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Kaga Kaede

Während das Training, dem die Neulinge noch am Tag zuvor beigewohnt hatten, unter dem Kommando von Icchan recht harmonisch wirkte und wunderschön anzusehen war, hinterließ es bei der 26. Generation einen komplett gegenteiligen Eindruck, als diese ihre eigenen Übungen durchführten. Der ersten Freude durch die Wiedervereinigung mit Reina und der Spannung, endlich loslegen zu dürfen, wichen schnell Schweiß, Atemnot, Koordinationsprobleme und ständige, schmerzhafte Zusammenpralle nach unrhythmischen Bewegungen.

Die neuen Kenshuusei hatten arge Probleme damit, sich in den Takt der Erfahreneren einzuordnen. Reina merkte, wie sie konsequent einen Schritt zu spät war. Die ständigen Tempo- und Richtungswechsel taten ihr übriges.

Doch all das wäre überhaupt nicht tragisch gewesen, wenn nicht eine ganz bestimmte Person das Training überwacht hätte: Mitsubachi Maki.

Das Teilen des gleichen Namens mit Goto Maki und die Tatsache, dass sie Lehrer der Akademie waren, beschrieb bereits alle Gemeinsamkeiten der beiden Mentoren. Jede weitere Eigenschaft, die Mitsubachi Maki besaß, konnte nicht im Entferntesten unterschiedlicher sein als die freundliche, anmutige und positiv eingestellte Goto Maki.

Ihre Persönlichkeit ließ sich am besten mit einem Schwarm Bienen verdeutlichen. Sie arbeitete effizient, zielgerichtet und verschwendete keine Zeit mit Nichtigkeiten. Sollte jedoch etwas nicht so laufen, wie sie es sehen mochte, oder fiel eine Kenshuusei gar auffällig oft negativ aus der Reihe, dann Gnade diesem Tollpatsch Gott. Reina hatte keinen an dieser Akademie bisher kennen gelernt, der solch harte, demotivierende und unangenehm ehrliche Worte fand, wie es Frau Mitsubachi tat. Deshalb empfand das Mädchen den Vergleich mit dem Bienenschwarm durchaus passend. Sollte man die Lehrerin verärgern, fühlte sich jede einzelne ihrer Peinigungen wie schmerzhafte Stiche an.
 

„Schneller! Schneller! Langsamer! Schneller! Wo seid ihr mit euren Gedanken? Das hier ist keine Spaßtütenveranstaltung. Euer Leben steht auf dem Spiel, wenn ihr nicht mal solche einfachen Bewegungsabläufe in euren Schädel kriegt.“
 

Die herrischen Rufe der Lehrerin hallten durch den Trainingssaal. Alle Kenshuusei-Mitglieder waren aufs Äußerste bemüht, den knallharten Forderungen Folge zu leisten. Selbst das Mitleid der älteren Kameraden hielt sich in Grenzen. Denn obwohl sie definitiv bemerkten, dass die Neulinge weder körperlich noch geistig fit genug waren, um ihre Bewegungen rechtzeitig zu kopieren, schienen sie keine Anstalten zu machen, einen Gang zurückzuschalten. Sie steckten ihre gesamte Energie in das Training.

Ein lauter Gong ertönte. Frau Mitsubachi hatte mit dem Fächer in ihrer Hand, der dazu diente, den Takt vorzugeben, kräftig gegen eine bronzene Schale geschlagen. Das war das Zeichen für eine fünfzehnminütige Pause.

Ächzend und stöhnend ließen sich die neuen Kenshuusei direkt an der Stelle auf den Boden fallen, wo sie gerade noch gestanden hatten. Shiori lehnte sich rücklinks auf ihre Arme, senkte den Kopf nach hinten und blickte, mit schweißüberströmtem Gesicht, an die Decke. Die Atmung fiel ihr unsagbar schwer.
 

„Was… bitte… ist… das… für… eine… Therapie? Gnade…“
 

Stoßartige Worte drangen kehlig aus ihrem Mund. Die kleine Rin legte sich sogar gänzlich, Arme und Beine weit von sich gestreckt, auf die kühle Ebene.
 

„Ich will nicht mehr. Es soll aufhören. Mein ganzer Körper brennt.“
 

Reina, Ayano und Marie taten es ihr gleich. Sogar Yuhane zeigte erstmalige Anzeichen von Schwäche. Sie hatte ihre Beine an ihren Körper gezogen, die Ellbogen auf die Knie gelegt und den Kopf in ihre Handflächen vergraben. Nur noch die glänzende Stirn war zu erkennen.

