein, der sich fast schon beruhigend über seine Nerven schlich. Seinen Geist erfüllte. Ruhe brachte. Sie riecht wie Kagome...

Die Anspannung in seinen Schultern ließ so schnell nach, wie sie gekommen war, verschwand aber noch nicht vollständig und er zwinkerte mehrere Male, als er sich seiner Umgebung wieder bewusst wurde.

 

„I-ich... nein, vergiss es einfach. Alles gut.“ Er senkte den Kopf leicht und starrte mit halb verstecktem Zweifel zu dem Menschenmädchen, nicht sicher, was er sagen sollte. Langsam zwang er seine Finger sich zu entspannen, löste seine Krallen aus der Haut und zeitgleich erfüllte ein neuer Geruch die Luft - Blut. Er hatte sich tatsächlich selbst verletzt.

„Was ist passiert?“ Sie legte sofort das Tuch beiseite und kniete sich neben ihn, ein Stirnrunzeln zierte ihr junges Gesicht. Obgleich sie nicht wusste, was den plötzlichen Ausbruch des Halbdämons ausgelöst hatte, konnte sie die deutliche Zerrissenheit in den goldenen Augen erkennen und in Anbetracht des noch immer angeschlagenen Zustandes des Hanyo, ließ dies ihre Sorge erneut ansteigen. Was wäre, wenn die Infektion zurück war? Oder etwas noch Schlimmeres? Ihr Blick fiel auf die kleinen, verblassenden Einstiche in seiner Handfläche, sie waren nicht tief und heilten bereits, aber sie waren da und ließen den sorgenvollen Ausdruck nur noch tiefer werden.

 

„Nichts ist passiert.“ Jedenfalls noch nicht. Inu Yasha seufzte geschlagen und fuhr mit der geheilten Hand versuchsmäßig beruhigend durch Rins Haare, ehe er sich an die Wand zurücklehnte und die Augen schloss. Verdammte Scheiße. Warum eigentlich immer ich?

„Aber...“ , das Mädchen stockte bei seiner Berührung und verlor für einen Augenblick die ernste Miene, die nicht in ihr Gesicht gehörte, bevor sie sich wieder an das erinnerte, was sie sagen wollte. „Aber warum seid Ihr dann so nervös geworden?“ Sie schenkte ihn einen fragenden Blick, schob die Schüssel mit dem restlichen Wasser zur Seite und setzte sich einfach neben den Halbdämon an den Felsen. Für ein paar Minuten war es still, dann öffnete sich ein einzelnes, goldenes Auge und starrte auf das Kind hinab, dessen braune Pupillen wartend zu ihm aufblickten.

„Du wirst nicht lockerlassen, oder?“

„Nicht wirklich.“

„Hartnäckige Göre...“, murrte Inu Yasha nur und entlockte Rin ein kleines, schiefes Grinsen, als er die Arme verschränkte und demonstrativ von ihr wegblickte. Wie sollte er dem Mädchen auch klar machen, in welcher Zwangslage er gerade steckte? Welch grauenvolle und schreckliche Dinge Sesshoumaru nun von ihm verlangen könnte? Immerhin ging es um eine Lebensschuld – seine Lebensschuld – und diese zu begleichen würde ihn sicher eine Menge kosten.

Und nun, da der Daiyokai kein Interesse mehr an Tessaiga hatte, konnte dies alles bedeuten. Was ist, wenn er sich wegen den sadistischen Ansichten seines Bruders den Arm abschneiden musste oder noch schlimmer....seine Ohren? Sesshoumaru hat sie doch schon immer gehasst! Er muss es getan haben! Bei diesem Gedanken pressten sich die flauschigen Anhängsel noch weiter in seine Haare und ein Beben durchfuhr seinen Körper, als er an die Misshandlung seiner Gliedmaßen dachte.

 
 

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„Ihr macht Euch Sorgen wegen Sesshoumaru-Sama, habe ich Recht?“ Die sanfte Stimme schnitt durch seinen Kopf und er neigte sein Gesicht zu Rin zurück, deren Miene eine Mischung aus Ernsthaftigkeit und Nachdenklichkeit trug. Sie hatte es nicht gleich verstanden, aber mittlerweile kannte sie beide Hundebrüder gut genug um zu wissen, dass ihre Beziehung zueinander alles andere als herzlich war. Daher konnte sie sich nun denken, dass der Hanyo eine gewisse Abneigung gegenüber den neusten Erkenntnissen hegte und nun mit dem Wissen um seine Rettung schwer zu kämpfen hatte. Und doch erklärte sich für sie noch nicht, warum Inu Yasha darüber so plötzlich dramatisch reagieren würde.

„Wie zur Hölle kommst du denn darauf? Als würde ich mich um diese Prinzessin sorgen...“ Würde Rin den Hanyo nicht schon so lange kennen, hätte sie seine bissige Aussage sicher als beleidigend angesehen, so jedoch rollte sie nur mit den Augen und schlug den Halbdämon auf den Oberarm.

„Hallo?“ Inu Yasha lehnte sich protestierend weg und warf ihr einen gespielt beleidigenden Blick zu. „Ich bin immer noch verletzt! Du bist eine traurige Entschuldigung für eine Krankenpflegerin.“ Er streichelte sein misshandeltes Fleisch, ohne das Glitzern in seinen Pupillen zu verlieren.

„Ihr seid wirklich unhöflich, Inu Yasha-Sama“ tadelte Rin leise, konnte aber das Zucken ihrer Mundwinkel nicht unterdrücken.

„Keh, als ob es dich stören würde, Göre. Schließlich bin ich der Einzige, der dich nicht mit diesem ganzen Anstands-Mist überschüttet.“ Dabei warf der Hanyo einen Blick in Richtung Jaken, der seinen Schnabel bereits aus Protest geöffnet hatte, aber bei dem scharfen Ausdruck des Halbdämons wohlweislich wieder schloss und leise grummelnd den Kopf abwandte.

„Mhm, vielleicht? Und doch habt Ihr meine Frage noch nicht beantwortet.“
 

Und damit verschwand jegliche Verspieltheit und machte der kalten Wahrheit Platz, Inu Yasha kaute unbewusst auf seiner Unterlippe, bevor er wieder ernst wurde.

„Ich habe dir gesagt, dass ich mich nicht um ihn kümmere. Er kann tun und lassen was er will.“

„Und warum stört es Euch dann, dass er Euch geholfen hat?“ Für einen Moment verschwamm Rins Abbild und an ihre Stelle trat Kagomes fordernder Blick, die ihn mit der gleichen Intensität in ihren blauen Augen angestarrt hatte. Inu Yasha blinzelte und die braunen Pupillen und kindlicheren Züge waren wieder da.

„Es-es ist kompliziert. Du würdest es nicht verstehen.“

„Ihr habt es doch noch gar nicht versucht zu erklären. Ihr vergesst, dass ich mit Sesshoumaru-Sama gereist bin und ich kann mit Sicherheit sagen, dass er auch zu guten Taten fähig ist, auch wenn er nicht immer den Anschein macht.“

„Keh, das ist nicht das Gleiche, Rin. Du...du warst ein Kind, naja bist es immer noch, irgendwie. Du hast nie etwas von Sesshoumarus hässlichen Seite gesehen.“ Die Seite die Schmerzen, Qualen und den Tod bedeutete.

„Aber er ist Euer Bruder!“

„Das spielt keine Rolle“, biss der Halbdämon scharf heraus. „Als würde das Ihm irgendetwas bedeuten!“ Es war kein Geheimnis, dass die beiden Inuyokai im Kampf gegen So´unga das erste Mal eine wirkliche Einheit gebildet hatte, etwas, was wage an eine Familie erinnern würde. Inu Yasha würde es niemals zugeben, aber er hatte sich nach diesem Kampf eine Menge Gedanken gemacht. Sehr viele. Aber am Ende hatte sich nichts wirklich verändert; ihre Feindschaft blieb gleich, sie kümmerten sich nicht umeinander. Und vielleicht war das auch in Ordnung, denn er hatte Sesshoumarus Hass auf sich längst akzeptiert. Den Ekel, die Abscheu und Verachtung. Schließlich war er sich immer sicher gewesen, dass der Ältere alle Menschen hasste.

 

Aber dann kam Rin. Das kleine Mädchen, welches vollkommen ungezwungen und furchtlos seinem Bruder gefolgt war. Und Sesshoumaru hatte es nie gestört. Selbst bis zu diesem Zeitpunkt konnte Inu Yasha einfach nicht herausfinden, was er getan hatte, um diese Behandlung von dem Daiyokai zu erhalten. Alles was er je wollte, war von seinem älteren Bruder akzeptiert zu werden, irgendeine Art von Anerkennung zu erhalten. Doch jetzt war er in den Augen des Hundedämons nur noch weiter gesunken. Er hatte seinen eigenen, persönlichen Tiefpunkt erreicht und obwohl es ihm doch eigentlich egal sein sollte, wurde er das stechende Gefühl einfach nicht los.

Unbewusst ballte er die Fäuste wieder zusammen, um das Zittern seiner Glieder zu unterdrücken und seine Augen loderten für einen Moment wütend rot auf, als sich das Tier in seinem Inneren wieder zu bewegen begann und sich seine neu entwickelte Wut auf das Kind zu verlagern schien. Der Halbdämon biss die Zähne aufeinander, schluckte das aggressive Knurren und kämpfte um die Gelassenheit, die er noch vor ein paar Minuten besessen hatte. Rin würde nicht seinen Zorn ertragen müssen. Sie nicht.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen erhob er sich, den Kopf nach vorn gebeugt und seine Augen und Gesichtszüge von dem Vorhang aus Haaren verdeckt. Rin wollte nach ihm greifen, hielt dann aber inne und zog ihre Hand langsam zurück. Ihr Ausdruck sprach von Verwirrung und auch ein wenig Bedauern, doch sie schien zu begreifen, dass er im Moment nicht in der Lage war etwas zu sagen oder mit ihr umzugehen.

Und darüber war Inu Yasha mehr als nur froh. Er erreichte den Ausgang der kleinen Höhle und fast zeitgleich erreichte der Geruch seines Bruders auch ihn.

 

Sesshoumaru war zurück.

 
 

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Nasenflügel bebten aufgeregt und sofort schoss der Hanyo in den Wald hinein, als er auf die Suche nach seinem Bruder ging. Er achtete nicht wirklich darauf, dass er noch immer halb nackt war oder das der kalte Herbstwind an seiner Haut riss, stattdessen war er vollkommen auf den Duft konzentriert, den er so gut kannte. Selbstgefälliger Hurensohn! Wenn du denkst, ich würde einfach still deine Entscheidungen akzeptieren, dann hast du dich aber getäuscht! Du hast dich nie für mich interessiert, also scheiß drauf, dass du jetzt mein erbärmliches Leben gerettet hast!

Oh er wusste nur zu gut das er wütend war, aber das war etwas anderes als das üblich böse Blut zwischen ihnen. Wenn er selbst etwas getan hätte, um die Verachtung des Älteren zu verdienen, dann könnte er es vielleicht akzeptieren. Wenn es die allgemeine Verachtung für die Menschheit wäre, dann wäre das auch in Ordnung. Aber dies... dies war auf einer viel persönlicheren Ebene, als er in den letzten Jahren wirklich glauben wollte. Sesshoumaru wäre nie so weit gegangen, wenn er Inu Yasha nicht für irgendetwas brauchen würde.... hätte ihn einfach sterben lassen, wenn er nicht einen ganz bestimmten Plan verfolgen würde, in dem sein kleiner, abstoßender Hanyo-Halbbruder noch irgendeine Rolle spielen würde. Denn das war das Einzige wofür er noch gut war.

 

Du bist wertlos. So wertlos, dass es sogar sinnlos wäre dich zu töten, Mischling.“

Du bist nichts für mich und ich empfinde nichts für dich.“

Ich habe deinen Tod für mich beansprucht und ich bin der Einzige, der dich töten kann.“

 

Etwas Bitteres sprudelte in ihm auf und ungläubig realisierte er, dass seine dämonische Seite weiterhin gefährlich nahe unter seiner Haut brodelte. So deutlich und klar, wie er es noch nie zuvor gefühlt hatte und diese Erkenntnis ließ ihn beinahe in seinem hastigen Lauf stolpern. Doch stattdessen stieß er nur ein hohles Lachen aus und schmeckte den kupferartigen Geschmack von Übelkeit und Säure, die in seinem Hals aufzusteigen drohten.

