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Rot und Blau

von

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Familie

Kaum bin ich aus dem Zimmer getreten, stürme ich zu dem nahe liegenden Geländer und blicke hinab in die schier endlos wirkende Tiefe des Turms.

Lediglich Dunkelheit sehe ich im Abgrund, doch das bringt mich nicht wirklich zum Erschaudern.

Sondern eher meine Hoffnungslosigkeit.

Der Drang, mich jetzt hier einfach hinunter zu stürzen, ist immens groß. Immerhin wäre dann alles vorbei und ich hätte meine Ruhe vor diesem ganzen Mist, welcher momentan mein Leben bestimmt.

Verzweiflung macht sich in mir breit, als meine Hände bereits anfangen zu zittern und sie unangenehm anfangen zu schwitzen.

Was ist nur los mit mir?! Ich habe eine verdammte Maschine geküsst!

Ich habe definitiv den Verstand verloren, anders kann ich es mir einfach nicht erklären, warum ich Connor geküsst habe!

Als nächstes schnappe ich mir noch einen Toaster und lecke ihn ab!

Und dennoch...

Ein kurzes trauriges Lächeln huscht über meine Lippen, als ich mich an den Geschmack auf seinen Lippen zurück erinnere.

Eigentlich habe ich ja diese bescheuerte Idee bekommen, ihn einfach mal selbst in dieses Gefühlschaos zu katapultieren, damit er mal endlich selbst in diesen Genuss der absoluten Hilflosigkeit kommt.

Vermutlich hat in das nicht mal interessiert, geschweige denn überhaupt eine Gefühlsregung in ihm ausgelöst.

Auch wenn er doch irgendwie...verwirrt aussah.

Das geschieht ihm ganz recht!

Wenn diese Androiden unbedingt Gefühle haben wollen, dann sollen sie gefälligst auch die gesamte Bandbreite abbekommen!

Wieder sehe ich grimmig in den Abgrund, ehe ich mir meine letzte Träne von der Wange wische.

Meine Mutter würde mich umbringen, wenn ich mich jetzt hier runterstürzen würde.

Ein schmunzeln entsteht auf meinen Lippen bei diesem Gedanken, dann seufze ich schwer und sehe nachdenklich drein.

Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass ich einen kleinen Nervenzusammenbruch erlitten habe, wenn ich mich schon an einer Maschine vergehe und anschließend in den Tod springen will.

Zumindest für einen kurzen Augenblick.

"Ist ja auch kein Wunder", murmle ich mir eher selbst zu und sehe mich kurz um.

Just in diesem Moment ging die Aufzugtür auf und niemand anderes als Hank Anderson geht hinaus.

Jedoch sieht er ziemlich verärgert aus und zudem geht er nicht, sondern er humpelt.

Als er mich sieht bleibt er stehen und sieht mich überrascht an, doch sein Blick wird schnell musternd und skeptisch.

Kurz zögere Ich, dann gehe ich doch zu ihm und lächle ihn etwas unsicher an.

"Hank", sage ich ruhig und bleibe vor ihm stehen, doch nun wirkt er regelrecht frustriert, ehe er schnell seinen Blick abwendet und irgendwo jenseits der Wand hinsieht.

"Ist es eigentlich dein Hobby, hier immer halbnackt durch die Gegen zur Rennen?"

Irritiert sehe ich ihn an, ehe ich langsam meinen Blick nach unten richte und nun verstehe was er meint.

Hastig mache ich das Jackett von Connor zu und sehe betreten drein. Meine Wangen fühlen sich warm an. "Verdammt, das hab ich ja komplett vergessen!"

Hank sieht mich weiterhin skeptisch an, während ich zaghaft wieder zu ihm aufstehe und mich zu einem Lächeln durchringe. Doch als mich der ehemalige Lieutenant wieder anspricht, entgleitet mir sogleich mein Lächeln.

"Wo steckt Connor eigentlich? Hast Du ihn etwa allein zurück gelassen, als ihr beiden dann fertig wart?"

Verwirrt sehe ich ihn an, ehe ich es dann doch zeitnah verstehe was er mit dieser Aussage meint und entgeistert nach Luft schnappe.

Ist dieser alte Mann nur auf den Kopf gefallen und hat sich dadurch einen Dachschaden zugezogen?!

Grimmig ziehe ich meine Stirn kraus und verschränke meine Arme vor der Brust.

"Ich habe nichts mit diesem Androiden angestellt! Wie kommst du nur auf so eine dumme Idee?!", fauche ich ihn beinahe entnervt an, als sich plötzlich die Tür hinter mir öffnet.

Sofort sehen wir beide hin und entdecken einen verwirrt drein blickenden Connor, der uns beide zunächst nicht wirklich wahrzunehmen scheint.

Erst als Hank ihn direkt anspricht, schreckt er beinahe schon überrascht hoch und sieht den älteren Mann perplex an.

