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I Feel You II

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hintergrundmusik:
https://listenonrepeat.com/watch/?v=-3D5FwwtNVM#Katy_Perry_-_Wide_Awake_(Lyric_Video)
Wide Awake by Katy Perry (2012) Komplett anzeigen

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... Öffnet sich eine andere.

Nachts raschelte eine sonderliche Brise durch die flüsternden Nadeln der umstehenden Bäume. Beinahe mystisch lag unterm Neumond im Sternenlicht eine Bank. Kaum eine Wolke trieb am Himmel, in dessen Richtung Genesis aber auch nicht schaute. Im Gegenteil, gebannt wurde er von dem Buch auf seinem Schoß. Es war ein besonderes Buch, das ihn an vergangene Zeiten erinnerte. Lange hatte er es nicht mehr anzurühren gewagt, hatte nur, und auch das mit Müh und Not, die Fortsetzungen zur Hand genommen, die es mittlerweile gab.

Nun also hatte er dieses Buch wieder aufgeschlagen. Als er bei der Szene im Zug angelangt war, saß Genesis für einen kurzen Moment nicht mehr draußen auf einer Parkbank. Einen Augenblick lang fühlte er sich um ein paar Jahre zurückversetzt. Genau das hatte er befürchtet. Genau deswegen hatte das Buch so lange unbeachtet in seinem Regal gestanden. Als nach dem Ende seiner Beziehung ein dritter Teil erschienen war, hatte Genesis daran die Zeit verstreichen sehen. Er hatte sich weiter bewegt, die Zeit war weitergelaufen, die Welt hatte weiter ihren Lauf genommen. Sogar ein vierter Teil war erschienen. Nun sah er den Moment gekommen, von vorne anzufangen und dabei seine Erinnerung neu zu schreiben.

Im Dunkel der Nacht lief ihm dennoch ein Schauer über den Rücken. Prakashs Anwesenheit schwebte nahezu über ihm, sein Wutausbruch von damals war beinahe zu greifen, ihr Streit, Prakashs Fehler, durchwachte Nächte, einem Untoten gleich durchwandelte Tage, Tränen, Scherben, Masken, Disziplin. Genesis zwang sich, weiter zu lesen. Es konnte nicht sein, dass er ein Buch wie einen Menschen aus seinem Leben verbannte, Buch wie Autorin konnten immerhin nichts für seine schlechte Menschenkenntnis.

In der Zwischenzeit hatte er tatsächlich einige Männer kennengelernt; manche hatten ihn besser behandelt, andere schlechter. Aber von allen hatte er sich rechtzeitig zurückgezogen, er hatte einen Blick in andere Welten geworfen, auch ins Schattenreich, war aber am Ende immer allein und für sich geblieben. Es war sicherer so – er konnte doch nicht riskieren, noch mehr Bücher zu verlieren.

Mit viel Willenskraft und Konzentration kehrte Genesis auf die Buchseiten vor sich zurück. Ja, er erinnerte sich an seinen ersten Eindruck des Mädchens. Wenn er nur daran dachte, wie sie sich gemacht hatte, wie erwachsen sie geworden war ... Er fragte sich, wie lange es wohl noch bis zum nächsten Band dauern würde. Immerhin wurde der erste Teil bald verfilmt, ein Grund mehr, ihn wieder zu lesen. Er richtete seine ganze Aufmerksamkeit wieder auf seine Lektüre. Sie waren fast am Ziel ihrer Reise angekommen, es warteten allerdings noch ein paar Hindernisse, bevor sie sich endlich eine wohlverdiente Ruhe genehmigen konnten ...

Endlich hatte Genesis wieder in das Buch hinein gefunden. Begeistert las er weiter Seite um Seite, Kapitel um Kapitel, der Mond am Himmel ging seines Weges, die Sterne mochten in ihren Bahnen weiterlaufen, Genesis hatte nur Augen für die Magie vor ihm. Er merkte überhaupt nicht, wie die Stunden vergingen, voranschritten, vorbeiglitten. Möglicherweise hätte er zumindest einen Schatten bemerkt, wenn mehr Licht die Umgebung beschienen hätte, am Tage vielleicht, aber da schon lange Dunkelheit herrschte, merkte Genesis nicht, dass er nicht mehr allein war. Vertieft in das neueste Abenteuer, das die drei Freunde seines Buches erlebten, sah er auch nicht, dass sich jemand vor ihm aufbaute. Er erschrak heftig, als er angesprochen wurde.