Maeda Kokoro kam zu ihnen herüber. Auch sie wirkte leicht geschafft, doch ihre körperliche Verfassung schien von einer anderen Welt zu sein, dachten sich die Gepeinigten im Stillen.
 

„Wie geht es euch? Haltet ihr noch durch? Die ersten Tage sind die Härtesten. Danach wird es besser, glaubt mir.“
 

Kein Neuling antwortete ihr. Reden benötigte Energie. Und keiner von ihnen besaß noch Energie. Maeda kratzte sich wieder mal verlegen am Kopf. Es war ein kleines Markenzeichen von ihr. Als musste sie sich jedes Mal für etwas entschuldigen.
 

„Ich hoffe, ihr nehmt es uns nicht zu übel, dass wir keine Rücksicht auf euch nehmen. Frau Mitsubachi würde uns sonst die Hölle heiß machen.“
 

Marie warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu.
 

„Diese Frau quält doch nur gerne Leute. Warum lasst ihr euch von ihr so schikanieren.“
 

Überrascht über diese Aussage schüttelte Maeda mit dem Kopf.
 

„Nein, nein! Das sind die Methoden von Frau Mitsubachi. An sich ist sie ein netter Mensch.“
 

Rin wischte sich den Schweiß von der Nase und sagte mit wütender Piepsstimme:
 

„Methoden? Nett? Sie ist der Teufel! Ich will nicht mehr. Das ist zu viel.“
 

Yuhane hob leicht den Kopf. Lediglich ihre Augen waren hinter ihren Armen zu erkennen. Diese waren eindringlich auf Maeda gerichtet.
 

„Es wäre einfacher, wenn ihr uns zeigt, was wir falsch machen. Stur versuchen euch nachzuahmen ist nicht lukrativ. Ich gebe es nicht gern zu, aber ich halte auch nicht viel von diesen ‚Methoden‘ der Lehrerin. Sie bringt uns noch ins Grab.“
 

Plötzlich trat Takase Kurumi zu den Beteiligten und warf strenge Blicke in die Runde.
 

„Die oberste Regel im Haven lautet: Redet nicht schlecht von euren Mentoren. Haltet sie in Ehren. Sie sind alle hier, um euch zu helfen. Frau Mitsubachi mag sehr streng sein, doch ihr Training hat schon viele tolle Talente für die Gruppierungen hervorgebracht. Außerdem wollt ihr doch so schnell es geht zu uns aufholen. Wenn ihr bereits am ersten Tag aufgebt und es somit nicht mal an uns vorbeischafft, wie wollt ihr dann eine positive Beurteilung des Observers erhalten?“
 

Es folgte eine rege Diskussion. Keiner der Neulinge wollte einsehen, dass diese Tortur tatsächlich eine Hilfe sein sollte.

Reina verfolgte die Debatte still. Ihr Körper war noch nicht bei hundert Prozent. Das spürte sie. Egal wie sehr sie sich bemühte, es erschien ihr so, als wirkten ihre Bewegungen gehemmt. Wahrscheinlich waren das noch immer die Nachwirkungen ihres Anfalls. Sie sollte definitiv aufpassen, dass ihr so etwas nicht noch einmal passierte. Außerdem musste sie sich wohl oder übel eingestehen, dass das Training tatsächlich mehr als hart war. Nachdem ihr vom Direktor persönlich gesagt wurde, dass sich ihre Fähigkeiten bereits von selbst entwickelt hatten, dachte sie, dass sie schnell zu den älteren Kenshuusei aufschließen könnte. Doch nun trainierten sie bereits zwei Stunden und jeder Schritt, jeder Handgriff sowie jede einzelne Richtungsänderung war viel zu spät oder gar falsch von ihr ausgeführt.

Den Tiefpunkt erreichte die Fünfzehnjährige, als sie bei einer spontanen Rückwärtsbewegung ausversehen Shiori ins Auge stach, wodurch eine fünfminütige Zwangspause ausgerufen und Reina von Frau Mitsubachi wütend getadelt wurde. Reina fühlte sich in diesem Moment keinesfalls besonders. Doch sie wollte sich nicht vom Frust übermannen lassen.

Plötzlich fixierte sie eine einzelne Person. Es war das Mädchen mit der Kurzhaarfrisur namens Kaga Kaede. Im Gegensatz zu allen anderen Kenshuusei hatte sie sich nicht in eine sitzende oder anderweitig entspannte Position begeben, um die Pause zu genießen. Stattdessen war sie vor den großen Spiegel getreten und observierte sich selbst, während sie die gerade geübten Bewegungen durchführte. Diese aufopferungsvolle Gewissenhaftigkeit nach Größerem zu streben imponierte Reina.

