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Persecuted

von

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Das kleine Café war zum Bersten gefüllt, als Keith es um zehn nach drei betrat; das war nicht weiter überraschend, es war schließlich Wochenende und noch dazu hatte das Schuljahr gerade erst begonnen, sodass noch niemand Großartig für irgendwelche Klausuren zu lernen hatte.

Suchend blickte er durch den hellen Raum, der in der durch die große Fensterfront scheinende Nachmittagssonne von einem orangenen Licht erfüllt war, sein Blick wanderte über die Tische und die dort sitzenden Menschen, bis er sie endlich sah.

Sie saß ganz hinten, in der Ecke unter dem Gemälde irgendeines berühmten Künstlers, dessen Name Keith nicht kannte, ihr glattes, honigfarbenes Haar fiel ihr über die Schulter, es sah aus wie Gold in diesem Licht...

Ein Lächeln erschien auf Keiths Gesicht. Langsam, ohne den Eindruck zu erwecken, es sonderlich eilig zu haben - sie würde ihm schon nicht wegrennen - machte er sich auf den Weg, ging vorbei an den anderen Gästen, dabei betont auf sein Handydisplay blickend und erst dann den Blick hebend, als er direkt vor ihr stand.

“Hey!“

“Hey.“ Sie lächelte, strich sich die Haare zurück, sah einen Moment lang aus, als wolle sie aufstehen und ihn umarmen, überlegte es sich dann jedoch anders. „Ich dachte schon, du kommst nicht mehr...“

„Ich musste noch was erledigen.“ Sein Lächeln wurde breiter, er setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber, griff nach der Karte.

Sie sah aus, als wäre sie ein wenig beleidigt, sagte jedoch nichts.

Natürlich. Sie sagten nie etwas. Nicht bei ihm. Dazu waren sie viel zu glücklich darüber, dass er sich überhaupt mit ihnen verabredet hatte.

Während er die Karte studierte fragte er, nicht wirklich sonderlich interessiert: „Und, wie geht’s dir?“

“S...super! Fantastisch!“ Sie senkte den Blick, biss sich auf die Unterlippe. „Und dir?“

“Ja. Auch.“

Dann schwiegen sie.

Schwiegen bis der Kellner nahm, gaben ihre Bestellungen auf, schwiegen wieder.

Ein irgendwie unangenehmes Schweigen. Keith war es gewohnt, dass seine potentiellen Freundinnen redeten wie ein Wasserfall, ihn kaum zu Wort kommen ließen - so waren doch eigentlich alle Mädchen. Doch sie war anders, zurückhaltend, schüchtern...und das irritierte ihn.

Nach einigen Minuten, in denen sie nervös auf die Tischplatte gestarrt hatte, hob sie den Blick, murmelte „Ich geh kurz auf Toilette.“ und stand auf.

Keith nickte nur.

Er hatte keine Ahnung, was er von dem Mädchen halten sollte. Sie war vollkommen anders als all die anderen, doch nicht unbedingt auf eine negative Art und Weise...nein...vielleicht…würde es dieses Mal...

„Keith? Was machst du denn hier?“

Die Stimme überraschte ihn vollkommen. Sie kam von hinten, hatte einen seltsam rauen Klang und kam ihm ziemlich bekannt vor...doch er konnte nicht genau sagen woher.

Eines der Mädchen vom College wahrscheinlich...

Genervt verdrehte er die Augen; konnte sie denn nicht sehen, dass er beschäftigt war? Gehörte es sich, einfach so Leute in der Stadt anzusprechen? Hatte man denn überhaupt keine Privatsphäre mehr?

“Was ist denn?“, fragte er gereizt, drehte sich augenrollend zu der Stimme um - und erstarrte.

Sein Unterkiefer klappte herunter, fassungslos starrte er auf die Gestalt, die dort vor ihm stand, ihn mit einem Blick anstarrte, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Ihr Mund verzerrte sich zu einem Grinsen als sie erwiderte: „Sehe ich das richtig? Du hast ein Date?“

Er versuchte, eine Antwort herauszubringen, schaffte jedoch nichts weiter als ein seltsames heiseres Krächzen, kniff die Augen zusammen, riss sie wieder auf...Sie stand immer noch dort.

Grinste, schüttelte langsam den Kopf. „Hast du mich so schnell ersetzt? Wirklich? Du verdammter...“

“Was tust du hier?“ Seine Stimme klang schrill, ängstlich, und dafür hasste er sich, doch immerhin gelang es ihm, leise zu sprechen. „Ich dachte, du...“

Sie antwortete nicht. Lächelte nur. Und langsam begann sie, sich zu verändern.

