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Im Leben meiner Schwester

von

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Zusammenführung

Ginzo und Ran beschlossen den Vormittag im Park spazieren zu gehen. Sie suchten das kleine Cafe auf und setzten sich zum späten Frühstück an einen der Tische. Sie genossen die warmen Sonnenstrahlen und redeten viel, lernten sich kennen und schienen in den wenigen Stunden die vergangenen Jahre nachholen zu wollen.

Ginzo trank seinen Kaffee leer und winkte die Bedienung zum Zahlen herbei. Dann sah er Ran an. „Interessierst du dich schon für Jungs?“

Erheitert lachte Ran auf. „Ich bin siebzehn“, erinnerte sie ihn amüsiert.

Ginzo kratzte sich verlegen am Kopf. „Das mit Aoko und Kaito, ich weiß nicht so recht was ich davon halten soll. Und nun kenne ich dich. Hast du denn schon einen Freund?“

Ran schüttelte den Kopf. „Einen besten Freund, Shinichi, aber ich wünschte das wir mehr wären, als Freunde“, gestand sie verlegen. Nie hätte sie gedacht mit ihrem Vater mal über Jungs zu reden. „Er hat mich eingeladen. Wir fliegen in den Sommerferien nach Amerika. Seine Eltern leben zur Zeit dort und wir wollen sie besuchen.“

Ginzo runzelte die Stirn. „Als dein Vater hab ich nun mal jetzt Mitspracherecht. Mir gefällt es nicht sonderlich dich mit einem Jungen in weit entferntes Land reisen zu lassen – allein.“

Ran lachte. „Tut mir leid Papa, da kommst du zu spät. Es ist bereits entschieden.“

Die Bedienung trat heran und Ginzo bezahlte. Diesen Moment nutzte Ran um schnell etwas ins Handy zu tippen.

Ginzo bemerkte nichts, dann verließen sie das Cafe und schlenderten durch den Park. „Ich wünschte es wäre damals anders gekommen. Ich hätte mich damals dagegen entscheiden müssen. Leider kann ich diesen Fehler nicht mehr gut machen.“

„Du könntest es aber jetzt versuchen“, sprach Ran leise.

Ginzo stutzte, doch dann entdeckte er jemanden auf sich zu kommen. „Aoko“, stutzte er und betrachtete die Frau neben seiner Tochter. „Eri“, hauchte er, als sie vor ihm stehen blieb.

Unsicher beobachteten die beiden Mädchen diese erste Begegnung seit langer Zeit.

„Ginzo“, begrüßte Eri ihn steif und reichte ihm ihre Hand zur Begrüßung.

Er nahm sie in seine, doch im nächsten Moment zog er sie überwältigt in seine Arme und drückte sie fest an sich. „Ich hätte nicht gedacht dir noch einmal zu begegnen.“

Eri erwiderte die Umarmung zögerlich und tätschelte ihm den Rücken. „Es ist lange her.“

Dann lösten sie sich voneinander und betrachteten ihre Zwillinge, die seit so langer Zeit endlich wieder vereint waren. Zwei hübsche Mädchen, die inzwischen fast erwachsen waren. Die ihr Leben meisterten und mit beiden Beinen fest auf dem Boden standen. Die eine Willensstärke in all den Jahren entwickelten und freundlich und hilfsbereit anderen gegenüber waren. Jeder für sich hatte einen Teil in der Erziehung eines Zwillings beigetragen und konnte stolz darauf sein zu sehen, dass die beiden bodenständige aufgeschlossene und liebreizende junge Frauen geworden sind.

„Ich bin mir fast sicher, dass diese Begegnung kein Zufall ist“, mutmaßte Ginzo liebevoll lächelnd.

„Und eigentlich sollten wir euch den Kopf gründlich waschen“, stellte Eri schmunzelnd fest.

„Fürs erste solltet ihr erst einmal mit einander reden“, wies Aoko streng an.

„Und danach könnt ihr uns immer noch den Kopf waschen“, grinste Ran bestätigend.

