Zum Inhalt der Seite

I Feel You II

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Kurze Warnung: Angeal hat hier Familie, nicht wundern. Das gehört zu meinem AU, keine Zeit, es zu erklären. :'D

Hintergrundmusik:
https://www.youtube.com/watch?v=7Pp-kPe8Xo8&list=PLNzWgLVJd0JO-MDREgF6RRHLe3FtAerVB&index=2&t=0s
Viel Klischee in einer langen Playlist. Enjoy! Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Schließt sich eine Tür, ...

Genesis hörte die Tür aufgehen. Angeal kam herein, an der Hand Ben, seinen kleinen Sohn. Angeal kam nur langsam näher, unsicher, was er sagen oder tun sollte. Schließlich setzte er sich zögernd zu Genesis an den Tisch und nahm Ben zu sich auf den Schoß. „Wie war die Nacht?“, fragte er.

„Oh, super“, erwiderte Genesis, ohne von der Kaffeetasse aufzusehen, die schon seit längerer Zeit unangerührt vor ihm auf dem Tisch stand. „Ich hab auch komplett durchgeschlafen, sehr angenehm. Kann mich nicht beklagen.“

Angeal sah ihm in die immer noch geröteten Augen und glaubte ihm ganz offensichtlich kein einziges Wort. Die Wahrheit war, dass Genesis nicht glaubte, auch nur eine Sekunde Schlaf bekommen zu haben. Dabei waren ihm die Tränen nicht einmal sofort gekommen. Zunächst hatte er bis weit nach Mitternacht versucht, Ausreden zu finden, warum er noch nicht zu Bett gehen musste: Zuerst versuchte er es damit, sich weiszumachen, er sei noch gar nicht müde, dann fiel ihm ein, er hätte noch dieses Buch zu lesen, wollte noch einen Blick in jenes Buch werfen, schließlich hatte er doch noch etwas für die Arbeit zu tun – vielleicht ließe sich etwas ganz unbeschwert am Wochenende erledigen, um den Montag etwas zu entlasten. Sogar aufgeräumt und alle Tassen gespült hatte er. Dann hatte er alles neu geordnet, was er in die Hände bekommen konnte; nur bei seinem gut sortierten Bücherregal hatte er sich dazu nicht recht durchringen können. Immerhin aber hatte er die Bücher von links nach rechts umgestellt. Am Ende hatte jedoch alles keinen Zweck. Irgendwann musste er ja doch schlafen. Er spürte am ganzen Körper, dass er schwer, dass er erschöpft und müde war. Also durchquerte er sein Wohnzimmer, zog sich seinen Pullover über den Kopf, warf ihn unachtsam zu Boden und öffnete die Tür zum Bad.

Dort verharrte er mit einem Mal. Er spürte plötzlich, wie sehr seine Kehle schmerzte. Daran hatte er in seinem ermüdeten Zustand natürlich nicht gedacht. Sein Blick war nichtsahnend auf die zweite Zahnbürste am Waschbecken gefallen. Er spürte, wie seine Augen sehr schnell sehr feucht wurden. Statt auf dieses Zeichen seiner Anwesenheit sah er tief durchatmend in Richtung Zimmerdecke und drehte sich ruckartig weg. Langsam schloss er hinter sich die Tür, schloss den Anblick aus, und versuchte sich zu beruhigen. Lange stand er da, unfähig, sich zu bewegen, schnell atmend, geradezu keuchend, im Kampf mit den Tränen und einen dicken Kloß tief in seinem Hals.

Er hätte nicht sagen können, wie viel Zeit vergangen war, als er wieder einen Fuß, wenn auch unsicher, vor den andern setzen konnte und mit zittrigem Schritt zur Spüle in der Küche herüberging, um sich ein Glas Wasser abzufüllen. Etwas zu trinken tat ihm gut. Es löste das Schütteln, das ihn zu überkommen drohte, und beseitigte das zugeschnürte Gefühl in seiner Kehle. Er atmete noch ein paarmal schwer, ehe er ruhig da stand, beinahe als wäre nichts gewesen.

Genesis konnte dennoch nicht glauben, was da eben geschehen war. Irgendetwas tief in ihm drin schmerzte immer noch. Und es tat verdammt weh. Das Atmen fiel ihm immer noch ungeahnt schwer, ebenso das Schlucken – und überhaupt das Stehen. Er bewegte sich ein paar Schritte zur Seite, um sich am Küchentisch auf einen Stuhl fallen zu lassen. Alle Kraft schien ihn plötzlich verlassen zu haben. Warum nur musste es so wehtun? Warum musste er das fühlen? Womit hatte er es verdient? Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaute er auf keinen bestimmten Punkt, richtete einfach den Blick verzweifelt nach oben, als würde er auf Antworten hoffen, oder auf Linderung. Er fuhr sich grob mit beiden Händen durchs Haar. Was passierte nur mit ihm? Schwäche, Kontrollverlust, beides sah ihm nicht ähnlich. Er war erschöpft. Am besten, er ging einfach zu Bett.