"Hey, Connor! Ich hab dich überall schon gesucht gehabt, aber keiner hat gewusst wo du wieder steckst! Hätte ich gewusst, dass du deine Zeit als hilfsbereiter Samariter für arme Frauen mimst, hätte ich dich natürlich nicht gesucht!", höhnt Hank fast schon und lässt mich so wieder bissig zu ihm sehen.

"Wir haben nichts dergleichen getan, was auch immer du dir in deinem komischen Gehirn zusammen gesponnen hast!", fuhr ich ihn sogleich verärgert an.

Hank lachte wieder kehlig auf, ehe er Connor einmal hart auf die Schultern schlug und ihn so fast aus dem Tritt bringt.

Etwas skeptisch sehe ich den beiden zu, als sich Connor wohl wieder etwas gefangen hat und seine typisches Poker Face aufsetzt, um wohl wieder als eiskalte Maschine dazustehen.

"Ich verstehe nicht was du meinst, Hank. Was kann ich für dich tun?"

Seine Stimme klingt beinahe monoton, im Vergleich zu den wenigen Minuten zuvor, als ich mich noch so angeregt mit ihm unterhalten habe.

Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass Connor vermutlich nie der Typ sein wird, der sich euphorisch mit seinem Stimmenklang als Abweichler zu erkennen gibt.

Vermutlich eher durch seine Taten.

Nachdenklich sehe ich drein, als Hank frustriert schnauft und sich durch sein struppiges Haar fährt.

"Wie auch immer. Ich will endlich mal mit dir reden!"

Connor scheint erneut nicht sonderlich erfreut, blickt kurz zu mir, dann sieht er wieder zu Lieutenant Anderson.

"Du weißt doch genau, wo Du mich finden kannst. Wir können uns gern in knapp einer Stunde an der Bar treffen, ich muss nur noch schnell etwas Erledigen"

Kaum hatte er dies gesagt, drängte er sich an mir vorbei und betrat den immer noch offenen Aufzug. Kaum hat er die Knöpfe betätigt, schlossen sich die gläsernen Türen und der Aufzug fuhr hinab in die Tiefe.

Ich sah noch eben auf die Stelle, als sich die Türen geschlossen hatten und ich Connors prüfenden Blick auf mir spürte.

Doch dieser kurze Moment war so schnell vorbei, wie er gekommen war.

"Verdammt nochmal! Was ist denn nur los mit ihm?!", ruft Hank frustriert, ehe er nur wütend an mir vorbei stampft.

Unsicher sehe ich ihm nach, als ich mich endlich wieder gefangen habe und Hank schnell hinter her renne.

"Was meinst Du?", frage ich ihn verwundert und stelle mich ihm sogleich in den Weg.

Doch der ehemalige Lieutenant wirkt mal wieder äußerst gereizt und nicht wirklich kommunikativ.

Was sich mir auch prompt bestätigt, als er mich grob zur Seite schiebt und mich dadurch fast zu Fall bringt.

Entrüstet sehe ich zu ihm, doch er murrt nur wieder und geht neben in Zimmer neben meines.

Zu meiner Überraschung donnert er die Tür jedoch nicht laut zu, sondern schließt sie leise.

Erst wollte ich ihm wütend hinterher stürmen, beließ es jedoch dabei.

In dem Outfit kann mich ja sowieso niemand ernst nehmen.

Also gehe ich rasch zurück in eines der anliegenden Manager Räume und suchte mir halbwegs passende Kleidung zusammen, die zwar an sich nicht wirklich miteinander harmoniert, aber immerhin passt sie mir.

Ein weißes Hemd welches mir deutlich zu groß ist und passend dazu die Anzughose, die ich gerade noch so mit einem Gürtel an mir halten kann.

Kurz gesagt ich renne hier rum wie ein Lumpensack! Aber hier ist wirklich alles auf Männergröße ausgelegt. Zwar bin ich jetzt auch nicht wirklich zierlich, oder klein…aber diese Sachen sind einfach viel zu groß für mich!

Kaum war ich fertig und betrachtete mich kurz im Spiegel, fiel mir etwas so erschreckendes ein, das ich beinahe vor Schreck aufgeschrien hätte.

Wo sind Amber und Adam?!

Hektisch stürme ich aus dem Raum und besehe mir den Flur, doch bis auf die allumfassende Dunkelheit kann ich nichts erblicken.

Meine Gedanken überschlagen sich, während ich bemerke wie mir der Atem schneller geht und ich langsam hektisch werde.

Wo können die beiden nur sein und wo soll ich sie nur suchen?!

Ich habe keinen Anhaltspunkt wo ich anfangen könnte!

Just in diesem Moment fällt mir Hank ein. Er hat immerhin bei der Polizei gearbeitet, er kennt sich bestimmt mit Personensuche aus und kann mir helfen!

Ohne zu zögern, stürme ich in das Zimmer in welches Hank verschwunden ist und will gerade losschreien, als ich ihn auf einen nahen Sessel entdecke mit seinem Zeigefinger auf den Lippen.

