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Hello!Project Online

von

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Im Observer-Raum

Unangenehme Geräusche drangen an die Ohren von Yokoyama Reina. Ein lautes Bohren. Schrille Klänge. Unterschiedliche, aufgeregte Stimmen von Frauen und Männern.

Weißer Nebel umgab das Mädchen. Ihr Blickfeld war verschwommen. Panisch rieb sie sich die Augen, doch ihre Sicht verblieb in unklaren Umrissen.

Reina wollte schreien, aber kein Ton kam von ihren Lippen. Stattdessen fuchtelte sie wild gestikulierend mit den Armen. Keine Reaktion. Die Stimmen in der Ferne ignorierten jeden Versuch von ihr, sich bemerkbar zu machen.

Sie rannte. Alles um sie herum wirbelte in bunten Farben umher. Nichts wollte näherkommen. Nichts entfernte sich. Reina fühlte sich, als würde sie sich in einer unendlichen Sphäre vollkommener Leere befinden.

Plötzlich hielt sie an. Schlagartige Übelkeit überkam die junge Kenshuusei. Ächzend und schnaufend beugte sie sich über die Knie. Ihr Würgen hallte durch den Mischmasch aus Farben und Wolken. Schließlich begann sich die ganze Umgebung um das Mädchen herum zu drehen. Immer schneller. Ihre Augen hielten diesen Wahnsinn nicht aus.  Reina wollte nach Hilfe rufen. Doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie befand sich im Auge eines Wirbelsturms aus wabernden Nebelfetzen sowie unterschiedlichsten Rot-, Blau und Grüntönen, die sie zu erdrücken versuchten.

Die absolute Machtlosigkeit spürend, fiel sie schließlich auf die Knie…
 

Ein dumpfer Aufprall und urplötzliche Stille waren das Erste, was Reina realisierte. Sie beugte sich über etwas hartes Hölzernes. Ihre Hände ertasteten ein quadratisches, nein, würfelförmiges Objekt. Dann bemerkte sie, dass sie auf weichem Material lag. Eine Matratze. Ein Bett!

Langsam klärte sich ihr Blick. Das schimmernde Licht des neu entdeckten Raumes bündelte sich nach kurzer Zeit zu einer gedämpften Beleuchtung an der Decke. Umrisse formten sich zu weißgrauen Wänden und drei bis vier Bettgestellen. Der Würfel, auf dem sie sich abstützte, war ein kleines Nachttischchen. Reina befand sich in einer Art Krankenzimmer.

Verwirrt blickte sich die Dunkelhaarige nun genauer um. Ihre Augen hatten den gewohnten Fokus zurückgewonnen. Sogleich ließ das panische Gefühl der beinahen Blindheit nach. Stattdessen wuchs Neugier in ihr. Was war mit ihr passiert? War das gerade eben ein Traum gewesen? Und falls ja, warum träumte sie solch merkwürdiges Zeug? All diese Fragen schossen ihr nach und nach in den Kopf. Sie erinnerte sich, zuletzt im Klassenraum gewesen zu sein. Goto Maki hatte ihnen die drei Grundpfeiler der Akademie vorgestellt und dann… ? Ja, was dann eigentlich?
 

„Re-Reina?“
 

Leicht erschrocken drehte sie sich zu der Stimme, die überraschend von der anderen Seite des Bettes zu ihr hinüberdrang. Dort saßen, auf zwei Metallstühlen, Kawamura Ayano und Nishida Shiori. Ihre kreidebleichen Gesichter sprachen eindeutige Bände. Sie starrten ihre Kameradin an, als wäre sie ein Geist.

Ayano stand sofort auf und ging um das Krankenbett. Erst jetzt bemerkte Reina, dass sie noch immer krampfhaft an dem Nachttisch festhielt. Die Größere griff ihre Schultern, stützte sie liebevoll und drückte sie dann sanft zurück ins Bett. Sie fühlte sich mehr als schwach und unsicher. Es war ein merkwürdiges Empfinden. Selbst wenn sie es gewollt hätte, hätte sie sich nicht gegen Ayano wehren können.