Ja. Sich zusammennehmend, erhob sich Genesis von dem Stuhl und wandte sich zu der Tür, die zum Schlafzimmer führte. Er öffnete sie ohne einen weiteren Gedanken, trat hindurch und setzte sich nach einem weiteren Schritt auf das Fußende seines Bettes. Er fuhr mit der Hand über die Decke, spürte den weichen Stoff unter seinen Fingern. Wie oft er sich mit Prakash einfach darunter zurückgezogen hatte, Arm in Arm, lachend, warm, geborgen, aneinander geschmiegt. In einem nun wieder leidvollen Ausdruck zog er erneut die Augenbrauen zusammen. Ihm war klar geworden, dass sie den Großteil des letzten halben Jahres in diesem Bett verbracht hatten, Prakash hatte nie auch nur eine Minute die Finger von ihm lassen können.

Nein, Genesis konnte unmöglich die Nacht in diesem Bett verbringen. Unmöglich! Fluchtartig, wie von Sinnen, stand er vom Bett auf und stürmte wieder aus dem Zimmer, schlug die Tür laut hinter sich zu und lehnte sich mit dem Rücken stützend dagegen, keuchend. Es konnte nicht sein. Es durfte nicht sein. Allmählich rutschte er rücklings an der Tür herunter, bis er schlussendlich am Boden angekommen war. Ungebeten stiegen Bilder in seinem Geist auf, blitzartig erschienen sie vor ihm, wie Prakash seine Hand hielt, wie er in der Küche stand, wie sie zusammen auf dem Sofa lagen und nichts weiter taten – aber dann änderte sich die Szene.

Da war er wieder, dieser andere, dieser blonde Mann. Genesis versuchte sich dagegen zu wehren, wie vor seinem inneren Auge Bilder der beiden entstanden. Wie sie zusammen lachten, wie sie sich gegenüber saßen und sich verliebt ansahen, wie sie sich küssten, als er hereinplatzte, gerade kurz davor ... Aber wenn er nicht aufgetaucht wäre ... Sie wären in Prakashs Schlafzimmer verschwunden, hätten sich die Kleider von den Leibern gerissen, zwei erhitzte Körper, die sich auf Prakashs Bett vergnügt hätten, Prakash in inniger Umarmung mit diesem anderen Mann, nicht mit ihm ... Wie hatte er nur ... sein Vertrauen so missbrauchen können ...

Nun schüttelte es Genesis am ganzen Körper, er konnte die Tränen nicht aufhalten; atemlos beherrschte ihn ein Krampf nach dem nächsten, es tat so unheimlich weh, daran zu denken, und doch konnte er nicht aufhören, immer wieder erschienen die beiden vor ihm, miteinander im Bett, Küsse austauschend, ineinander versenkt, unbesorgt, sie verschwendeten nicht einen Gedanken daran, dass sie ihm mit jeder Bewegung einen tödlichen Streich mehr versetzten. Nein! Wieso? Er hatte ihm vertraut! Wie konnte er? Warum? Und warum tat es ihm so weh, wenn er doch nichts falsch gemacht hatte? Warum waren seine Knie feucht vor Tränen, und warum war nicht Prakash am Boden zerstört? Warum wand er sich nicht winselnd vor Genesis im Staub und bat um Verzeihung? Warum verbrachte Genesis die Nacht elend in seinem Unglück versunken, während er ahnte, dass Prakash schon wieder auf der Suche nach neuem Material war?

„Nein, alles ok“, fügte er betont ungerührt hinzu, als Angeal nicht überzeugt aussah.

„Schon klar.“ Angeal ließ ihn mit seinem wachsamen Blick nicht aus den Augen. Ben hingegen begann auf dem Schoß seines Vaters zu zappeln. Angeal war abgelenkt und schaute seinen quengelnden Sohn an, der langsam von seinem Schoß herunter rutschte. Mit seinen vier Jahren war Ben zwar gerade erst groß genug, um im Stehen über die Tischfläche schauen zu können. Es war dennoch beeindruckend, mit welcher Bestimmtheit er eben jenen Tisch umrundete, direkt auf Genesis zusteuerte und nun auf seinen Schoß zu klettern begann. Unwillkürlich lachend, half Genesis dem kleinen Mann bei seinem Aufstieg und hielt ihn dann gut fest. Ben benutzte ihn nicht zum ersten Mal als Spielzeug.

„Und, was ist mit dir?“, fragte er den Sohn seines besten Freundes, sich mit einem aufgesetzten Lächeln davon ablenkend, dass er immer noch die vielen Tränen der letzten Nacht in seinen Augen brennen spürte. „Bist du auch schon lange wach?“ Als er Ben einmal diese Frage gestellt hatte, gab es kein Halten mehr; der Junge plapperte unbremsbar drauf los und erzählte Genesis in seinem kindlichen Eifer jedes Detail seiner vielen bunten Abenteuer, die er erlebt hatte, seit er vermutlich etwa dreißig Minuten zuvor zwischen seinen Eltern aufgewacht war. Genesis, erleichtert, der Achterbahn seiner eigenen Gedankenwelt für einen Moment zu entkommen, versuchte sich als guter Zuhörer und gab dem Jungen ermutigende Kommentare, die ihn nur weiter in seiner Begeisterung anstachelten. Und Angeal saß die ganze Zeit daneben und sah seinen Jungen elterlich stolz an. Irgendwann aber streckte er eine Hand aus und fuhr Ben durchs Haar.

„Jetzt lass dem Onkel noch ein Ohr übrig, das du ihm beim nächsten Mal abkauen kannst“, ermahnte er seinen Sohn liebevoll. Der drehte sich um und sah verwirrt drein.

