Zum Inhalt der Seite

Fear

Kakashi x Rin
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

fear.


 

1

Die Luft riecht nach Gras und nach morgendlichem Tau, einer Nässe, die vom nächtlichen Regen zurückgeblieben ist. Vereinzelte Tropfen hängen noch an den Gräsern und glitzern unter dem einfallenden Sonnenschein, als Kakashi sich mit langsamen Schritten über die Wiese begibt. Der Blick seines unbedeckten Auges gilt der Frau, die mit ihren Genin vor dem Stamm einer alten Eiche hockt und über ein kleines Kräuterbüchlein gebeugt ist.

„Ist das das Wundkraut?“, fragt eines der beiden Mädchen, die Haare zu einem unordentlich geflochtenen Zopf gebunden. Sie deutet auf ein Kraut, auf das Kakashi keinen Blick erhaschen kann, da der einzige Junge im Team davor kniet und ebenfalls über es gebeugt ist.

„Ja, das hast du richtig erkannt, Larin“, erklärt Rin an das Mädchen gerichtet, packt jedoch mit präziser Bewegung das Handgelenk des Jungen. „Reiß es nicht heraus, Ror“, mahnt sie mit solch Sanftheit in der Stimme, dass es viel eher einem Ratschlag gleichkommt.

Aus den Augenwinkeln schielt Rin in seine Richtung, was zunächst die einzige Bestätigung bleibt, dass sie sich seiner Anwesenheit gewahr ist. „Ich möchte, dass ihr euch ganz genau die Form der Blätter einprägt“, redet sie derweil weiter. „Danach könnt ihr anfangen nach dem zweiten Kraut zu suchen.“

Mit diesen Worten erhebt sie sich und stemmt die Hände in die Hüften.

Während ihre Schüler dicht über das Wundkraut gebeugt bleiben, wendet sich Rin ihm zu und ihre braunen Augen fesseln ihn mit ihrer gewohnten Wärme, während dunkle Haare ihr Gesicht umrahmen und zwei weinrote Streifen ihre Wangen markieren.

Ihre Hände rutschen von ihrer Taille und sie überbrückt die restliche Distanz ihrerseits. „Kakashi“, begrüßt sie ihn mit einem Lächeln, doch er kann das Zögern in der Geste aufschnappen. „Was machst du hier? Ist etwas passiert?“

Seine Hände schieben sich in die Hosentaschen. „Muss etwas passiert sein, damit ich dich besuchen komme?“, fragt er mit einem Zucken der Schultern.

Rins Lächeln wird weicher. „Du darfst mich immer besuchen kommen, Kakashi“, versichert sie ihm, aber obgleich der harmlosen Worte liegt unendlich viel mehr in den braunen Augen versteckt und die Anspannung in seinen Schultern lockert sich nicht.

Diese ist nicht unbedingt neu oder ungewohnt, aber Kakashi ist sich ihr erst seit kurzem richtig bewusst. Seit der dritte Hokage ihn aus der ANBU entlassen hat und er mehr Zeit im Dorf verbringt, muss er sich mit einer Menge Dinge auseinandersetzen, die er bisher verdrängt hat. Bisher sind nur Missionen und die Unruhen im Dorf für ihn wichtig gewesen, alles andere hat keine Rolle in seinem Leben gespielt. Das war nun jedoch anders.

„Wenn du weiter so ein nachdenkliches Gesicht ziehst, kriegst du noch Falten“, tadelt Rin und piekst ihm sachte mit einem Finger in die von Stoff bedeckte Wange.