Perplex sehe ich drein, ehe er links von sich deutet.

Ich folge dem sogleich und entdecke auf der großen Couch die beiden Kinder. Zugedeckt und tief schlafend.

Neben der Couch liegt ebenfalls ein schlafender Sumo, fast wirkt es so als ob er die Kinder bewacht.

Ein gewaltiger Stein fällt mir sogleich vom Herzen und ich gehe schnell, aber leise zu beiden hin.

Ich beobachte den ruhigen und gleichmäßigen Atem der Kinder, während ich vorsichtig eine Haarsträhne aus dem Gesicht von Amber streiche.

Tränen der Erleichterung steigen in mir auf, doch ich blinzle sie schnell weg. Keine Zeit um jetzt Sentimental zu werden!

Vorsichtig gehe ich einen Schritt zurück und beobachte noch kurz die schlafenden Kinder, die sich etwas drehen auf der Couch, aber doch friedlich weiterschlafen.

Langsam lasse ich meinen Blick schweifen, als mir sogleich etwas ins Auge fällt.

Über der Couch hängen ein paar Bilder, eindeutig gemalt von Kinderhand wie ich an den kritzligen Zeichnungen erkennen kann.

Als ich genauer hinsehe und mir die Bilder betrachte, erkenne schmunzelnd das sich auf den Bildern eindeutig Sumo, Hank und wohl auch Ich befinden. Andere Figuren sind ebenso auf den Bildern, jedoch erkenne ich die nicht wirklich. Ein braunhaariger, grimmig drein guckender Mann in Anzug könnte jedoch Connor sein.
 

Lächelnd drehe ich mich langsam zu Hank um, der mich wohl die ganze Zeit beobachtet hat.

"Du hast auf sie aufgepasst, während ich geschlafen habe, oder? Danke"

Leise geh ich wieder zu ihm hin und setzte mich ihm gegenüber auf einen Bürostuhl, während der ältere Mann nun nachdenklich aus dem Fenster sieht und dem Schneetreiben zuschaut, so wie ich es erst vor ein paar Minuten getan hatte.

Er wirkt fast so, als ob ihn etwas beschäftigt, aber nicht wirklich gewillt ist darüber zu sprechen.

Also gut...dann mache ich eben den Anfang!

Kurz mustere ich sein ausgestrecktes Bein. Mir ist noch deutlich im Gedächtnis, dass er heute gehumpelt ist. Vermutlich ist sein Bein noch nicht wirklich verheilt.

"Wie geht's deinem Bein?", frage ich leise damit ich nicht die Kinder wecke, die nur wenige Meter von uns entfernt schlafen.

Aufmerksam besehe ich mir Hank, der jedoch geradezu nachdenklich zu Boden blickt und dabei beinahe schon kreisend durch seinen Bart fährt.

Es wirkt gerade so, als befindet er sich in seiner eigenen kleinen Welt. Die vermutlich aus wirren Gedanken zu bestehen scheint.

"Was ist denn los?", frage ich ihn vorsichtig, doch er schüttelt nur leicht seinen Kopf, dann blickt er wieder musternd zu mir.

In seinen Augen kann ich geradezu erkennen, wie Argwohn nun darin aufblitzt.

Jedoch ist es mir unbegreiflich, was ich damit zu tun habe.

Endlich fängt der alte Mann an zu sprechen, doch bei seinen Worten wird mir Augenblicklich entsetzlich kalt und halte den Atem an.

"Ein Wunder das du noch lebst. Ich hätte wirklich gedacht, dass du nicht mehr aufwachst. Immerhin hast du geblutet wie ein Schwein und nicht damit aufgehört"

Entsetzt weiten sich meine Augen, doch mein Mund fühlt sich staubtrocken an.

Hank muss mein Einsetzten sehen, denn er spricht sogleich weiter.

"Ich hab nur einen verdammten Streifschuss abbekommen, werde aber vermutlich noch ein paar Wochen humpeln. Du hast eine Gehirnerschütterung gehabt, wurdest am Arm angeschossen und hast ziemlich tiefe Schnittwunden an den Armen und Beinen davon getragen. Und dennoch bist du jetzt vor mir, als wäre nie irgendetwas passiert. Du musst zugeben...das ist ziemlich kranker Scheiß!"

Unsicher starre ich auf sein Bein, welches er in einer Schonhaltung gleich, von sich gestreckt hat.

Meine Gedanken überschlagen sich, doch ich bekomme eine Angst tief in mir drinnen, die sich so anfühlt als will sie mir die Kehle zuschnüren.

Bin ich etwa ein Monster geworden?

Theoretisch müsste ich bei diesen Verletzungen eigentlich im Bett noch bleiben, von dem Blutverlust mal abgesehen.

Aber mir geht es soweit wirklich gut. Hier und dort zieht es etwas unangenehm in meinen Brustkorb oder Armen, aber das ist jetzt wirklich nichts Tragisches.