„Hä?“, fragte er. Angeal lachte, stand auf, packte seinen Sohn sanft um die Körpermitte und setzte ihn sich auf den Arm.

„Komm, wir gehen frühstücken“, sagte er an Genesis gewandt. Der hatte kaum genug Zeit, um mit einem unsicheren Blick zu antworten, ehe Angeal schon fortfuhr: „Ich lasse kein Nein als Antwort gelten.“

„Dachte ich mir schon“, erwiderte Genesis mit einem traurigen Lächeln.

„Papa, ist mit dem Onkel alles in Ordnung?“, fragte Ben dazwischen.

Die Cafeteria im Shin-Ra-Hauptquartier bot auch ein umfangreiches Frühstück an, und das sogar am Wochenende. Genesis, trotzdem zum ersten Mal in seinem Leben nicht im Ansatz hungrig, setzte sich schon einmal mit dem kleinen Ben an einen freien Tisch und beschäftigte ihn, während Angeal und Eliza, die Mutter des Kleinen, sich um eine Auswahl an Teigwaren, Eiern, Obst und allen möglichen anderen Dingen kümmerten, die sie morgens anboten. Genesis wurde es irgendwann doch zu anstrengend mit Ben, der ununterbrochen in einer Tour mit seiner hohen Kinderstimme schnatterte und plapperte, also setzte Genesis sich ihn wieder auf den Schoß, diesmal mit dem Blick in Richtung Cafeteriadecke, schloss Ben fest in die Arme und sagte: „Jetzt spielen wir mal, wer länger leise sein kann.“ Er gab dem Jungen einen flüchtigen Kuss auf die Stirn.

„Aber Onkel“, sagte der und drehte sich ihm wieder zu. Genesis war etwas enttäuscht.

„Hast du das Spiel nicht verstanden?“, fragte er.

„Aber das Spiel ist doch doof!“, sagte Ben frei heraus.

„Ja, hast recht“, räumte Genesis ein und musste wieder lachen. Ben schlang ihm fest die Arme um den Hals und erdrückte ihn damit beinahe. „Auf dem Onkel rumzuklettern und ihn dabei zu ersticken ist ein viel besseres Spiel.“ Da setzte Ben ihm einen kurzen Kuss aufs Kinn, wohl die höchste Stelle an ihm, die er erreichen konnte. Genesis hielt überrascht inne; er blinzelte mehrmals. Dann schaute er auf Ben herab, der ihn wie ein Engel ansah. Er lächelte. „Bist ein guter Junge“, sagte er ehrlich lächelnd.

Angeal und Eliza kamen wieder, mehrere Tabletts beladen mit scheinbar allem, was sie hatten kriegen können, balancierend. Genesis ließ Ben von seinem Schoß herunterrutschen und half ihm, wieder auf seinem eigenen Stuhl Platz zu nehmen. Angeal stellte Ben mehrere Dinge zur Auswahl hin. Als er sich schließlich gesetzt hatte, schaute er Genesis an. „Du solltest auch was essen“, riet er ihm in einem ruhigen Tonfall.

„Mir ist jetzt nicht danach“, seufzte Genesis.

„Es wäre aber wirklich besser, wenn –“

„Angeal, mir ist jetzt nicht danach“, wiederholte Genesis mit Nachdruck.

Angeal ließ ihn erneut nicht aus den Augen und schien weiter protestieren zu wollen, als Eliza eine Hand auf Angeals legte und sagte: „Schatz, es ist ok.“ Angeal sah Genesis weiterhin unverwandt an, offensichtlich hin und her gerissen, Genesis einerseits zu nichts zu zwingen, ihn aber andererseits zu etwas zu bewegen, von dem sie insgeheim beide wussten, dass es das Bessere war. Eliza verstärkte ihren Druck auf Angeals Hand und küsste ihn gezwungenermaßen von der Seite, weil er immer noch Genesis taxierte. Sie hatte ihn aufs Kinn geküsst.
 

„Ach, hier bist du!“ Angeal, der zunächst nur den Kopf zur Tür herein gesteckt hatte, betrat nun Genesis‘ Büro, in dem dieser auf der Couch im Schneidersitz gedankenverloren vor sich hin starrte. „Hier hätte ich dich von allen Orten auf der ganzen Welt zuletzt vermutet.“

Genesis‘ erneut sehr feuchte Augen richteten sich mit ein paar Schwierigkeiten auf Angeal. Der durchquerte den Raum und setzte sich neben Genesis. „Hast du sie zum Bahnhof gebracht?“, fragte er nach einigen Momenten der Stille.

„Ja, mit den üblichen Tränen, dass Papa doch mitkommen soll“, erwiderte Angeal nickend. Er sah Genesis von der Seite an. „Und mit dem üblichen Versprechen, dass Papa bald in Banora zu Besuch kommt. – Aber jetzt erzähl mal, was ist wirklich los?“

Genesis wusste darauf nichts zu erwidern. Wie sollte er beschreiben, was in seinem Innersten wirklich vor sich ging? Dass er selbst nicht wusste, was er fühlte außer Leid, nur wusste, dass es einen Namen gab, den er nicht einmal mehr denken konnte, dass ständig dieser vermaledeite blonde Mann vor ihm auftauchte, ungebeten, nicht unansehnlich, einsichtig, nicht unfreundlich, dieser andere, auf den er nicht einmal wütend sein konnte, weil auch er nichts gewusst hatte und in dem Moment, in dem er erfahren hatte, welches Spiel gespielt wurde, die Reißleine zog, dass er nicht wusste, wo er selbst dabei blieb, wer er war, was er getan hatte, ob es noch weitere gab, wie er so dumm hatte sein können, ob es seine Schuld war, seine Schuld ... „Ich laufe vor mir selbst weg“, sagte er schließlich trocken. Sein Büro war der einzige Ort, an dem sie nie zusammen gewesen waren. Hier konnte er einfach ... verloren sein.