Kakashi blinzelt, obwohl es ihm inzwischen klar sein sollte, dass er vor Rin kaum Geheimnisse haben kann. „Wenn man eine Maske trägt, ist das eigentlich nicht so wichtig.“

Abermals schenkt sie ihm ein Lächeln, wissend und amüsiert zugleich. Es ist eines von Rins Talenten mit dem Gesicht zu kommunizieren, so dass sie nicht einmal das Wort erheben muss. „Bist du wegen dem Genin-Team hier, das Sandaime-sama dir zuteilen wird?“, erkundigt sie sich und beweist im selben Atemzug, wie schnell sich die Neuigkeiten unten den Jonin tatsächlich verbreiten. „Es lag auf der Hand, dass er dich nicht einfach davonkommen lässt. Er wird dir solange ein Team zuteilen, bis eines deinen Test erfolgreich absolviert.“

Nun erhält die Nachdenklichkeit in Rins Gesicht Einzug. Kakashi beobachtet es, bevor er ihrem Blick zu den drei Genin hinüber folgt, die auf ihren Blöcken Skizzen von der Blattform des Wundkrauts anfertigen, bevor sie tuschelnd und lachend weiter über die Wiese wandern.

„Du findest es albern“, stellt Kakashi tonlos fest.

„Dass du denselben Test wie Sensei benutzt?“, fragt Rin nach, schüttelt jedoch den Kopf. „Ich denke, es ehrt ihn. Obito auch. Es bedeutet, dass du sie nicht vergessen hast.“ Ihre Stimme ist gesenkt und ihr Blick verliert sich irgendwo zwischen den feuchten Gräsern, die im Tageslicht glitzern.

Kakashi hüllt sich vorerst in Schweigen. Was er auf diese Worte sagen soll, weiß er nicht und tut es allgemein nie. Oft schneiden sie das Thema um ihren ehemaligen Sensei und Obito nicht an. Zufällige Treffen am Gedenkstein verlaufen stumm und sind kurz, bevor Kakashi den Rückwärtsgang antritt. Wie feige das ist, weiß er. Das Geschehene hätte sie verbinden sollen, hat stattdessen jedoch nur einen Abgrund zwischen ihnen geschaffen. Obwohl Rin nie etwas sagt oder ihm die Schuld gibt, ist es jedoch kein Geheimnis, dass er dafür verantwortlich ist. Er kennt ihre Blicke, die ihn immer finden und ihm immer folgen. Er erkennt das Interesse in ihnen, die Herzlichkeit und auch die Sehnsucht, die im Laufe der Jahre nur gewachsen, anstatt gewichen ist.

In ihrer Kindheit ist er gegen seinen Willen zu Obitos Rivalen geworden, nicht nur als Shinobi, aber auch um Rins Zuneigung. Nun ist es Gai, der sich ihrem natürlichen Charme nicht entziehen kann, obwohl sie stets deutlich macht, dass sie ihn lediglich als Kameraden und Freund sieht. Niemand steht zwischen ihnen und Kakashi muss auch mit keinem konkurrieren. Dessen ist er sich schon eine gefühlte Ewigkeit gewahr, aber Veränderungen sind selbst für einen Shinobi oftmals schwer, obwohl sie für alles bereit sein müssen.

Man sagt immer, dass man alten Katzen keine neuen Tricks beibringen kann - gilt das für Kakashi ebenfalls? Er kennt seine physischen Grenzen, aber hatte immer gedacht, dass er emotional keine besitzt. Immerhin hat er den Selbstmord seines Vaters erlebt, den Tod seines Senseis und den Tod von Obito, zusätzlich die von unzähligen anderen Kameraden. Er hat den Krieg miterlebt und sogar Rin einmal fast verloren, obwohl er sie nie besessen hat. Stattdessen ist er ihr lange Zeit aus dem Weg gegangen, weil ihr Anblick ihn an so viele Dinge erinnert. Doch er hat all das überlebt und war daran gewachsen, anstatt daran zu brechen.

Aber Rins Anwesenheit ruft in ihm stets die Warnung hervor, dass manche Wunden vielleicht nicht heilen. Dass Narbengewebe womöglich nicht robust genug ist, um nicht doch wieder aufzureißen.

Er räuspert sich, da die Stille bereits zu lange anhält und ihm plötzlich drückend vorkommt.