Zaghaft sehe ich wieder in Hanks stahlblaue Augen, die mich aufmerksam mustern. Immer noch kann ich darin Misstrauen erkennen.

"Ich weiß nicht was mit mir los ist...ich fühle mich gut soweit"

Sofort flackert Wut in den Augen von Hank auf und er schlägt sich gereizt auf seinen Oberschenkel, als er mich skeptisch und mit Argwohn betrachtet.

"Das kannst du jemand anderem erzählen! Du warst doch so gut wie Tod! Deine ganzen Klamotten sind voller Blut gewesen! Das ist keine drei Tage her!“

Mahnend blicke ich zu ihm und deute kurz auf die Kinder, die sich nun etwas unruhig bewegen aber zum Glück noch weiterschlafen.

Hank verzieht frustriert das Gesicht, bleibt aber zum Glück ruhig. Ich höre ihn verdrossen ausatmen, dann blickt er wieder aus dem Fenster und schüttelt leicht mit seinem Kopf.

„Darüber wollte ich eigentlich mit Connor sprechen, aber selbst der geht mir ja aus dem Weg“

Ich besehe mir Hanks Gesicht in welchem ich die Enttäuschung und Wut ganz klar herauslesen kann, ehe er sich wieder mir zuwendet und mich aufmerksam mustert.

„Wer bist du und wer sind diese Gören, die dich hier Begleiten? Connor verschwand einfach eines Tages und kam dann Wochen später mit euch zurück. Jedoch hat er mir nie erzählt wieso und warum…er geht mir diesbezüglich komplett aus dem Weg!“

Zwar spricht Hank leise, doch ich merke, dass er kurz davor ist zu explodieren. Anscheinend haben sich etliche Fragen in ihn angesammelt, doch keiner ist gewillt ihm Antworten zu geben.

Mitgefühl steigt in mir auf, da ich nur zu gut weiß wie es ist, keine Antworten zu bekommen. Tief atme ich einmal ein und aus, dann lehne ich mich langsam vor und sehe Hank aufmerksam an.

Ich glaube ich schuld ihn immerhin Antworten über mich und die Kinder, ansonsten weiß ich ja auch nicht wirklich was diese Androiden hier vorhaben.

Aber vielleicht ist Hank ja dann gewillt, mir ebenfalls Antworten auf meine Fragen zu geben. Connor ist ja ebenfalls nicht bereit mir irgendwelche Antworten zu geben!

„Ich glaube du verdienst es, dass du alles über uns weißt. Ich hatte gedacht, Connor hat dir bereits von uns erzählt…tut mir Leid“

Hank fuchtelt nur wild mit seiner Hand und lässt mich beinahe schmunzeln, als er auch noch genervt das Gesicht verzieht. „Dir braucht gar nichts leidtun. Also jetzt erzähle wo du herkommst, wer du bist und die Kinder dazu. Ich weiß noch, das du mir damals in der Bar erzählt hast, du würdest aus Tschechien kommen, oder?“

Leicht nicke ich, dann lehne ich mich wieder etwas zurück und versuche es mir so bequem wie möglich zu machen.

„Das stimmt. Ich bin in der kleinen Stadt Prostějov aufgewachsen, dort wohnen auch meine Eltern und meine zwei Geschwister. Ich bin die älteste, ich heiße Hannah Svobodová. Mein ein Jahr jüngerer Bruder heißt Michal und unser Nesthäkchen Pavlina ist neun Jahre alt “

Der ältere Mann nickt leicht und gibt mir ein Zeichen weiterzusprechen. „Meine Eltern sind in der Agrarwirtschaft, haben selbst einen kleinen Bauernhof und dutzende Tiere dazu, die täglich versorgt werden wollen“

Leise seufze ich, als ich mich an mein Zuhause zurückerinnere, doch ich wische den Gedanken schnell beiseite. Die Tränen steigen mir viel zu schnell auf. „Zwar liebe ich Tiere über alles, aber ich wollte definitiv nicht in der Landwirtschaft arbeiten. Also habe ich eine Erzieherinnen Ausbildung in Prag begonnen und habe dort auch ein paar Jahre während der Ausbildung gelebt. Als ich fertig mit der Ausbildung war, wollte ich einfach ein Jahr nochmal für mich…so habe ich mich als Au-Pair in den USA beworben“

Hank nickt langsam und sieht nun zu den schlafenden Kindern. „Verstehe, so bist du also zu den beiden gekommen“, schlussfolgert er für sich und nicke zustimmend.

Nachdenklich sehe ich zu meinen Fingern, besehe mir meine Nägel die ich vermutlich mal wieder kürzen könnte, ehe ich wieder zu Hank sehe der mich sorgfältig mustert.

„Ich bin bei einem der reichsten Bürgers Detroits untergekommen…Richard Traynor, wenn dir der Name was sagt?“

Zu meiner Überraschung schnaubt Hank nur einmal abfällig, ehe er seine Augen kurz verleiert. „Klar, doch. Einer dieser reichen Pharmaka Bonzen, die zwar immer bei Wohltätigkeitsprojekten zu sehen waren, aber dennoch höchst wahrscheinlich kriminelle Dinger drehten“

Nun wurde ich tatsächlich neugierig und lehne mich wieder weiter vor. „Was denn für Dinger?“, hauche ich schon fast gespannt.