„Du weißt, ich konnte ihn noch nie leiden“, sagte Angeal und wandte sich ihm zu. In seinem Blick standen Stärke, Entschlossenheit und Opferbereitschaft.

„Vielleicht hätte mir das eine Warnung sein sollen“, sagte Genesis niedergeschlagen, die Augen gen Boden gerichtet. Angeal, der so häufig wusste, was das Beste war. Warum hatte er nicht auf ihn gehört? Warum war er nicht stutzig geworden?

„Unsinn“, widersprach ihm Angeal und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Wie hättest du das ahnen sollen? Du warst verliebt. Das ist ok.“

Genesis ließ kraftlos den Kopf gegen Angeals Brust sinken, der die Arme um ihn schloss. Er konnte nicht mehr. Warum plagten ihn die brennenden Schmerzen? Hatte er nicht alles getan? „Ich will nicht mehr weinen“, sagte er leise. Er mochte sich so lange beherrscht haben, wie es dauerte, von diesem Ort nach Hause zu fahren, aber er hatte geweint, als er endlich angekommen war, er hatte geweint, als er Eliza und Angeal davon erzählte, er hatte letzte Nacht geweint, er hatte am Morgen geweint, immer wieder kamen ihm die Tränen, als er darüber nachdachte, auch beim Frühstück, er hatte hier auf dieser Couch geweint, als Angeal nicht da war. Es reichte ihm. Er wollte nicht mehr. Es half nichts. Er hatte nichts falsch gemacht, es war nicht seinetwegen so geworden, er, er hatte doch ... alles in Brand gesetzt.

Genesis schlang die Arme um Angeals warmen Oberkörper. Es rannen ihm schon wieder Tränen über die Wangen, still diesmal, gleichgültig, ohne Schmerz, ohne Krampf, ohne Zittern. Sicherlich hatte er nicht absehen können, was passieren würde. Prakash hatte ihn vollständig eingenommen, das wurde ihm jetzt klar. Er hatte sich beherrschen lassen, immer wieder, ohne Aussicht auf ein Ende. Und er war glücklich dabei gewesen. Verdammt glücklich. Prakash hatte es in der Hand gehabt, ihn glücklich zu machen oder todtraurig, aber jede Zuwendung, jedes Lächeln, jede Berührung hatte alles wettgemacht. Und dann hatte er einen Fehler gemacht; er hatte sich selbst in einem Augenblick der Unachtsamkeit verraten und sein Plan war nach hinten losgegangen. Und Genesis sollte froh darüber sein.

„Er ist es nicht wert, dass du seinetwegen so fertig bist, das weißt du“, sagte Angeal und sprach damit Gedanken aus, die Genesis‘ eigenen sehr ähnelten. Angeal fuhr ihm sanft durchs Haar. „Du findest jemand besseres, jemanden, der gut und ehrlich zu dir ist und treu bleiben kann und der ein Leben mit einem einzigen Mann verbringen möchte und nicht seine Zeit nutzt, so viele Männer wie möglich ins Bett zu kriegen. Ok?“

Er schaute Angeal von unten her an. Er hatte recht, das musste er zugeben. So vieles eröffnete sich ihm in einem Moment der Klarheit. „Es wäre immer wieder so gekommen“, sprach er seine Erkenntnis aus. Es machte ihn traurig. Wie konnte man sich in Menschen so täuschen? Er vergrub das Gesicht wieder an Angeals Brust.

Genesis war froh über Angeals Beistand. Angeal ließ ihn kaum eine Sekunde allein, hielt ihn fest, legte ihm eine Hand auf die Schulter, nahm ihn in den Arm und ließ ihm Zeit. In Angeals Anwesenheit brachte Genesis sogar irgendwann am Nachmittag ein paar Bissen herunter, als sie sich zu einem späten Mittagessen in die Cafeteria setzten. Genesis stocherte mit der Gabel im Essen und überlegte, ob er nicht noch ein paar Happen schaffen konnte. „Hat er noch Sachen bei dir?“, fragte Angeal ihn da aus heiterem Himmel. Genesis ließ die Gabel sinken. Musste Angeal ihn das so unsensibel fragen?

„Ja, logisch“, sagte er widerwillig.

„Die sollten wir beseitigen“, sagte Angeal todernst.

„Ja ...“ Genesis nahm mit einem leichten Zittern die Gabel wieder zur Hand. Der Appetit war ihm gehörig vergangen. Das Stück Braten vor ihm wirkte auf einmal nur noch grau und widerlich. Er schob den Teller von sich und ließ die Gabel wieder klappernd auf den Tisch fallen. Angeal nahm sich des Tellers kommentarlos an; Reste hatte er noch nie aushalten können.