Die Zwillinge grinsten und umarmten erst den Elternteil, der sie großgezogen hatte, dann den Elternteil, den sie in all den Jahren schmerzlich vermisst hatten. „Und redet miteinander“ erteilten die beiden synchron noch altkluge Ratschläge. Schon hakten sie sich beieinander unter und schlenderten gemeinsam davon. Etwas gemein, aber andererseits musste man manchmal die Leute zu ihrem Glück zwingen. Besonders zwei so sture Dickköpfe wie Eri und Ginzo.
 

Sie gingen ein bisschen spazieren, überlegten was sie mit dem Rest Tages anstellen sollten, als sich ihnen jemand in den Weg stellte.

„So seht ihr also im Doppelpack aus? Verblüffend diese Ähnlichkeit.“

Überrascht blickten die Mädchen auf und direkt in Shinichis tadelnden Gesichtsausdruck. Er schien immer noch angesäuert zu sein.

„Hallo Shinichi“, grüßte Aoko ihn unsicher, während Ran ihn überglücklich anstrahlte. „Shinichi.“ Doch dann wunderte sie sich. „Was machst du überhaupt hier und um diese Uhrzeit? Wir haben doch Schule.“

„Die ihr auch schwänzt“, stellte er trocken fest.

„Wir haben einen Vater-Tochter-Ausflug gemacht“, antwortete Ran, und Aoko gleichzeitig: „Wir haben einen Mutter-Tochter-Ausflug gemacht.“

Shinichi stopfte sich seine Hände in die Hosentasche und blickte die beiden herausfordernd an. „Während ihr beide meint das doppelte Lottchen zu spielen, bin ich auch nicht untätig gewesen. Ich konnte jemanden ausfindig machen und habe so einige interessante Dinge erfahren.“ Er blickte über seine Schulter zurück und erst jetzt nahm Aoko den Jungen wahr, der sich desinteressiert umsah.

„Kaito“, hauchte sie überwältigt. Schon rannte sie los und sprang ihrem besten Freund in die Arme. Dieser war so verblüfft, dass er es gerade noch schaffte ihren Schwung abzufangen bevor sie stürzten. „Du hast mir so gefehlt“, flüsterte sie an seine Brust.

„Aoko“, hauchte er überrascht, dann zeichnete sich ein liebevolles Lächeln auf seinen Lippen ab. Er schloss sie ebenso fest in die Arme. „Du hast mir auch gefehlt“, flüsterte er zurück.

Ran lächelte und Shinichi grinste. „Wir sollten sie allein lassen. Es gibt immerhin viel zu besprechen.“

Seine beste Freundin nickte und ging mit Shinichi zusammen davon. „Hast du mich auch so sehr vermisst?“

Shinichi musterte Ran. „Aoko hat dich gut ersetzt“, stichelte er.

Das passte Ran nun gar nicht. Schon piekste sie ihn in die Seite. „Sie hat mir aber was ganz anderes erzählt.“

Als sie einen empfindlichen Punkt traf, unterdrückte Shinichi ein Kichern und stimmte zu. „Ich hab sie schnell durchschaut. Niemand kann dich ersetzen.“ Seine blauen Augen trafen auf ihre Augen. Ran fühlte ihr Herz wild pochend. Wie sehr sie ihn doch vermisste. Ihren besten Freund, ihre Gespräche, ihre hitzigen Diskussionen.

Sie traten in einen nicht stark besuchten Teil des Parks und setzten sich in die Wiese. Schweigend genossen sie die Zeit zusammen. Das etwas in Shinichi arbeitete spürte Ran, aber sie wollte ihn nicht drängen. Er würde es von sich aus erzählen, da war sie sich ganz sicher. Und sie täuschte sich nicht.

Shinichi drehte sich ihr zu und blickte sie bedrückt an. „Diese ganze Geschichte hat mir vor Augen geführt wir verletzend es ist angelogen zu werden.“

Überrascht hob Ran ihre Augenbrauen an.