Der ehemalige Lieutenant fährt sich durch sein zottliges Haar und zuckt nur kurz mit den Schultern. „Steuerbetrug, Spendengelder die in andere Projekte geflossen sind…zumindest soweit ich weiß. Ich war für die Mordkommission zuständig, nicht für Steuerhinterziehung und ähnliches“

Nachdenklich ziehe ich meine Stirn kraus, dann lehne ich mich vorsichtig wieder zurück und atme leise aus.

Ich habe ja immer geahnt, das Mr Traynor irgendwelche illegalen Geschäfte ausübte, aber das jetzt wirklich was dran sein soll, überrascht mich ziemlich.

„Dieser Bengel…Adam. Er ist ziemlich klug“, reißt mich Hank plötzlich mit leiser Stimme aus meinen Gedanken und lässt mich so wieder zu ihm sehen.

Der ältere Mann blickt aufmerksam zu den schlafenden Jungen, dann sieht er wieder mich an. „Als du geschlafen hast, haben die Kinder sich ziemliche Sorgen um dich gemacht. Also hab ich versucht sie etwas abzulenken, indem ich mit ihnen diesen verdammten Tower erkundigt habe. In einem der Ingenieursräume, haben wir einen 3D Drucker gefunden“

Fragend ziehe ich meine Augenbrauen zusammen, als sich Hank vor lehnt und mich beinahe verschwörerisch anblickt. Als er weiterspricht, höre ich in seiner Stimme deutlich Unbehagen heraus.

„Verdammt, er hatte keine Ahnung von diesen Dingern hat er mir gesagt. Dann besieht er es sich genau, fummelt daran herum und setzt er sich einfach an den PC und konstruiert da irgendwas in diesem Programm! Kurz darauf druckt dieses Ding tatsächlich etwas!“

Hank kramt in seiner Jackentasche herum, dann holt er etwas Kleines und schwarzes hervor. Neugierig lehne ich mich zu ihm vor und staune nicht schlecht.

Eine plastikartige Schraube liegt in seiner Hand.

„Und weißt du was er gesagt hat, als das Ding dann endlich mit drucken fertig war? Eine Schraube für uns, weil wir vermutlich schon einige locker haben!“

Er lacht tonlos auf und stopft sie sich hastig wieder ein.

„Der Knirps ist seitdem ständig bei diesem 3D Drucker und konstruiert irgendwas, von dem mir allein beim Zusehen schwindlig wird!“

Leicht kralle ich mich in meiner Hose fest, als mir nur allzu deutlich bewusst wird, wie Adam auf andere wirken muss.

Ich muss es ihm sagen, auch wenn Hank es mir vermutlich nicht glauben wird.

„Adam und Amber sind keine gewöhnlichen Menschen, sondern das Produkt einer jahrerlangen Forschungsarbeit, in Bezug auf genetische Mutationen. Richard Traynor ließ Teile seiner DNS so umstrukturieren, dass daraus ein perfekter Mensch geschaffen werden sollte; mit überlegener Intelligenz, erhöhter Widerstandskraft gegen jegliche Umwelteinflüsse und verlängerter Lebenspanne“, sprach ich ruhig und erinnerte mich dabei an Connors Worte zurück, die mir nicht weniger als einen Schlag in der Magengrube bescherten.

Hank sieht nicht minder fassungslos drein, doch ich nicke ihm zu. „Ich habe es von Connor erfahren und die Kinder haben es mir bestätigt. Inwiefern sie jedoch wirklich über ihre Fähigkeiten, oder über sich selbst wissen, ist mir unbekannt. Vermutlich ist es ihnen selbst gar nicht bewusst“

Ich atme laut aus, dann schließe ich meine Augen und fahre mir durch mein zerzaustes Haar. „Adam hat ohne Zweifel eine überragende Intelligenz. Er erfasst Sachverhalte umgehend, hat eine schnelle Auffassungsgabe, selbstsicheres Auftreten und ist äußert konzentriert. Amber kann dies vermutlich auch, ist aber noch ziemlich unsicher. Zudem weißt sie eine höhere emotionale Intelligenz als Adam auf. Der ist meistens wie ein Rammbock, Amber schaut zuerst ob es allen gut geht ehe sie eine Entscheidung fällt. Zudem ist sie seht mitfühlend und empathisch“

Ich sehe wieder unsicher zu Hank und schlucke kurz. „Zudem haben die beiden Nano-Androiden in ihrem Blut, was ihrem Immunsystem wohl einen weiteren Vorteil geben soll“

Dann merke ich Unsicherheit in mir aufsteigen, denke daran zurück wie mir Connor das Leben gerettet hat. Auch wenn es vermutlich nur ein Test war.