Rin, die den Blick gesenkt hat, hebt ihn.

„Ich werde heute Abend Obito und Sensei besuchen gehen“, verkündet Kakashi und sein Geständnis bleibt unkommentiert. „Vielleicht magst du mich ausnahmsweise begleiten...?“, fügt er hinzu und zwingt sich ein Lächeln auf.

Es wird sofort deutlich, als der Sinn seiner Worte Rin erreicht. Ihre Augen weiten sich und ihr Mund öffnet sich, ohne dass ihr ein Laut entrinnt.

Abwartend sieht er sie an. Hat er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt? Zu plötzlich?

„Das... würde ich sehr gern tun“, sagt sie jedoch.

Kakashi nickt, fühlt sich jedoch kein Stück erleichtert. Er hat noch nie Begleitung zum Gedenkstein mitgebracht. Was würde Obito darüber denken? Würde er sich für sie freuen oder doch eifersüchtig sein? Würde er es Kakashi verzeihen?

Bevor Kakashi diese Fragen beantworten oder sie eventuell sogar Rin stellen kann, tauchen drei Schatten vor ihnen auf. Die drei Genin ihres Teams präsentieren Rin ihre Notizblöcke mit aufgeregten Gesichtern.

„Wir sind fertig, Sensei!“, ruft eines der Mädchen aus, bevor Ror sich an ihr vorbeidrängelt.

„Hey, Dazy, ich war zuerst hier!“, beschwert sich dieser, während Larin um sie herumtritt und neben Rin zum Stehen kommt, um ihr ebenfalls ihre Skizzen zu zeigen.

„Dann wollen wir mal sehen...“, entweicht es Rin und ihre Hand berührt Kakashis Arm, bevor sie sich ihren Schülern widmet und Kakashi sich zurückzieht.
 


 

2

Regenwolken hängen am Himmel und lassen den Abend bereits dunkler erscheinen, als er eigentlich sein sollte. Vielleicht kommt es Kakashi aber auch nur so vor, weil das Wetter seinen dauerhaften Gemütszustand widerspiegelt. Selbst an den heitersten Tagen lauert irgendwo ein Hauch von Nostalgie und Bereuen in den Ecken seines Bewusstseins. Auch Rins Anwesenheit kann diese nicht vollständig vertreiben, obwohl sein Blick viel zu oft gegen seinen Willen in ihre Richtung wandert.

Sie geht neben ihm her, hält schweigend mit ihm Schritt, als sie über die Wiese spazieren. Obwohl Rin ihre Haare hat lang wachsen lassen und obwohl ihre Gesichtszüge markanter sind, sieht Kakashi noch viel zu oft das kleine Mädchen in ihr. Die Jonin-Weste hat sie zu Hause gelassen und stattdessen trägt sie eine schwarze Bluse und einen ebenso dunklen Schürzenrock, dessen Schnitt zu viel von der Haut ihres Oberschenkels preisgibt. Das ist früher keinesfalls so gewesen und ist der Beweis dafür, dass sie eben doch erwachsen geworden ist. Sie sind es beide, nur Obito nicht.

Der Gedenkstein ist ein grauer Fels vor ihnen, der trostlos unter dem bewölkten Himmel aussieht. Kakashi senkt den Blick auf die dort eingemeißelten Namen, von denen Obito nur einer von vielen ist, da unzählige im Namen des Dienstes ihr Leben gelassen haben.

„Ich bin sicher, dass Obito sich freut, dass wir ihn gemeinsam besuchen kommen“, erhebt Rin leise das Wort und sie streckt die Hand nach dem Gedenkstein aus. Ihre Fingerkuppen berühren ihn sachte und Kakashi beobachtet sie dabei.

