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Der Lauf der Zeit

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Sonntagabend euch allen,

also ich hatte damals gedacht, es sei eine kluge Idee Sonntags die Kapitel hochzuladen, von wegen Wochenende und Zeit und so, naja Pustekuchen. Sonntag scheint der Tag der Woche zu sein, wenn ich am wenigsten Zeit für meinen Laptop habe.
Daher bin ich sehr froh heute es doch noch zu schaffen dieses Kapitel zu posten.

Ich wünsche euch allen viel Spaß und wünsche denjenigen von euch, die Morgen feiern gehen eine noch viel bessere Zeit ;-)

LG
Sharry Komplett anzeigen

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Kapitel 8

Kapitel 8

 

Nun saßen sie da.

Zorro hatte sie vor wenigen Sekunden erst zurück gelassen um alleine mit Robin zu reden und keiner von ihnen wusste wirklich, was sie jetzt tun sollten.

Ihr Kapitän lag immer noch auf der Wiese, gemütlich am schlummern. Wenn es nicht Ruffy wäre würde Sanji sich wirklich Sorgen machen, dass er sich im Kampf mit Korekuta vielleicht doch etwas getan hatte, doch bei dem Gummijungen musste man sich nicht so schnell Gedanken machen.

Rayleigh saß immer noch hinter ihm am Mast, die Beine überschlagen, und beobachtete sie mit ausdrucksloser Miene. Sanji kam es so vor, als ob der dunkle König sie vor eine Prüfung gestellt hatte und nun bewertete, wie sie sich schlugen.

Der Koch fühlte sich selbst fast wie ein unbeteiligter Zuschauer. Ja, es schockierte ihn was sie alles nicht über den Schwertkämpfer gewusst hatten. Bekanntlich waren stille Wasser tief, aber er hatte den Mooskopf immer eher für eine Pfütze gehalten und nicht für einen schlafenden Vulkan.

Daran hatte sich - wenn er ganz ehrlich war - nicht viel geändert. Nun gut, dann hatte der Marimo halt eine deutlich längere Geschichte als ihm bewusst gewesen war, dann war er halt ein Wesen, über das ganze Geschichten geschrieben worden waren, dann war er halt ein Name, den Kinder über die ganze Welt verteilt aus Gruselgeschichten kannten. Dann hatte er halt Feinde, die selbst den ehemaligen Vizekapitäns des Piratenkönigs die Farbe aus dem Gesicht jagten.

Am Ende war er immer noch der nervige Säbelrassler, der den halben Tag mit Pennen verbrachte und die restliche Zeit mit Training. Er war immer noch der gleiche Idiot, der sich die Füße hatte abhacken wollen, um weiterzukämpfen, der bereit gewesen war von Falkenauge getötet zu werden nur der Ehre wegen. Er war immer noch der Mann, der sich hatte opfern wollen um Ruffy und auch um ihn zu retten.

Vielleicht fiel es dem Koch deshalb so schwer zu verstehen, warum die anderen sich so seltsam benahmen. Wer auch immer der andere früher gewesen war, was auch immer er für ein Monster gewesen war, nun war er doch Lorenor Zorro, niemand sonst. Die Vergangenheit sollte doch keine Rolle spielen.

„Rayleigh“, erhob er schließlich die Stimme, „weißt du, was das Problem zwischen dem Marimo und Robin-Maus ist?“

„Du meinst abgesehen davon, dass Bronze der Mistkerl ist, wegen dem Ohara untergegangen ist?“, warf Franky grob ein.

„Franky!“, entkam es Nami entsetzt.

„Was denn? Stimmt doch. Und nur weil wir hier von Zorro reden, ändert das nichts an der Wahrheit.“

Der Cyborg schien ziemlich unversöhnlich. Anders als Sanji nahm er Zorros Vergangenheit offensichtlich nicht so gut auf.

„Aber warte doch mal“, brachte sich Lysop ein, während er mit seinen Fingern zu zählen schien, „wenn ich richtig gerechnet habe, ist Zorro im Jahr des Buster Calls auf Ohara gerade aus dem Ei geschlüpft und er sagte doch, dass Eier zwei Jahre brauchen zum schlüpfen. Wie soll er dann dafür verantwortlich sein? Vorher war er dann doch nichts weiter als ein Baby oder so gewesen.“

Dem Koch konnte ein kleines Lächeln nicht verhindern. Lysop war gar nicht so dumm, wie er manchmal tat.

Franky errötete leicht. „Naja, Tom hat immer gesagt, dass die Weltregierung nur wegen Bronze von Ohara erfahren hat, also...“

„Also springst du direkt zu der Konsequenz, dass Zorro die Forscher von Ohara an die Weltregierung verraten hat? Schließlich ist er ja der Böse aus den Geschichten“, entgegnete Nami sarkastisch.

„Warum sollte Tom so etwas dann sagen, wenn es nicht stimmt?“, widersprach der Schiffszimmermann verteidigend.

„Weil er grundsätzlich Recht hat“, gab Rayleigh zu.

„Was?“, flüsterte Chopper. „Zorro würde doch nie jemanden verraten!“

„Das hat er auch nicht“, stimmte der dunkle König zu. „Ganz grob vereinfacht ist es richtig zu sagen, dass der Buster Call von Ohara im Endeffekt auf Bronze zurückzuführen ist. Aber es ist wohl etwas komplizierter wenn man genauer hinschaut.“

Der alte Mann faltete die Hände im Schoß.