Zeitgleich schlug ihm der Duft des Älteren mit einer solchen Intensität entgegen, dass er für einen Moment tatsächlich glaubte zu ersticken, als er sein eigenes Yoki gegen die Aura seines Bruders drückte, um die überwältigende Macht dahinter von sich wegzuschieben. Er schaffte es gerade noch anzuhalten, bevor er geradewegs in den Daiyokai krachen konnte und sprang sofort einen guten Meter zurück, ein leises Knurren auf seinen Lippen. Der Hundeyokai stand vollkommen regungslos zwischen den Bäumen, den Kopf zum Himmel hin geneigt und die Augen geschlossen. Der Wind kräuselte sich in seinen Haaren und streifte das Fell auf seiner Schulter, welches träge hin und her schwankte.

„Du stinkst.“ Die Worte waren leer und der tiefe Bariton klingelte in den Hündchenohren, die unsicher hin und her schwankten. „Nach kläglicher Bitterkeit und verdorbenen Hass.“

Langsam drehte der Ältere sich um, die scharfen, goldenen Pupillen ausdruckslos und flach, als er die zerzauste Gestalt des Jüngeren in sich aufnahm. Seine Lippen zuckten für einen Augenblick, aber dies war auch die einzige Regung, die er von sich gab. „Du bist vollständig erholte, wie ich sehe.“

 

Inu Yasha presste den Kiefer so fest zusammen, dass dieser tatsächlich zu schmerzen begann und nur mit Mühe konnte er sich soweit entspannen, um sprechen zu können.

„Als würde dich das interessieren! Genug mit der Scheiße, Sesshoumaru, wir wissen beide genau warum ich hier bin!“, er atmete zischend aus und knirschte mit den Zähnen, als er seine Muskeln anspannte und sich aufrichtete. „Sag mir, was zum Teufel du spielst! Noch vor einem guten Monat war ich nicht mal den Staub unter deinen Füßen wert und jetzt kommst du auf die dumme Idee, mir mein ach so erbärmliches Leben zu retten?“ Ein hässliches Lächeln verzog sein Gesicht.

„Und damit dein dämlicher Stolz nicht darunter leiden muss und du dir die Mühe ersparen kannst, auch nur irgendetwas unter deiner Würde zu tun, drehst du mich einfach genau in die Position, in der du mich gebrauchen könntest. Habe ich nicht Recht? Es kümmert dich einen Scheiß ob ich gestorben wäre, aber weil dir mein Hanyo-Arsch plötzlich als nützlich erscheinen könnte, nutzt du einfach die bestmögliche Chance, um das zu bekommen, was zu willst. Fick dich einfach, Sesshoumaru!“

Die sauren und giftigen Worte flogen schneller über seinen Mund, als er es jemals für möglich gehalten hätte und wurden direkt auf den Daiyokai gespuckt. In diesem Augenblick war es Inu Yasha vollkommen egal, ob er dafür in den Boden geschlagen oder erneut eine Faust durch den Bauch bekommen würde. Er würde alles dafür tun, um den Hundeyokai bekämpfen zu können.

Wut flackerte in den goldenen Zwillingspupillen auf und Sesshoumarus Yoki erhob sich knistern um sie herum, als sein eigenes Biest an die Oberfläche kroch. Doch anstatt anzugreifen, beugte er nur betont langsam die Hand und seine Knöchel knackten laut in dem Schweigen, welches den Worten folgte.

 

„Deine...Wutanfälle sind ermüdend und unangenehm, kleiner Bruder“, erwiderte er schließlich nach einer endlosen Stille mit sanfter und gleichmäßiger Stimme. „Selbst nachdem ich dein Leben gerettet habe, bist du mir immer noch undankbar.“

„Fahr zur Hölle!“, bellte der Halbdämon, ehe er einen tiefen Atemzug nehmen konnte, um die brodelnde Empörung zu beruhigen. „Glaubst du ernsthaft, ich würde irgendeinem verdrehten Plan von dir zustimmen? Alles tun was du willst, wie diese grüne Kröte, die dir ohne Meinung blind folgt?“

Sesshoumarus Gesicht verzog sich für Sekunden zu einem kalten Lächeln, ehe er antwortet. „Und glaubst du wirklich, ich würde dir eine Wahl in der Sache geben, kleiner Bruder?“

Daraufhin explodierte der Hanyo.

 

„Du verdammtes Arschloch! Ich werde nie in meinem Leben irgendetwas für dich tun oder mich deiner dämlichen Gestalt unterordnen. Du denkst, du bist so stark und unantastbar, aber am Ende bist du nichts weiter als ein Feigling, der sich hinter einer kalten Maske und seinem Stolz versteckt! Aber nicht mit mir. Ich kenne die Risse in deiner Rüstung, Sesshoumaru, ich weiß was dich verzehrt, dich verwundbar macht.

Du magst vielleicht mächtiger geworden sein, aber niemals wirst du so ehrenvoll und geschätzt sein, wie es unser Vater war und selbst mit Bakusaiga bist du immer noch ein Nichts! Egal was du auch tust, egal wie viele Yokai du noch tötest, du wirst nie an ihn herankommen. Und das wird am Ende dein Untergang sein - denn du bist einfach schwach!“

Tödliches Yoki rollte wie eine Lawine über den Wald hinweg, Bäume bogen sich unter der schieren Last der Kraft bis zum Zerbersten und die Luft selbst schien zu gefrieren. Die kalte Gelassenheit des Hundeyokai knackte bei den Worten auf und etwas Blutrünstiges und Wildes erfüllte seine Züge, seine Zähne verlängerten sich und die Streifen auf seiner Haut leuchteten viel intensiver. Scharfe Klauen begannen in einem bedrohlich grünen Ton zu glühen, ein Zischen erfüllte die Luft, als der erste Tropfen Gift auf den Boden fiel und die Erde auflöste.

„Pass auf deinen Mund auf, Hanyo“, sagte Sesshoumaru gefährlichund wandte sich vollkommen dem Jüngeren zu, seine Stimme so dunkle und schneidend, wie noch nie zuvor. Vollkommen Fremd.

„Ich habe deine erbärmliche Gestalt aus einem bestimmten Grund vom Rande des Todes zurückgeholt. Aber wenn du dich weigerst die Schuld zurückzuzahlen, kann ich ganz schnell dazu überredet werden, hier und jetzt deinem elenden Leben ein Ende zu setzten. Und ich versichere dir, Mischling, niemand auf dieser Welt würde über deinen Tod trauern!“

 
 

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Als wäre die Welt plötzlich zu einem Stillstand gekommen, wagte es keiner der beiden Brüder auch nur zu atmen. Die unheilvolle Energie knisterte weiter um sie herum, leckte begierig über ihre Haut und hinterließ ein brennende Spur des Hass. Ein Versprechen für den Tod.

 

Und dann, entgegen jeder Erwartung, begann Inu Yasha zu lachen. Ein stumpfes, humorloses und unausgeglichenes Lachen.

„Weißt du was, großer Bruder? Ich tue es. Ich lehne es vollkommen ab. Also los, dann töte mich doch, Sesshoumaru. Tu es endlich. Ich bin nur ein schwaches Hanyo. Naraku ist tot und es gibt nichts mehr zu kämpfen, nichts mehr zu tun und ich würde lieber sterben, bevor ich dir jemals helfen würde, deinen verdammten Yokai-Stolz aufzugeben.“ Er schüttelte den Kopf und ein verzehrtes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Zu diesem Zeitpunkt war ihm einfach alles egal. „Worauf wartest du? Tessaiga ist noch immer in der Höhle, ich bin also unbewaffnet. Warum tötest du mich nicht einfach so, wie den Mischlingshund der ich bin? Dann kannst du einfach gehen und glücklich bis ans Ende deiner Tage leben.“

Der Halbdämon trat nach vorn, bis ihn nur noch wenige Zentimeter von dem Daiyokai trennten und er ihm direkt in sein Gesicht blicken konnte. Das einstmals lebhafte Gold seiner Augen brannte jetzt in einem matten Bernstein, durchzogen von dem Schmerz, der sich tief in seine Seele gefressen hatte und forderten den Älteren dazu auf, den letzten Schlag auszuführen.

 

„Wenn du mich nur aus einer Laune heraus gerettet hast, dann kannst du mich doch mit genauso wenig Anstrengung töten. Also mach weiter, Sesshoumaru. Ich bin hier. Ich warte.“

Sesshoumaru blickte zurück und bewegte sich zunächst nicht. Die kalten Goldpupillen streiften über seinen Bruder hinweg, über die zerzausten weißen Haare, den zuckenden Muskel in seinem Kiefer, bis hin zu dem freigelegten Halsbogen, wo der Puls in einem unsteten Rhythmus raste. Dann kehrten sie langsam über die straffe Linie der Lippen zu den Augen zurück, die irgendwie düsterer und leerer wirkten, als der Daiyokai sie je in seinen Erinnerungen gesehen hatte. Sein Zorn flachte ab, sein Yoki zog sich langsam zurück und seine Gesichtszüge glätteten sich. Schließlich beugte er sich vor, der Abstand zwischen ihnen kaum mehr vorhanden und atmete den Geruch ein, der seine Lunge, seinen Hals und seine Zunge erfüllte.

Er suchte. Suchte nach dem kleinsten Anzeichen einer Lüge.

Aber den einzige Geschmack den er fand, war nichts weiter als die Aggression, Wut und das Salz auf seiner Haut, das Blut in seinen Adern. Und die ganze Zeit hielt Inu Yasha seine Position aufrecht, wich kein einziges Mal vor ihm zurück.

 

Er meint es ernst, erkannte Sesshoumaru schließlich und sein fester Ausdruck bröckelte für einen Moment fast unmerklich, als er sich schließlich leicht zurücklehnte. Inu Yasha meint es vollkommen ernst.

 

Obgleich er im Moment wusste, dass es einen leichteren Weg gäbe den Hanyo weiter zu verärgern, hob der Daiyokai eine blasse Hand und legte seine Klauen gegen die pulsierende Halsvene, die direkt unter der glatten Haut sichtbar war. Bei jedem Atemzug drückten sich seine Krallen ein Stück weit tiefer in das Fleisch und hinterließen schon bald fünf sichtbare Abdrücke, die wütend rot von dem sonst so blassen Untergrund hervorstachen. Er müsste nur seine Muskeln anspannen und zudrücken und doch.... hatte dieser Anblick keine Befriedigung hervorgerufen. Sein Mund verengte sich, aber er schaute nicht weg. Inu Yasha opferte sein Leben; es wäre so einfach.

„Weiter“, flüsterte der Halbdämon schließlich. „Du wolltest es die ganze Zeit, also mach weiter. Ich verstehe das du mich hasst, dass ich in deinen Augen ein Fehler in deinem kostbaren Stammbaum bin. Ich verstehe, dass du denkst, ich bin Schuld am Tod unseres Vaters. Denn ich bin nur ein dummer Hanyo, der bei der Geburt hätte getötet werden sollen, oder?“ Er biss die Zähne zusammen und verfluchte sich selbst, als er das beschämende Gefühl von aufsteigenden Tränen spürte.

„Ich-ich wäre mit allem einverstanden gewesen, aber dann musstest du ja alles durcheinander bringen! Du hast Rin und Kohaku mit dir reisen lassen. Zwei Menschenkinder. Und sie kümmerten dich mehr, als es dein eigener Bruder es je tun würde, deine eigene Familie! Du hättest mich einfach sterben lassen sollen!“

 

„Du erzählst mir zu viel, Inu Yasha. Sag, ist es Eifersucht die ich aus deinen Worten entnehmen kann?“ fragte Sesshoumaru leise, ein seltsames Licht in seinen Augen.

„Und wenn es so wäre, Bastard?“ Inu Yasha schluckte schwer. „Du hast mich verdammt nochmal gedemütigt. Ich habe versucht herauszufinden, was ich die gesamte Zeit über falsch gemacht habe. Was ich dir getan habe. Aber es gibt keinen Grund, oder? Du kannst Menschen tolerieren, weil sie reines Blut haben, aber du verachtest die Art wie und als was ich geboren wurde. Ein Mischling. Weder Yokai noch Mensch, ein Fehler der Natur und ich dachte, ich hoffte....ich-“ Als er realisierte, dass Sesshoumaru Recht hatte, lehnte er sich zurück und blicke beschämt weg. Er hatte tatsächlich zu viel gesagt. „Vergiss es. Vergiss einfach alles. Vergiss das ich existiere!“

 

Es war endlich genug.

 

Inu Yasha trat ein Stück zurück, stolperte fast und schüttelte langsam den Kopf, als er sich abwandte und sich seltsam ausgehöhlt fühlte. Sesshoumarus Hand verweilte für einen Augenblick länger in der Luft, bevor er seinen Arm zur Seite senkte und nur das leise Flüstern des Stoffes seiner Robe die entstandene Stille durchbrach. Ungesehen rieb er fast unmerklich seine Finger aneinander, als würde ein seltsamer Juckreiz auf ihnen liegen und einfach nicht verschwinden wollen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nie um einen Millimeter, als er auf die zusammengesunkene Gestalt starrte, die einst Inu Yasha gewesen war – von dem einstigen Krieger fehlte jede Spur.