„Oder er wäre sauer…”, merkt er trocken an, denn seine Gefühle für Rin hat er mit ins Grab genommen. Kakashi ist sich sicher, dass sie ihn dorthin begleitet haben, wo er sich nun befindet. Ob er an ein Leben nach dem Tod oder an eine Art Himmel glaubt, weiß er nicht, aber diese Entscheidung überlässt er anderen, vor allem aber weiseren, Leuten.

Rin kichert neben ihm und lässt ihn aufsehen. Ihre freie Hand presst sich bei ihrem verhaltenen Lachen gegen ihren Mund.

„Du solltest es nicht verstecken“, sagt er und Rin blinzelt verwirrt. „Dein Lachen, meine ich. Es würde Obito glücklich machen, es zu hören.” Obwohl es so viele Dinge gibt, denen sich Kakashi unsicher ist, weiß er dies mit Gewissheit. Obito hätte alles dafür gegeben, um Rin in Sicherheit und glücklich zu sehen.

Vielleicht liegt darin seine Antwort, geht es Kakashi durch den Kopf, als Rin die Hand neben ihm sinken lässt. Sekunden später schieben sich schmale Finger zwischen seine. Sie hält an ihm fest, als sich seine Hand ihr instinktiv entzieht. Ihr Griff ist erstaunlich fest.

„Dasselbe gilt für dich, Kakashi“, sagt sie. „Obito hat dir sein Sharingan nicht nur vermacht, damit du seine Kraft für das Dorf und deine Kameraden verwenden kannst.”

„Ich habe ihm versprochen, sein Auge zu sein“, erwidert Kakashi und tippt mit zwei Fingern gegen sein Stirnband, hinter dem er Obitos Geschenk verbirgt. „Ihm die Welt zu zeigen, die er nicht mehr sehen kann.“

Doch Kakashi sieht aus dem Augenwinkel, wie Rin den Kopf schüttelt. „Er hat es dir gegeben, damit du die Welt aus anderen Augen sehen kannst. Er hat es aus Liebe getan. Und egal, was passiert, daran wird sich nichts ändern. Seine Gefühle würden sich nicht ändern, auch wenn sich unsere verändern.”

Kakashis Mundwinkel zuckt. Rin ist schon immer die Diplomatische unter ihnen gewesen, die sich vage an ein Thema herantastet, anstatt einfach jemanden zu überrumpeln. Ihre Hand ist warm in seiner und der Daumen, der seinem entlang streicht, hinterlässt ein Kribbeln.

„Es ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst, Rin“, erklärt er, auch wenn Rin dies vermutlich weiß. Die Vergangenheit lässt ihn nicht los und auch er hat Schwierigkeiten mit dem Loslassen, denn ansonsten würde er nicht so viel Zeit hier verbringen und zu sämtlichen anderen Treffen zu spät erscheinen. Er hat einen Ruf weg, ein Image, und es ist schwer, aus diesem auszubrechen und ihm zu entkommen. Es ist schwierig, sich selbst zu entkommen.

„Vielleicht hast du ein wenig Angst“, gibt Rin zu bedenken und für einen Moment ist sich Kakashi nicht sicher, ob sie von seinen Gefühlen für sie spricht oder davon, dass er ein neues Team zugewiesen bekommt und was es bedeuten könnte, wenn sie nicht bei seinem Test durchfallen.

Kakashi dreht den Kopf ertappt in ihre Richtung, doch ihre braunen Augen gelten dem Gedenkstein, an dem die Finger ihrer anderen Hand noch immer festhalten.

„Ich habe auch ein wenig Angst, um ehrlich zu sein“, gesteht sie dann und das sanfte Lächeln strahlt ein wenig von der Traurigkeit aus, die für ihn immer über diesem Ort hängt. „Wahrscheinlich ist es normal, dass selbst Shinobi gelegentlich Angst haben. Niemand ist immun dagegen.“

Als er noch jung gewesen ist, hätte Kakashi sich so etwas wie Angst nie eingestanden. Es ist für ihn immer eine Schwäche gewesen. Erst Obito hat ihm gezeigt, dass Angst einen nicht schwach macht, sondern mutig, wenn man sie überwindet. Eine Person ohne Angst ist eine Person, die nichts zu verlieren hat. Eine Person ohne Freunde oder Familie. Eine Person, die kein Ziel und keinen Wunsch und auch keine Hoffnung besitzt.