„Wie bereits erwähnt, hatten wir drei die Insel Ohara schon in jungen Jahren erstmals besucht und nachdem Bronze sich von der Crew getrennt hatte, war er dorthin zurückgegangen. Ich würde sagen, außerhalb unserer Crew waren die Forscher einer der wenigen Menschen, denen er so halbwegs vertraute.“

„Er hätte sie also nie verraten“, schlussfolgerte Sanji. „Aber wie kam‘s dann zum Buster Call?“

Rayleigh nickte: „Nun ja, ich erzählte euch ja, dass Roger Bronze unbedingt auf seiner letzten Reise dabei haben wollte und wir ihn deshalb auf Ohara aufsuchten.“

Die Strohhutpiraten nickten zustimmend.

„Das Problem war allerdings, das wir zu dem Zeitpunkt nicht mehr diese unbekannten Piraten aus unserer Jugend waren und die Weltregierung sich fragte, warum berüchtigte Verbrecher, wie wir es waren, Interesse an einer kleinen Forschungsinsel hatten. Das war der Grund, warum sie Ohara genauer unter die Lupe nahmen und misstrauisch wurden.“

Nun sah er Franky an.

„Also ja, wenn Bronze damals nicht nach Ohara gegangen wäre und wir ihn nicht dort besucht hätten, wäre der Buster Call wohl nie passiert. Tom hatte wohl Recht.“

Rayleigh lachte leise. „Der gute alte Tom, ich glaube er hat etwas komplett anderes gemeint, als du es vielleicht verstanden hast. Du musst wissen er hatte damals als wir auf Water Seven waren eine Narren an Bronze gefressen und ihn regelrecht verfolgt.“

„Also ist das der Grund, warum Robin ihn geohrfeigt hat?“, fragte Lysop.

Der dunkle König zuckte mit den Achseln.

„Es wäre verständlich. Ohne uns hätte sie ihre Heimat nicht verloren.“

„Aber Zorro konnte da doch gar nichts für!“ Chopper war aufgesprungen. „Das ist voll gemein, wenn sie ihm das vorwirft.“

„Ihr seid doch Idioten“, murrte Nami, ehe sie tief aufseufzte.

„Was meinst du?“ Lysop betrachtete sie fragend von der Seite, doch sie schüttelte nur den Kopf und winkte ab.

„Ich hab noch eine andere Frage“, wechselte sie dann abrupt das Thema und sah Rayleigh ernst an. „Korekuta hat etwas davon gesagt, dass er den Vertrag nicht mit dir, sondern mit deinem Kapitän eingegangen sei. Was meinte er damit?“

Überrascht sah Sanji zu ihr hinüber.

„Wofür ist das denn jetzt wichtig, Nami-Mäuschen?“

Sie knetete ihre Hände in ihrem Schoß.

„Naja, für mich hörte es sich so an, als ob Zorro schon damals von diesen Raritätenjägern gesucht wurde und Roger es geschafft hatte, sie ein für alle Mal loszuwerden.“ Hilfesuchend sah sie auf. „Und ich möchte auch, dass Zorro bleibt. Das mit Robin werden wir irgendwie klären, aber ihr habt doch gesehen, wie er reagiert hat, als dieser Muchinushi vor ihm stand.“

Sie biss sich kurz auf die Lippe ehe sie weitersprach, nun wieder ruhiger: „Er scheint wirklich stark zu sein und wenn er Zorro schon so viele Jahre verfolgt, wird er vermutlich nie aufhören, also müssen wir einen anderen Weg finden. Sonst wird Zorro...“ Sie schüttelte den Kopf und setzte einen gefassten fast schon zickigen Ton auf. „Sonst werden diese Korekutas uns nie in Ruhe lassen und mir reicht es schon, dass die Marine uns immer im Nacken sitzt. Ich brauche nicht auch noch einen wahnsinnigen Weltaristokraten.“

Tatsächlich konnte der Koch dem nichts entgegensetzen.

Der Cyborg zu seiner Rechten schnaubte leise auf, sagte jedoch nichts. Brook neben ihm war verdächtig still, als wäre er tief in Gedanken versunken.

„Aber warum eigentlich?“ Lysop sah nun auch zu Rayleigh hinüber. „Warum ist Zorro denen so wichtig? Der Kerl hat ihn seine Nummer eins genannt. Ich meine, er wird doch kaum die Nummer eins auf dieser seltsamen Liste sein.“

„Oh doch“, lachte Rayleigh leise auf.

„Was?“, entkam es Chopper. „Ich bin Nummer 4.052 und Zorro soll die Nummer eins sein?“ Er klang fast neidisch.

Rayleigh nickte: „Wie gesagt, die Liste ist danach sortiert, für wie wertvoll die Weltaristokraten, beziehungsweise Muchinushi, denjenigen empfinden.“

Er schwieg eine Sekunde.

„Soweit ich weiß verfolgten die Raritätenjäger die Drachen, damit die Wissenschaftler der Weltaristokraten deren Fähigkeiten untersuchen und sich gegebenenfalls zu eigen machen konnten. Sie waren insbesondere hinter der Langlebigkeit der Drachen her.“

„Wie alt können Drachen denn werden?“, fragte überraschender Weise Brook dazwischen.