 

Lange sagte niemand etwas. Der weiße Pony des Halbdämons verdeckte sein Gesicht, verdeckte den verzehrten und erschöpften Ausdruck. Tiefe Müdigkeit setzte sich in Inu Yashas Knochen ab, eine Müdigkeit, die nichts mit seinem körperlichen Zustand zu tun hatte. Selbst das Biest in seinem Blut schwieg, hatte sich in den letzten Winkel seines Käfigs zurückgezogen und alles was er fühlen konnte, war die bittersüße Leere in seinem Geist.

Als Sesshoumaru endlich sprach, war seine Stimme seltsam ruhig, fast sanft und nirgends gab es ein Anzeichen für die übliche Kälte in ihr. „Und wenn ich dir sagen würde, dass es nicht nur für mich wäre?“

Der Jüngere wandte den Kopf leicht in die Richtung des Älteren, doch Sesshoumaru starrte wieder zwischen den Baumkronen in den Himmel hinauf, beobachtete, wie das einstige Blau zu orangenen und roten Farben verschwamm. Inu Yasha stieß ein schwaches Schnauben aus und ließ den Wind über seinen freien Oberkörper streifen.

 

Er hatte fast vergessen wie kalt es war, doch jetzt kehrte das eisige Gefühl mit voller Wucht in seine Knochen zurück und er musste ein Schaudern unterdrücken. Vielleicht hätte er nachdenken sollen, bevor er ohne Tessaiga und halb nackt in den Wald stürmte, in einem sinnlosen Versuch, Sesshoumaru einen ordentlichen Teil seiner Meinung zu geben. Aber dann hätte er vermutlich auch nie all diese Dinge gesagt.... Ein trauriges Lächeln legte sich auf sein Gesicht und er folgte dem Blick seines Bruders, ehe er antwortete.

„Du bist der Meinung, ich würde dir glauben?“

„Tu was du willst, Inu Yasha. Es ändert sich nichts an der Situation.“

„Huh, meine Lebensschuld also...“ , murmelte er leise, ohne eine weitere Antwort von Sesshoumaru zu erhalten. Am Ende war eine Schuld schließlich immer noch eine Schuld, egal was er dagegen tat und auch als Hanyo hatte er immer noch ein gewisses Ehrgefühl. Also zuckte er mit den Achseln und ein besiegtes Seufzen kam über seine Lippen. Scheiße.

 
 

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„Inu Yasha-Sama?“

 

Der Körper des Hanyo erstarrte und mit großen, ungläubigen Augen drehte er sich zu Rin um, die mit seinem Haori in der Hand zwischen den Bäumen stand. Selbst von dem roten Stoff verdeckt, konnte er das Zittern ihres Körpers erkennen und die Tränen in ihren braunen Pupillen glitzern sehen, als sie nach Fassung rang.

„Rin? Was zum Teufel machst du hier draußen?“ Zu Hölle, wann war das Kind hier her gekommen? Er hatte sie zwischen den Büschen nicht einmal bemerkt. Der Halbdämon warf einen schnellen Blick auf den Daiyokai, doch nichts in dessen Haltung verriet etwas darüber, ob er sich der Annäherung des Mädchens bewusst gewesen war.

„Ist es wahr, Inu Yasha-Sama?“, fragte sie leise, ihre Finger krampften sich fester um seinen Haori und sie biss sich auf die Unterlippe, als sie direkt in seine goldenen Augen starrten.

„Wie viel hast du gehört, Rin?“ Hündchenohren sanken zur Seite ab, Inu Yasha schluckte schwer und er ging langsam auf sie zu, um sich vor sie hinzuhocken. Doch anstatt gleich zu antworten, warf sich das Kind an seinen Hals und schlang ihre Arme um seinen Nacken. Wäre er ein Mensch, wäre er bei der plötzlichen Wucht ihres Aufpralls sicher nach hinten umgefallen, so wackelte er nur gefährlich, konnte aber sein Gleichgewicht halten.

„Bitte Inu Yasha, sagt nicht solche schlimmen Sachen über Euch! Niemand möchte das Ihr tot seid!“ Ihre Hände verfingen sich in seinen Haaren, zogen unbewusst an seinen Strähnen, aber er ignorierte den leichten Schmerz und versuchte sie mit sanfter Gewalt wieder von sich zu lösen. Er war es einfach nicht mehr gewohnt so belagert und berührt zu werden und musste das abrupt aufkommende Knurren seines Biestes unterdrücken – dass das Kind ihn bereits während seiner Bewusstlosigkeit so umarmt hatte, war ihm unbekannt.

 

„Rin.“ Sesshoumarus feste Stimme zog über sie beide hinweg und sofort entspannte sich ihr Griff, sodass Inu Yasha endlich ihre Finger entwirren und sie zurück auf den Boden stellen konnte. Der Daiyokai hatte seinen Kopf minimal in ihre Richtung geneigt, die goldenen Augen beobachteten sie ausdruckslos und doch reichte es aus, damit das Mädchen einen Schritt zurücktrat und dem Halbdämon etwas Freiheit schenkte.

„Es tut mir leid.“ Sagte sie schnell und neigte entschuldigend den Kopf, ehe sie wieder zu Inu Yasha blickte, der etwas verlegen und ratlos dastand. „Ich wollte nicht lauschen, aber Ihr habt in der Eile Euren Haori vergessen und weil Ihr immer noch nicht ganz geheilt seid... Es tut mir wirklich leid, Inu Yasha-Sama.“

Der Hanyo unterdrückte einen tiefen Seufzer und fuhr sich mit den Krallen durch die Haare, bevor er seine angebotene Feuerrattenrobe aus ihren Händen nahm und sich um die Schultern warf.

„Keh, mach dir keinen Kopf darüber...“, murmelte er leise und fixierte das Oberteil mit seinem Obi, um dem stechenden Blick ihrer Augen auszuweichen.

„Inu Yasha-Sama, ist-“,

„Vergiss es, Rin. Es ist nichts, worüber du dir Sorgen machen solltest.“ Unterbrach der Halbdämon das Mädchen und starrte seinen Bruder mit gerunzelter Stirn an, der weiterhin nur unbeeindruckt wirkte.

„Aber, Ihr habt gesagt das-“

„Genug.“ Dieses Mal war es Sesshoumaru, der sie erneut zum Schweigen brachte. „Inu Yasha hat seine Entscheidung getroffen.“ Die Worte waren so endgültig, dass sie gleichsam einen Schauer über die Wirbelsäule des Menschen und Hanyos schickten. Und während Rin die Lippen aufeinander presste, entkam dem Halbdämon ein kurzes Knurren, als er die Arme vor der Brust verschränkte.

 

„Ich weiß nicht wovon du redest!“ Bellte er genervt und wandte sich an den Daiyokai, der ihn aus kalten Augen scharf anblickte.

„Deine Worte waren deutlich genug. Sie zu leugnen hat keinen Zweck, Hanyo.“

„Seit wann hörst du auf irgendetwas, was ich sage?“ Inu Yasha warf frustriert die Hände in die Luft und bedauerte ein weiteres Mal, dass er Tessaiga nicht bei sich trug. Es wäre so vieles einfacher, wenn er nur die Klinge ziehen könnte. Dann musste er sich wenigstens nicht mit dem irritierenden Hundedämon auseinandersetzten.

„Sei nicht lächerlich, es könnte mich nicht weniger interessieren. Tatsache ist jedoch, kleiner Bruder, dass du wutentbrannt und ohne jeglichen Grund die Fassung verloren hast. Wie so oft.“ Sesshoumaru beobachtete fast amüsiert, wie die beiden flauschigen Ohren auf dem Kopf des Jüngeren wild hin und her zuckten und der Halbdämon gereizt den Kiefer aufeinander schlug.

„Was zum Teufel soll das heißen ´ohne Grund´? Du warst doch derjenige, der unbedingt darauf bestehen musste-“

„Inu Yasha.“ Der Daiyokai trat vor, bis er direkt vor seinem Bruder stand und war schon beinahe fasziniert davon, wie leicht sich der Junge doch dazu bringen ließ den Mund zu halten, wenn er seinen Namen ohne jeglichen Hass über seine Lippen brachte. Zwei große Goldaugen starrte ihn etwas perplex an und der Halbdämon öffnete und schloss den Mund, ohne etwas zu sagen. Wie amüsant.

„Wiedereinmal waren deine Taten den Worten voraus, kleiner Bruder. Hättest du mich erklären lassen, hättest du gewusst, dass es hierbei um Rin gegangen wäre. Doch stattdessen hast du einfach alles strikt abgelehnt.“

Für ein paar Augenblick war es still, dann rutschte ein „Eh...Was?“ aus Inu Yashas Mund und er blickte zu dem Mädchen, welches ebenfalls einen überraschten Ausdruck auf ihrem Gesicht trug.

 

„Rin braucht jemanden, der ihr das Kämpfen lehrt.“ Meinte Sesshoumaru schlicht, schenkte dem Kind einen kurzen Blick und drehte sich dann um, ehe er einfach wieder zu gehen begann. Kurz bevor er zwischen den Bäumen aus dem Blickfeld verschwinden konnte, erreichten seine letzten Worten die beiden Hündchenohren. „Aber offenbar liegt dir nicht viel daran, wenn sie stirbt.“ Und damit war der Daiyokai weg und alles was von ihm übrig blieb, war seine anhaltende Aura in der Luft.

Inu Yasha starrte noch lange auf dem Punkt im Wald, an dem der Ältere sich förmlich in Luft aufgelöst hatte, nicht wirklich sicher, was er von all dem halten sollte. Er stieß einen tiefen Atemzug aus und seine Schultern sanken ein Stück nach unten, als ihn die Ereignisse des Tages langsam einzuholen schienen. Sein Geist schwamm ein wenig und sein Körper fühlte sich ausgelaugt und schwer an, Schlaf klang plötzlich nach einer guten Entscheidung.

„Scheiße...“ , fluchte er leise und rieb sich mit dem Handballen über die Augen, ehe er zu Rin blickte, deren Gesicht ein Stirnrunzeln trug. Er war sich ziemlich sicher, dass sie Sesshoumarus zweite Aussage nicht gehört hatte und doch schien sie über diese neue Entwicklung ebenso verwirrt zu sein. Wusste sie vielleicht nichts von den Plänen des Daiyokai?

„Lass uns einfach zurückgehen, Rin.“ Seufzte der Halbdämon, setzte sich ebenfalls in Bewegen und veranlasste sie dazu, ihre Augen auf ihn zu richten, ohne ihm jedoch zu folgen.

„Ich-ich bin mir nicht sicher, ob ich alles verstanden habe... Aber Ihr werdet bleiben, oder Inu Yasha-Sama?“ Der Hanyo hielt in seinem Schritt inne und drehte den Kopf zu dem Mädchen, welches ihn mit ernstem Gesicht anblickte. „Ihr werdet bleiben, richtig? Ihr werdet nicht... Euch nicht...“

Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, als sie versuchte die Worte auszusprechen, die einfach nicht über ihre Lippen kommen wollten. Stattdessen senkte sie den Kopf zu Boden und starrte angestrengt auf ihre eigenen Füße, während sie ein wenig nervös auf ihrer Unterlippe kaute.

 

Inu Yasha beobachtete sie einige Momente lang schweigend, dann verdrehte er die Augen und stapfte zu ihr zurück. Er hatte keine Lust mehr auf Auseinandersetzungen oder auf Diskussionen. Oder auf Reden. Wie gern würde er sich jetzt einfach in Goshinboku zurückziehen und sich vor alle den Dingen auf der Welt verstecken. Aber er konnte es nicht. Zumindest nicht jetzt.

„Oi! Hör auf hier herumzustehen wie ein Trauerkloß. So schnell wirst du mich schon nicht los.“

„Ihr versprecht es?“ Da war er wieder. Dieser hoffnungsvolle Ausdruck in ihren Augen. Was war nur mit all den Mädchen, dass sie diesen Blick so unfassbar gut beherrschten?

„Jaja. Und jetzt komm schon.“ Und dieses Mal folgte ihm Rin, ein kleines, erleichtertes Lächeln auf den Lippen, als sie gemeinsam zu der Höhle zurückkehrten, in der sie die letzten Tagen verbracht hatten.

 

Zurück zu ihrem momentanen Unterschlupft, aber immer voran in eine unbekannte Zukunft.