„Obito würde wollen, dass wir uns unseren Ängsten stellen”, sagt Kakashi und in dem Moment, in dem er es ausspricht, weiß er auch, dass es der Wahrheit entspricht. Er hat keine Ahnung, ob Obito den Gedanken an Rin und ihm verschmerzen kann, aber er würde wollen, dass sie über sich hinauswachsen und glücklich werden würden. Dafür hat er sein Leben gelassen.

„Ich bin dazu bereit, wenn du es bist“, antwortet Rin. Ihre Finger rutschen vom Gedenkstein und sie sieht ihn mit einem schmalen Lächeln und geröteten Wangen an – und Kakashi ist sich sicher, dass sie nie hübscher ausgesehen hat.

Vereinzelte Tropfen fallen vom bewölkten Himmel, während Schatten die baldige Nacht ankündigen. „Ich denke, es wird Zeit zu gehen.“ Kakashi schließt die Finger ein wenig fester um Rins Hand. „Ich hätte Lust auf Ramen. Was denkst du?”, sagt er und dreht sich um, um Rin sanft hinter sich her und fort von dem Gedenkstein zu ziehen.

„Das klingt gut“, antwortet Rin und ihr Kopf ruckt noch einmal herum. „Auf Wiedersehen, Obito. Bis morgen.“
 


 

3

Der Geruch der zubereiteten Ramen begrüßt sie bereits auf der Straße, auf der sich die Laternen blinkend anschalten. Um sie herum nimmt das Plätschern schlagartig zu und der feine Nieselregen verwandelt sich in eine reine Sintflut.

Kakashi packt Rin am Unterarm und zieht sie den restlichen Weg unter den Vorhang und somit unter die Überdachung des Ramen Ichiraku.

Ein vergnügtes Kichern entrinnt Rins Kehle, als sie sich schüttelt wie eine Katze, um die Feuchtigkeit loszuwerden.

Mit einer Hand in der Hosentasche folgt Kakashi ihr zu zwei freien Plätzen an der linken Ecke des breiten Tresens. Teuchi schenkt ihm ein freundliches Lächeln und Kakashi hebt zwei Finger, um ihre Portionen zu bestellen.

„Das war gutes Timing“, kommentiert Rin, als sie sich auf den Hocker setzt und Kakashi neben ihr Platz nimmt. „Wir können hier nicht gehen, bevor sich der Regen nicht zumindest ein wenig gelegt hat.”

„Sieht ganz danach aus“, erwidert Kakashi, wohl wissend, dass sowohl ihre als auch seine Wohnung einen kleinen Fußmarsch von hier entfernt ist und sie komplett durchnässt wären, bis sie es nach Hause schaffen.

„Du bist furchtbar ruhig, Kakashi“, sagt Rin nach einer Weile, in der sie Teuchi dabei zusehen, wie er Ramen in den großen Töpfen hinter dem Tresen zubereitet und einige andere Shinobi bedient, welche die Sitzstühle auf der anderen Seite besetzen. „Du bist immer relativ ruhig, aber heute übertriffst du dich selbst. Hat es etwas… damit zu tun, was ich vorhin gesagt habe?“ Ein Zögern liegt in ihrer Stimme und sie starrt auf ihre Hände hinunter, die an der Kante des Tresens festhalten.

„Nein, obwohl es mir einiges zum Nachdenken beschert hat”, gesteht Kakashi, denn hier im Ramen Ichiraku und weit von dem Gedenkstein und all den Erinnerungen entfernt, fiel es ihm einfacher klare Gedanken zu formen, die fernab melancholischer Gefühle liegen.