„Ran, ich möchte ehrlich zu dir sein. Auch ich habe dich lange Zeit angelogen und ich bin bereit dir mein Geheimnis anzuvertrauen. Ich hoffe sehr, du wirst mir nach dieser Geschichte verzeihen können.“

Ein ungutes Gefühl machte sich breit. Dennoch sah sie ihn aufmerksam an und lauschte seinen Worten. Von der Beobachtung im Tropical Land, der Begegnung mit finsteren Typen, von der Kapsel, die ihn töten sollte und zu seinem Glück nur schrumpfte. Von der Idee bei ihr Unterschlupf zu finden, heimlich Nachforschungen anzustreben und monatelanges Suchen nach einem Gegenmittel, einem Beweis, einer Lösung seiner Misere. Er erzählte ihr von seinen Gefühlen der Selbstverachtung, seiner Wut auf sich selbst und wie sehr er es doch hasste sie traurig zu sehen. War er doch der Grund und konnte nichts dagegen tun.

Sie saßen zusammen. Stundenlang und sie hörte zu. Er berichtete von seinen Erlebnissen, seiner Aufgabe, wie er Shiho kennenlernte und wie sie letztendlich dann doch die alles entscheidenden Beweise fanden und zusammen mit dem FBI die Feinde dingfest machen konnten.

Er endete und lange saßen sie schweigend nebeneinander. Er gab Ran Zeit. Sie musste das Gehörte sacken lassen, verdauen und verarbeiten. Aber irgendwann wurde ihm unwohl zumute.

Shinichi rutschte nervös von einer Pobacke auf die andere, schob es auf das lange sitzen: „Und solltest du nicht mehr mit mir nach Amerika kommen wollen, so kann ich das natürlich auch verstehen.“

Wie aus einer anderen Welt gerissen horchte Ran plötzlich auf. „Es ist alles so unfassbar und doch so schlüssig. Meine Vermutungen, mein Gefühl alles war richtig. Ich habe mir nichts davon eingebildet.“

„Es tut mir leid dich so belogen zu haben. Es ist unverzeihlich.“

Ran nickte Gedanken verloren. „Ich werde wohl noch eine Weile brauchen das zu verarbeiten.“

Bedrückt senkte Shinichi seinen Kopf. „Verstehe.“

„Es werden sicherlich immer wieder Fragen auftauchen. Wirst du sie mir jedes Mal ehrlich beantworten?“

Shinichi blickte auf, nickte ernsthaft. „Natürlich, alles was du wissen möchtest und wenn es noch so unschön oder unangenehm werden sollte.“

Ran blickte ihm in die Augen. Sie glaubte ihm. Aber auch wusste sie, dass es viel Zeit brauchte um ihm wieder voll und ganz zu vertrauen. Und durch die ehrlichen Antworten könnte er sich beweisen wie ernst es mit ihr meinte. Er wirkte gar so bedrückt und unsicher. Darum schenkte sie ihm ein Lächeln. „Lass uns nach Hause gehen. Und erklär mir bitte wie es war, wieder die Grundschule besuchen zu müssen.“

Auch er lächelte, half ihr aufstehen und gemeinsam machten sie sich auf den Weg.
 

Kaito und Aoko hatten den Park direkt verlassen und sie befanden sich auf dem Heimweg. Den ganzen Weg erzählte Aoko ihm von der Woche im Englischcamp und wie die Idee zu dem Rollentausch entstand und letztendlich in die Tat umgesetzt wurde. Als sie bei ihnen in der Siedlung ankamen endete ihre Erzählung.

Unschlüssig, weil sie noch nicht allein sein wollte, blieben sie vor Kaitos Haus stehen. Ihr Papa würde noch eine ganze Weile mit Eri unterwegs sein, Ran wohnte ganz woanders. Aoko wollte nicht schon wieder alleine sein.

Kaito nahm plötzlich ihre Hand, betrachtete diese und begann sie zu streicheln.

Überrascht starrte sie ebenso auf ihre Hände und spürte wie ihr Herz unter dieser Berührung zu klopfen begann.

„Ran hat ein paar Worte gesagt, die mich sehr beschäftigen und die ich wohl nie wirklich ernst genommen hätte, wenn da nicht...“ Er brach ab.

„Wovon sprichst du?“, hakte Aoko verwirrt nach.