Als also Angeal die Teller leer geputzt hatte, brachten sie ihre Tabletts weg und machten sich wieder auf den Weg zurück in Genesis‘ Wohnung. Angeal holte von seiner eigenen Wohnung nebenan noch eine große Kiste, in der er sonst alles verstaute, was er brauchte, wenn Ben zu Besuch war, und stellte sie geleert in Genesis‘ Küche. „Wo fangen wir an?“, fragte er. Genesis antwortete nicht sofort. Er verschränkte die Arme vor der Brust und wollte sich eigentlich darum drücken, auszumisten. Dann nickte er aber mit dem Kopf in Richtung des Küchenschranks hinter Angeal. Der drehte sich um, öffnete die Tür und durchsuchte die Regale. „Ah, schon klar“, sagte er dann, „sein Tee.“

Nach der Küche widmeten sie sich dem Schlafzimmer. Angeal konnte zielgenau auch ohne Genesis‘ Hilfe Prakashs Klamotten im Kleiderschrank von Genesis‘ unterscheiden. Alles landete in der Kiste, ungeordnet, achtlos hinein geworfen. Genesis lehnte im Türrahmen und fand surreal, was gerade passierte. Angeal bot ihm an, das Bett für ihn neu zu beziehen. Genesis nickte nur unbestimmt, nicht in der Lage, eine wirkliche Entscheidung zu treffen. Er hatte in so naher Zukunft ohnehin nicht mehr vor, in diesem Bett zu schlafen; bei Angeal war auch noch Platz.

Angeal durchsuchte die Schubladen des Nachttisches neben dem Bett; schnell schob er die Schublade wieder zu. „Ich tu einfach so, als hätte ich das nicht gesehen“, sagte er mit festem Blick in eine andere Richtung.

„Das hat auch er mitgebracht“, sagte Genesis.

Angeal warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. „Das zeigt dir hoffentlich, wie sehr ich dich liebe.“ Genesis lächelte schwach; aber er lächelte. Angeal öffnete die Schublade wieder und warf auch die darin enthaltene Tube in die Kiste. Er fuhr mit dem Bad fort, in dem ihn Genesis anweisen musste, um die richtigen von den falschen Dingen zu unterscheiden. Angeal stellte die Kiste in den Eingang und verschloss sie. „Hat er einen Schlüssel?“, fragte er. Genesis verneinte mit einem Kopfschütteln. „Dann musst du jetzt nur noch die Erinnerungen aus deinem Kopf entfernen.“ Sein Blick sagte Genesis, dass auch er wusste, dass das der schwierigste Teil werden würde.
 

Mit immer noch vor Erschöpfung brennenden Augen schleppte sich Genesis tags darauf zur Arbeit. Seinem Körper war es gleich, wie viel Kaffee er sich zuführte; es war unvorstellbar anstrengend, aufzustehen, auch nur die kürzesten Wege zu gehen oder gar Nachrichten zu verschicken und Anrufe in andere Büros zu tätigen. Genesis kam sich ununterbrochen vor wie ein wandelnder Toter, angezogen von einem noch gar nicht ausgehobenen Grab tief in der Erde, ohne Energie für irgendetwas, das über das Nötigste hinaus ging; Smalltalk, ein Lächeln, ein zusätzlicher Gang zum Kopierer – für ihn kaum möglich an diesem Tag.

Konzentrieren konnte er sich ebenfalls nicht. Minutenlang starrte er ausdruckslos in die Leere, ehe er sich selbst dabei ertappte und sich wieder seiner Arbeit zuwandte, die er ja doch nicht erledigte. Die Papiere auf seinem Schreibtisch stapelten sich unbeachtet, eine Kaffeetasse stand neben der anderen, und trotzdem legte Genesis den Kopf auf den Schreibtisch und gewährte Geist und Körper einen kurzen Moment der Ruhe ...

Ein Klopfen an der Tür weckte ihn. Während er sich stöhnend an seinem Schreibtisch aufrichtete, steckte Amber den Kopf zur Tür herein, die das Geschäftszimmer auf der Etage führte. „Was gibt’s?“, fragte er noch etwas verschlafen.

„Alles ok?“, fragte sie, statt zu antworten.

„Ja, klar, was ist nun?“

„Ein Herr hat bei mir für dich angerufen, er meinte, er würde sonst bei dir nicht durchkommen.“ *

„Ach, so was macht der?“ Genesis versuchte unbeeindruckt zu klingen. Möglich, dass er die Nummernanzeige genutzt hatte, um keine Anrufe entgegenzunehmen, die nicht eindeutig firmeninterne Nummern vorweisen konnten. Aber vielleicht war es gar nicht er gewesen. „Hast du einen Namen?“

„Den hab ich auch auf Nachfrage nicht ganz verstanden, aber es war irgendwas Orientalisches, denk ich.“

Genesis seufzte. „Prakash ...“ Es fühlte sich merkwürdig an, den Namen wieder auszusprechen.

„Ja, das könnte es gewesen sein.“

„Und was wollte er?“

„Vorschlagen, dass ihr euch heute Abend im Foyer trefft und ‚redet‘, was auch immer er damit meinte. – Ist das was Privates?“

„Ja, schon.“

„Ich hab Besseres zu tun.“

„Ich hab ihn nicht gebeten, bei dir anzurufen.“

„Aber du kannst ihn bitten, es in Zukunft zu unterlassen. Neunzehn Uhr, hat er gesagt.“ Damit verließ sie sein Büro, ohne die Tür hinter sich zu schließen.