 

 
 

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wichtige japanische Wörter:

 

Ningen: abfällige Bezeichnung für Menschen

 

Kami: Gott

 

Reiryoku: spirituelle oder göttliche Kraft

 

Yoki (oder auch Yoryoku): dämonische Energie und die Lebenskraft eines Yokai. Kann sowohl die körperlichen Fähigkeiten verbessern (Inu Yashas Sankon Tesso, um die Stärke und Angriffsreichweite seiner Klauen zu erhöhen), als auch Konstrukte bilden (Sesshoumarus Lichtpeitsche) oder in Form von Elementen kanalisiert werden

 

Kenatsu: eine Fähigkeit die hauptsächlich von Yokai-Schwertern besessen wird. Wenn Yoki in das Schwert geschleudert wird, kann der Benutzer seine Feine schlagen, ohne dass die Klinge physischen Kontakt hat. (Unter solch einen Angriff fällt zum Beispiel Inu Yashas Kaze no Kizu)

 

Yoketsu: visuelle Manifestation der dämonischen Energie in Form eines Strudels hinter einem Yokai. Wird dieser Wirbel und das damit verbundene Yoketsu durchtrennt, wird der Dämon sofort getötet.

 

Jaki: bösartige Energie, die ähnlich der dämonischen Aura ausgestrahlt wird. Entsteht aus der dunklen Natur

oder dem Willen (Yin) eines Individuums

 

dämonisches Jaki: jeder Dämon und Mensch besitzt das Potenzial Jaki auszustrahlen. Je böser der Yokai ist, desto größer sind die Fähigkeiten in der Kontrolle, Verwendung und Stärkung des Jaki, um Objekte und Menschen zu kontrollieren

 

Höllenjaki: entstand durch die vielen bösartigen Kreaturen in der Hölle und ist auch im Meido vorhanden

 

Shoki: alternative Bezeichnung von Miasma oder auch Sumpfgas genannt

 

 
 

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Die Wahrheit dahinter

Kapitel 8: Die Wahrheit dahinter

 

Der unterirdische See lag still, während in der Grotte vereinzelt das Geräusch eines herabfallenden Tropfens widerhallte. Mal lauter, mal leiser, aber nie in einem einheitlichen Rhythmus. Eine magere Anzahl an Kerzen beleuchteten in einem schwachen Schein das flache Ufer und die alte Steintreppe und ihre Flammen flackerten bei jedem kleinen Luftzug unruhig hin und her. Plötzlich kräuselte sich das sonst so ruhige Wasser, kleine Wellen schlugen über den glatten Stein hinweg, der das Becken wie ein massiver Ring umfasste und dann tauchte aus dem vermeintlich schwarzen Abgrund ein blasser Körper auf. Rinnsale strömten über die mageren Gliedmaßen hinweg, schmale Finger fuhren durch die Strähnen des nassen Haares und ein seufzender Atemzug erfüllte die trostlose Stille.

 

SeKain öffnete seine Augen, legte den Kopf in den Nacken und starrte stumm zu der felsigen Decke der Höhle hinauf, die sich über seine Gestalt hinweg spannte. Seine helle Haut schimmerte im Kontrast zu den sonst so dunklen Steinen um ihn herum und nur wenn man genau hinsah, konnte man das unbestimmte Muster schwarzer Linie erkennen, die sich über seinen gesamten Körper zogen. Fremdartige Zeichen. Unbekannte Symbole. Sie schmückten seine Arme und Beine, schlängelten sich wie ein einzelnes Tattoo über Rücken und Bauch hinweg und endeten knapp unter dem Schlüsselbein. Noch waren sie blass, fast unauffällig und zart, aber je mehr Energie und Kraft er gewinnen konnte, desto deutlicher würden sie werden.

Langsam senkte er seinen Blick und watete zu der flachen Einstiegsstelle des Sees, das zuckende Feuer färbten ihn in einem roten Licht und zeichnete seine Muskeln und Sehnen mit markanten Schatten. Er trat aus der Quelle hinaus und ließ das überschüssige Wasser ungehindert über sich hinweg rinnen, während er nach einer größeren Kerze griff und sie auf eine kleine, erhobene Steinplatte stellte. Ein Luftzug streifte seine entblößte Gestalt und wirbelte die nassen Haarsträhnen umher, als er mit den Fingern schnippte und die Flamme am Docht zu wachsen begann, sich in einen dunklen, fast schwarzen Ton färbte und wütend pulsierte. Eine Art Pentagramm wurde auf dem glatten Felsen freigelegt, umrandet mit uralten Symbolen der schwarzen Magie, die von einigen deutlich neueren Sutren in ihrer Magie gebannt wurden. So mächtig. So zerstörerisch. Und bald frei von allen Fesseln.

 

Fast schon andächtig ließ er seine Hände über die eingeritzten Kerben streichen, spürte die Stellen, die bereits so viele vor ihm berührt hatten und streifte die unzähligen herausgebrochenen Ecken und Kanten. Wie lange war es wohl her, dass dieses Siegel erschaffen wurde? Sein Vater war vor unzähligen Jahren vor ihm hier und ihm voraus ging dessen Vater und hätte er selbst Kinder gezeugt, wären sie ihm gefolgt, wie er seinem Vater folgte. Doch seit einer Ewigkeit war es nur noch er, der diesen Stein berührte, die Magie darin kontrollierte und dem Ruf seiner Vorfahren folgte. Die Macht eines ganzen Volkes verzehrte nun seinen Körper, stärkte und näherte ihn mit jedem weiteren Tag, bis er das Ritual zur Wintersonnenwende erneut vollführen würde.

SeKain trat einen Schritt von dem Stein zurück und starrte noch einmal zur Decke auf, als würde sein Blick durch das Felsmassiv hindurch gleiten können. Auf seinem Gesicht entstand ein Stirnrunzel, bevor sich die Ecken seiner Lippen zu einer kleinen Krümmung kräuselten und er seine weggeworfenen Roben aufhob und sie über seine nassen Schultern zog. Neumond. Nur noch drei weitere Zyklen, dachte er stumm und band sich den lockeren Stoff mit einem breiten Obi, ehe er zu den kühlen Steintreppen ging und mit einem letzten Blick auf das Pentagramm die Höhle verließ.

 

Es war so viel passiert, während seiner Abwesenheit. Gute wie auch schlechte Dinge, aber alle gemeinsam hatten nicht allzu viel Auswirkung auf seine Magie, auch wenn es für einen kurzen Moment so ausgesehen hatte, als würde mit der unausweichlichen Zerstörung des Juwels der vier Seelen auch seine harte Arbeit zu Nichte gemacht werden. Doch die Hauptlast der freigesetzten heilige Energie traf zum Glück nur einen seltsamen Hanyo, der offenbar unter dem Namen Naraku gelebt hatte und reinigte dessen gesamtes Wesen von diesem Planeten. Eine Schande, wenn er daran dachte, dass er das Miasma dieses Halbdämons tatsächlich zu seinem Vorteil hätte nutzen können.

 

Eine Schande, die nicht rückgängig gemacht werden kann, beschloss er gedanklich und war stattdessen froh darüber, dass die am Kampf beteiligte Priesterin offenbar ohne jegliche Anzeichen verschwunden war. Es wäre vermutlich kompliziert geworden, hätte er sich mit ihr ebenfalls befassen müssen, schließlich war ihm Midoriko immer noch ein Dorn im Auge. So jedoch konnte er seine Aufmerksamkeit auf diesen einen ganz besonderen Schatz lenken, den er vor nicht allzu langer Zeit entdeckt hatte.

Denn wie war er doch enttäuscht zu erfahren, dass der große Inu no Taisho nicht mehr unter den Lebenden wandelte. Gestorben vor etwas mehr als zwei Jahrhunderten für eine menschliche Frau. Wirklich pathetisch. Der Hundedämon war einer der wenigen herausfordernden Gegner, die sein langes Leben bereichert hatten und nun zu erfahren, dass er für so etwas gestorben war... Nun, er konnte es nicht ändern. Aber dafür hatte er etwas anderes gefunden, was definitiv seine Neugierde geweckt hatte.

 

„Zwei Söhne“, murmelte er leise, als die Kerzen hinter ihm erloschen und den felsigen Gang in völlige Dunkelheit tauchten. Der General hinterließ also zwei Söhne, ein Daiyokai und ein Hanyo und beide machtvoll in ihrer Kraft. Wer hätte geahnt, dass dieses Spiel noch so spannend werden würde? Tatsächlich erinnerte er sich an das erste Mal, als er auf den Älteren der beiden gestoßen war. Er hatte ihn bei seinem letzten Erwachen gesehen, hatte diese rohe und unverbrauchte Macht gespürt, die bereits in dem halben Kind steckten. Damals ist er mir leider abhandengekommen...doch jetzt werde ich wohl die doppelte Freude haben. Und dieser Halbdämon...

Ein seltsamer Ausdruck trat in seine Augen und er hielt für einen Herzschlag in seinem Schritt inne, bevor er unbeirrt die Stufen weiter nach oben stieg.

 

Interessant. Wirklich interessant. 

 

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Mit dem Verlust des Mondes war der Himmel pechschwarz und das einzige Licht kam von dem flackernden Lagerfeuer, welches Rins schlafende Form erwärmte. Der grüne Kappa hatten sich an Ah-Uhn gelehnt, sein Stab kippte gefährlich in seinen Händen, als er verzweifelt versuchte wach zu bleiben, aber schon bald drang aus seinem Mund ein leises Schnarchen und er ergab sich der Müdigkeit, die sich über ihn hinweg zog. In einigen Metern Entfernung saß Sesshoumaru an der Basis eines Baumes gelehnt, Mokomoko wie eine übergroßes Kissen fest um die Schultern gewickelt und richtete den Blick in den dunklen Nachthimmel, seine goldenen Augen glimmten im roten Schein des Feuers und er lauschte aufmerksam auf jedes noch so kleine Geräusch in seiner Umgebung.

 

Seit seiner Begegnung mit SeKain, war der Anstieg der verpesteten Aura immer deutlicher geworden und egal welchen Weg er auch einschlug, er konnte dessen immerwährende Präsenz dauerhaft um sich spüren. Ganz so, als würde er sie verfolgen und dennoch hatte der er sich bis jetzt kein zweites Mal offenbart oder diese seltsamen Kreaturen nach ihnen geschickt. Es störte den Daiyokai. Dieser Mann war nichts, was er in all den Jahren seines Lebens bereits getroffen hatte und er musste schmerzlich zugeben, dass er bis zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Vorgehensweisen gegen ihn hatte.

Wie seine Mutter ihm bereits voraussagte, konnte selbst er während ihres Treffens nicht feststellen, wie stark oder mächtig SeKain tatsächlich war. Aber anhand seiner Fähigkeiten diese Geschöpfe zu kontrollieren und den Einfluss, den er auf das Land und seine Bewohner hatte, musste er zwangsläufig mit einem ernstzunehmenden Gegner rechnen. Schon vor einiger Zeit war er zu dem Entschluss gekommen, dass nicht nur Yokai von gewalttätiger Natur waren, sondern sich auch die Menschen über die Jahrhunderte in dieser Hinsicht kaum gebessert hatten. Der einzige wahre Unterschied, den er sehen konnte, war das Ausmaß der Gewalt. Dämonen waren von Geburt an stärker und langlebiger und konnten in relativ kurzer Zeit große Land- und Lebensbereiche zerstören. Die Ningen waren vielleicht weniger effizient im Töten, aber darüber hinaus deutlich kreativer was ihre Art betrat.

 

Was also tun? Er wusste nur zu gut, dass jeglicher Angriff in seiner momentanen Position mehr als nur schwachsinnig wäre und er würde nur sein eigenes Leben aufs Spiel setzten, wenn er törichter Weise annahm, er könne den Menschen so einfach besiegen. Es würde mehr als nur seine Kampfkraft nötig sein, um diesen Mann tatsächlich in die Knie zu zwingen und selbst dann war es immer noch riskant, zumal in diesem Augenblick auch die Zeit gegen ihn zu laufen schien - denn mit jedem Tage der verstrich, rückte die Wintersonnenwende immer näher und bald würde SeKain auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen sein.

 

Ein leises Knurren drang über die Lippen des Daiyokai und ein fast unmerkliches Stirnrunzeln zierte sein ausdrucksloses Gesicht, als das Biest unter seiner Haut zu summen begann. Weder er noch sein Tier mochten den Gedanken, dass Naraku im Vergleich zu SeKain scheinbar nur eine marginale Bedrohung für die Welt gewesen war und Sesshoumaru musste sich eingestehen, dass er in diesem Moment die Weisheit und Anleitung eines viel älteren Wesens zu schätzen wissen würde. Denn Wissen war Macht und wie er in den letzten Jahren verstanden hatte, war es keine Schwäche, wenn er jemanden suchte, der über die eigenen Kenntnisse hinausging.