„Das weiß ich um ehrlich zu sein nicht. Bronze hat mir damals nur erzählt, dass Korekuta ihn unter anderem wegen seinem Blut gefangen genommen hatte. Anscheinend vertragen Menschen das Blut eines vollwertigen Drachen nicht, aber durch das regelmäßige Injizieren von seinem Blut kann ein Mensch seine eigene Lebensspanne beträchtlich verlängern.“

„Ein Jungbrunnen aus Fleisch und Blut“, murmelte Franky kopfschüttelnd, „und deswegen verfolgen sie ihn wie Wahnsinnige? Als würde so etwas funktionieren.“

Rayleigh zuckte mit den Achseln. „Nun ja, Muchinushi ist über hundert Jahre alt und seine Tochter Joudama ist nur gute zehn Jahre jünger als ich, daher würde ich...“

„Was?“ Sanji ließ seine Zigarette fallen. „Du willst mir sagen, dass dieses liebreizende Geschöpf eine alte Oma sein soll?“

„Ich bin für dich also ein alter Opa?“, hinterfragte der ehemalige Pirat leicht reserviert.

Sanji wollte zurückrudern, doch Nami führte das Gespräch fort: „Okay, also wir wissen jetzt, warum sie Zorro jagen, aber die Frage war doch, was hat Roger damals gemacht, damit sie Zorro in Ruhe gelassen haben.“

Misstrauisch betrachtete der Koch die Navigatorin. Ihre Miene war eine Maske von Objektivität, doch ihre Hand krallte sich in ihre Schulter und immer wieder biss sie sich auf die Unterlippe. Er machte sich Sorgen um sie, fast mehr als um den Mooskopf. Ihr schien das alles sehr nahe zu gehen.

„Ganz einfach“, antwortete Rayleigh, „er ist einen Deal mit Muchinushi eingegangen.“

„Wie?“ Die einzige anwesende Frau setzte sich etwas gerader auf.

„Nun ja, wir sind den Korekutas über die Jahre hinweg immer wieder über den Weg gelaufen und es war jedes Mal ein ziemlich harter Kampf. Seine Handlanger sind zwar ein Witz, aber wir wussten, dass wir gegen Muchinushi selbst nichts ausrichten konnten, deswegen sind wir immer geflohen, bis auf das eine Mal, wo Roger seinen Sturkopf durchsetzte und sich weigerte Reißaus zu nehmen.“

Er grinste nicht und seiner Stimme fehlte die sonst so oft anwesende Gewitztheit. Im Gegenteil, er klang sehr traurig.

„Es war ein Kampf wie ich nur wenige erlebt habe und es sah auch wirklich nicht gut für uns aus. Doch schließlich konnte Roger ihn bezwingen.“

„Er hat ihn besiegt?“, fragte Sanji nach.

„Oh nein.“ Der ehemalige Pirat schüttelte den Kopf. „Sie waren einander ziemlich ebenbürtig und keiner der beiden hätten den Kampf überlebt. Durch eine List konnten wir Joudama gefangen nehmen. Doch selbst ihr Leben war ihm nicht wichtig genug, um von Bronze abzulassen. Allerdings bot er den Deal an, Bronze so lange in Frieden zu lassen, wie Roger leben würde. Vermutlich wollte er verhindern, dass Roger sie bei umbringen würde.“

„Und darauf ist Roger eingegangen?“ Lysop klang entrüstet. „Warum lässt man sich auf so ein abgekartetes Spiel ein? Er hätte weiterkämpfen müssen!“

„Vielleicht“, entgegnete der dunkle König leise, „allerdings hatte dieser Deal alleine schon einen sehr hohen Preis. Astin und Joe Bloggs sind an jenem Tag für eben diesen Deal gestorben, damit Bronze ein paar Jahre in Freiheit leben konnte. Wir hatten zwei Freunde im Kampf verloren. Wer weiß, wer noch gefallen wäre, wenn Roger diesen Deal abgelehnt hätte.“

Er schüttelte den Kopf. „Doch nun ist Roger tot.“

„Und Muchinushi wird Zorro wieder jagen“, beendete Nami Rayleighs Satz leise.

Der alte Mann nickte schwerfällig.

Ein lautes Grummeln ließ sie alle aufschrecken.

Dann streckte und reckte sich der eingeschlafene Kapitän und gähnte lauthals.

„Urgh, hab ich einen Hunger“, murmelte er und gähnte erneut, ehe er schließlich die Augen öffnete.

Überrascht sah er sie an.

„Was macht ihr denn alle hier?“

Einstimmig seufzten alle anderen Anwesenden.

„Ruffy, hast du überhaupt irgendetwas mitbekommen?“

„Ja klar“, grinste der Strohhut, „Zorro ist wieder da und das ist das einzige, was zählt.“

Lachend sprang er auf.

„Und jetzt habe ich Hunger! Sanji! Futter!!“

Erst wollte der Koch etwas erwidern, doch dann seufzte er leise und schüttelte den Kopf.

„Vielleicht ist das eine ganz gute Idee. Wir sollten alle etwas essen.“

„Auf zur Kombüse“, brüllte Ruffy und rannte bereits voraus.