„Wenn du einmal angefangen hast zu lesen ...“ Mit vor Schreck geweiteten Augen sah Genesis auf. Vor ihm stand aber bloß Angeal, der den Kopf schüttelte und ihm ein freundschaftliches Lächeln schenkte. Aber war es bloß Angeal? Hinter seinem besten Freund ragte nicht nur das Shin-Ra-Hauptquartier auf. Genesis blieb die Luft weg. Seinen Kollegen – Sephiroth – den großen General – groß war er tatsächlich – große Männer, Männer, die größer waren als er selbst, hatte er schon immer gemocht – den großen Helden, hatte er noch nie vorher persönlich gesehen, zumindest nicht aus solcher Nähe. Verstimmt drückte er sich hinter Angeal und schien nicht recht zufrieden mit der Situation zu sein. Genesis‘ Herz raste. Dieses Haar – wie konnte es selbst bei diesem Licht so hell sein? Und trug Sephiroth etwa immer noch seine Uniform?

In Sephiroths demonstrativ abgewandtem Blick erkannte Genesis, dass er selbst ihn unverhohlen anstarrte. Er schluckte und versuchte sich zusammenzureißen. Wie ein Echo aus weiter Ferne hörte er, dass Angeal sprach. „ ... kennt euch nicht, soweit ich weiß, also dachte ich, als ich dich gesehen hab, ich stell euch mal vor, wenn ich Seph eh im Schlepptau hab.“ Seph ... So hatte Angeal ihn einfach genannt. Genesis sah Sephiroth an. Mit diesem verschlossenen Ausdruck wirkte er überhaupt nicht wie jemand, der sich bei einem verkürzenden Spitznamen nennen ließ. Jede Strähne dieses makellos glatten Haars saß perfekt an der richtigen Stelle, keine Regung durchbrach das Gesicht, das wie ein ruhiger See lag, nicht ein Krümel schien seine Uniform zu verunstalten; vielleicht hielt er sich etwas steif. Er fühlte sich offensichtlich unwohl. Ohne etwas zu tun, beanspruchte Sephiroth Genesis‘ ganze Aufmerksamkeit. Möglicherweise hörte er Angeal noch so etwas wie „Rückweg“ sagen.

Beinahe wie ein Schlafwandler erhob er sich von der Bank. Sephiroth schaute ihn immer noch nicht direkt an. Wenn er nur den Kopf neigen, wenn er nur den Blick auf ihn richten würde ... Genesis schwindelte es beinahe. Er hatte schon lange nichts mehr so sehr ersehnt wie Sephiroths Interesse. Sein Mund war trocken. Wie konnte sein Kopf so leer sein? Was hatte er eben noch gemacht?

„Bist du nicht ein wenig alt hierfür?“ Die Stimme kam von hinter Genesis. Er drehte sich widerwillig um. Angeal hielt sein Buch in der Hand. Genesis machte ein missbilligendes Geräusch und schnappte Angeal das Buch wieder weg. Er mochte es nicht, wenn Leute seine Bücher anfassten, geschweige denn, wenn sie schlecht von ihnen redeten.

„Was ist das für ein Buch?“, fragte die samtige Stimme Sephiroths, nun wiederum hinter ihm. Genesis wandte sich ihm nur halb zu; er hielt ihm schweigend das Buch hin. In Sephiroths Blick war nicht abzulesen, ob er das Buch kannte. Es ging nicht eine Bewegung über sein Gesicht, auch nicht, als Genesis das Buch wieder einsteckte und, wie von Angeal vorgeschlagen, mit den beiden andern den Rückweg antrat. Neugierig warf Genesis Sephiroth unentwegt Seitenblicke zu. Er beobachtete, dass Sephiroth sich anscheinend etwas entspannte und nicht mehr absichtlich in eine andere Richtung schaute.

Angeal versuchte, eine unbeschwerte Konversation in Gang zu bringen. Genesis hatte nicht den Hauch eines Interesses daran, ihn dabei zu unterstützen. Stattdessen erlaubte er sich ein Spiel mit Sephiroth, in dem es darum ging, sich abwechselnd Blicke von der Seite zuzuwerfen, ohne sich dabei wirklich in die Augen zu sehen. Wann immer er Sephiroth musterte, schaute der in Richtung Boden, manchmal auch in Richtung des Hauptquartiers oder des Wegesrandes, aber meist war es der Boden. Wann immer Genesis aber spürte, dass Sephiroth ihn seinerseits musterte, auch wenn der sich das nur für kurze Momente traute, setzte er einen koketten, nur gespielt schüchternen Blick auf, in der Hoffnung, Sephiroths Aufmerksamkeit zu bannen.