„Das ist doch alles Wahnsinn“, flüstert er kaum hörbar und ich kann kaum sein Gesicht lesen. Unglauben und Verwirrung erkenne ich dennoch deutlich in seinen Augen aufblitzen, dann seufze ich leise.

„Connor hat uns im Wald aufgegabelt, als ich mit den Kindern auf der Flucht war. Die Androiden in dem Haus der Traynors ist nämlich Amok gelaufen und hat Mr Traynor getötet. Wir konnten gerade noch so in einen Panikraum flüchten, doch als unsere miserablen Vorräte aufgebraucht waren, mussten wir fliehen. Wir haben es tatsächlich bis zum Wald geschafft, aus der Stadt raus“

Hank sieht mich fassungslos an. „Erzähle weiter“, spricht er fast schon ungeduldig und ich atmete hörbar aus.

„Ich wurde angeschossen und bin dabei in den Schlamm gefallen. Vermutlich hat sich dadurch meine Schussverletzung schwer entzündet und so habe ich eine Sepsis entwickelt. Eigentlich hätte ich daran sterben müssen, denn medizinische Versorgung stand für mich nicht zur Verfügung“

Ich spüre den lauernden Blick von Hank auf mir ruhen, sodass ich nur zögerlich wieder zu ihm sehe und schlucke.

„Connor hat…“

Ich stocke und sehe zu Boden. Es ist mir sowieso unbegreiflich, wie er das eigentlich geschafft hat. Mitten in der Pampa, ohne spezielles Wissen diesbezüglich. Oder gescheites Werkzeug.

„Was hat er getan?“, fragt Hank heiser und ich spüre wie er richtiggehend davor ist, einfach an die Decke zu springen.

Vermutlich denkt er, Connor hat mir schreckliches angetan.

„Er hat mein Leben gerettet, indem er den Kindern einen Teil dieser Nano-Androiden abgenommen hat und diese dann in mir eingesetzt hat. Wie auch immer er es geschafft hat, es hat funktioniert. Ich wurde wieder gesund und wie es scheint, profitiere ich mittlerweile auch ziemlich gut davon“

Fassungslos sieht Hank mich an, ehe er abrupt aufsteht und mich anstarrt.

Langsam sehe ich zu Boden und senke meinen Blick. „Außerdem hat Connor sich wohl irgendwie mit diesen Androiden in meinem Blut verbunden, zumindest kann er mich jetzt in einem gewissen Umkreis aufspüren und zudem meine Gefühle noch besser analysieren und nachempfinden. Soweit es zumindest einer Maschine möglich ist“

Frustriert seufze ich auf und massiere mir kurz meine Schläfe.

Das klingt alles total bescheuert und Hank wird vermutlich auch denken ich bin irrsinnig. Kein Wunder bei den letzten Ereignissen.

„Unfassbar“, murmelt er nur, ehe er sich beinahe Hilflos über die Stirn wischt. Dann eilt er plötzlich schnell an mir vorbei und geht auf einen Schreibtisch zu. Dort zieht er die Schublade heftig aus und holt eine Flasche Korn heraus.

Verblüfft sehe ich drein, doch Hank öffnet die Flasche sogleich und gönnt sich erstmal mehrere Schlucke. Dann kehrt er langsam zu mir zurück und reicht mir kommentarlos die Flasche.

Kurz zögere ich, dann ergreife ich sie ebenfalls und sehe ihn unsicher lächelnd an. „Wir stecken ziemlich in der Tinte, oder?“

Er lässt sich wieder auf seinen Platz nieder und mustert mich nochmals. „Das ist eine unglaubliche Geschichte“

Seufzend nehme ich einen kleinen Schluck, verziehe aber augenblicklich angewidert das Gesicht. Hank lacht belustigt leise auf, ehe er mir die Flasche abnimmt.

Missmutig sehe ich zu dem älteren Mann und lehne mich wieder zurück. Dann umspielt tatsächlich fast schon sowas wie ein Lächeln Hanks Lippen.

Ungläubig starre ich ihn an, doch er schmunzelt kurz ehe er sich wieder einen Schluck gönnt. „Bist du überhaupt volljährig? Unter 21 Jahren darfst du in diesem Land keinen Alkohol trinken“

Skeptisch hebe ich daraufhin eine Augenbraue hoch, kann mir aber auch ein Grinsen nicht verkneifen. „Sagt der Lieutenant, der mir gerade Alkohol angeboten hat“

Er zuckt nur gelassen die Schultern und kratzt sich an seiner stoppligen Wange. „Den Job bin ich eh los. Also sag schon“

„Vermutlich werde ich in wenigen Tagen schon 22 Jahre alt werden, aber ich kenne das aktuelle Datum nicht. Ich glaube, es müsste momentan der 15. Dezember sein?“

Hank nimmt sich wieder einen Schluck, dann grinst er nur belustigt. „Heute ist der 21. Dezember. Wann hast du denn Geburtstag?“

Überrumpelt sehe ich ihn an, ehe mir mit schrecken etwas bewusst wird. „Dann ist ja bald Weihnachten!“

„Bingo!“, grinst Hank und gönnt sich einen weiteren Schluck. Mittlerweile wirkt er ziemlich angeheitert.