Vielleicht wurde es Zeit, dass er dem alten Freund seines Vaters einen Besuch abstattete. Immerhin wurde Bakusen`O lange vor der Geburt des Inu no Taisho auf diese Erde gebracht und würde sicher auch lange nach seinem eigenen Tod noch dort sein. Und auch wenn es keine Garantie dafür gab, dass der Dämonenbaum tatsächlich eine Antwort auf seine Fragen geben würde, würde er trotz dessen die Chance nutzen und zu ihm gehen. Immerhin hatte er nichts zu verlieren.

 

Die Augen des Daiyokai schmälerten sich und er lauschte auf das unebene Muster von Schritten, die in seinen Ohren widerhallten und sich in langsamen Zügen immer wieder um das kleiner Lager bewegten. Äste knackten und rauschten, es gab einen verpassten Schritt und gleich darauf einen raschelnden Krach, als die Person stolperte und zu Boden fiel. Er konnte die gemurmelten Flüche und das leichte Zähneklappern deutlich hören und seine Lippen kräuselten sich an einer Ecke seines Mundes leicht nach oben, als die Geräusche wieder näher auf den Lagerplatz zukamen.

Wirklich, man könnte meinen Inu Yasha hätte im Laufe seines Lebens gelernt, dass Menschen nicht dafür gemacht waren, in vollkommener Dunkelheit durch den Wald zu laufen. Und dennoch war der Halbdämon kurz nach der eingelegten Pause zwischen den Bäumen verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht. Doch Sesshoumaru konnte es dem Jüngeren wenig verübeln, schließlich waren die Erinnerungen an den letzten Neumond für beide noch deutlich genug und wenn sein kleiner Bruder dadurch seine Nerven beruhigen konnte, würde er sich nicht einmischen.

 

Denn zu sagen, dass die Stimmung innerhalb der kleinen Gruppe in den letzten Tagen angespannt war, wäre eine eindeutige Untertreibung. Das Klima war praktisch unter den Gefrierpunkt gesunken und wahrscheinlich hatte sogar die Unterwelt eine bessere Atmosphäre, als momentan zwischen ihnen herrschte. Es war nicht schwer zu erraten, dass Inu Yasha noch immer mit dem Gedanken um seine Schuld zu kämpfen hatte und seit er fast sein Leben aufgegeben hätte, hielt er sich strickt von dem Daiyokai fern und mied jeglichen Kontakt, den er zu seinem Geschwister haben könnte. Selbst sein Austausch mit Rin war auf ein Minimum reduziert worden und die meiste Zeit verbrachte er in den schützenden Ästen der Bäume, als würde er sich vor der Welt verstecken.

 

Normalerweise hätte das Verhalten des Halbdämons Sesshoumaru wenig gestört, jedoch weigerte sich sein Verstand hartnäckig, ihm auch nur ein paar Stunden lang Frieden von dem Gespräch mit dem Jüngeren zu bieten. Der Zustand des Hanyo war milde gesprochen inakzeptabel. Inu Yasha sollte dreist, herablassend und ein irritierend schwer zu tötender Geist auf dem Planeten sein. In der Vergangenheit hatte der Daiyokai gedacht, sein Bruder würde nie auf die Idee kommen, sein eigenes Leben so leicht wegzuwerfen oder sogar um den Tod bitten und in gewisser Weise hatte das Durchhaltevermögen auch ein Großteil seiner Persönlichkeit ausgemacht. Nun aber war sich Sesshoumaru sicher, dass die letzten Monate seinen jüngeren Bruder weitaus mehr betroffen und verändert hatten, als es vielleicht den Anschein gemacht hatte.

 

Und dies ließ ihn tatsächlich ein leichtes Gefühl des Zweifels verspüren. Es war von vornherein klar gewesen, dass der Halbdämon nie freiwillig mit ihm gehen und gegen SeKain kämpfen würde und zugegeben wäre auch er dieses Bündnis nie von selbst eingegangen. Dass Inu Yasha am Ende einer Lebensschuld erlag, war nichts was er bevorzugte, aber in diesem Augenblick doch recht begrüßte. Aber dennoch stellte sich ihm nun die Frage, ob den Jungen mitzunehmen tatsächlich eine gute Idee gewesen war. Er hatte den Hanyo vor ihrer ersten, zufälligen Begegnung einige Monate lang nicht mehr gesehen und wäre wahrscheinlich vollkommen zufrieden damit gewesen, dass ihre Leben nach dem Tod dieses Spinnenhanyos wieder getrennte Wege gingen. Schließlich war diese seltsam gekleidete Priesterin wieder aufgetaucht und nach Rins Erzählungen war sein Bruder mehr als nur glücklich darüber.

Was war also hatte diese Veränderung ausgelöst? Vermutlich hätte er sich schon früher darüber wundern sollen, warum ausgerechnet Inu Yasha ohne seine menschlichen Anhänger durch die Lande ziehen sollte, vor allem ohne dieses Mädchen. Aber am Ende war es ihn für den Moment schlicht egal gewesen. Jetzt jedoch hatte das eigentümlich Verhalten des Jüngeren seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen, nicht zuletzt, weil er immer öfter die tödlich dämonische Seite in der Aura des Halbdämons fühlen konnte.

 

Dies könnte tatsächlich zu einem Problem werden.

 

Ausgehend von dem Wissen, welches einst Bakusen`O mit ihm teilte und seiner eigenen Nachforschungen, war ihm bekannt wie das Yokaiblut in dem Hanyo reagiert. Es schützte ihn, sobald er sich nicht mehr selbst schützen konnte und verwandelte ihn in eine unkontrollierbare Bestie. Und eben dies war der springende Punkt. Jedes Mal, wenn er das gefährliche Knistern und das raue Brummen über die Haut des Jüngeren fließen sehen konnte, befand sich der Halbdämon nie in Lebensgefahr.

Tatsächlich trat es bereits dann in Erscheinung, wenn sich Inu Yashas Gemütszustand nur ein wenig zu weit in Richtung animalischer Züge beugte und im Gegensatz zu Sesshoumaru selbst, hatte sein kleiner Bruder keinerlei Ahnung, wie er diesen Drang kontrollieren sollte. Ihm blieb nur Tessaiga.

 

Der Daiyokai neigte leicht den Kopf und ließ seinen Blick über das schlafende Lager schweifen. Das Schwert war die gesamte Zeit über an der Seite des Halbdämons oder in unmittelbarer Nähe zu ihm. Es hätte daher gar nicht möglich sein können, dass sich das Tier in dem Blut des Hanyos erhob und sich so präsent nach außen hin zeigte. Zudem glaubte er wenig daran, dass die Klinge seines Vaters in irgendeiner Weise beschädigt war, denn wenn es eine Sache gab, auf die der Jüngere mit Sicherheit aufpassen würde, dann wäre es das Schwert.

Wo also mag dann der Fehler liegen? Und war sich sein Bruder überhaupt bewusst darüber, dass sein Dämonenblut außer Kontrolle geraten könnte? Sicher würde selbst Inu Yasha die Veränderung in seinem Blut gespürt haben, aber ob er es auch tatsächlich verstanden hatte, war eine andere Sache.

Sesshoumaru schloss für einen Augenblick die Augen und drückte seine eigenen, aufreibenden Nerven nach unten, bevor er seine goldenen Pupillen zum schwarzen Wald hinwandte. Seine Ohren zuckten, er stieß ein leises Schnauben aus und wartete gespannt auf den kommenden Fluch.

 

„Fuck!“

 

Hn, wie vorhersehbar – Der Jüngere war ein weiteres Mal zwischen dem Unterholz zu Boden gegangen. Nun, offenbar wollte dieser törichte Welpe seine eigene Schwäche nicht anerkennen und anstatt zu ihrem Lagerplatz zurückzukehren, stolperte er durch Gestrüpp und Blattwerk und verletzte sich noch ernsthaft. Hatte er nichts gelernt? Mit einem zugestandenen, mentalen Seufzer erhob sich der Hundedämon und warf einen letzten, prüfenden Blick auf das schlafende Mädchen, bevor er im Schatten der Bäume verschwand.

 

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Der Wald wollte ihn ganz eindeutig töten. Wirklich. Er wollte ihn Tod sehen!

 

Inu Yasha konnte in der bedrückenden Dunkelheit fast nichts sehen und verließ sich vollkommen auf seinen latenten Orientierungssinn, um zu vermeiden, dass er sich zu weit von dem aufgeschlagenen Lager entfernte. Und trotzdem hinderte ihn das nicht daran, bei jeder Baumwurzel zu stolpern oder in jeden Dornenbusch zu fallen, der ihm in die Quere kam. Nur der wage Schein des Lagerfeuers lenkte ihn in die richtige Richtung und eine gewisse Erleichterung durchströmte ihn, als er sich sicher war, endlich wieder näher zu kommen.

Immerhin war er zu dieser Zeit nur ungefähr so fit, wie es ein Mensch nur sein könnte und das Wetter hatte ihn kalt, nass und schmutzig zurückgelassen, während er hier und da von kleinen Kratzern blutete. Ganz zu schweigen davon, dass seine Nerven in den letzten Stunden bis zur Paranoia ausgefranst waren und er sich seit der Dämmerung in höchster Alarmbereitschaft befand. Oh ja, er wusste, dass Sesshoumaru keinen Angriff auf ihn plante, aber eher würde er sich noch einmal in Narakus Hände begeben, bevor er ernsthaft darüber nachdachte in Sicherheit zu sein. Und mal ernsthaft, wer sollte es ihm nachtragen? Seit seinem – im Nachhinein betrachteten sehr dämlichen – gefühlsvollen Ausbruch, hatte er den Älteren mit jeder seiner Faser gemieden und war jeglicher Konfrontation aus dem Weg gegangen, um sich nicht noch einmal mit seinen eigenen Worten oder seiner Dummheit befassen zu müssen.

 

Bis heute konnte er nicht sagen, was ihn eigentlich genau zu seiner Tat veranlasst hatte und heimlich schob er den Grund immer noch seinem angeschlagenen Gesundheitszustand zu. Vielleicht war ja das Gift Schuld daran, welches sich damals noch immer in seinem Systemen befand oder das Fieber hatte seinen Verstand einfach vollkommen benebelt. Tatsache war jedoch, dass er Sesshoumaru keinen Grund geben würden, ihn am Ende doch noch zu töten. Denn wenn er ehrlich war, war er lieber lebendig als tot.

Der Halbdämon seufzte und strich sich das schwarze Haar aus seinem Gesicht. Seine dunklen Augen kniffen sich ein wenig zusammen und er versuchte angestrengt in der Finsternis herauszufinden, wohin er nun als nächstes treten konnte, ohne wieder in irgendein Geäst zu stolpern – als er den Kopf nach oben riss und verschwommen blinzelte. Hatte sich gerade etwas bewegt? Es hat sich so angefühlt wie...

 

Kühler Atem strich über seine Schulter und Inu Yasha schrie auf, griff nach Tessaiga und schwang das Schwert, während er sich drehte. Sein Puls schoss augenblicklich in die Höhe, Adrenalin flutete seine Adern und er suchte blind nach seinem Angreifer.

„Wer zur Hölle ist dort? Zeig dich, damit ich dir persönlich in den Arsch treten kann!“ Er trat vorsichtige rückwärts, das Schwert immer noch in verteidigender Haltung vor sich und suchte mit wildem Blick in all dem Schwarz nach etwas, was auf einen unbekannten Besucher hinweisen würde. Verdammt, das war keine Einbildung, oder? Wieder bewegte sich etwas, nur ein leises Rascheln in der Luft, aber trotzdem da. Seine Atemzüge wurden kürzer, heftiger und er schluckte die entstehende Panik irgendwie herunter, als er das Heft seiner Klinge stärker umklammerte.

Was zur verdammten Hölle war das? Hier ist nichts außer...

Der Halbdämon biss die Zähne aufeinander, richtete sich ein Stück weit auf und warf einen verstohlenen Blick auf alles, was sich bewegte. Nichts. Er roch vergeblich die Luft. Nur Wald, Holz, feuchte Erde und etwas Rauch des Feuers. Seine nackten Füße standen fest auf dem Boden, aber keinerlei Vibration berührte seine Fußsohlen. Und dennoch war er sich sicher, dass irgendetwas definitiv da sein musste.

„Sesshoumaru?“ Es war ein Griff ins Blaue, der mit vollkommener Stille belohnt wurde. „Hör auf hier herumzuschleichen, du gruseliger Bastard!“ Erneut nichts als Ruhe und langsam konnte selbst er sein rasendes Herz nicht mehr ignorieren. Scheiße! Wenn es nicht Sesshoumaru ist, was ist es dann?

 

Plötzlich packte ihn eine Hand von hinten um den Hals und zog ihn zurück gegen eine dornige Rüstung, die sich trotz seiner Robe in seine Haut bohrte.