„Du hast mich angelogen, naja, eher war es Ran die mir etwas vorgemacht hat. Aber das was ich dir schon die gesamte Zeit antue ist noch viel schlimmer. Ich belüge und hintergehe dich.“ Er zögerte, blickte in ihre Augen und schien sich darin zu verlieren. „Dabei möchte ich doch nichts sehnlicher als dich glücklich zu sehen und derjenige sein, der dich glücklich macht.“

Errötet starrte sie ihn immer noch mehr als verwirrt an. „Ich verstehe wirklich nicht was du meinst.“

Sein Handgriff verstärkte sich um ihre und entschlossen zog er sie zu seiner Haustüre. Wenig später führte er sie ins Haus und kurzerhand in den Flur. Nebeneinander, Hand in Hand, standen sie vor dem großen Gemälde von Toichi Kuroba. Kaitos Vater, der ein großer und bekannter Magier war und bei einem missglückten Zaubertrick ums Leben kam.

„Ich habe dir so viel zu erzählen und ich habe große Angst davor, dass du dich von mir abwenden könntest. Du bist der einzige Mensch, der mehr so viel bedeutet.“

Sie blickte zu ihm auf.

Er sah zu ihr hinab. „Du bist alles für mich, Aoko. Ich hoffe du kannst es mir verzeihen, wenn du die Hintergründe kennst.“ Entschlossen drückte er an einer bestimmten Stelle an dem Bild und vor Aoko tat sich ein Gang auf. Sie zog überrascht die Luft ein. Ängstlich und mit einem unguten Gefühl starrte sie auf den Raum, der sich dahinter befand. Sie spürte Kaitos festen Händedruck und folgte ihm in den Geheimraum.

Er erzählte ihr alles. Er erzählte ihr von seinen Eltern und ihrem Kennenlernen. Er erzählte ihr wie sein Vater zu dem Meisterdieb wurde, von dessen ersten Begegnung mit der Organisation und von dem Mordanschlag auf ihn. Dann berichtete er wie er alles herausfand und wie er selbst auf die Organisation stieß. Von der Legende des Stein, der ewiges Leben schenkte und das er um jeden Preis verhindern wollte, dass diese Monster das sagenumwobene Juwel in die Hände bekamen. Er vertraute ihr alles an, sprach jedes noch so kleine Geheimnis aus und legte mit jedem weiteren Wort seine Zukunft in ihre Hände. Sie hatte die Macht ihn ins Gefängnis zu bringen. Er vertraute sich ihr an und überließ ihr die Entscheidung was sie mit dem Wissen tun würde.

Absolut geplättet musste Aoko alles sacken lassen. Sie hatte während Kaitos Erzählung verschiedenste Gefühlsregungen in sich gespürt, aber nun war alles leer. Sie bestand nur noch aus Muskeln, Haut und einem zirkulierenden Blutkreislauf.

Kaito sagte nichts mehr, es gab nichts mehr zu sagen. Sie wusste nun alles. Nun ja, fast alles. „Egal was du mit diesem Wissen tun wirst, ich werde dich immer lieben. Du bist meine Welt, Aoko. Und nichts sehnlicher wünsche ich mir das diese Organisation gefasst wird. Damit es endlich ein Ende hat.“

Sie hielt den Atem an. Spürte wieder wie die Emotionen in ihr zum Vorschein kamen und ihren Körper wieder mit Leben füllten. Unsicher blickte sie ihn an. „Ich muss mir erst einmal Gedanken dazu machen. Ich brauche Zeit um es zu verarbeiten.“ Sie sah wie er in Sekundenschnelle doch wieder eine Mauer aufbaute und bevor er es schaffte sie auszusperren, legte sie eine Hand an sein Herz. „Schließe mich bitte nicht mehr aus.“

Überrascht riss er seine Augen auf.

„Ich liebe dich!“, sprach sie so zärtlich und aus tiefstem Herzen aus. „Dennoch brauche ich Zeit. Es ist ein bisschen viel auf einmal.“

Er nickte und er wusste Aoko würde bedacht mit dem Wissen umgehen.



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