Shiori indes lehnte sich auf der anderen Seite über das Bett und somit über Reina. Auf ihre besorgten Blicke folgte die logische Frage:
 

„W-Wie geht es dir, Reina?“
 

Die Befragte schloss kurz die Augen und sammelte Kraft. Das ruhige Ein- und Ausatmen tat ihr gut. Dann, als ihr Blick sich Shiori zuwandte, antwortete sie:
 

„Besser als alles, was vorher abgelaufen ist…“
 

Erschrocken stockte Reina. Ihre Stimme war ein einziges Krächzen. Ein stechender Schmerz zuckte durch ihren Hals. Ayano verstand sofort und brachte ihr einen Krug mit Wasser. Ihre Kameradin bedankte sich mit einem raschen Nicken, nahm dann den Krug entgegen und trank. Und trank. Und trank. Bis nichts mehr übrig war. Sofort waren ihre Lebensgeister geweckt, als das kühle Nass ihre Kehle hinunter floss. Endlich schlich sich wieder das altbekannte Lächeln auf das Gesicht der sonstigen Frohnatur. Auch wenn es schwach war, war es dennoch ein beruhigender Anblick.

Shiori als auch Ayano seufzten gleichermaßen erleichtert. Scheinbar war Reina vorerst über dem Damm. Diese wiederum wurde nun neugierig.
 

„Was ist denn eigentlich passiert?“
 

Shiori wurde sofort aufgeregt.
 

„Das sollten wir dich fragen!“
 

Ayano nickte der Jüngeren zustimmend zu und erklärte hastig:
 

„Als Frau Goto die Kenntnis der Klarheit vorführte, begannst du mit einem Mal aufs Heftigste zu zittern. Bevor ich reagieren konnte, fielst du leblos in dich zusammen und pralltest auf den Boden. Es tut mir leid. Ich hätte dich auffangen sollen. Ich war mir nicht bewusst… Ich…“
 

Reina schüttelte lächelnd den Kopf.
 

„Du musst dir darüber keine Gedanken machen. Ich bin euch beiden dankbar, dass ihr hier seid.“
 

Noch immer umgab Sorge die Gesichtszüge ihrer beiden Kameradinnen. Shiori wollte gerade zu einer weiteren Frage ansetzen, als sie ein Pochen an der Tür des Zimmers vernahmen. Irritiert wandten sich alle drei in Richtung des Geräusches. Kurz danach trat eine Person hinein.

Shiori sog scharf die Luft ein. Ayano bibberte angstvoll. Reina klappte verblüfft die Kinnlade nach unten.

An der Tür stand der Mann, der solch einen markanten Eindruck im Thronsaal hinterlassen hatte. Der Direktor der Rehab Academy, Tsunku.

Er betrachtete ein jeden von ihnen eindringlich. Als er jedoch merkte, dass die Kenshuusei nicht wussten, wie sie mit dieser Begegnung umgehen sollten, trat ein freundliches Lächeln auf sein Gesicht.
 

„Dankeschön, dass ihr beiden euch so liebevoll um Fräulein Yokoyama gekümmert habt.“
 

Seine plötzliche Verbeugung in Richtung Ayano und Shiori überraschte die Mädchen. Erschrocken erwiderten sie die Geste. Daraufhin fragte Tsunku:
 

„Darf ich mir das Recht herausnehmen, mit Fräulein Yokoyama allein zu sprechen?“
 

Es dauerte einen kurzen Moment, bevor die beiden Angesprochenen realisierten, was sie da gefragt wurden. Als Tsunku sie, eine Antwort erwartend, geduldig betrachtete, schraken die Kenshuusei auf, verbeugten sich hastig ein zweites Mal und verabschiedeten sich bei Reina. Dann schritten sie schnell gen Ausgang und traten, nicht ohne einen weiteren zweifelnden Blick auf den großen Mann zu werfen, hinaus.

Tsunku schloss ruhig die Tür und schritt dann zu einem der Metallstühle, auf denen vor wenigen Minuten noch Reinas Vertraute gesessen hatten. Auf seltsam schlaksige Art und Weise setzte er sich.

Das junge Mädchen beobachtete ihn genauestens. Ihre Gedanken explodierten förmlich. Sie konnte einfach nicht einordnen, was der Direktor hier zu suchen hatte. Sie traute sich jedoch nicht, die entscheidende Frage zu stellen.

Tsunku hingegen, der ein paar tiefe Atemzüge nahm, schien bereits zu wissen, worüber die neue Akademie-Schülerin grübelte.
 