„Ich kann deine Angst riechen, Inu Yasha. Deine leere Tapferkeit ist nicht überzeugend genug“, sagte eine sanfte Stimme neben seinem Ohr, der Atem ließ ein paar Strähnen sich leicht kräuseln und über seine Schulter streifen. Scharfe Krallen bewegten sich um seinen Nacken, der Griff fest, aber nicht tödlich. Es war…tatsächlich sein älterer Bruder. Der Halbdämon hätte fast erleichtert aufgeatmet, nicht weil er in dem Hundedämon keine Bedrohung sah, sondern weil er kein sinnloser Yokai war, der nach Nahrung suchte. Irgendwie ließ das Beute-Gefühl in seinem Körper langsam nach und schnaubte schwach, als er Tessaiga zurücksteckte, nach dem Handgelenk des Daiyokai griff und versuchte, dessen harten Griff zu brechen.

Eine verschwende Anstrengung, wie er bald feststellen musste und trotzdem wollte er nicht wie ein Idiot dastehen. Also entschied er sich, sein Gesicht weit nach links zu drehen und wäre fast zusammengezuckt, als seine Wimpern die blasse Haut des Kiefers des Älteren berührten.

„Würdest du mich loslassen?“ Fragte er flach und scheiterte an einem weiteren Versuch, seinen Nacken aus der rauen Behandlung zu ziehen. „Ich schwöre dir, du hast etwas für meinen Hals. Du nutzt jede Chance die du bekommen kannst, um – Ow!“ Fünf winzige Einstichstellen zierten seine Haut und bald schon spürte er das warme und nasse Gefühl seines eigenen Blutes. „Wirklich großartig. Jetzt wird erst recht jeder Yokai im Umkreis wissen, dass ich hier bin und meinen Arsch als Mitternachtssnack verzehren wollen!“

„Sei nicht lächerlich.“ Kam die platte Antwort und Sesshoumaru drehte seinen Kopf soweit, dass er Inu Yasha direkt anstarren konnte. „Niemand der schlau genug ist, würde sich freiwillig diesem Gebiet nähern.“

 

Der Hanyo blinzelte einen Moment, dann streckte er ein Stück seine Unterlippe hervor und schnaubte protestierend. „Oh ja? Nun, du hast vielleicht gerade keine Lust auf Menschenfleisch, aber ein Großteil der herumlungernden Dämonen tut es sehr wohl. Und die werden sich nicht von einem kleinen Lagerfeuer aufhalten lassen.“ Sein Gesichtsausdruck war entschlossen, auch wenn er sich sicher war, dass seine Worte für den Hundedämon wenig Bedeutung hatten. Sein Bruder senkte leicht den Kopf, um Inu Yashas Augen treffen zu können, obwohl der Jüngere ihn nicht wirklich sehen konnte, selbst wenn er so nah war.

„Schwächt sich deine bereits magere Intelligenz gemeinsam mit deinen Kräften auf den Neumond? Kein Yokai würde sich einem überlegenen Raubtier näher, ohne einen Todeswunsch zu haben. Du kannst also ganz beruhigt sein und in deinem schwächlichen Zustand ungestört weiterleben, kleiner Bruder. Denn das Einzige, worum du dir wirklich Sorgen machen solltest, bin ich.“

Der Hanyo unternahm einen erbärmlichen Versuch, mit seiner menschlichen Kehle ein Knurren nachzuahmen, ein wütender Ausdruck zierte sein Gesicht und die Angst in seinen Adern verwandelte sich in Sekundenschnelle in pure Wut.

„Du arroganter Vollidiot!“ rief er beleidigt aus und ehe er sich aufhalten konnte, drehte er sich irgendwie in dem schraubstockartigen Griff herum, starrte den Älteren an und tat das Einzige, was ihm in diesem Moment einfiel. Er schlug zu. Direkt auf Sesshoumarus Kiefer.

 

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Der Daiyokai knurrte guttural, als der Schock des Aufpralls nachließ und seine Hand schloss sich fester um den Hals des Halbdämons. Inu Yasha hatte ihn tatsächlich angegriffen. In seiner schwachen Form hatte es der Jüngere wirklich vollbracht, einen Treffer auf ihm zu landen und einen minimalen Riss auf seiner Lippe zu hinterlassen. Wie kann er es wagen?!

Bevor der Hanyo überhaupt daran denken konnte, über das erschrockene Gesicht seines Bruders zu lachen, hatte der Hundedämon ihn ein paar Schritte zurückgeworfen und ihm aus blinder Vergeltung heftig ins Gesicht geschlagen, wobei seine messerscharfen Krallen die wesentlich zerbrechlichere Haut von Inu Yashas Wange trafen und tiefe Schnittwunden hinterließen. Blutgeruch erfüllte die Luft und die rote Flüssigkeit floss über das Kinn des Menschen, der bei dem scharfen Schmerz heftig einatmete und versuchte einen Aufschrei zu unterdrücken.

Scheiße, Scheiße, Scheiße! Panisch krabbelte Inu Yasha rückwärts und legte eine Hand auf die Wunde, um die Blutung zu stillen, während seine Augen weit aufgerissen waren und in der Dunkelheit nach seinem Bruder suchten. Fuck! Warum musste er immer die dümmsten Zeiten wählen, um Sesshoumaru wütend zu machen? In seinem jetzigen Zustand war das praktisch Selbstmord! Sein rechtes Auge schloss sich zitternd vor dem stechenden Schmerz in seiner Wange darunter und er sah sich vergeblich nach einem Fluchtweg um, ehe das Geräusch von raschelnder Seide seine Ohren erreichte.

 

Inu Yashas Kopf drehte sich herum und er erkannte in all dem Schwarz die fast leuchtende Gestalt des Älteren, der langsam wieder auf ihn zukam. Sofort zuckte er reflexartig weiter zurück, das Blut floss mittlerweile ungehalten über seinen Hals, seine Hand und über den Unterarm, von wo aus es von seinem Ellenbogen tropfte. Warum muss ich als Mensch auch so viel bluten? Sicher hätte er jetzt jede Art von Yokai in der Gegend angelockt, aber im Moment gab es nur ein Raubtier, welches ihm wirklich gefährlich werden konnte und dieses stand gerade keine zwei Meter von ihm entfernt.

Jedoch schien Sesshoumaru nicht den Anschein zu machen, als würde er ihn angreifen. Seine goldenen Augen leuchteten gefährlich in der Nacht, als er die Form des Jüngeren am Boden betrachtete, ein fast wiederholendes Bild des letzten Neumondes – doch im Vergleich dazu, fühlte er sich dieses Mal ruhig und kontrolliert und obwohl sein Biest vor Wut und Missfallen rebellierte, konnte er seine rationalen Gedanken vollkommen frei fließen lassen.

Er konnte es sich leisten, gnädig zu sein.

 

Während der Halbdämon die schweigende Gestalt des Hundedämons weiter betrachtete, kroch er vorsichtig immer weiter zurück, bis er seinen Rücken an einen rauen, schroffen Stamm eines Baumes gestützt fand. Seine dunklen Pupillen waren fest auf Sesshoumaru gerichtet, unfähig den Kontakt zu brechen und wegzuschauen. Fast staunend sah er dabei zu, wie der Daiyokai seine Hand hob und mit den Fingern langsam über den kleinen Schnitt an seiner Lippe fuhr, Inu Yasha dabei die gesamte Zeit über niemals aus den Augen lassend. Der Hanyo zuckte leicht beschämt zusammen, als sich bei dem Anblick seine eigene Wunde wieder wütend bemerkbar machte und er drehte schließlich das Gesicht, um den unlesbaren Blick der Älteren zu entgehen.

 

„Empfindlich, Inu Yasha?“, fragte Sesshoumaru kühl und trat einen Schritt auf ihn zu. „Du solltest stolz darauf sein. Kein einfacher Mensch schaffte es bisher, mir tatsächlichen eine Verletzung zuzufügen. Auch wenn sie noch so klein ist.“

Der Jüngere schluckte und presste seine Hand krampfhaft auf seine Verletzung. Der Schmerz lenkte ihn für einen Moment von seiner Angst ab und er atmete mehrmals tief durch, bevor er den Mut fand, seinen Arm zu senken und zu antworten. „Wenn du nicht jedes Mal deine Krallen in meine Nähe bringen würdest, wäre nichts davon passiert. Es ist deine eigene Schuld! Du... du hast es verdient.“

Selbst in der Dunkelheit konnte er immer noch nicht Sesshoumarus Gesicht erkennen und feststellen, wie der Ältere das Gesagte wohl aufnahm. Seine eigenen Worte waren wahr, aber sie klangen müde und es fehlte ihnen das übliche Feuer.

„Versuchst du mich zu überzeugen?“ Der Daiyokai bewegte sich wieder, bis er vollkommen in Inu Yashas persönlichen Bereich eingetaucht war und den Halbdämon dazu veranlasste, sich schmerzhaft gegen den Baumstamm zu drücken. Er versuchte sich nicht zu winden, als Haare, die ihm nicht gehörten, in einer leichten Brise über seine Haut strichen und sich mit seinen eigenen, dunklen Strähnen vermischten.

Dann war Sesshoumaru zu nah. Nah genug, damit selbst der momentane Mensch die berauschende und stürmische Macht riechen konnte, die unter dieser scheinbaren Rüstung purer Perfektion gefangen zu sein schien. Ein Gefühl des Schwindels erfasste ihn, er stieß die Luft aus und bemerkte kaum, dass der seidige Bariton seines Bruders direkt neben seinem Ohr lag und warmer Atem spöttisch über seine Haut strich.

„Oder wolltest du dich selbst überzeugen? Du schreckst zusammen, als wärst du der Schuldige, kleiner Bruder.“

 

Inu Yasha hatte den Kopf leicht gesenkt, unsicher biss er bei den Worten die Zähne aufeinander und seine dunklen Augen funkelten wütend.

„Ich fühle mich nicht schuldig! Als ob es mir wichtig wäre, mich wegen dir schuldig zu fühlen!“, spuckte er aus und versuchte verzweifelt die Tatsache zu verbergen, dass er tatsächlich ein solches Empfinden verspürt hatte. Doch als sich Sesshoumarus Gesichtsausdruck nicht änderte, fühlte er stattdessen eine unsichere Bitterkeit in sich aufsteigen, die sich schnell in kalten Zorn verwandelte.

„Denkst du, ich fühle mich schlecht? Dass es mir etwas bedeuten würde, weil ich dich verletzt habe? Ich habe dir schließlich deinen gottverdammten Arm abgeschlagen und nur weil du mein beschissenes Leben gerettet hast, werde ich dir nicht weniger in den Arsch treten!“ Seine Stimme war kehlig und rau, das Blut seiner Verletzung rann bei der heftigen Bewegung seines Kiefers schneller über seine Haut und ließ den Schmerz nur deutlicher hervortreten.

 

Plötzlich griffen Finger nach seinem Kinn und neigten seinen Kopf nach oben, bis seine Augen die seines Bruders trafen. Sesshoumaru starrte ihn einige Herzschläge lang an, sein Gesichtsausdruck ausdruckslos von der Grausamkeit, die Inu Yasha normalerweise nach seiner Tirade erwartete hätte, bevor die strahlend goldenen Augen zu seiner verletzten Wange hinab wanderten und dort verweilten.

„Du bist in dieser Form so krankhaft zerbrechlich. Vielleicht steht dir die Menschlichkeit nicht so gut, wie ich ursprünglich vermutetet habe.“ Und ehe der Halbdämon überhaupt über die Bedeutung der Worte nachdenken konnte, glitt Sesshoumaru mit dem Daumen über die Wölbung seines Kiefers und verschmierte das sich sammelnde Blut, nur um es auf seinem Finger aufzufangen. „Andererseits hast du bis heute jeden Neumond so überlebt, nicht wahr?“

Der Daiyokai fuhr mit der Zunge über sein eigenes Fleisch und kniff die Augen leicht zusammen, als er den faden und doch prickelnden Geschmack eklatanter Menschlichkeit bemerkte. Er starrte in die dunklen Teiche von Inu Yashas Pupillen, lehnte sich noch ein kleines Stück näher und fragte dann fast unhörbar: „Wie?“

 

Wäre Inu Yasha nicht zwischen dem Baum und seinen Bruder eingeklemmt gewesen, hätte ihn diese Fremdartigkeit in dem Verhalten des Älteren sicher vollkommen umgeworfen. Niemand hatte ihn das jemals gefragt. Und die Vorstellung, dass es gerade der Hundedämon war, der diese Fragte stellte, war so unglaublich, dass ihm tatsächlich für den Moment die Worte fehlten. Unbehagen stieg in ihm auf, er riss seinen Kopf von diesem stechenden Blick ab und starrte in die dunkle Nacht hinein – starrte auf alles, was nicht Sesshoumaru war, bevor er in diesen goldenen Teichen noch ertrinken würde.