Genesis war unentschlossen. Genauer gesagt war er sogar hin und her gerissen. Sein Herz wollte, dass alles wieder so war wie früher, wollte in den Zustand vor dem letzten Wochenende zurückkehren und so tun, als wäre nichts gewesen. Es wollte vergessen, Gras über die Sache wachsen lassen und wieder glücklich sein wie doch vorher auch. Sein Kopf sagte ihm, dass er nicht verzeihen konnte, dass es nicht recht war, was Prakash getan hatte, und dass Genesis ohne ihn besser dran war, dass er gar nicht zulassen sollte, dass Prakash wieder angekrochen kam.

Ein Schluck erkalteten Kaffees war in seiner letzten Tasse noch übrig. Genesis schwenkte die Flüssigkeit ein wenig und überlegte. Er wollte sein Leid beenden und endlich loslassen. Erreicht hatte er das nicht durchs Weinen, nicht mit Angeals Hilfe und nicht durch seine Arbeit, da er sich überhaupt nicht darauf konzentrieren konnte. Vielleicht schadete es nicht, sich anzuhören, was Prakash zu sagen hatte. Bei dieser Gelegenheit konnte sich Genesis zwischem dem, was sein Herz, und dem, was sein Kopf ihm sagte, entscheiden und Prakash die Sachen in der Kiste zurückgeben.

Er schaute auf die Uhr über der Bürotür. Es waren noch über sechs Stunden.
 

Ruhelos saß Genesis an einem der weißen Tische im Foyer des Hauptquartiers, die mitgebrachte Kiste zu seinen Füßen darunter. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, die Finger, mit denen er auf der Tischoberfläche trommelte, zitterten, seine Atmung ging unregelmäßig, er spürte deutlich den Kloß in seinem Hals, ihm war kalt und heiß gleichzeitig. Die letzte Stunde vor sieben Uhr war für ihn eine unvorstellbare Tortur gewesen, die Zeiger auf der Uhr bewegten sich unmenschlich langsam vorwärts, während er sich mit nichts beschäftigen konnte, was er zur Hand nahm, da er schlicht zu nervös war.

Und jetzt saß er hier seit nunmehr bereits zwanzig Minuten und wartete. Ans Warten war er nicht gewöhnt. Für gewöhnlich wartete man auf ihn. Bei der Arbeit konnten sie ohne ihn nicht anfangen; auch privat war er nie wirklich pünktlich. Wer ihn kannte, kam zu einer Verabredung von vornherein einige Minuten später. Das Warten gefiel ihm nicht. Es frustrierte ihn. Er hatte diese Uhrzeit immerhin nicht vorgeschlagen. Nun war es Viertel nach sieben, er war sogar zu früh am verabredeten Ort aufgetaucht; war er wirklich dumm genug gewesen, sich auch noch versetzen zu lassen?

Gerade, als er überlegte, sich einfach einen Kaffee zu holen und damit irgendwohin zu verschwinden, egal wo, trat Prakash doch noch durch die automatischen Eingangstüren des Hauptquartiers. Genesis beobachtete Prakash dabei, wie er ihn suchte, lokalisierte und ansteuerte. Er kochte innerlich. Sein Magen sprühte beinahe über vor Übelkeit. „Du bist zu spät“, warf er ihm kühl vor, als Prakash sich setzte. Er sah ihn dabei nicht an, sondern knapp an ihm vorbei.

„Wartest du schon lange?“, fragte Prakash verlegen.

„Ja“, sagte Genesis knapp. „Ich dachte, das hier wäre wichtig genug, um einmal im Leben pünktlich zu sein.“ Er wagte es nicht, Prakash anzusehen, zu tief saß der Schmerz, zu sehr war sein Stolz verletzt – und zu sehr war sein Vertrauen missbraucht.

„Oh.“ Prakash musste seine Aggressivität gespürt haben. Er sagte dennoch nichts weiter dazu. Es entstand eine merkwürdige Pause zwischen ihnen, in der Prakash Genesis‘ Blick suchte und Genesis‘ Herz schwer in seiner Brust hämmerte; seine Beine fühlten sich selbst im Sitzen weich an. Wozu waren sie noch gleich an diesem Tisch zusammengekommen?

„Also“, sagte Genesis, immer noch ohne Prakash anzusehen, „rede.“

Prakash begann nicht sofort; er schien etwas vor den Kopf gestoßen. Hatte er etwa erwartet, dass Genesis ihm noch irgendetwas zu sagen hatte? „Na ja ... das letztes Wochenende ...“ Er stockte.

„Ja?“ Genesis warf Prakash einen Seitenblick zu. Prakash hatte sich auf seinem Stuhl um den Tisch weit zu ihm vorgebeugt und versuchte ihn mit einem beschwörenden Ausdruck in seinen dunklen Augen einzufangen.

„Wir sind uns doch einig, dass das einfach blöd gelaufen ist, oder?“

Genesis hielt inne. Prakashs Version klang ganz anders als das, was er gesehen hatte. „Blöd gelaufen?“, fragte er etwas ungläubig. Sollte er etwa alles falsch verstanden haben?

