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Der grimme Kreuzzug

Dunkle Heimkehr
von

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Der Dachs kämpft

Knapp vor dem Haupttor wurde er aufgehalten. Man hatte ihn tatsächlich bemerkt. Ein gut platzierter Gegenangriff direkt in den Rücken des Feindes hätte ausgereicht, um die Angreifer in einen Zangengriff zu nehmen. Andererseits, wer sollte der Adlerwacht schon zu Hilfe kommen? Der Graf war kein Mitglied der Allianz und mit seinen Nachbarn verfeindet. Außerdem lag sein Reich am oberen Ende der Östlichen Königreiche. Geographisch wie auch politisch war das Land völlig isoliert. Am Ende würde dieser Umstand dem Adler das Genick brechen.
 

„Wer seid Ihr?“, fragte ihn ein junger Bengel, höchstens 17 Jahre alt. Mit dem Speer in der Hand wagte er es tatsächlich ihn zu behelligen. Connors Blick wanderte zur Spitze der Waffe. Die eisblauen, kalten Augen lugten aus den Schlitzen seines Helmes hervor. Widerlich, diese Waffengattung zu führen. Söldner, Milizen und Bauern trugen Speere, aber keine anständigen Soldaten. Er hatte diesen Umstand immer kritisiert: Ein Bauer sollte Bauer sein dürfen, genauso wie ein Soldat sein Leben dem Krieg widmen durfte; den einen in das andere zu pressen, machte beide nur unglücklich.
 

„Connor“ war die knappe Antwort des jungen Ritters, der sich anschickte weiterzureiten. „Dreht um, oder-“ begann der Junge, wurde aber sogleich von Connor unterbrochen. „Oder?“, fragte er nach. Seine Stimme wirkte unnatürlich, fast so, als ob mehrere Lippen die Worte formen würden. Jugendlicher Leichtsinn, gepaart mit dem Gefühl von Überlegenheit und Selbstsicherheit bewogen den Rotzbengel dazu, sich ihm in den Weg zu stellen. Er hatte weder Zeit noch Muße, sich mit einem Halbstarken auseinanderzusetzen.
 

„Oder ich werde Euch von Eurem Pferd holen!“ Irgendwie musste dem Jungen entgangen sein, dass er nicht in der Position war, ihm zu drohen. Früher hätte Connor den Jungen ob seines Mutes gelobt, heute war er ihm einfach nur lästig und im Weg. Wortlos streckte der Ritter seine gepanzerte Hand aus und drückte sie dem Fremden ins Gesicht. Dieser schrie qualvoll auf. Seine Lippen verzerrten sich schmerzerfüllt, während sich die Hände um Connors Arm legten. Der Gestank von verbranntem Fleisch schwängerte die Luft. Mit einem Ruck stieß er den Jungen achtlos ins Gras zurück und ritt weiter. Sein Schicksal, genauso wie sein Wimmern und Stöhnen, kümmerten den Ritter nicht.
 

Die anderen Soldaten waren nun auch auf ihn aufmerksam geworden. Aufruhr kam in die Meute, welche gegen das Tor brandete. Ein Hinterhalt? Ein einzelner Mann? Woher kam diese drückende, dunkle Aura, die sie plötzlich alle umgab? Einige von ihnen warfen panisch ihre Waffen zu Boden und rannten kreischend davon, als sie ihren verwundeten Kameraden erblickten. Hände und Gesicht waren verbrannt. Connors Handschuh hatte einen Abdruck im Gesicht des Jungen hinterlassen, der mit erblindeten Augen ins Dunkel der schwarzen Wolken über ihm starrte. Sollte er überleben, würde er wohl auf ewig ein Krüppel bleiben.
 

Eine kleine Schar an Kämpfern war jedoch so dumm, sich ihm in den Weg zu stellen. Vielleicht war es der Zorn über das Schicksal ihres Kameraden, oder die blanke Verzweiflung, die sie zu einer solchen Selbstmordtat antrieben, doch im Endeffekt änderte das nichts. Sie alle, egal ob Mann oder Frau, Frischling oder Veteran, waren nur ein Hindernis. Ein weiteres Hindernis des Schicksals, welches es zu beseitigen galt.
 

Connor gab seinem Pferd die Sporen. Mühelos trieb das Wesen einen Keil in die Angreifer, bevor es von Speeren, Spießen und Mistgabeln durchbohrt wurde. Wiehernd schlug das Pferd um sich, brach mit den Hufen Knochen, während sich immer mehr Waffen in seinem Leib wiederfanden. Der junge Ritter hielt die Zügel fest umschlossen, als auch auf ihn die ersten Angriffe einprasselten. Weder Holz noch Metall schienen Ross oder Reiter aufhalten zu können.
 

Tollwütig setzte das Pferd seinen Weg fort. Kreischend prallte so manche Waffe an der roten Schabracke des Tieres ab. Trotz der zahlreichen Verwundeten und Toten, die es hinterließ, gab es noch immer genügend Männer und Frauen, die sich nicht von dem Spektakel beirren ließen. Ihre Reihen lichteten sich zwar ein wenig, doch sie hatten die Übermacht auf ihrer Seite. Irgendwann würde dieser Fremde fallen, und der, der seinen Kopf zum Kommandanten brachte, konnte dem Elend, in welchem er hauste, vielleicht entkommen.
 