„Wen... wen interessiert es?“, kam schließlich fast flüsternd über seine Lippen und ein leichtes Stirnrunzel zierte sein Gesicht. Es abzustreiten war einfacher, als wenn er darüber nachdenken musste. Er war nicht der Typ, der sich gern mit seiner Vergangenheit befasst, schließlich gab es nur wenig, worauf er zurückblicken und es schätzen konnte. Kikyo. Kagome. Nur ein paar Monate mit ihnen hatten einen großen Eindruck in seinem Leben hinterlassen und daran zu denken war fast immer mit Schmerz verbunden.

Denn obwohl er äußerlich nicht viel gealtert war, lebte er bereits über zweihundert Jahre. Und dies bedeutete viele mondlose Nächte, die er zwischen Ästen oder feuchten Höhlen verbracht hatte, die Knie fest an den Körper gepresst, um das Zittern seines Körpers zu unterdrücken. Nächte, in denen Yokai ihn gefunden hatten, sein Fleisch mit ihren Klauen zerrissen und ihn fast töteten, bevor endlich die Sonne aufging und seine Verletzungen heilen konnte. Es waren Nächte kalter Tränen, die über seine Wange strömten, als er noch klein gewesen war und über den Verlust seiner Mutter klagte, verzweifelt auf der Suche nach ihrer Sicherheit, nur um am Ende niemanden zu finden.

Im Nachhinein dachte er, dass genau dies sein Charakter geprägt hatte. Es gab ihm die Fähigkeit, vollkommen allein zu überleben. Doch wie sollte er dies Sesshoumaru sagen? Seinem perfekten, unerschütterlichen Bruder? Seine Gedanken und Ängste waren nichts, was er freiwillig an irgendjemanden preisgeben würde und ganz sicher nicht dem Älteren.

 

------------------------------------------------------------------------------

 

„Es muss... schwierig gewesen sein.“, murmelte Sesshoumaru schließlich und richtete seinen unleserlichen Blick auf das glimmende Licht des Lagerfeuers, welches zwischen den Bäumen glühte. „Ich musste kämpfen, aber nie um das Recht auf Leben. Du musstest es tun. Rin jedoch vertraut darauf, dass ich sie immer aus dem Wege der Gefahr ziehe, dass sie nichts verletzten kann. Doch ich werde nicht für immer an ihrer Seite stehen und bevor das passiert, möchte ich, dass sie weiß, wie sie sich selbst retten kann. Deshalb habe ich nach einer Methode gesucht, um dich zu zwingen, sie an meiner Stelle zu unterrichte.“

Inu Yasha schnaubte leise und seine Erschöpfung holte ihn langsam ein.

„Hör einfach auf sie zu retten“, kommentierte er hart und er biss sich auf die Zunge, als sich etwas in seinem Bauch krümmte. „Es sollte für dich einfach sein. Immerhin kannst du Leute wunderbar ignorieren, wenn sie Hilfe brauchen. Auch sie wird es irgendwann lernen.“ Die Worte auszusprechen waren schwer. Keinesfalls würde er dem Mädchen jemals eine solche Behandlung wünschen, aber anderes würde Sesshoumaru es wahrscheinlich nie in seinen Kopf bekommen.

„Das tat ich bereits“  erwiderte der Daiyokai knapp und wandte seine Blick wieder dem Hanyo zu. „Ich habe zugesehen wie sich die Situation entfalten würde. Am Ende hast du sie gerettet.“

„Du – was?“ Inu Yasha stockte in seiner Antwort, ehe eine Erinnerung langsam ihren Weg in sein Gedächtnis fand und sein Atem für einen Augenblick stoppte. Seine Augen wurden groß, als er an das panische Kind dachte, welches vollkommen allein und verängstigt durch den Wald geirrt war. Und der Bastard hatte sie die gesamte Zeit über beobachtete? „Du hast sie damals einfach allein im Wald gelassen? Bist du vollkommen verrückt?“

 

„Ich tat was nötig war“, intonierte sein Bruder leise. „Sie war nie in Gefahr.“

„Du verdammter Vollidiot!“, schnappte der Halbdämon und seine Stimme überschlug sich fast. „Selbst ich konnte dich überhaupt nicht spüren, obwohl ich während des Neumondes immer hyperalarmiert bin!“

„Du hast sie gerettet.“

„Und das ist deine Entschuldigung?“ Inu Yasha schien zu explodieren. „Sie ist immer noch ein Kind, verdammt! Im Gegensatz zu uns hat sie fast keinerlei Erfahrungen mit den Gefahren der Welt und du lässt sie in diesem Zustand blind in ihr Verderben stürzen?“

„Und wenn ich das nächste Mal wirklich nicht da bin, Inu Yasha?“ Sesshoumaru zischte leise und die Härte ließ den Jüngeren zusammenzucken. „Tenseiga kann eine Seele nur ein einziges Mal retten. Wenn du dich weigerst ihr zu helfen, habe ich keine andere Wahl als sie in einem Menschendorf zurückzulassen. Und du weißt sehr gut, was das für sie bedeuten würde.“

Ein erschrockener Atemzug entwich dem Hanyo und er schluckte schnell seine nächsten Worte, als er das Gesagte zu realisieren begann. Nicht nur, dass Rin vermutlich für ihr Leben unglücklich werden würde, wenn sie den Daiyokai nie mehr wiedersehen würde, Tenseiga kann auch nur einmal....

„Sie ist schon einmal gestorben.“ Flüsterte er langsam und ein Schauer schlich sich über seinen Rücken. Er hatte nie mit dem Mädchen darüber gesprochen, wie genau sie eigentlich zu seinem Bruder gekommen war und diese neue Erkenntnis ließ ihm schlecht werden. „W-Was ist passiert?“

 

Sesshoumarus Augen verengten sich leicht und ein wissendes Lächeln zerrte an seinen Lippen, als er sich nach vorn lehnte und seinen Mund direkt neben das Ohr des Menschen brachte. „Du hast eine Schwäche für Kinder in Not, nicht wahr kleiner Bruder? Zu Schade das du dich dazu entschlossen hast, ihr nicht zu helfen.“

Inu Yasha warf ihm einen schmutzigen Blick zu, antwortete aber nicht. Warum lehnte er diese Aufgabe von ganzem Herzen ab? Sicher nicht nur, weil der Daiyokai ihn zu manipulieren versuchte. Denn schließlich ging es hierbei um Rin und letztendlich tat der Ältere etwas, was über seinen eigenen Egoismus hinausging. Sesshoumaru würde nicht von seiner Hilfe profitieren, aber das Mädchen tat es und obwohl er dem Hundedämon immer noch sagen konnte, dass er sie selbst unterrichten sollte, verstand er die Bedeutung hinter den Worten des Anderen.

Ein Dämon wie sein Bruder, der mit Macht und Stärke geboren wurde, musste nie um das nackte Überleben kämpfen. Stattdessen ermöglichte ihm sein Yokaiblut selbst im jungen Alter eine erstaunliche Verteidigung und alles was er tat, diente ihm in den meisten Fällen als Training. Und von der Art, wie leicht Sesshoumaru sein Gesicht aufgeschnitten hatte, wäre es sicher keine gute Idee, wenn er Rin etwas über das Kämpfen beizubringen.

 

„Warum fragst du nicht Sango?“ Fragte der Hanyo schließlich, um sein Zappeln zu beruhigen. „Sie ist ein Mädchen, sie ist menschlich und du hast bereits gesehen wie sie kämpft.“

Der Daiyokai runzelte leicht die Stirn. „Die Fähigkeiten der Dämonenjägerin sind passabel, aber ihr fehlt deine Erfahrung und sie ist mit diesem Mönch verbunden“, antwortete er einfach und ein gewisses Funkeln tauchte in seinen Augen auf. „Außerdem scheint sich Rin aus mir unerfindlichen Gründen tatsächlich um dich zu kümmern.“

Inu Yasha murrte genervt und verzog die Nase. „Klar, im Gegensatz zu Jemanden rede ich ja auch vernünftig mit ihr.“ Er neigte leicht den Kopf und versuchte eine bessere Position an dem Baumstamm zu finden, an dem er noch immer eingeklemmt war. Eigentlich war ihm insgeheim bewusst, dass das Mädchen ihn vor allem wegen der Ähnlichkeit zu seinem Bruder ausgesucht hatte – natürlich mit dem Zusatz seiner beiden flauschigen Ohren. Aber das müsste Sesshoumaru nicht wissen.

 

Doch bevor der Hundedämon seine Meinung zu diesem Thema ausdrücken konnte, wurden dessen Körper plötzlich vollkommen starr. Die goldenen Augen wanderten langsam in den hinteren Teil des Waldes, starrten einen Punkt an, den Inu Yasha nicht sehen konnte. Ein leises Knurren drang über die Lippen des Älteren und vibrierte in den Ohren des Menschens wieder, der sich sofort anspannte. Hatte er etwas Falsches gesagt? War Sesshoumaru beleidigt? Eine schleichende Kälte breitete sich jäh über seiner Haut aus, seine Nackenhaare stellten sich auf und seine Finger umfassten Tessaigas hartnäckig.

Sein Blick zuckte zu dem blassen Gesicht seines Bruders, die scharfen Reißzähne schimmerten fast unheilvoll, aber seltsamerweise riefen sie in diesem Augenblick in ihm keine Angst hervor. Er schluckte schwer, bevor nur ein Wort über seine Lippen fiel.

 

„Sesshoumaru?“

 

 

- Fortsetzung folgt -


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hällochen Ihr alle! :)

Dies ist meine erste längerfristige Inu Yasha Fanfic und auch die erste Fanfic die ich überhaupt hier auf Animexx poste :D
Ich hoffe Euch gefällt sie, Updates gibt es voraussichtlich jeden Donnerstag!

Wer sich wundern mag: Ja diese FF gibt es bereits auf Fanfiktion.de, denn dort poste ich eigentlich hauptsächlich.
Wer lieber auf FF.de lesen möchte, hier der Link: https://www.fanfiktion.de/s/5d8946a100057f4a25487cf1/1/Beyond-the-Happy-Endin (ist natürlich ganz schamlose Eigenwerbung :D)

Bis zum nächsten Mal und liebe Grüße!
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Und damit noch einmal ein Willkommen zum ersten "offiziellen" Kapitel der Story.
Ab jetzt kommen die Aktualisierungen voraussichtlich aller zwei Woche am Donnerstag. Sollte ich zwischendrin mehr Zeit haben, dann natürlich wöchentlich ;D

Ich hoffe es hat Euch gefallen.
Das nächste Kapitel heißt "Millennium Teil 1"

Bis bald,
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Das war eindeutig ein sehr langes Kapitel. Es tut mir wirklich leid, aber ich konnte den Rückblick einfach nicht zwischendurch unterbrechen! :D


Ich hoffe dennoch, es hat Euch allen gefallen. Ich habe versucht mich an die reale Geschichte Japans zu halten, natürlich gibt es hier und da einige Änderungen damit es in meine Story passt.

Das nächste Kapitel heißt „Millennium Teil 2“ , dort gibt es dann den Rest über SeKains erste Charaktervorstellung – Wie findet Ihr Ihn bisher?


Wir sehen uns dann in zwei Wochen wieder. Bis dahin wünsche ich Euch eine gute Zeit!

Liebe Grüße

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Tatsächlich stammen die Worte von Inu Yasha an Naraku aus dem Manga. Ich war so frei und habe sie mir für dieses Kapitel geliehen :D

Es tut mir wirklich leid, dass es heute zu solchen Verzögerungen kam. Ich versuche schnellstmöglich zu einem neue Laptop zu kommen, damit ich Euch die gewohnte Qualität liefern kann.