„Gleich dein erster Tag und schon bereitest du uns sorgen, Yokoyama Reina. Bei dem, was in dir vorgegangen ist, musste es wohl so kommen, dass wir uns eher früher als später begegnen, glaubst du nicht auch?“
 

Der Mann warf ihr einen amüsierten Blick zu. Seine entspannte Haltung besaß eine beruhigende Wirkung auf Reina. Diese fragte frei heraus:
 

„Was geschieht mit mir? Ich habe bereits seit gestern andauernd diese komischen Zuckungen und Schwindelgefühle. Bin ich nicht geeignet für die Therapie?“
 

Tsunku antwortete nicht sofort. Es schien ihm schwer zu fallen, die richtigen Worte zu finden. Seine Augen durchstreiften den Raum, glitten zur Decke und schließlich hefteten sie sich erneut an Reina. Ein liebevolles Lächeln umspielte seine Lippen.
 

„Nein, keine Sorge, deine Therapie ist nicht in Gefahr. Ganz im Gegenteil! Du scheinst ein äußerst starker Patient zu sein.“
 

Reina rief prompt:
 

„Aber was ist es dann? Ob in der Gesellschaft von Goto Maki oder Ihrer…“
 

Tsunku unterbrach sie sofort.
 

„Bleiben wir beim ‚Du‘. Ich mag die Autoritätsschiene nicht so besonders, auch wenn ich nicht gerne angebrüllt werde von meinen Schülern.“
 

Er zwinkerte dem Mädchen zu. Diese hielt erschrocken die Handfläche vor den Mund. Sie hatte die leichte Spitze gegen ihren lauten Tonfall verstanden. Tsunku lachte, aufgrund der Reaktion von Reina. Schließlich sprach er:
 

„Es war ein ordentliches Stück Arbeit, herauszufinden, was mit dir los war. Selbst hier, im Observer-Raum, dauerte es eine ganze Stunde, bis wir dem Ursprung deiner Qualen auf den Grund kamen.“
 

Reina blickte verwirrt drein.
 

„O-Observer-Raum?“
 

Tsunku wies auf das umgebende Krankenzimmer.
 

„Ja, wir befinden uns im Moment im Analysezentrum unseres Supercomputers, getarnt als Notstation eines Krankenhauses. Wir haben uns für diese Einrichtung entschieden, um den Patienten, die sich hier aufhalten, ein vertrautes, aber steriles Umfeld zu simulieren. Wer auf diese dumme Idee kam, kann heute wohl nicht mehr gesagt werden. Wahrscheinlich war ich es selbst.“
 

Das fröhliche Grinsen und die Lachfältchen an seinen Augen machten ihn für Reina sympathisch. Sie spürte ein wundersames Gefühl der Vertrautheit in seiner Gegenwart. Deshalb fragte sie ohne zu zögern:
 

„Was ist das hier für ein Raum? Warum bin ich hier?“
 

Der Direktor beugte sich nach vorn und faltete seine Hände ineinander, bevor er antwortete.
 

„Du musst vorerst verstehen, was in dir vorging. Du hattest einen sogenannten Anfall.“
 

Reina runzelte mit der Stirn, doch Tsunku setzte fort:
 

„Ein Anfall in unserer Welt bedeutet, dass man die Kontrolle über Geist und Körper verliert. Das kann im schlimmsten Fall sogar tödlich enden. Du hattest also großes Glück.

Im Normalfall lernt ihr Kenshuusei die Grundlagen unserer Kenntnisse. Nach und nach erlangt ihr das Wissen um euren Geist und euren Körper. Ihr erweitert euren Horizont mit jedem Tag, der verstreicht, bis ihr schließlich die Macht von Hello!Project Online entdeckt: Die Kommunikation mit der eigenen Seele und der Energie des Fleischlichen.“
 

Der Mann machte eine kurze Pause, um Reina Zeit zu geben, das Gesagte zu verstehen. Dann sprach er weiter:
 

„Eigentlich beginnen die Kenshuusei bei null, wenn sie ihre Therapie aufnehmen. Nichtsdestotrotz gibt es hin und wieder Fälle“, Tsunku nickte dem Mädchen vielsagend zu, „in denen sich schon vorab eine gewisse Kraft zeigt. Man könnte diese Fälle als ‚Frühentwickler‘ bezeichnen.“
 

Reina verstand nur Bahnhof. Dies spiegelte sich höchstwahrscheinlich auch in ihrem Gesicht wieder, denn der Direktor musste erneut lachen, als er sie anblickte.
 