„Sollten wir ihm nicht die Wahrheit sagen?“, murmelte Lysop während er sich erhob.

„Nicht, dass das einen Unterschied machen würde“, murrte Franky. „Also ich möchte nicht im Raum sein, wenn er erfährt, dass sowohl Zorro als auch Robin die Crew verlassen wollen.“

„Oder wenn er davon erfährt, dass manche von uns Zorro nicht mehr in der Crew haben wollen“, provozierte Nami schneidend.

„Ich habe nie gesagt, dass ich will, dass er geht“, entgegnete der Cyborg. „Nur, dass es kompliziert ist. Ihr seht nur Zorro und hört was wir sagen, aber Brook und ich hier sind mit Bronze oder den Drachen groß geworden, das ist was anderes.“

„Vielleicht sollten wir erst einmal eine Tasse Tee trinken gehen“, schlug das Skelett diplomatisch vor.

„Das nenne ich mal eine sinnvolle Idee“, stimmte der dunkle König zu und nach und nach folgten die Piraten dem Gummijungen.

Auf dem Weg nach oben hielt Sanji die Navigatorin kurz zurück.

„Sag mal“, murmelte er, „sollen wir Robin auch rufen. Ich mache mir langsam Sorgen. Da drüben ist es so verdächtig ruhig.“

Nami sah ihn an ohne die Spur eines Lächelns.

„Das brauchst du nicht. Ich denke sie und Zorro müssen viel miteinander reden. Muss ein ziemlicher Schock für sie gewesen sein.“

„Für uns alle“, entgegnete er.

„So meinte ich das nicht.“ Sie schüttelte den Kopf und hob leicht entrüstet die Hände als er sie nur fragend ansah.

„Du musst das doch bemerkt haben“, meinte sie leiser als zuvor und beugte sich näher zu ihm.

„Was denn?“ Er hatte keinen Plan wovon sie redete.

Nami rollte mit den Augen.

„Ist dir nicht aufgefallen, dass die beiden sehr gerne Zeit miteinander verbringen?“

„Was?“ Er legte den Kopf schief. Wovon redete sie?

„Ja, wenn wir an Land gehen, geht Zorro meistens mit ihr mit. Sie hat ihm Mahjongg beigebracht. Manchmal liest sie oben im Ausguck während er trainiert.“

Sie machte weiterführende Bewegungen mit ihren Händen.

„Und?“, fragte Sanji nach.

„Ach, Sanji!“ Sie stampfte leicht mit dem Fuß auf. „Robin mag Zorro und er sie anscheinend auch und jetzt so etwas, natürlich ist sie geschockt. Wahrscheinlich denkt sie genauso wie Franky über Bronze, oder noch schlimmer und jetzt stellt sich heraus, dass Zorro Bronze ist. Ich meine, sie muss wahrscheinlich verzweifelt sein und sich verraten fühlen. Es fällt ihr so schwer jemanden zu vertrauen und dann ausgerechnet Zorro. Und ich will gar nicht wissen wie er sich fühlen muss, wenn er uns nicht die Wahrheit sagen konnte, weil er dachte wir würden ihn...Sanji? Was ist los?“

Er versuchte zu atmen, aber konnte nicht und langsam wurde ihm übel.

Räuspernd beugte er sich vor, während sich die Welt zu drehen begann.

Mittlerweile war ihm richtig schlecht.

„Sanji?! Was ist denn los?“

Nami klopfte ihm auf den Rücken und er hustete, doch immer noch rang er nach Luft.

Seine Knie gaben nach.

„Das kann nicht sein“, röchelte er, „Warum ausgerechnet den Marimo?“

Dann wurde es schwarz um ihn.

 

Mit schweren Schritten erklomm er die Stufen, ließ die anderen Crewmitglieder auf der Wiese zurück und ging außen am Speisesaal vorbei Richtung Bug.

Tief holte er Luft, als er sie dort an der Reling stehen sah, sie stützte sich mit den Unterarmen auf dem weißen Holz ab und betrachtete die Weiten des Meeres.

Selbst von dort wo er stand konnte er sehen, dass sie geweint hatte; ihre Augen und Wangen waren gerötet und in ihrer linken Hand hielt sie immer noch ein Taschentuch.

Für einen Moment betrachtete er ihr Profil bedächtig, suchte nach den Worten mit denen er ihr erklären wollte, was nicht in Worte zu fassen war.

Dann sah sie zu ihm herüber und schloss kurz die Augen. Doch da sie nicht weg ging, entschied er, dass sie seine Anwesenheit zumindest tolerierte.

Langsam gesellte er sich zu ihr und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Reling, ohne sie anzusehen.

Keiner von ihnen sagte etwas.

Das war grundsätzlich nichts ungewöhnliches. Sie hatten nie viele Worte gebraucht um sich zu verstehen. Sie waren einander sehr ähnlich, verwandte Geiste hatte sie einmal gesagt. Beide waren sie eher von der ruhigeren, observierenden Sorte, und beide waren sie bereit auch drastischere Wege in Betracht zu ziehen um ihre Freunde zu beschützen. Insbesondere bevor Brook und Franky zur Crew gestoßen waren, war Zorro dankbar dafür gewesen sich mit jemandem unterhalten zu können auf dessen Naivität er ausnahmsweise mal keine Rücksicht hätte nehmen müssen.