Unsicher sehe ich ihm beim Trinken zu, dann sehe ich grübelnd zu Boden und beiße mir dabei auf die Lippen.

Bald ist Weihnachten.

Weihnachten wollte ich wieder bei meiner Familie am Tisch sitzen, gemeinsam feiern und von meinen Erlebnissen in den USA berichten.

Zusammensein mit meinen Eltern und meinen Geschwistern, die ich seit über einem Jahr nicht mehr gesehen habe.

Ich habe das ungute Gefühl, das ich das wohl dezent vergessen kann.

Plötzlich wird mir entsetzlich kalt und ich muss schwer schlucken.

Eine entsetzliche Schwere macht sich in meiner Brust breit und zieht mich beinahe zu Boden. Das Atmen fällt mir schwer und ich spüre wie mein Herz anfängt zu rasen.

Ich bin drauf und dran jetzt einfach loszuheulen wie ein kleines Mädchen.

Hastig stehe ich auf und versuche Hank nicht ins Gesicht zu blicken, da ich bereits bemerke wie sich die Tränen in meinen Augen sammeln.

„Ich muss nur schnell aufs Klo“

Kaum habe ich diese Wörter gesagt, stürme ich aus dem Raum. Zumindest wollte ich das, doch da wurde ich plötzlich am Arm gepackt und zum Stehen gezwungen.

Überrumpelt sehe ich in Hanks Gesicht, der mich wissend mustert.

Mittlerweile laufen mir die ersten Tränen übers Gesicht, doch ich bemerke sie kaum.

„Ist schon okay“, sagt er lediglich, doch diese einfachen Wörter entlocken mir ein schluchzen. Unsicher sehe ich zu Boden, weiß nicht was ich tun soll, als ich völlig überrumpelt an Hank gedrückt werde.

Just in diesem Moment tauchen Bilder von meinem Vater in meinen Erinnerungen auf. Damals als ich am Flughafen stand, kurz davor war meine Reise in die USA anzutreten.

Meine Mutter und meine Geschwister verabschiedeten mich herzlich, mein Vater war jedoch nie der Gefühlsbetonte Mensch.

Was jedoch nicht heißt, dass er mich nicht liebt. Er hat seine Gefühle einfach nicht so offen gezeigt. Als er mich jedoch zum Abschied in den Arm genommen hat, mir kurz über den Rücken gestrichen hat…da wusste ich einfach, dass ich ihm alles bedeute.

All diese Erinnerungen schlagen plötzlich auf mich nieder, die ganze Sehnsucht schlägt mit so brachialer Kraft auf mich ein, dass ich erzittere.

Schluchzend kralle ich mich an Hank und vergrabe mein Gesicht in seinem Hemd.

Auch wenn er mir nur etwas unbeholfen die Schultern tätschelt, so gibt er mir deutlich mehr Nähe als es Connor vermutlich möglich sein wird.

Er ist eben nur eine Maschine. Hank dagegen ist ein Mensch, auch wenn er meistens etwas grimmig wirkt, so hat er doch sein Herz am rechten Fleck.

Genau wie mein Vater.

Diesmal gebe ich mich meinen Tränen hin, lass die Sehnsucht raus und spüre wie ich zusehends müder werde. Doch meine Trauer und Tränen wollen nicht versiegen.
 


 

Als ich wieder meine Augen öffne, blinzle ich verwirrt.

Die Sonne blendet mich, sodass ich langsam meinen Arm hebe um meine Augen vor dem Sonnenlicht zu schützen.

Wie lange habe ich nur geschlafen?

„Hannah!“, ruft eine mir vertraute Stimme, ehe ich prompt umarmt werde und zahlreiche blonde Locken meine Nase kitzeln.

Ich erblicke Amber, die mich sogleich aufmerksam mustert, dann lächelt sie wieder vergnügt und drückt mich erneut.

„Endlich bist du wieder da! Wir haben uns schon große Sorgen gemacht! Eigentlich wollten wir dich wecken, aber Hank hat gesagt, wir sollen dich schlafen lassen. Wenn wir es nämlich nicht täten, würde er uns in den Hintern treten“

Etwas fassungslos sehe ich das fröhliche Mädchen vor mir an, doch sie kichert nur vergnügt. „Aber das glaube ich nicht! Er ist nämlich sehr nett, auch wenn er immer so böse guckt“

Kurz sehe ich mich um, da bemerke ich, dass ich mich auf diesen Sessel befinde und zudeckt wurde. Zudem schmerzen meine Glieder etwas, was vermutlich von dem Schlafen in dieser ungünstigen Position herrühren könnte.