„Ja ...“, sagte Prakash, offensichtlich erleichtert, dass Genesis auf das einging, was er sagte. Genesis konnte dabei hören, wie er ihn von unten verführerisch anlächelte. „Wir hatten Streit, ich war sauer ...“

„Klar ...“

„Ich kannte ihn von der Arbeit.“

Genesis horchte auf und wandte sich auf seinem Stuhl weiter in Prakashs Richtung. „So wie mich?“, fragte er. Immerhin hatten sie sich in dem Laden kennengelernt, in dem Prakash an der Bar arbeitete; Genesis war bis Schichtende geblieben. Es wurde eine lange Nacht ...

„Ja ...“

So war das also. „Du wolltest dich abreagieren.“

„Ja, genau, es war nichts Ernstes. Du bist rausgestürmt, ich wusste nicht, ... ob es das war ... Mein Herz war gebrochen.“ In seiner Überraschung über diese Worte sah Genesis Prakash genauer an.

„Verständlich ...“

„Es ging auch alles von ihm aus, weißt du? Ich wollte mich nur ausheulen ...“

„Ja, ich mich auch ...“

„Es war alles seine Idee, plötzlich zieht er mich in Richtung Schlafzimmer.“

„Ja ...“

„Und übel sieht er ja nun wirklich nicht aus, auch wenn ich das alles gar nicht wollte, im Gegenteil, ich wollte ihm gerade sagen, dass er es lassen soll.“

„Ja, bestimmt.“

„Ich hätte das nie tun können, du bedeutest mir zu viel. Du würdest mir ja auch nie wehtun wollen, das weiß ich. Du hast mir immer gesagt, wie sehr du mich liebst.“

„Stimmt.“

„Ich hätte ihn schon noch rausgeschickt und gesagt, dass er nicht wiederzukommen braucht, wenn er nicht akzeptieren kann, dass ich fest vergeben bin.“

„Sicherlich.“

„Siehst du, ich konnte dir alles erklären.“ Nun nicht mehr gebannt, setzte sich Genesis Prakash wieder abgewandt gegenüber und sah ihn nicht noch einmal an. Er überdachte, was er gerade gehört hatte. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass Prakash über den Tisch fasste; er berührte ihn an der Schulter. „Schatz, bitte ...“

Genesis schüttelte Prakashs Hand grob ab. „Nenn mich nicht so. Ich bin nicht mehr dein Schatz.“ Er drehte den Kopf und sah Prakash direkt in die Augen. Hass loderte ohne Vorwarnung in ihm auf und verbrannte sein Innerstes; ihm wurde übel, als er in dieses Gesicht sah, dessen Anblick ihn einst so glücklich gemacht hatte. Nun sah er in diesem strahlenden Lächeln nur noch unaufrichtige Verschlagenheit. Prakash allerdings schien nichts zu merken.

„Bitte ... ich liebe dich doch.“

Liebe?!“, wiederholte Genesis entgeistert. Er wusste nicht, was er tat, doch Momente später war er auf den Beinen, der Tisch zu seinen Füßen umgeworfen und Prakash zu Tode erschrocken auf seinem Stuhl zusammengekauert. „Glaubst du, ich weiß nicht, was hier läuft? Glaubst du, er hat mir nicht erzählt, dass er schon öfter bei dir war? Für wie dumm hältst du mich? Du magst es Liebe nennen, aber du scheinst das mit Lügen zu verwechseln, was sehr ähnliche Wörter sind, kann ich dir nicht vorwerfen. Ich will gar nicht wissen, wie viele Männer du noch belügst, aber mit mir brauchst du deine Zeit nicht mehr zu verschwenden. Ruf nicht mehr an, komm nicht mehr her, versuch es einfach nicht mehr. Verschwinde einfach!“

Ohne eine Antwort abzuwarten, machte Genesis auf dem Absatz kehrt und stürmte durch das Foyer in Richtung einer gesicherten Tür, durch die Prakash ihm nicht folgen konnte. Einmal hindurch, hielt er erschöpft inne und lehnte sich rückwärts an die Tür, um sich zu beruhigen und einmal durchzuatmen. Er hätte gut einen Schluck Wasser gebrauchen können; sein Mund war furchtbar trocken. Immer noch schwer atmend wandte er sich um. Die Tür war aus seiner Blickrichtung durchlässig, von der anderen Seite verspiegelt. Mit einem leisen Triumphgefühl sah er, dass Prakash immer noch wie vom Donner gerührt gelähmt war.

Genesis beobachtete ihn weiter. Den Schock ins Gesicht geschrieben, erhob sich Prakash langsam von dem Stuhl. Er schien sich der Beobachter bewusst, die Genesis‘ Wutausbruch herbeigeführt hatte. Vorsichtig beugte sich Prakash herunter und stellte den umgeworfenen Tisch wieder hin. Dabei entdeckte er die Kiste auf dem Boden; er öffnete den Deckel und erkannte seine hineingestopften Habseligkeiten. Er schloss die Kiste wieder und hob sie vom Boden auf. Danach zögerte er; sein Blick ging in die Richtung, in die Genesis verschwunden war. In Genesis regte sich etwas. War es Mitleid? Er trat näher an die Tür heran, seine Hand bewegte sich bereits in Richtung der Klinke.

Seine Vernunft stoppte ihn. Erst wollte er abwarten. Wenn Prakash sich doch noch um ihn bemühte ... Wenn er doch ehrliche Reue zeigte ... Wenn es ihm wirklich leidtat, wenn er nur verstand ... Wenn er ihm glaubhaft machen konnte, dass es nie wieder vorkommen würde ... Wenn er alles tun würde, um bleiben zu können ... Wenn er Genesis wirklich liebte ...