Ihr dunkelbraunes Haar, eben noch seidig und glänzend, wurde matt, fettig und zerzaust, ihre Augen verloren jeden Glanz, wirkten nun beinah wie tote Fischaugen und ihr Porzellangleiche Haut bekam Risse, Flecken, begann aufzuquellen...

Sie riss den Mund auf, weiter, als es bei einem normalen Menschen jemals möglich gewesen wäre und mit Entsetzen erblickte Keith das verfaulte, nahezu schwarze Zahnfleisch, auf dem sich unzählige dicke, weiße Maden tummelten.

„Wie in meinem Traum“, schoss es ihm durch den Kopf, während er fassungslos dasaß, wie hypnotisiert auf das ekelhafte, widerliche Bild starrte das sich ihm bot und langsam merkte, wie Übelkeit in ihm aufstieg...Übelkeit und das Bedürfnis, zu schreien. Doch kein Laut kam aus seiner Kehle.

Ja. Der Anblick glich dem in jenem Alptraum, der ihn heute Nacht aus dem Schlaf gerissen hatte. Doch einen unterschied gab es.

Sie.

Im Traum war es jemand anders gewesen. Nicht sie.

Nicht Joyce.

Und noch während er dies dachte, noch immer darum bemüht war, einen Laut hervorzubringen, zu schreien, spürte er wie sich ihre klammen Finger um seinen Hals legten und fest zudrückte, so lange, bis ihm langsam schwarz vor Augen wurde.
 

„Keith? Keith! Ist alles in Ordnung?“

Die Stimme riss ihn aus dem Zustand vollkommender Dunkelheit, er riss die Augen auf, schloss sie sofort wieder, geblendet von dem plötzlichen grellen Licht, hielt sich eine Hand vors Gesicht.

Jemand packte ihn an der Schulter, schüttelte ihn.

"Keith!"

Verärgert schüttelte er sich, schüttelte die Hände ab wie eine lästige Fliege und setzte sich ein Stück auf. "Was...wo..."

Er ließ seine Hand sinken, hatte sich ein wenig an die Helligkeit gewöhnt, desorientiert blickte er sich um...

Was zur Hölle war passiert?

"Geht es dir gut?" Wieder diese Stimme, er wandte sich zu ihr, blickte dem Mädchen ins Gesicht das dort vor ihm hockte und ihn besorgt musterte, ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht als sie sah, dass mit ihm soweit alles in Ordnung war. "Ich bin's! Rebecca! Du...du warst ohnmächtig..."

Langsam kamen die Erinnerungen zurück, die Erinnerungen an das, was vor der Schwärze gewesen war; dieses...Ding...diese widerwärtige Zombieartige Version von Joyce die ihn gepackt hatte, gewürgt, wie das Mädchen in seinem Traum...

Nur hatte er nicht geschlafen. Er war hellwach gewesen. Doch wie...

Verärgert schüttelte er den Kopf, was er sofort bereute als ein stechender Schmerz ihn durchzuckt.

Das war unmöglich. Wahrscheinlich hatte er sich den Kopf angeschlagen und nun reimte sich sein Gehirn irgendeinen Schwachsinn zusammen - das, an was er sich erinnerte, konnte einfach nicht sein!

Dennoch blickte er sich um, suchend, und wie nicht anders zu erwarten gab es keine Spur von diesem...Ding.

Das einzige was er sah waren andere Gäste des Cafés, die sich alle zu ihm umgedreht hatten und ihn anstarrten als wäre er irgendeine Attraktion im Zoo.

"Was?", fauchte er, selber erstaunt, wie fest und laut seine Stimme klang, seine Kopfschmerzen ignorierend, stand er auf, verschränkte die Arme vor der Brust.

"Was glotzt ihr denn so blöd?"

Ein lautes Murmeln war die Antwort, die meisten drehten sich wieder weg und wandten sich ihrem eigenen Kram zu, und auch Keith wandte sich von ihnen ab, wieder seiner Begleitung zu.

Rebecca war ebenfalls wieder aufgestanden, betrachtete ihn jedoch noch immer mit diesem besorgten Blick. "Alles in Ordnung?", fragte sie unsicher, spielte dabei an ihren Haaren herum. Keith nickte. "Ja!", erwiderte er gereizt, setzte sich wieder auf seinen Stuhl. "Alles super! Wahrscheinlich hab ich bloß zu wenig geschlafen!"

Das war eine Lüge; er hatte mehr als genug geschlafen und das wusste er genau, dich was sollte er schon sagen?

Dass der Geist eines toten Mädchens ihn heimgesucht und gewürgt hatte? Was für ein Schwachsinn! Das konnte es nicht geben!