Im Gegensatz zu Ruffy, Lysop, Nami, Chopper, ja selbst im Gegensatz zum Koch, hatte Zorro sich immer anders gefühlt, nicht unbedingt älter, aber ihnen allen hatte immer diese kindliche Unschuld innegewohnt, die er selbst vor langer Zeit verloren hatte und obwohl er es nie hatte genau erklären können, so hatte er doch gewusst, dass Robin ihn verstanden hatte, dass es ihr ähnlich ergangen war.

Aber nun war es anders, es fehlte dieses wortlose Verständnis, diese innere Einigkeit.

Beide waren sie misstrauische Personen, die nur schwer Fremden vertrauen konnten, noch schwerer sich selbst anderen öffnen und mitteilen konnten. Auch das hatte er immer an ihr geschätzt. Sie war einer der wenigen Menschen, die ihn lesen konnten.

Am Anfang hatte ihm das sehr missfallen, denn er hatte ihr misstraut, schließlich hatte auch er sie lesen können, hatte bemerkt, dass sie ihnen etwas vorenthalten hatte. Aber irgendwann war dieses Misstrauen schwächer geworden und dann irgendwann umgeschlagen.

Wenn sie die einzige im Raum gewesen war die erkannt hatte, dass er unzufrieden mit seinem Training an dem Tag gewesen war, dann hatte sie angeboten manche seine Pflichten zu übernehmen damit er weiter trainieren konnte.

Wenn sie die einzige im Raum gewesen war die bemerkt hatte, dass er schon zwei Tage ununterbrochen trainiert hatte, dann hatte sie ihn manchmal um Hilfe bei banalen Dingen gebeten damit er eine Pause machte.

Sie hatte bemerkt, wenn er schlecht geschlafen hatte und den Koch davon abgehalten ihn unsanft zu wecken.

Sie hatte bemerkt, wenn er eines ihrer Bücher beäugt hatte und dann lag es am Abend plötzlich auf dem Sofa im Ausguck.

Wenn er ehrlich war, hatte er sich viel zu schnell daran gewöhnt, dass sie mit Leichtigkeit hinter seine Maske schauen konnte.

Doch er konnte es bei ihr auch.

Er wusste, wann sie Trauer oder Unsicherheit hinter einem Lächeln versteckte, wann sie einen Schluck Kaffee trank um eine harsche Bemerkung zu verhindern, wann sie vor Müdigkeit nur noch auf die Zeilen eines Buches starrte, statt zu lesen.

Und gerade konnte er ihr ansehen, dass sie in diesem Moment überall auf der Welt lieber wäre, als hier auf einem kleinen Schiff, auf dem sie nicht davonlaufen konnte.

Nicht, dass Robin normalerweise eine Frau wäre, die davonlaufen würde. Nein, aber sie hatte es getan als ihre eigene Vergangenheit gedroht hatte sie einzuholen und nun, dass seine Vergangenheit ihn eingeholt hatte, wusste er, dass sie keine andere Möglichkeit sah als zu fliehen.

Er starrte die Holzwand vor sich an, versuchte das erste Mal seit langer Zeit die richtigen Worte zu finden um mit ihr zu sprechen.

„Das mit eben tut mir leid“, sprach sie leise. „Ich hätte dich nicht schlagen sollen.“

Er lachte leise auf und konnte ein schräges Grinsen nicht verhindern.

„Du hättest mir den Kopf abschlagen können und ich hätte es dir nicht übel genommen.“

Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, wie auch sie für den Bruchteil einer Sekunde schmunzelte, ehe ihre Züge wieder kühl worden.

Wieder schwiegen sie und obwohl da eine Spannung zwischen ihnen war, ein tiefer Schmerz, so war er doch froh, dass sie nicht weggegangen war, dass sie ihm zumindest die Möglichkeit gab mit ihr zu sprechen.

Doch es gestaltete sich deutlich schwieriger als er befürchtet hatte.

Er war noch nie gut mit Worten gewesen und gerade bei ihr war das auch noch nie nötig gewesen, doch jetzt war alles anders.

Mehrmals öffnete und schloss er seinen Mund ohne auch nur einen Laut raus zubringen.

Kopfschüttelnd schnaubte er leise auf.

„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, gestand er leise ein. „Was kann ich schon sagen? Nichts was ich sagen könnte, könnte erklären oder gar gutmachen was du meinetwegen durchmachen musstest.“

Sie entgegnete nichts, sondern sah weiterhin aufs Meer hinaus.

Schwer schluckend entschied er weiterzusprechen, vielleicht nur um diese Stille zu überbrücken.

„Ich kann nicht ändern was damals geschehen ist und ich kann dich auch nicht um Vergebung fragen, daher möchte ich dich nur um eines bitten.“

Nun sah sie ihn überrascht aber auch überaus argwöhnisch an.

„Bitte verlasse diese Crew nicht.“

Ihre Augen wurden groß.

„Du hast deine Heimat schon einmal wegen mir verloren. Ich möchte nicht ein zweites Mal dafür verantwortlich sein.“

Ganz langsam öffnete sie den Mund, während er weiter sprach.