Rin ist über all die Jahre hinweg stets seine konstante Begleiterin gewesen, ganz gleich ob er es gewollt hat oder nicht. Selbst während seiner Seite in der ANBU, in der Gai, Asuma und Kurenai ihm deutlich gemacht haben, wie er sich zurückgezogen und kalt geworden ist. Rin hat nie ein Wort darüber verloren und hat sich stets mit einem sanften Lächeln und noch sanfteren Fingern um die Verletzungen gekümmert, die von Missionen stammten, über die er nicht hat reden können.

„Aber ich glaube, dass du recht hast“, fügt er schließlich hinzu, kann jedoch nicht sofort erläutern, da Teuchi ihnen ihre Portionen Ramen vor die Nase stellt. Kakashi bezahlt für sie beide, während Rin ihre Stäbchen auseinander bricht und an ihrer Schale schnuppert, als besuchen sie diesen Shop nicht bereits seit frühster Kindheit, ohne dass sich das Rezept jemals ändert.

„Vielleicht steckt ein wenig Angst dahinter“, fährt Kakashi fort, nach dem er sich bedankt hat und der ältere Herr sich wieder den Nudeln im Topf widmet. „Nicht nur… mit uns, sondern auch mit dem Genin-Team.“ Er greift seinerseits nach einer Packung Stäbchen, während Rin blinzelnd aufsieht.

Von diesem Aspekt hat er bisher noch nicht betrachtet, aber er ist jedes Mal von vornherein davon ausgegangen, dass die Genins, die man ihm zuteilt, durchfallen werden. Bisher hat er sich nie Gedanken darüber gemacht, was geschehen – vor allem jedoch, wie er sich fühlen – wird, wenn ein Team den Test tatsächlich erfolgreich bestehen wird.

Während Kakashi sich diese Dinge durch den Kopf gehen lässt und sie schweigend essen, verlassen die Shinobi neben ihnen den Shop und werden kurz danach von zwei weiteren Besuchern ersetzt.

„Der Regen ist ja widerlich!“, ruft eine Stimme.

„Ich bin sicher, er wird bald aufhören, Naruto”, sagt eine zweite, die Kakashi durchaus bekannt ist. „Bis dahin können wir uns hier aufwärmen.”

Kakashi schielt aus dem Augenwinkel zu den neuen Gästen hinüber, welche die bis eben noch vergebenen Plätze einnehmen. Iruka erwidert seinen Blick für einen Moment, bevor er sich wieder seinem Schüler widmet.

„Und, was wirst du dagegen tun, Kakashi?“, fragt Rin von der anderen Seite und lenkt seine Aufmerksamkeit wieder auf sich.

„Wahrscheinlich mich meinen Ängsten stellen”, antwortet Kakashi. Es braucht einiges an Überwindung, doch er hebt die Hand, um sie sachte auf Rins zu legen. Dabei kann er sich an Dutzende Momente in der Vergangenheit erinnern, in denen sich ihre Hände und Finger berührt haben: Wenn Rin ihn mal wieder geheilt hat, wenn sie einander eine Schriftrolle übergeben haben, beim Training und auf Missionen und im Krankenhaus, wenn Kakashi mal wieder bettlägerig gewesen ist, weil er zu viel Chakra verbraucht hat. Dennoch ist es diesmal anders, denn die Geste ist ein Geständnis und ein stummes Versprechen.

Rins Wangen sind errötet, doch sie schaut trotzdem zu ihm hinüber, während dunkle Augen nach irgendetwas in seinem Gesicht suchen. Das Lächeln verrät, dass sie findet, wonach auch immer sie gesucht hat.

Kakashis Mundwinkel heben sich, als Rin ihre Hand unter seiner umdreht, bis sich ihre Handflächen berühren und ihre Finger sich ineinander verhaken.