„Du, Yokoyama Reina, bist ein solcher ‚Frühentwickler‘. Das bedeutet, dass du, bis zu gewissen Grenzen hinweg, deine Energie und deinen Geist bereits zu nutzen weißt. Jedoch beherrscht du noch in keinster Weise das Element der Klarheit. Das ist der Grund, weshalb in dir auch weder Balance noch Kontrolle vorhanden sind.“
 

Die Dunkelhaarige schluckte heftig. Zögerlich erwiderte sie:
 

„Aber wie soll ich Kontrolle üben, wenn ich gar nicht weiß, wie das geht? Und wenn es mir gezeigt wird, klappe ich gleich wieder zusammen.“
 

Tsunkus Gesicht nahm zuversichtliche Züge an. Auch sein Ton verriet, dass er bereits eine Lösung parat hatte.
 

„Es ist selten der Fall, dass sich die Konzentration von Geist und Energie so stark äußert, wie sie es bei dir getan hat. Das zeigt nur, dass dein Potential immens ist. Deshalb werden wir dich, weitaus früher, als es für Mitglieder dieser Akademie normalerweise üblich ist, in der Kenntnis der Klarheit unterweisen.“
 

Reina hob irritiert die Augenbrauen.
 

„Aber ich dachte, dass Kenshuusei nicht in dieser Lehre ausgebildet werden?“
 

Der Direktor nickte.
 

„Das ist richtig. Aber bei dir machen wir eine Ausnahme. Eigentlich benötigt die Kenntnis der Klarheit keine direkte Ausbildung. Sie entwickelt sich gemeinsam mit dem Erlangen der anderen beiden Grundpfeiler, da sie die Waage ist zwischen diesen. Umso höher man sein Wissen über Geist und Energie stapelt, umso höher positioniert sich logischerweise auch die Klarheit. Doch das geschieht nur, wenn man dieses Wissen auch bewusst erlangt. In deinem Fall ist es Segen und Fluch zugleich, dass sich deine Fähigkeiten selbst gebildet haben, ohne dein direktes Zutun.“
 

Das Mädchen fragte:
 

„Wie meinen Sie-… ähm, wie meinst du das?“
 

Ihr Gegenüber kratzte sich nachdenklich an der Wange.
 

„Sagen wir mal so, du besitzt bereits einen eindeutigen Wissensvorsprung, der dir noch gar nicht bewusst ist. Wenn wir dir dieses Bewusstsein einpflanzen, dann machst du einen gewaltigen Sprung nach vorn in dieser Akademie.“
 

Die Kenshuusei stutzte bei dieser Ansage.
 

„Was passiert mit mir, wenn ich dem nicht gerecht werde? Was ist, wenn ich es nicht schaffe, meinen Körper und meinen Geist in Einklang zu bringen?“
 

Für einen kurzen Moment war nichts als die Stille im Krankenzimmer zu vernehmen. Schließlich stand Tsunku auf, berührte mit seiner rechten Hand sanft Reinas Schulter und sprach entschlossen:
 

Fürchte dich nie vor deiner eigenen Stärke. Sie ist dein Instrument, welches du zu spielen meistern wirst.“
 

Bei den letzten Worten weiteten sich Reinas Augen. Hatte er diese Worte bewusst gewählt? Er hätte nicht ahnen können, dass sie in Reina solche Glücksgefühle auslösen würden. Oder doch?

Ehe sie etwas erwidern konnte, trat Tsunku in Richtung Ausgang. Auf dem Weg dorthin blickte er auf die Uhr über der Tür und sagte vergnügt:
 

„Es ist jetzt bereits Dreizehn Uhr. Das Mittagessen haben wir wohl beide leider verpasst. Schade um den schönen Nachtisch. Es hätte Pfirsich-Sorbet gegeben. Nun ja, sei es drum. Ruh dich noch etwas aus und dann hoffe ich, von deinen Aktivitäten im Kreise deiner Kameradinnen zu hören.“
 

Mit dem Zeigefinger wies er auf einen Gegenstand an Reinas Bettende. Diese betrachtete das Objekt verwundert. Es war ihre Trainingstasche.

Der Mann war bereits nach draußen getreten, als er ihr noch zurief:
 

„In zwei Stunden musst du in der Trainingshalle sein. Verspäte dich nicht.“
 

Und mit diesen letzten Worten war er endgültig verschwunden.



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