Es war kein sehr weiter Weg von der Bank, auf der Genesis Momente zuvor noch im Versuch einer Vergangenheitsbewältigung gelesen hatte, zum Hauptquartier, aber Genesis schlenderte absichtlich betont langsam vor sich hin, um die Dauer ihres Zusammenseins künstlich in die Länge zu ziehen. Angeal schien ihr Spiel zunächst nicht zu bemerken und vermittelte weiter verbal zwischen ihnen. Sephiroth ließ sich mitunter sogar dazu herab, auf Angeals Gesprächsversuche einzugehen. Genesis genoss den ruhigen, dunklen Klang von Sephiroths Stimme. Er selbst hatte nicht vor, irgendetwas beizusteuern; im Grunde folgte er dem Gesprächsverlauf gar nicht. Irgendwann, als sie beinahe am Eingang angekommen waren, hörte er allerdings seinen Namen. „ ... sitzt ständig irgendwo rum und liest vertieft vor sich hin, man muss nur drauf achten.“ Genesis beäugte Angeal skeptisch. Sollte das Kritik oder ein Kompliment sein?

„Wie kann es dann eigentlich sein, dass ich dir vorher nie über den Weg gelaufen bin?“ Es war das erste Mal, dass Sephiroth Genesis direkt ansprach. Von der Frage überrascht, richtete Genesis seinen Blick auf Sephiroth – und der auf ihn. Es kam nun, nachdem sie sich eine Weile absichtlich abwechselnd ausgewichen waren, auch zum ersten Mal dazu, dass sie sich direkt in die Augen sahen. Genesis war fasziniert von diesem Makogrün, in das er blickte. Er blinzelte einmal kurz. Er vergaß zu atmen. Vielleicht blieb ihm auch der Mund leicht offen stehen. Wie konnten Augen von einem solchen Grün sein? War das tatsächlich nur das Mako? War es normal, dass Augen einen so in den Bann zogen?

Die automatischen Türen des Hauptquartiers öffneten sich und beendeten den Moment, den Genesis und Sephiroth eben noch geteilt hatten. Anstatt einander gebannt in die Augen, schauten sie nun beide verlegen zu Boden. Wieder ohne einander anzusehen, betraten sie das Hauptquartier, Angeal direkt hinter ihnen. Genesis blieb etwas verloren im Eingang stehen, Angeal folgte ihnen. Sephiroth wandte sich ihnen zu. „Wenn ihr mich entschuldigen würdet“, sagte er in seiner ruhigen Art, doch Genesis meinte sich einzubilden, dass eine bis dahin unbekannte Unsicherheit darin lag, „es gibt noch Dinge zu erledigen.“ Er sah unsicher von Angeal zu Genesis. Er schien um Worte verlegen.

„Um deine Frage von eben zu beantworten“, sagte Genesis, der endlich zu seiner zynischen Gewohnheit zurückgefunden hatte, „du läufst mir wahrscheinlich im Pausenraum über den Weg.“ Sephiroth sah ihn völlig planlos an.

„So was gibt es?“, fragte er ehrlich verwirrt.

„Du weißt schon, die Teeküche? Eine Etage unter den Büros?“ Immer noch nicht überzeugt, nickte Sephiroth, bevor er ohne ein Wort des Abschieds von dannen zog. Genesis blieb ein paar Momente völlig durch den Wind zurück. Dann fiel ihm wieder ein, dass Angeal ja auch noch da war. Er wandte sich um. Angeal grinste ihn mit einem wissenden Ausdruck unerträglich an.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Wer wissen will, wie der Abend weitergeht: https://www.animexx.de/fanfiction/385612/1259935/default/#complete
In "Reversed" geht es darum, wie Genesis und Seph nach diesem ersten Treffen zusammenkommen. <3

Übrigens, das "Schattenreich" ist eine Disney-Anspielung.

PS Schaut auch in meine Darkfic You Come When I Call You rein, die nicht ins "Mit Liebe Gekocht"-AU reingehört: https://www.animexx.de/fanfiction/autor/534019/389349/
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