Mit einer ruckartigen Bewegung stand sie auf und unterbrach dabei die geschockte Kurumi, welche gerade zu einem längeren Vortrag über Respekt und Umgang angesetzt hatte.
 

„Reina, sagte ich nicht gerade, dass…“
 

Doch das Mädchen mit den schulterlangen, dunklen Haaren beachtete sie nicht. Ihre gesamte Konzentration war auf Kaedi gerichtet. Langsam trat sie zu der fleißig Trainierenden. Diese schenkte dem Ankömmling keine Beachtung.

Reina lächelte scheu.
 

„Kannst… Kannst du die Bewegungen, die du gerade gemacht hast, noch einmal zeigen?“
 

Die Angesprochene stoppte irritiert. Mit gerunzelter Stirn wandte sie sich der kleineren Person zu. Der starre Blick traf auf große, hoffnungsvoll schimmernde Augen. Kaedis Mundwinkel verkrampften sich.
 

„Ähm… klar… warte…“
 

Vollkommen überrumpelt von der unschuldig dreinblickenden Reina nahm Kaedi die Anfangsposition ihrer Kampfchoreografie ein.

Sie schlug mit der linken Faust kraftvoll nach vorn. Sofort folgte eine Kehrtwende nach hinten. Während der Drehung wechselten die Fußpositionen schlagartig, um einen festen Stand zu gewährleisten. Dann gab es einen Tritt. Schließlich wieder zwei schnelle Schläge. Ein leichter Vorstoß mit dem Oberkörper. Und erneut eine Drehung.

Weil das ältere Mädchen nicht wusste, wie viel sie eigentlich zeigen sollte, warf sie mittendrin einen kurzen Blick zu ihrer jungen Kameradin. Da weiteten sich ihre Augen.

Reina hatte nicht einfach nur zugeschaut. Sie hatte probiert, den flinken Bewegungen von Kaedi in Sekundenbruchteilen zu folgen. Doch sie scheiterte und fluchte leise.

Es ging nicht nur darum, einfach die Abfolgen nachzuahmen. Sowohl körperliche Balance als auch messerscharfe Konzentration waren notwendig, um die nötige Spannung zu erzeugen. Frau Mitsubachi hatte zu Beginn erwähnt, dass es in dieser Welt möglich sei, mit seinem Körper ganze Berge zu versetzen. Ob dies eine übertriebene Darstellung dafür sei, dass man mit steigernder Energie und Technik große Macht erlangt, sei dahingestellt.

Das Mädchen mit den kurzen Haaren beendete ihre eigenen Bewegungen, doch die Jüngere richtete sofort ihren Kopf auf und fokussierte sie.
 

„Bitte wiederhole es noch einmal für mich.“
 

Kopfschüttelnd ging Kaedi zurück auf ihre Position. Sie wiederholte die Übung, behielt Reina aber dieses Mal von Beginn an im Blick.

Und tatsächlich war diese bemüht, den Schritten so perfekt wie möglich zu folgen. Es gelang ihr nicht. Doch Kaedi musste eingestehen, dass Reina sich von Versuch zu Versuch verbesserte. Die Flamme des Ehrgeizes war regelrecht spürbar im Inneren des Neulings.

Reina verbeugte sich.
 

„Danke, dass du mich trainierst.“
 

Perplex starrte die ältere Kenshuusei ihr Gegenüber an.
 

„Trainieren? Ich trainiere dich doch gar nicht. Du hast mich doch nur gefragt, ob…“
 

Doch Reina ging gar nicht auf ihre Worte ein. Stattdessen sprach sie:
 

„Könntest du die Bewegungen noch einmal wiederholen?“
 

Fassungslos schreckte Kaedi einen Schritt zurück. Was war mit diesem Mädchen los? War sie noch ganz dicht? Leicht erregt antwortete sie:
 

„Versuchst du mich auf den Arm zu nehmen? Ich bin doch kein Videoband, das man immer wieder bei Bedarf abspielen kann.“
 

Doch Yokoyama Reina lächelte noch immer so unschuldig und unnachgiebig wie eh und je.
 