„Und du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Mir war von Anfang an bewusst, dass ich diese Crew irgendwann würde verlassen müssen. Darum bleib bitte.“

Nun sah er sie auch an.

„Wir sind beide Einzelgänger, aber wir sind verschieden. Du brauchst sie.“

Robin sah wieder aufs Meer.

„Und du?“, fragte sie schließlich.

Leise lachte er. „Ach, ich hab mich doch bewusst für diesen Weg entschieden. Außerdem habe ich doch Silver.“

Er verschränkte die Arme und sah nach oben zum Himmel, langsam wurde es dunkler. Ein langer Tag wandte sich endlich dem Ende zu und doch hatte er Angst davor, dass er vorbei ging.

Langsam wunderte er sich, ob er vielleicht gehen sollte. Es war alles gesagt, oder?

Was sollte er noch sagen, was sie nicht wusste?

Es stimmte, er konnte die Vergangenheit nicht ändern. Wie oft hatte er sich die letzten zwei Jahre gewünscht, dass seine Erinnerung nicht wahr wären, dass er nicht dieser andere war, dieser andere aus einem anderem Leben. Wie gerne wäre er einfach nur Lorenor Zorro gewesen, der kleine unbedeutende Schwertkämpfer aus dem East Blue mit einem großen Traum.

Damals hatte er sich für seine menschliche Seite gehasst und nun wollte er nichts mehr, als den letzten Drachen, den Todesengel Bronze, vergessen.

Doch gleichzeitig konnte er sich solche Gedanken nicht verzeihen. Es kam ihm vor als würde er alle die ihm je wichtig gewesen waren verraten. Sein Stamm war nicht gestorben damit er sein Erbe verleugnen würde. Sein Vater hatte ihn nicht gerettet damit er sich für das schämte was er war.

Aber die Schuld wog schwer. Seine damaligen Taten und sein heutiges Ehrgefühl lagen Welten auseinander und er konnte nur hoffen, dass sein ehemalige Vizekapitän Recht hatte, dass er mit der Zeit Frieden würde schließen können.

„Weißt du?“ Nun sah Robin auch hinauf zu den ersten aufleuchtenden Sternen, ihre Augen eine schimmernde Spiegelung des Himmels. „Du liegst falsch. Ich gebe nicht… dir die Schuld am Buster Call.“ Ihre Stimme bebte, doch sie sprach unbeirrt weiter. „Ich habe Zeit meines Lebens damit verbracht herauszufinden, was genau auf Ohara passiert ist und ich weiß, dass Bronze, nein, dass du Zuflucht gesucht hast und dass die Forscher von Ohara dich freiwillig und mit offenen Armen empfangen haben. Die Weltregierung hat den Buster Call zu verantworten, niemand sonst. Nicht du, nicht die Bewohner von Ohara, nicht mal Roger und die Archäologen die er mitnahm. Niemand von uns konnte etwas dafür, es war nur eine unglückliche Verkettung von Kausalzusammenhängen.“

Zorro schloss sein Auge und ließ ihre Worte in sich widerhallen, während er die Gesichter von denen vor seinem inneren Auge wiedersah, die durch den Buster Call ihr Leben verloren hatten. So viele Menschen hatten in den letzten zwanzig Jahren sterben müssen und er hatte sich nicht einmal an sie erinnert.

„Und doch“, flüsterte Robin nun beinahe, „und doch erfüllt alleine der Name Bronze mich mit so viel Wut und Verzweiflung. Warum Ohara? Warum ausgerechnet unsere kleine Insel? Warum musstest du zu uns kommen? Wärest du nicht da gewesen, hätte Roger nie die Aufmerksamkeit auf uns gelenkt.“

Leise Tränen rannen ihr Gesicht hinunter.

„Wenn du nicht gekommen wärest, wäre meine Mutter nie fortgegangen und niemand wäre gestorben. Es ist nicht deine Schuld und doch...“ Sie schüttelte den Kopf und presste eine Hand auf ihren Mund. „Und doch bist du der Grund dafür, dass Ohara zerstört wurde, dass sie alle gestorben sind, dass ich meine Familie, meine Heimat verloren habe. Du bist der Grund dafür und das soll ich einfach…?“

Sie beendete den Satz nicht.

„Wie soll ich dir je in die Augen schauen? Wie soll ich dir je vergeben?“

Er schwieg und fragte sich selbst doch genau das gleiche.

„Sag mir, Zorro, gab es irgendeinen Grund? Oder kamst du nur zufällig nach Ohara?“

Langsam senkte er den Blick wieder hinab zur hölzernen Wand.

„Würde es denn einen Unterschied machen?“, fragte er heiser. „Das ändert doch nichts an den Geschehnissen.“

„Für mich macht es einen Unterschied“, flüsterte sie leise dem Himmel entgegen.

Lange sah er sie von der Seite her an, wollte verstehen, warum es ihr wichtig war und doch verstand er es nicht. Leise seufzend wandte er sich wieder der Holzwand zu, ehe er nickte: „Nun gut, die Wahrheit ist, ich bin nicht zufällig auf Ohara gelandet.“

Nun sah sie ihn von der Seite her an, doch er blickte stur gerade aus.