„Ich denke, dass das eine großartige Idee ist, Kakashi”, murmelt Rin, während Kakashis Blick zurück zu Uzumaki Naruto wandert, in dessen Wohnung er sich erst vor ein paar Tagen mit dem dritten Hokagen befunden hat. Er erinnert Kakashi an Obito, ebenso wie die Beschreibung von Uchiha Sasuke Kakashi an sich selbst erinnert – und ihm schleicht sich die leise Ahnung auf, dass er sich diesmal dem Trainieren eines Genin-Teams nicht entziehen wird.

Ist er bereit für diese Verantwortung? Wird er in der Lage sein, ihnen ein guter Sensei zu sein? Kakashi ist sich nicht sicher, aber er wird es herausfinden. Genauso wie er herausfinden wird, ob das zwischen Rin und ihm stark genug ist, um als Fundament für eine gemeinsame Zukunft zu dienen. Aber er nimmt an, dass er es nicht erfahren wird, wenn er sich ewig davor versteckt. Warme Finger, die seine umschlossen halten, erinnern Kakashi jedoch daran, dass er darin nicht allein ist.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: Swanlady
2018-08-14T17:13:08+00:00 14.08.2018 19:13
Nachdem wir gestern telefonisch über das Ship gesprochen haben, musste ich hier mal reinlesen! :D Du hast absolut recht, dass die Vorstellung von Kakashi und Rin, die beide überleben, sehr interessant ist. Ich glaube auch, dass Kakashi dann ein etwas anderer Mensch wäre, auch wenn die Ereignisse der Vergangenheit natürlich weiterhin tragisch bleiben. Aber so hat er jemanden, mit dem er das teilen kann - selbst wenn es ihn anfangs überfordert und er nicht weiß, ob eine Beziehung zwischen ihm und Rin überhaupt funktionieren kann. Es ist nur allzu verständlich, denn gemeinsame Trauer ist nicht unbedingt fruchtbarer Boden.
Das hast du auch sehr gut mit Worten ausdrücken können, ich bin wie immer sehr begeistert. <3 Die bedrückende Stimmung zieht sich durch die gesamte Geschichte, aber in ihr steckt auch eine Menge Hoffnung. An die werde ich mich nun einfach klammern. :')
Ich bin auf jeden Fall dafür, dass du noch mehr zu den beiden schreibst. :D
Von:  KiraNear
2018-08-12T13:04:33+00:00 12.08.2018 15:04
Mir hat der Oneshot auch sehr gut gefallen, man konnte seine Gedankengänge mehr als nachvollziehen. Und es ist mal interessant, eine solche Seite an ihm zu sehen. Mit seinem Gefühl gegen Ende hat er ja nicht so ganz unrecht ;-)
Von: irish_shamrock
2018-08-12T11:37:45+00:00 12.08.2018 13:37
Hallo Votani,

eigentlich bin ich nur auf deinen OneShot aufmerksam geworden, weil er sich mit Rin und Kakashi befasst.
Du hast hier etwas sensibeles, feinfühliges, beklemmendes, mutiges, melancholisches gezaubert, dem ich mich nicht entziehen wollte/konnte.
Mir gefällt die Konstellation sehr, auch wenn die Thematik nicht mit Trauer, Schwermut und trübsinnigen Gedanken geizt.
Allerdings schaffst du es, dass zwischen den düsteren Worten Hoffnung keimt, die Versprechen und Rettung mit sich trägt.
Ich bin sehr gerührt und vor allem sehr angetan von deiner Art, sich auszudrücken. Sensibel, feinfühlig, überlegt, durchdacht, stimmig.
Vielen Dank für dieses kleine, aber feine Werk.

Liebe Grüße,
irish C:
Von:  Kingmadii
2018-08-12T06:56:35+00:00 12.08.2018 08:56
Schöner oneshot, wäre ein guter Stoff für eine längere Fanfiktion. Wäre jedenfalls dabei :) ich mag deine Schreibweise und das Pairing

LG Kingmadii


Zurück