Als sich sein Ross beinahe gar nicht mehr bewegen konnte, ob der vielen Angreifer, die es mit ihren Waffen durchbohrt hatten, streckte der Reiter seine flache linke Hand aus. Zu ihren Füßen bildete sich ein blutroter Kreis, der mit zahlreichen, fremdartigen Runen versehen war. Kreischend griffen sich die Ersten an die Schläfen. Zahlreiche fielen zu Boden, wälzten sich wahnsinnig vor Schmerz hin und her und flehten dabei, es möge aufhören. Das Blut in ihren Adern kochte so lange, bis diese aufplatzten und sich der Lebenssaft auf die umliegenden Soldaten verteilte. Auch Connor war mittlerweile blutbesudelt. Sein Wappenrock, den ein Dachs auf weißem Hintergrund zierte, hing zerschlissen und blutbefleckt an seiner Brust.
 

Gleichgültig glitt der Ritter aus seinem Sattel. Die Waffen aus dem Ross zu entfernen würde zu lange dauern. Das Tier konnte sich kaum noch bewegen, und glich einem Igel, gespickt mit den Speeren, Piken und Lanzen, die aus seinem Körper hervorragten. Teilnahmslos stieg sein Reiter über die Toten und Sterbenden und hielt unermüdlich auf das Tor zu.
 

Es gab noch immer genügend Narren, die glaubten, sich ihm in den Weg stellen zu können. Connor war diese Situation einfach leid. Fehlgeleitete Loyalität, falscher Heldenmut, die Verehrung von Männern und Frauen in Volksgeschichten, deren Heldentaten fraglich waren, genauso wie der Wunsch, aufzusteigen, um dem einfachen Leben zu entfliehen; er verabscheute alles davon. Früher, da war er genau gleich gewesen, mehr noch: Aidan hatte ihn einst dafür geliebt.
 

Wortlos zog Connor die beiden Runenklingen aus ihren überkreuzten Stoffscheiden am Rücken. Die Totenschädel grinsten höhnisch, als die Waffen ihre ersten Opfer fanden. Mühelos durchschnitten die Schwerter Rüstungen und spalteten Schilde. Die Runen auf den Oberflächen der Klingen leuchteten blau während sich der junge Ritter beständig seinen Weg zur Adlerwacht bahnte, unter dem hohen Blutzoll der Verteidiger.
 

Nichts konnte ihm etwas anhaben. Seine Rüstung war aus dem Blute eines alten Gottes angefertigt. Nur eine Waffe aus dem gleichen Material konnte sie durchstoßen. Sterbliche wurden beim Kontakt verbrannt, und je länger sie dem Urtümlichen Saronit ausgesetzt waren, desto mehr verfiel ihr Geist dem Wahnsinn. Ihm war es jedoch gestattet, die Vorzüge dieses seltenen Rohstoffs zu genießen, und dabei seinen Verstand zu behalten. Er hatte sein Ziel noch immer vor Augen, und würde sich durch nichts davon abhalten lassen.
 

Stumm parierte Connor einen weiteren Speer mit seiner Klinge, lenkte ihn zur Seite, nur um dann dem Besitzer den Kopf abzuschlagen. Dort, wo seine Waffen nicht den Tod brachten, verfielen die Verwundeten alsbald dem Wahnsinn. Sie konnten nicht mehr Freund von Feind unterscheiden, mussten zusehen, wie ihnen die Gliedmaßen abfaulten, oder sie von innen heraus verglühten, weil ihr Blut zu sieden begann.
 

Die Leichen der Soldaten des Schlangenbarons pflasterten seinen Weg, und er war seinem Ziel, dem Tor, schon deutlich nähergekommen, als die Angreifer plötzlich innehielten und von ihm abließen. Hatten sie endlich begriffen, dass niemand ihm gewachsen war? Waren sie es leid, ihre Leben sinnlos zu vergeuden, es auszuhauchen, für einen Mann, der weder sie, noch die Nöte ihrer Familien kannte? Connors leise Hoffnung wurde jäh zerstört, als Hörner ertönten.
 

Mit einem Ruck seiner ausgestreckten Hand fällte Connor einen Teil der nun passiven Truppen, die, wie von Geisterhand, in die Luft gehoben wurden und sich röchelnd an die Kehlen griffen. Schwarzer Nebel verzerrte ihre Sicht, so lange, bis sie schlussendlich die Augen verdrehten und leblos zu Boden fielen. Nun war auch der letzte Rest der Narren davon überzeugt, dass sie es mit dem Fremden nicht aufnehmen konnten. Connor war seinem Ziel, Zugang zur Adlerwacht zu erlangen, zum Greifen nahe. Einzig der Kommandant musste noch aus dem Weg geräumt werden, und die Belagerung war aufgehoben.
 

Inzwischen brach Jubel auf Seiten der Verteidiger aus. Manche zumindest ließen sich zu einer Geste der Freude hinreißen. Sie hielten ihre Waffen gen Himmel, doch den meisten war mulmig zu Mute. Sie erkannten Connors Wappenrock, zweifelsohne, doch ihr einstiger Held, woher hatte er diese furchteinflößenden Fähigkeiten? Wie grausam sein Tun doch war, und wie gleichgültig der Blick der kalten, blauen Augen, die aus den Sichtschlitzen hervorlugten. Das Getrappel von Hufen, gepaart mit den lauterwerdenden Hörnern ließ alle, einschließlich Connor, in die Richtung, aus der die Geräusche kamen, blicken.



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