Rebecca schien ein wenig beruhigt zu sein, sie setzte sich ebenfalls, senkte wieder den Blick.

"Ok...ich hab mir wirklich Sorgen gemacht..."

Keith verdrehte bloß die Augen. Was für ein furchtbares Date...
 

Der Rest des Nachmittags verlief ohne weitere Zwischenfälle. Obwohl Keith sich keinesfalls vollkommen von der Tatsache überzeugen konnte, dass er sich Joyces Auftauchen bloß eingebildet hatte, verlor er kein Wort darüber, versuchte, sich normal zu verhalten, was ihm augenscheinlich auch gelang.

Doch nachdem er sich um kurz nach 8 schließlich von Rebecca verabschiedet hatte, nachdem diese ihm versichert hatte, dass ihr die Verabredung sehr gut gefallen habe, und er nun allein durch die wenig befahrenen Straßen auf dem Weg nach Hause war, war es längst nicht mehr so einfach, diese beängstigenden Gedanken zurückzuhalten.

Er sah das verwesende, von Maden befallene Gesicht seiner Ex-Freundin vor sich, sobald er die Augen schloss, konnte beinah ihre kalten starren Finger auf seiner Haut spüren...und nun konnte er sich nicht mehr so einfach einreden, dass das bloß das Produkt einer leichten Gehirnerschütterung oder von zu viel Stress und zu wenig Schlaf war.

"Das ist doch vollkommen bescheuert!"

Selbstgespräche zu führen machte das Ganze nicht wirklich besser, doch ihm fiel nichts anderes ein, was er hätte tun können.

Schließlich war er nun allein.

Und womöglich im Begriff den Verstand zu verlieren, wie ihm in diesem Moment durch den Kopf schoss.

"Schwachsinn! Ich brauche Schlaf, sonst nichts! Vielleicht werde ich auch Krank..."

Obgleich ihm keine Krankheit einfiel, bei der man unter derartigen Halluzinationen litt - allerdings kannte er sich mit Krankheiten auch nicht sonderlich gut aus - beruhigte ihn dieser Gedanke eigenartigerweise.

Ja...Bloß eine Grippe mit seltsamen Nebenwirkungen oder...

Eine laute, schrille Melodie zerschnitt seine Gedanken. Erschrocken zuckte er zusammen, worüber er gleich darauf wütend schnaubte; er zog sein Handy aus der Tasche, blickte auf das Display... und erstarrte.

Las den Namen auf dem Display noch einmal, nochmals, wieder und wieder.

Das konnte nicht sein. Das war genauso unmöglich wie diese Halluzination vorhin... was zur Hölle war hier los?

Der Name...dieser Name...

Lindsey Malcoy.

Ehemaliges Mitglied des Cheerleader-Teams.

Wie Joyce eine von Keiths Ex-Freundinnen.

Und was das Wichtigste war:

Sie hatte sich vor fünf Monaten das Leben genommen.

Das...das war ein Scherz. Ein Scherz oder...einfach ein harmloser Irrtum...

Vielleicht hätte nach Lindseys Tod jemand anders das Handy bekommen. Ihre Schwester womöglich. Und diese Personen rief ihn nun an um...um was? Ihm einen Streich zu spielen? Ihm Angst zu machen?

Und das ausgerechnet heute, wo er doch bereits einen...seltsamen Zwischenfall hinter sich hatte?

Konnte es solche Zufälle geben?

Das musste es, denn was sollte es sonst sein? Etwa eine Art Spuk?

Vor Nervosität so sehr zitternd, dass er kaum das Handy festhalten könnte strich er über den Bildschirm um den Anruf anzunehmen, auch wenn er das eigentlich gar nicht wollte, hielt dich das Smartphone ans Ohr und fragte mit furchtbar leiser und fast schon ängstlicher Stimme: "Hallo? Wer ist da? Was soll das?"

Er bekam keine Antwort. Alles, was zu hören war, war ein seltsames, statisches Rauschen.

Keiths Herz schlug ihm Bis zu Hals, seine Finger verkrampften sich, verzweifelt versuchte er, langsam zu atmen, sich zu beruhigen, doch das schien in diesem Augenblick unmöglich.

Am liebsten hätte er geschrien, nur mit Mühe konnte er sich beherrschen, doch wie lange noch wusste er nicht, Panik breitete sich in ihm aus, grauenhafte, unkontrollierbare Panik...

Und dann begann am anderen Ende der Leitung jemand, zu sprechen.

Es war bloß ein einziges Wort, doch es reichte, um Keith das Blut in den Adern gefrieren zu lassen.

"Warum?"

Dann ein Klicken.

Aufgelegt.



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