„Tatsächlich wäre ich von alleine wohl nie auf die Idee gekommen, nochmal dorthin zurückzukehren.“

Er schüttelte leicht den Kopf, bevor er weitersprach: „Ich weiß nicht, wie viel du weißt, aber damals war ich auf der Suche nach einer Möglichkeit einen Fluch von mir zu lösen. Einen Fluch der mich schwächte und vermutlich umbringen konnte.“

„Ich weiß, Professor Kleeblatt hatte so etwas mal erwähnt.“

Es war beinahe wie sonst auch, wenn sie miteinander sprachen, und doch ganz anders.

„Als ich die Insel Ishira Im West Blue erreichte, traf ich dort auf eine alte Bekannte von Ohara. Kanntest du Radiata?“

Sie nickte eilig.

„Ich habe unzählige Dissertationen von der berühmten Forscherin Professor Lycoris Radiata gelesen und sie war eine gute Freundin von Professor Kleeblatt.“

„Aber hast du sie je getroffen?“

Fragend legte sie den Kopf schief.

„Liz war eine beeindruckende Frau, Aber sie hatte immer unglaublich üble Laune und mit ihrem feuerroten Haar sah sie immer aus als würde sie in Flammen stehen wenn sie wütend wurde.“

Er lachte leise als er sich daran erinnerte, wie er sie nach all den Jahren wiedergesehen hatte, wie sie seinen Namen über die halbe Insel gebrüllt hatte. Ihr Temperament war eine einzige Naturgewalt gewesen.

„Nachdem ich ihr erzählt hatte, was geschehen war, hat sie mich mehr oder weniger in Ketten nach Ohara gezerrt um gemeinsam mit Kleeblatt eine Lösung zu finden.“

Er schwieg für eine Sekunde.

„Sie und Kleeblatt haben mich regelrecht gezwungen dort zu bleiben und aufgrund meines Zustandes habe ich mich dem dann irgendwann ergeben.“

„Dein Zustand?“, fragte sie nach. „Was war das für ein Fluch, der auf dir lag?“

„Der Fluch der Rückwärtsfrucht“, entgegnete er und sah wie ihre Augen groß wurden. „Als ich nach Ohara kam, war ich wieder im Körper eines Jugendlichen.“

Bedächtig hob er seine Hände hoch und betrachtete sie, sah die Schwielen und kleinen Narben an den Fingern, die er immer wieder öffnete und schloss.

„Kleeblatt und Radiata gaben mir einen Zufluchtsort als ich nirgendwohin konnte.“

Nun sah Robin wieder weg.

„Deine Zeit lief also rückwärts?“, fragte sie nach einem Moment. „Anstatt zu altern wurdest du jünger? Durch einen Fluch den ein Teufelskraftanwender auf dich gelegt hatte?“

Er nickte ruhig und erklärte ihr was er zuvor den anderen Crewmitgliedern bereits erzählt hatte.

Danach schwiegen sie wieder.

„Du kanntest meine Mutter?“

Er nickte erneut: „Sie war eine von Radiatas Schülerinnen und eine überaus wissbegierige darüber hinaus.“

„Erzähl mir von ihr.“

Keiner von beiden sah den anderen an.

„Was für ein Mensch war sie? Wie hast du sie kennen gelernt?“

Einen Moment lang schloss Zorro sein Auge und erinnerte sich an Nico Olvia.

„Ich glaube, dass erste Mal sind wir uns begegnet als wir damals auf Ohara gestrandet sind, sie war damals noch beinahe ein Kind und unglaublich schüchtern. Kleeblatt schrieb damals eine Arbeit über untergegangene Kulturen und hat sich an mich angehängt wie eine Klette, genau wie sie bei Radiata. Wann immer die beiden diskutiert haben, saß sie still daneben, mit großen Augen und lauschte ganz aufmerksam, als könnte sie alles Wissen der Welt aufsaugen.“

Er schüttelte den Kopf.

„Dann später, als ich wieder da war, schrieb sie gerade eine Abhandlung über Drachen und wollte alles mögliche wissen. Sie war richtig nervig und noch anhänglicher als Kleeblatt. Nie ließ sie mich in Ruhe, selbst wenn wir gerade irgendwelche Tests durchführten oder ich ruhen wollte. Immer war sie da und immer redete sie unaufhaltsam. Andauernd stellte sie mir Fragen zu den unwichtigsten Dingen.“

Er lachte leise. „Sie war so klug geworden in den paar Jahren, so selbstbewusst. Vorher hatte sie sich immer hinter Liz versteckt, doch dann hielt sie Vorträge vorm ganzen Kollegium. Sie wollte alles wissen, jedes Geheimnis ergründen und war zu einer Archäologin herangewachsen die ihresgleichen gesucht hat. Es gab nichts Wichtigeres in ihrem Leben als die Wahrheit über das verlorene Jahrhundert herauszufinden… nun ja fast nichts Wichtigeres.“

Nun sah er doch zu ihr hinüber. Schnell wandte sie den Blick ab.

„Ich weiß, dass es dir schwer fallen muss es zu glauben, aber sie hat dich geliebt. Schon während der Schwangerschaft hat sie immer nur von dir gesprochen und als du erst da warst...“

Er seufzte leicht. „Als die anderen kamen und ihr neben Radiata anboten mitzukommen, es hat ihr Herz zerbrochen.“

„Aber sie ist gegangen.“ Robin klang nicht vorwurfsvoll.