„Nein. Ich will dich nicht auf den Arm nehmen. Bitte wiederhole für mich diese Bewegungen. Das wäre sehr lieb.“
 

Die Ältere konnte mit dieser Situation nicht umgeben. Deshalb, und da sie das Training sowieso auch für sich selbst ausführen wollte, gab sie dem Wunsch nach.

Heimlich beobachtete sie während der Ausführung ihre Kameradin, welche besser und besser wurde. Inzwischen gelang es Reina fast synchron mit Kaedi Schritt zu halten. Diese spürte, wie sie ungewollt beeindruckt war.

Als sie die ersten Abfolgen beendet hatten, sprang Reina glückselig, mit der Faust voran, in die Luft und jubelte. Sie freute sich darüber, dass sie ihrer Mentorin folgen konnte.

Kaedi betrachtete sie emotionslos. Schlagartig bildeten sich Wutfalten unter ihren Augen und sie sagte.
 

„Wieso freust du dich so? Du beherrschst jetzt eine simple Schrittfolge. Mehr nicht. Du bist noch so weit entfernt davon, die wirklich wichtigen Dinge zu lernen.“
 

Doch das Gemüt der Jüngeren versprühte noch immer pure Fröhlichkeit.
 

„Das ist doch gut. Das bedeutet, dass du mir noch so viel beibringen kannst. Ich will unbedingt besser werden. Besser als alle anderen.“
 

Der letzten Bemerkung schwang solch starke Motivation mit, dass Kaga nicht umhinkonnte, als Reina für ein paar Sekunden überrascht zu betrachten. Doch dann fasste sie sich wieder und ihre störrischen Gesichtszüge kehrten zurück.
 

„Du willst besser als alle sein? Jemand, der so naiv und dumm ist wie du, wird es nicht einmal schaffen, einer Gruppierung beizutreten. Egal wie fleißig du bist.“
 

Das hatte gesessen. Kaedi wollte nicht so verletzend sein, doch sie war ein ehrlicher Mensch. Für einen kurzen Moment herrschte Stille.

In der Zwischenzeit waren auch die anderen Kenshuusei zu ihnen getreten. Icchan warf Kaga einen vorwurfsvollen Blick zu. Kurumi hatte die Hand mitfühlend auf Reinas Schulter gelegt, deren Gesicht im Schatten verborgen lag. Man konnte nicht erkennen, was sie nach diesen Worten dachte oder wie sie sich fühlte.

Gerade als die Kenshuusei-Anführerin ein Machtwort gegenüber der Kurzhaarigen sprechen wollte, hob Reina den Kopf. Ein Lachen umspielte ihre Lippen.
 

„Lass uns Freundinnen werden.“
 

Vollkommener Schock breitete sich in der Halle aus, nachdem alle Anwesenden Reinas Worte realisierten. Yuhane klatschte die Hand vor ihr Gesicht. Shiori hatte Augen und Mund so weit offen wie niemals zuvor. Die älteren Kenshuusei schwankten zwischen peinlicher Berührtheit, verkniffenen Lachern und fassungslosen Mienen.

Alle Augen waren auf Kaedi fixiert. Wie würde sie auf solch eine anmaßende Antwort reagieren. Sicherlich würde sie Reina auseinandernehmen. Es konnte gar nicht anders sein.

Niemand regte sich. Kaga selbst wirkte wie versteinert. Einige waren sich nicht mal sicher, ob sie überhaupt noch atmete.

Das Quietschen der Hallentüren unterbrach das skurrile Szenario abrupt. Frau Mitsubachi trat ein und klatschte in die Hände.
 

„Es wird Zeit. Wir machen sofort weiter. Ihr habt noch eine ganze Stunde vor euch. Auf geht’s!“
 

Sofort nutzte Kaedi die Gelegenheit und flüchtete aus der Situation, nahm ihren Platz ein und richtete ihren Blick stur auf Frau Mitsubachi. Ironischerweise war es ausgerechnet Reina, die ihr ohne zu zögern folgte und, zum Missmut der Älteren, sich direkt neben sie platzierte. Auch ihr Blick war, begleitet von einem spielerischen Grinsen, auf die Lehrerin fokussiert.

Die anderen Kenshuusei wussten nicht, was sie von der ganzen Aktion halten sollten. Noch immer standen sie im Halbkreis am Spiegel und beobachteten die beiden Protagonisten des Vorfalls.
 

„HABE ICH NICHT GESAGT, DASS ES WEITER GEHT, IHR SCHLAFMÜTZEN?“
 

Die Versammelten schreckten auf und entschuldigten sich unter panischen Verbeugungen, bevor sie schließlich ihre Positionen bezogen.



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