Ich hoffe dennoch, dass es Euch gefallen hat. Das nächste Kapitel heißt: „Erwachen“

Bis dahin! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo und willkommen zurück! :D

Ich hoffe, Euch hat Inu Yashas Besuch bei Totosai und natürlich SeKains erster alleiniger Auftritt gefallen.
Im nächsten Teil treffen dann auch endlich die beiden Hundebrüder wieder aufeinander! :)

Bis dahin,
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Ach ja, Inu Yasha und seine heldenhaften Taten... Irgendwann wird das tatsächlich sein Tod sein.
Eigentlich war es gar nicht geplant, dass sich dieses Kapitel so entwickelt, aber da wir nun einmal hier sind.... :D

Der nächste Teil heißt: Vergiftet

Ich hoffe es hat Euch gefallen und bis in zwei Wochen!
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Nachwort zu diesem Kapitel:
Puhhh das war ein wenig lang.... na hups (es wird ganz wahrscheinlich nie zu wirklich kürzeren Kapiteln kommen) :D

Aber immerhin hat Inu Yasha überlebt und kann jetzt wieder gesund werden ^^
Das nächste Kapitel heißt: Die Schwere einer Schuld

Bis in zwei Wochen!
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Kommentare zu dieser Fanfic (8)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  nicoleherbster
2021-07-12T20:11:42+00:00 12.07.2021 22:11
Hallo die Geschichte ist toll. Bitte schreib weiter bin nämlich gespannt darauf wie es weitergeht
Von:  nicoleherbster
2020-02-28T11:42:52+00:00 28.02.2020 12:42
Tolle Geschichte hab sie regelrecht verschlungen und bin schon ganz gespannt auf das was da noch kommt und hoffe du schreibst bald .
Von:  Mitsuki-chan
2019-11-29T08:46:40+00:00 29.11.2019 09:46
Es wird und wird nicht langweilig.^^
Armer Inuyasha nackt in der Quelle tat er mir da schon ein bisschen leid.
Du beschreibst noch immer seine Gefühlsregungen z.B. das er es nicht so ganz versteht das Rin von Sesshomaru geschätzt und geschützt wird und er selbst als Halbbruder nicht, sehr einfühlsam sodass man denken könnte man würde selbst darüber nachdenken und wäre in dieser Situation. So wirken die Chars und auch die Geschichte echt und lebendig. Das mag ich sehr.
Generell mag ich alle Darstellungen von dir bis jetzt :)

Und: Ich gehe doch stark davon aus das Inuyasha überlebt im nächsten Kapitel.
Bin gespannt wie Sesshomarus "Krankenpflege" aussieht. *evil grin im Gesicht hab* ^^
LG
Antwort von:  MsBlueLion
30.11.2019 22:03
Hallöchen :D

Es freut mich sehr zu hören, dass ich die Spannung bis jetzt hochhalten kann ^^
Das Kapitel hat mir beim Schreiben tatsächlich ziemlich viel Spaß bereitet (ja, auch weil Inu Yasha in der Quelle hocken musste XD) und irgendwie kamen dadruch die Gedanken und Emotionen von ganz alleine auf das Papier.
Aber manchmal frage ich mich wirklich, ob Inu Yasha solche Gedanken über seine Beziehung zu seinem Bruder hegt. Im Manga/Anime wurde ja nie wirklich darauf eingegangen und ließ stattdessen ziemlich viel Platz für Spekulationen - vielleicht habe ich mich deswegen so daran festgebissen und bin freue mich darüber, dass es dir gefällt :D

Also... wenn ich mal von meinen Ideen ausgehen, die ich breits für das nächste Kapitel habe.... Ich kann dir sagen, dass du dich bestimmt freuen wirst (also hoffe ich) ^^

Liebe Grüße, Danke für deine tolle Review und bis zum nächsten Mal!
Von: abgemeldet
2019-11-28T09:51:30+00:00 28.11.2019 10:51
So und weiter gehts meine Liebe. Wir wollen mal ein bisschen was für deine Motivation tun (hoffentlich xD)


>Feuerrattenoutfit

Ich stolpere ehrlich gesagt immer etwas über neumodische Begriffe in altertümlichen FFs ^^;
Ich fände Suikan hier passender.

Der erste Absatz umschreibt finde ich wunderschön die innige Verbundenheit, die Inu Yasha zu seinen alten Gefährten hat, aber auch, dass es für ihn an der Zeit ist, sich weiterzuentwickeln, weiterzuziehen.

>etwas, was er in Anbetracht des menschlichen Empfinden
EmpfindenS
Ansonsten finde ich den Satz irgendwie ziemlich gut formuliert.

Mal abgesehen davon, dass ich diesen Absatz bis hier:
>so viel reicher und so viel belebender, als er es jemals gerochen haben könnte.
einfach mega genial finde, so würde ich dir gleichzeitig doch raten, ab dem Komma den Satz zu beenden mit: als jemals zuvor. Hier ist weniger nämlich mehr hab ich das Gefühl.

>die er aus seinem gemischten Erben ziehen konnte
Erbe, das n ist zuviel.

>er gab seine überlegende Position
überlegen meinst du, oder?

Ansonsten muss ich dich echt nochmal für deine Beschreibungen loben. Mir ist beinahe so als könnte ich den schönen herbslichen Wald riechen, fühlen und schmecken.
Ganz ehrlich, lich sag es nochmal: Jedweder Zweifel an deinem Können ist unbegründet. Wirklich. Es gibt hier so viel Trash auf FF.de vor allem im Inu Yasha Archiv und dieser Trash bekommt soviel Kommis, weil er halt die kleinen Mädchen in der breiten Masse anspricht, die gefühlsmäßig den Hauptanteil der User hier ausmachen...
Aber das hier, meine Liebe, das braucht sich wirklich nicht zu verstecken.

So, weiter gehts :D *Kaffee schlürf*

>Nacht in einen seltsamen Schlummern
das n bei Schlummer ist zuviel

Was ich auch interessant finde ist, dass diese Transformation von Hanyou zu Mensch und umgekehrt, Schmerzen mit sich bringen könnte. Da habe ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht, aber jetzt wo ich es so lese, erscheint es mir als durchaus logisch.

>das sonst so überlegende Erbe
überlegen

Und das, was du da mit Goshinboku beschreibst, finde ich einfach unendlich schön ;___;

>habt immer noch ein Augen auf mich
Auge
>Auch mit zwölf Jahre schien Rin
Jahren
>weil Miss Sango und Mönch Miroku
Es ist hier etwas irritierend, dass du zwar Begriffe wie -sama und so benutzt aber dann hier Miss und Mönch schreibst anstatt -san und Hoshi...

Hui, Sesshomarus Worte sind ja messerscharf x.x Das tut ja beim Lesen schon fast weh... der arme Inu v.v

>dass er seinen jüngeren Bruder einfach so den Rücken zudrehte
seinem

>erschien ihn plötzlich als viel zu unpassend für die einst so feurigen Kugeln und dies löste ein seltsam belastendes Empfinden in ihm aus.
erschien ihm

Also, ich fand das Kapitel wirklich spannend :) Und ich betone es nochmal: Deine Story ist GUT. Lass dir das durch fehlende Reviews nicht ausreden. Ich hab mir vorgenommen, die nächsten Tage mindestens jeden Tag ein Kapitel zu lesen und dir was da zu lassen. Ich hoffe wirklich inständig, das taugt zumindest als vorübergehende Motivation um an der Geschichte dran zu bleiben.

<3
Antwort von:  MsBlueLion
28.11.2019 19:19
Huch, wo kommst du denn auf einmal her, meine Liebe? Damit hab ich jetzt gar nicht gerechnet :O
Aber vielen lieben Dank für dein unglaubliches Review! <3

Meine Motivation ist auf jeden Fall wieder da und ich bin auch sehr bereit dazu, am Wochenende das nächste Kapitel zu schreiben. Deine Worte habe mir ein echt rießengroßes Lächeln ins Gesicht gezaubert und ich bin dir echt wahnsinnig Dankbar dafür - Das gibt mir so viel Kraft.
Und dann machst du dir auch noch die Mühe, meinen ganzen Quatsch hier zu kontrollieren... ich bin ein bisschen perplex ;----; Ich würde ja gern sagen, dass es in den folgenden Kapiteln weniger Fehler werden, damit du dir nicht die ganze Arbeit machen musst, aber solange ich noch an meinem alten PC hänge, wird das sich vermutlich nicht ändern ^^
Dennoch nehme ich mir deine ganzen tollen Tipps zu Herzen und versuche sie möglichst bald auch umzusetzen <3

Weiß gar nicht wie ich dich für deine ganze Mühe belohnen soll... seh dich bitte zu nichts gezwungen, deine Reviews werden mir in fünf Monaten genauso gefallen, wie wenn du sie jetzt gleich schreiben würdest - und schließlich muss deine grandiose Geschichte ja auch noch weiter gehen. Also lass dir ruhig Zeit :)

Ich kann meine Dankbarkeit nur noch einmal betonen! <3 (Das nächste Kapitel schreib ich nur für dich ;D)
Von:  Mitsuki-chan
2019-11-15T05:19:01+00:00 15.11.2019 06:19
Awww :3 du hast schreiberisch wieder so tolle und süße Stellen eingebaut, toll! Mir hat es sehr gefallen wie du Inuyashas Beziehung zu seinem Vater dargestellt hast. Das passt gut. Und SeKain naja... ich mag die Bösewichte nicht die dann wahrscheinlich unsere kleine Hundefamilie ärgern werden :D Aber auch ihn hast du schön vorgestellt. Freu mich aufs ´Date´ der beiden Brüder im nächsten Kapitel :DDD
LG

Antwort von:  MsBlueLion
17.11.2019 20:08
Hallo Mitsuki-chan!
Es ist soo toll dich hier wieder zu lesen :3 Und ich freue mich natürlich wahnsinnig über deinen lieben Kommentar!
Ich versuche stehts ein gesundes Verhältnis zwischen tollen und weniger tollen Stellen innerhalb der Story einzubauen, aber ich glaube nicht, dass ich es immer halten kann - zumindest wenn ich daran denke, was bereits für Ideen für kommende Kapitel in meinem Kopf herumschwirren :DD
Hach ja, SeKain der Gute wird leider nicht so leicht locker lassen und irgendjemand muss die beiden Hundebrüder ja beschäftigt halten, wenn es keinen Naraku mehr gibt :D Aber ich bin froh zu hören, dass seine Vorstellung dir zugesagt hat ^^

Ich will ja nicht zu viel verraten, aber du kannst dich ganz bestimmt auf das nächste Kapitel freue *wissender Blick hier einfügen* :DD

ganz liebe Grüße zurück!
Von:  Mitsuki-chan
2019-11-01T10:46:08+00:00 01.11.2019 11:46
Ich mag das Kapitel. Du legst sehr viel Gefühl in die einzelnen Umschreibungen das gefällt mir. Und die Kapitel sind immer schön lang :)
Bin gespannt was Totosai zu Inuyasha sagen wird.
Und ich bin auch gespannt wann sich Inu und Sess mal wieder begegnen.
LG
Antwort von:  MsBlueLion
01.11.2019 17:53
Hallöchen liebe Mitsuki-chan! Es ist schön dich hier zu sehen (oder zu lesen? Na du weißt was ich meine :D)

Vielen Dank für dein Kommentar und deine lieben Worte, ich habe mich sehr darüber gefreut. Ich bin froh zu hören, dass die dir Länge der einzelnen Kapitel gefällt. Hatte schon Bedenken das es vielleicht zu lang wäre :D
Auf Inu und Sess musst du leider noch genau ein Kapitel aushalten, dann treffen die beiden Hundebrüder wieder aufeinander. Aber ich hoffe dennoch, dass dir auch der nächste Teil gefällt.

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende!
Von:  nicoleherbster
2019-10-05T19:03:26+00:00 05.10.2019 21:03
Tolles Kapitel hoffe du schreibst bald weiter bin nämlich schon gespannt wie es weitergeht.
Antwort von:  MsBlueLion
05.10.2019 22:00
Guten Abend liebe Nicole :)

Vielen lieben Dank für deine Rückmeldung! Tatsächlich geht es aufgrund der Länge der einzelnen Kapitel und meiner momentan knappen Freizeit erst in zwei Wochen weiter.
Ich hoffe aber, dass du bis dahin warten kannst und das dir auch das nächste Kapitel gefällt :3

Liebe Grüße und einen schönen Abend!
Von:  Mitsuki-chan
2019-09-27T06:36:57+00:00 27.09.2019 08:36
Hi :)
Ein dunkler Anfang aber mit viel Gefühl. Inuyashas Gefühlswelt beschreibst du sehr gut, so dass man richtig in der Geschichte drin ist und mit ihm mitfühlt. Gefällt mir bisher SEHR gut. Ich mag diese etwas düstere Stimmung mehr als immer diese Herzchen und Blümchen Stories^^. Bin gespannt welche Lösungswege er für seine momentane Situation suchen wird.
LG Mitsuki
Antwort von:  MsBlueLion
27.09.2019 21:27
Hallöchen Mitsuki-chan :)
Zu Beginn erst einmal vielen lieben Dank für dein Kommentar!

Ich bin froh das dir mein etwas düsteres Setting gefällt, so sollte es eigentlich auch die ganze Story weitergehen - zwar hab ich nichts gegen Blümchenstorys, aber ein bisschen Abwechslung tut auch gut :D Auch was die Gefühlswelten von Inu Yasha und Sesshoumaru betrifft, wird es noch einige Einblicke geben, vor allem, wenn die beiden dann zusammenarbeite müssen (war das jetzt eigentlich ein Spoiler? Ich hoffe nicht ^^)

Ich wünsche dir auch weiterhin ganz viel Spaß beim lesen, vielleicht sehen wir uns ja in einem anderen Kommentar mal wieder :D

Bis bald und liebe Grüße
Blue


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