„Ja das ist sie“, stimmte er zu.

„Und du nicht.“

Eine Sekunde atmete er tief ein.

„Und ich nicht.“

Für eine lange Zeit sagte niemand von ihnen etwas. Die Welt um sie herum wurde allmählich dunkler und die Luft frischer. Ein jeder von ihnen hing längst vergangenen Zeiten nach, wertvolle aber oh so schmerzvolle Erinnerungen.

„Da war ein Junge“, murmelte Robin schließlich. „Ich erinnere mich an ihn. Er war das einzige andere Kind innerhalb der Räume vom Baum der Allwissenheit. Ich weiß, dass ich manchmal mit ihm spielen wollte, aber er war ziemlich fies und gemein. Trotzdem hatten die anderen ihn immer mit Respekt behandelt.“

Zorro entgegnete nichts.

„Je älter ich wurde, desto seltener sah ich ihn und niemand redete über ihn. Sie sagten sogar, dass ich ihn mir eingebildet hätte. Doch einmal hab ich ihn in diesem unterirdischen Raum zusammen mit Professor Kleeblatt gesehen. Er saß ganz ungeniert auf dem Porneglyphen drauf und diskutierte ganz laut über den Inhalt. Er hat mir Angst gemacht. Für ein Kind klang er viel zu ernst, viel zu verbittert. Wie ein alter Mann, der sich mit seinem Alter noch nicht abgefunden hatte. Einmal habe ich den Professor nach diesem Jungen gefragt und ich weiß noch ganz genau, wie er sich zu mir heruntergebeugt hatte und gesagt hat ‚Robin, diesen Jungen hat es nie gegeben, denn wenn es ihn gegeben hätte würde das bedeuten, dass noch ein Teil der verlorenen Geschichte am Leben wäre und das würde bedeuten, dass wir der Wahrheit weit näher gekommen wären. Aber da wir weder das verlorene Jahrhundert studieren noch Kindern Zuflucht bieten, musst du ihn dir eingebildet haben.‘ Ich habe damals nicht verstanden was er gemeint hat und gedacht, dass er sich über mich lustig machen würde.“

Sie sah zu ihm herüber.

„Dieser Junge warst du, oder?“

Er sah weg.

„Du bist der einzige, der wie ich die Luft dieser Bücher geatmet hat und heute noch lebt.“

Er schluckte schwer.

„Du bist der einzige, der sie alle kannte, du kanntest meine Mutter, den Professor, Professor Radiata und all die anderen. Du warst dort unten gewesen, du hast all das gesehen.“

Sie schüttelte den Kopf.

„Und dann belügst du mich? Dann sagst du mir die Wahrheit nicht? All diese Zeit, dachte ich… ich war alleine. Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt?“

Er schwieg.

„Warum Zorro?! Du kannst sie lesen, nicht wahr? Die Porneglyphen, schließlich war das doch die Sprache der Drachen. Du kanntest meine Vergangenheit und du… warum hast du nichts gesagt?“

Er antwortete nicht direkt, sondern hörte für einen Moment dem flüsternden Meer zu.

„Du warst glücklich“, murmelte er schließlich. „Nach all den Jahren auf der Flucht, nach all der Zeit alleine, hattest du endlich ein Zuhause gefunden, Menschen, denen du wichtig bist. Ich hätte dir alles sagen sollen, aber ich wollte dich nicht verletzten, alte Wunden nicht wieder aufreißen.“

Einen Moment zögerte er.

„Und ich wollte dich nicht verlieren. Ich wollte nicht, dass du mich nicht mehr ansehen kannst. Ich wollte nicht der Grund für deinen Schmerz sein.“

Langsam drehte sie sich um und lehnte sich ebenfalls mit dem Rücken gegen die Reling.

„Manche Menschen lügen, um das zu bekommen, was sie wollen“, erklärte sie ruhig, „und andere um das zu beschützen, das sie liebgewonnen haben.“

Sie schüttelte den Kopf: „Und trotzdem verbirgt beides die Wahrheit und mein Traum ist es, die Wahrheit herauszufinden. Du solltest mich nicht anlügen, auch nicht zu meinem Schutz.“

Er nickte.

„Du kannst die Porneglyphen also wirklich lesen?“

„Mehr oder weniger. Anders als du glaubst, ist diese Schrift nicht von den Drachen. Die Sprache ja, aber Drachen konnten nicht schreiben. Menschen die der Sprache der Himmelsmenschen mächtig waren, haben diese Schrift entwickelt. Kleeblatt hat mir beigebracht sie zu lesen.“

Für eine lange Zeit sagte sie nichts, doch dann huschte der Hauch eines Lächelns über ihr Gesicht.

„Wenn ich dir ein paar Notizen zeigen würde, könntest du dir dann vorstellen deine Gedanken darüber mit mir auszutauschen?“

Leise lachte er auf: „Dir ist hoffentlich bewusst, dass ich kein Gelehrter bin. Ich bezweifle, dass ich etwas bemerken würde, das dir entgangen ist.“

Eine innere Wärme erfüllte ihn.

„Aber ich würde mich geehrt fühlen, deine Arbeit sehen zu dürfen.“

 

 



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