Aber durch die Tür sah Genesis, dass Prakash sich nur kurz umschaute, die Schultern zuckte und ohne einen weiteren Blick zurück verschwand. Genesis starrte ihm hinterher. Er vergaß zu atmen. Es war nicht möglich. Damit war es wirklich und offiziell vorbei. Prakash war gegangen und würde nicht wiederkommen. Mit jedem Gedanken zersprang Genesis innerlich in weitere Teile. Was einmal mit einem Blickwechsel über eine Bar begonnen hatte, war nun über einen umgeworfenen Tisch hinweg beendet worden. Genesis fühlte sich betäubt. Wie ein Schlafwandler wandte er sich um und ging auf den Aufzug zu. Seine Augen waren immer noch merkwürdig trocken. Ihm war nicht mehr danach, zu weinen. Mit viel Kraft hielt er die Scherben seines Inneren zusammen; da war kein Platz mehr für Tränen.

Er betrat den Aufzug und wählte die Etage seines Büros. Mit einem entschlossenen Blick machte er sich an die Arbeit für eine Fassade. Er wollte nicht mehr daran denken. Er wollte nicht mehr danach gefragt werden. Er setzte eine Maske auf, wurde jemand anders, einfach um zu vergessen. Er würde keine Tränen mehr vergießen und nie mehr auch nur an diesen Namen denken.

Er wandte sich um, innerhalb von Sekunden um Jahre älter, und sah aus dem noch offenen Aufzug hinaus. Dann schlossen sich die Türen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
* "The old Genesis can't come to the phone right now. Why? Oh, 'cause you killed him, Prakash!"

Einmal von oben nach unten -- wie gesagt, Angeal hat in diesem AU einfach Frau und Kind, Ben und Eliza (inspiriert von Totalmente Demais :'D) sind nicht zwingend die finalen Namen, waren nur die ersten, die mir einfielen und halbwegs passende Bilder hervorriefen.^^

Genesis' Nervenzusammenbruch. Ist aufgefallen, dass die Tränen erst in dem Moment kommen, in dem er zulässt, Prakashs Namen zu denken? Vorher, als er noch jede Erinnerung zu verdrängen versucht, schafft er es immerhin, sich zu beherrschen.

Ich habe mir heute sagen lassen, dass dieser "andere blonde Mann" voll das Klischee sei, blond, schön, groß. Es tut mir leid, wenn das so rübergekommen ist, denn ich dachte dabei wirklich nur an helle Haarfarben und Prakashs Beuteschema von großen, hellen Männern. :'D

Zu Ben sag ich ansonsten nur, dass ich's nicht so mit Kindern habe.

Das Gespräch im Büro. Genesis durchlebt hier in kürzester Zeit viele Gefühle, vor allem viel Hin und Her -- mal will er Prakash vergessen, dann will er ihn doch wieder zurück etc. --, und viele Erkenntnisse, die ansonsten sicherlich etwas Zeit brauchen. Das ist natürlich dem Medium geschuldet, in dem ich bei der beabsichtigten Storyline nicht Wochen vergehen lassen kann. Vielleicht fängt der Rückfall ja den Umstand auf, dass Genesis ein bisschen plötzlich zur Erkenntnis kommt, dass Prakash blöd ist.

"Angeal nahm sich des Tellers kommentarlos an; Reste hatte er noch nie aushalten können." Crisis Core, anyone? :'D

So, wie Genesis mit Liebeskummer arbeitet, bin ich eigentlich immer drauf, das ist etwas traurig. Konzentriert arbeiten? Aber ich hab Hunger, noch tausend andere Gedanken, vor dem Fenster huscht ein Eichhörnchen vorbei, irgendwo föhnt sich jemand die Haare, irgendwas ist immer ... seufz.

Amber? Who's that chick?

Das Gespräch mit Prakash. Dass Prakash zu spät kommt, kann Genesis ihm ja mit seiner Erklärung, er sei selbst immer zu spät, beinahe nicht verübeln. Irgendwie komisch. Dass Prakash sich so beschwörend rüberbeugt. Das hab ich letztens im Bus gesehen, ein Mädchen ganz normal in ihrem Sitz, ihr Freund (?) beugt sich ganz tief zu ihr hin, guckt sie intensiv an, spricht ganz ruhig nur mit ihr, irgendwie sah diese Beziehung nicht ganz gesund aus. Aber so konnte ich meine Szene wenigstens um ein Detail ergänzen.

"I can make all the tables turn", just sayin'.

"Mit jedem Gedanken zersprang Genesis innerlich in weitere Teile ... Mit viel Kraft hielt er die Scherben seines Inneren zusammen ..." Nun, da ich im Studium mit Archäologie begonnen habe, liest sich das irgendwie ganz anders ...

PS Wenn jemand wissen möchte, wie Herzschmerz wirklich geht, kann ich nur Catulls Lesbia-Zyklus empfehlen, besonders carmen 76!

PPS Schaut auch in meine Darkfic You Come When I Call You rein, die nicht ins "Mit Liebe Gekocht"-AU reingehört: https://www.animexx.de/fanfiction/autor/534019/389349/
Cloud kommt frisch als Rekrut zu SOLDAT und Sephiroth nimmt sich seiner aus mysteriösen Motiven an ... Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück