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Loki: The Dark Prince - Der dunkle Prinz

von

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Auf der Flucht

Ehe Melinda antworten konnte, wurde plötzlich Geschrei laut. Es kam aus mehreren Männerkehlen und gehörte ganz offensichtlich zu einem ziemlich erregten Haufen, der sich rasch näherte.
 

«Er muss hier noch irgendwo sein!» schrie jemand, und Melinda sah, wie Loki zusammenzuckte. Genau wie sie schien er die Stimme wiedererkannt zu haben: sie gehörte eindeutig zu dem Mann, der vorhin so sicher gewesen war, den Möchtegern-Welteroberer gesehen zu haben. Offenbar hatte er sich von seiner Überzeugung doch nicht mehr abbringen lassen und rückte jetzt mit Verstärkung heran.
 

Melindas Verstand arbeitete plötzlich wieder messerscharf. «Da lang!» flüsterte sie Loki zu und wandte sich nach rechts. Sie kannte den Central Park wie ihre Westentasche und wusste, dass es nur wenige hundert Meter von Ihnen entfernt eine alte, stillgelegte U-Bahnstation gab. Durch diese Tunnel würde ihnen ein Entkommen möglich sein – wenn sie es denn bis dahin schafften.
 

Aber Loki war natürlich genauso wie sie kein Anfänger in Krisensituationen, und so huschte er ihr nach – geduckt, jede mögliche Deckung und die immer stärker einbrechende Dunkelheit ausnutzend und noch geräuschloser, als es Melinda gelang. Er schien völlig ruhig, doch als sie einmal kurz seinen Blick auffing, erkannte sie die Furcht in seinen Augen. Ja, so eine Situation musste gänzlich neu für ihn sein: eine Horde wild gewordener Männer auf den Fersen, gegen die er sich ohne übermenschliche Kraft, Magie und Waffen nicht oder nur wenig zur Wehr setzen konnte und die ihn – daran bestand wenig Zweifel – wohl regelrecht in Stücke reissen würden, wenn sie ihn zu fassen kriegten.
 

«Hier rein!» befahl Melinda, als sie die von Efeu überwucherte und dadurch glücklicherweise kaum mehr erkennbare Treppe zum verlassenen U-Bahnschacht erreichten. Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen und auch, weil Loki kurz zögerte, ergriff sie seinen Arm und schob ihn mit sich. Er zuckte bei der Berührung flüchtig zusammen, folgte ihr dann aber ohne ein Wort.
 

Melinda führte ihn schweigend durch die verlassenen, moosbewachsenen und feuchten Gänge der ehemaligen U-Bahnstation, und ohne ihr Handy, das sie zur Taschenlampe umfunktioniert hatte, wären sie mehrmals über Hindernisse gestolpert und hätten sich mit Sicherheit die Knöchel verrenkt. Erst nach etwa zehn Minuten, als das wütende Geschrei der Männer im Park definitiv nicht mehr zu hören war, verhielt Melinda den Schritt und gönnte sich und Loki eine Pause.
 

Dass sie selbst völlig ausser Atem war, erstaunte sie nicht. Dass aber auch Loki in die Hocke ging und sich erschöpft gegen die kalte Mauer lehnte, zeigte ihr wieder einmal deutlich, wie wenig «Übermenschliches» noch in ihm war. Sie hatte gesehen, wie er während des Angriffs auf diese Stadt nicht nur jede Menge eingesteckt hatte, ohne gross mit der Wimper zu zucken, sondern auch, wie jegliche körperliche Anstrengung keinerlei Wirkung auf ihn gehabt hatte. Doch jetzt sah er aus, als wäre er am Ende seiner Kraft. Zudem war da noch etwas anderes...
 

Sein Gesicht verzog sich immer wieder vor Schmerzen. Sie hatte es schon vorhin bemerkt, als sie noch nicht von diesen Kerlen überrascht worden waren, doch da hatte sie dem noch wenig Beachtung geschenkt und es auf das gebrochene Handgelenk und die Prellungen vom Sturz zurückgeführt. Doch jetzt beschlich sie auf einmal das unheimliche Gefühl, dass da noch mehr war. Klar, ein Knochenbruch konnte schon sehr weh tun, aber da Loki die Hand einigermassen ruhig halten konnte dank des straffen «Verbandes» durch seinen Ledergürtel, musste dieser Schmerz eigentlich langsam erträglich sein. Auch die ganzen Prellungen waren wohl kaum dazu in der Lage, einen so hartgesottenen Mann derart aus der Bahn zu werfen. Aber Loki, der sich inzwischen ganz auf den Boden hatte gleiten lassen, war sichtlich immer mehr bemüht, ein Stöhnen zu unterdrücken. Melinda sah deutlich, wie er sich auf die Zähne biss, und die erschöpfte Geste, mit der er kurz das Gesicht in der rechten Hand vergrub, schnitt ihr wider Willen ins Herz.
 

Sie trat näher und schaute auf ihn herab. «Was ist los?» fragte sie leise und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme dabei leicht zitterte.
 

Er sah auf, und sekundenlang flackerte in seinen schönen Augen ein so tiefer Schmerz, dass ihr die Kehle zugeschnürt wurde. Doch der Moment ging schnell vorüber, und Loki grinste zynisch. «Was los ist?» Er lachte leise. «Ist das nicht eine etwas absurde Frage? Lassen sie mich nachdenken: ich befinde mich grade in der äusserst angenehmen Lage, zwischen zwei Todesarten wählen zu können... Ihrer Pistole oder dem wütenden Mob da oben.» Wieder ein leises Lachen, das jedoch in ein schmerzliches Keuchen überging, als Loki sich langsam hochzog. «Es braucht sicher nicht viel Fantasie, um zu ahnen, welchen Tod ich bevorzuge. Wobei ich mir die Frage stelle, warum sie mich überhaupt hierher geschleppt haben... Ich meine, sie würden doch sicher im Gegensatz zu mir den wütenden Haufen da oben bevorzugen, oder? Müsste doch schliesslich ziemlich amüsant sein, dabei zuzusehen, wie ich in Stücke gerissen werde.»
 

Sein beissender Spott klang echt, aber zum ersten Mal gelang es Melinda mühelos, hinter die Fassade zu blicken. Spott hin oder her: Loki hatte die Frage völlig ernst gemeint. Warum hatte sie ihn vor den Männern gerettet, wo sie doch die perfekte Rache hätte haben können?
 

Entsetzt trat die junge Frau einen Schritt zurück. «Sie denken ernsthaft, ich wäre in der Lage, sie diesen Irren auszuliefern?» fragte sie heiser. «Dass ich zu so etwas imstande wäre..?»
 

«Sie?» Loki hob eine Augenbraue und grinste wieder flüchtig. «Vorhin war's doch noch 'Du'.»
 

«Lenken sie jetzt nicht vom Thema ab.» zischte sie zurück. «Also: trauen sie mir so etwas wirklich zu?»
 

Loki war drauf und dran, wieder eine spöttische Antwort zu geben, aber zwei Dinge hinderten ihn daran: seine immer grösser werdende Resignation und eine erneute Schmerzwelle, die durch seinen Körper fuhr. Seine rechte Hand tastete nach der kalten Wand im Rücken, um Halt zu finden. Erschöpft erwiderte er: «Warum denn nicht. Ich habe ihnen... und ihrer Welt... ja wohl genug angetan, um so etwas zu rechtfertigen.»
 

«Mag ja sein, dass Selbstjustiz in Asgard normal ist.» gab Melinda kalt zurück. «Aber stellen sie sich vor: obwohl wir Menschen so primitiv sind, ist das bei uns anders! Bei uns bekommen Verbrecher einen fairen Prozess – und die Todesstrafe ist auch abgeschafft!» Zumindest in diesem Bundesstaat, aber das sprach sie nicht laut aus.
 

Loki hatte die zynische Anklage in ihren Worten wohl verstanden. 'Primitiv'.... So sehr er sich auch dagegen wehrte – ganz langsam kamen ihm die Bewohner dieses Planeten nicht mehr so minderwertig vor, wie er sie einst gesehen hatte. Vor allem nicht diese Frau vor ihm, die ihn von Anfang an auf seltsame Weise fasziniert hatte. Und die ihn jetzt immer mehr faszinierte, sozusagen von Sekunde zu Sekunde, ganz egal, wie sehr er sich dagegen sträubte.
 

Um sich gegen die widerstrebenden Gefühle zu wehren, suchte er nach einer bissigen Antwort. Aber seine immer stärker werdende Erschöpfung und vor allem die Schmerzen, die ebenfalls stetig zunahmen, hinderten ihn daran. Plötzlich fühlte er sich einfach nur noch am Ende. "Und was nun, Agent Crave? Lassen sie mich einsperren, da sie offenbar keine Selbstjustiz an mir üben wollen?"
 

"Ich sollte es wohl tun," gab Melinda zurück, "aber zuerst brauchen sie mal einen Arzt. Ich kenne jemanden... Er arbeitet in einem Krankenhaus ganz in der Nähe und schuldet mir noch einen Gefallen. Ausserdem ist er ein Freund." Sie holte kurz Luft. "Womit ich sagen will, dass er sie wohl nicht verpfeifen wird, wenn ich das nicht möchte. Aber vorher - "wehrte sie ab, als Loki etwas einwerfen wollte - "sollten wir kurz bei mir vorbeischauen. Ich habe noch einige Klamotten von meinem Ex in meinem Apartment, und da er ungefähr ihre Grösse hat, dürften die ihnen sogar passen. Dann würden sie zumindest ein wenig unauffälliger durch die Gegend laufen. Und ja, falls sie sich das eben gefragt haben sollten: wie durch ein Wunder steht das Gebäude, in dem meine Wohnung liegt, sogar noch!" Der letzte Satz kam schneidend scharf.
 

Loki biss sich auf die Lippen und senkte flüchtig den Blick. Auch diese Anklage hatte er nur zu gut verstanden. Erst nach einigen Sekunden dämmerte ihm, was sie eben noch gesagt hatte. "Sie wollen... mir helfen..?"
 

"Das weiss ich noch nicht!" zischte sie zurück. "Für den Moment würde ich eher sagen, ich leiste ihnen die nötige menschliche Erste Hilfe. Was danach kommt... werden wir noch sehen."
 

Und Loki, der noch vor zwei Tagen nicht mal im Traum daran gedacht hätte, dieser Frau ohne Widerspruch zu folgen, tat nun genau das. Erschöpft und ausgelaugt wie er war, hatte ihn jegliche Lust auf Widerstand, der sowieso nur lächerlich gewesen wäre, verlassen. Ja, wenn er ganz ehrlich zu sich selber war, fühlte er sich sogar unendlich erleichtert, dass Melinda hier war. Was er ohne ihr Eingreifen angesichts dieses wilden Mobs getan hätte, wusste er nicht. Aber wie die Geschichte ansonsten ausgegangen wäre, konnte er sich nur zu gut vorstellen. Nein, da war ihm eine wütende Melinda Crave lieber - sogar die sichere Aussicht, damit am Ende in den Händen von S.H.I.E.L.D. zu landen, konnte ihn im Moment nicht wirklich schocken.
 

Dafür waren auch die Schmerzen in seinem Rücken, die jetzt von Sekunde zu Sekunde zunahmen, viel zu grauenvoll...



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