Amber hilft mir sogleich beim Aufstehen, während ich grüble was gestern überhaupt passiert ist. Ehe ich es mich versah, fällt es mir prompt ein, doch Amber zieht sogleich ungeduldig an meinem Handgelenk und versucht mich mitzuziehen.

„Komm schon, Hannah! Adam und Hank machen Frühstück für uns, ich hab schon einen Bärenhunger! Du auch?“

Überrumpelt lasse ich mich von ihr mitziehen, während ich meine Gedanken zu ordnen versuche.

Habe ich mich wirklich gestern Nacht bei Hank ausgeheult und bin schließlich völlig fertig auf diesem Stuhl eingeschlafen?

Das ist ja fast schon peinlich…beinahe. Irgendwie bin ich froh darüber, dass ich meine Gefühle mal einfach rauslassen konnte. Immerhin reiße ich mich die ganze Zeit zusammen, mehr oder weniger.

Ich hoffe nur, dass Hank mich jetzt nicht irgendwie komisch ansieht. Am besten wir reden einfach nie wieder darüber.

Schwer seufze ich auf, als mich Amber bereits in den Aufzug zieht und den Knopf betätigt der uns zu den Kantinen bringt.

Hibbelig sieht sie drein, während ich sie beinahe schon schmunzelnd dabei beobachte. Sie ist vermutlich wieder so aufgeregt, um den anderen zu verkünden, dass ich nun wieder da bin.

Dann muss ich schließlich lächeln und streiche ihr kurz sachte über die Wange. „Ich hab euch auch vermisst“

Plötzlich hält sie inne und sieht mich mit ihren großen Augen überrascht an, doch ich hocke mich zu ihr hin und drücke sie nun an mich.

Kurz darauf spüre ich ihre kleinen Hände, die sich auf meinen Rücken legen und sich leicht reinkrallen.

Beruhigend streiche ich ihr über den Kopf. „Ich hab euch beiden doch versprochen, dass ich euch nicht alleine lasse. Und Versprechen werden nicht gebrochen, stimmt’s?“

Ein Nicken ihrerseits kommt, da öffnet sich bereits die gläsernere Tür des Aufzuges und ich erhebe mich sogleich.

Gemeinsam steigen wir aus diesen heraus, während Amber nun meine Hand festhält und mich zielsicher in die Kantine führt.

Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte ich mich vermutlich schon mehrmals hoffnungslos verlaufen. Doch da steigt mir bereits ein köstlicher Duft in die Nase und mein Magen fängt wie aufs Sprichwort an zu knurren.

Wann habe ich eigentlich zuletzt etwas gegessen?

Sogar Amber muss es gehört haben, denn sie kichert sogleich und sieht nun wieder freudestrahlend zu mir hoch. „Du hast auch Bärenhunger!“

Ehe ich etwas darauf antworten kann, kommen wir sogleich in dem großen Speisesaal an. Adam sitzt auf einen Stuhl und sieht gelangweilt drein, als ein dunkelhaariges Mädchen ihm gegenübersitzend auf ihn einspricht. Als er uns beide entdeckt, ist die Langeweile jedoch verschwunden.

Sofort erhellt sich sein Gesichtsausdruck und er steht ruckartig auf. Der Stuhl auf dem er gerade noch gesessen hatte schwankt gefährlich, doch zum Glück bleibt er an Ort und Stelle stehen, im Gegensatz zu Adam.

Dieser stürmt auf mich zu, grinst dabei vielsagend und bremst schließlich kurz vor mir ab. Etwas verwirrt sehe ich ihn an, dann muss ich aber auch lächeln. „Hey“

Kurz mustert mich Adam von oben bis unten, dann lacht er nur belustigt auf. „Wie läufst du denn rum? Dein Kleidungsstil war auch schon mal besser!“

Gespeilt beeidigt sehe ich ihn an und verschränke die Arme vor der Brust. Dieser Knirps will mich aber auch immer ärgern, auch wenn es vermutlich seine Art ist, mit der Besorgnis um mich umzugehen.

„Hier gibt’s nun mal nichts Gescheites zum Anziehen, also muss ich improvisieren!“

Ehe er es sich versieht, strubble ich Adam durch die Haare, was ihn verärgert meckern lässt und mich zum Grinsen bringt.

Gleichstand würde ich sagen.

Als ich erneut meinen Blick schweifen lasse, erkenne ich sogleich das Mädchen wieder, was noch am Tisch sitzt und mich schüchtern mustert.

Langsam komme ich näher und lächle sie nun an, ehe ich neben ihr stehen bleibe. „Du bist doch Alice, oder?“

Sie nickt langsam, sieht aber schnell wieder unsicher auf den Tisch. Vermutlich hat sie Angst vor mir, auch wenn ich mir nicht so recht vorstellen kann warum.

Klar habe ich seit Tagen weder Kamm, oder Make-Up gesehen. Doch so furchterregend kann ich doch trotzdem nicht aussehen, oder?

Die Zwillinge kommen nun zu mir, während Amber sich neben Alice setzt und freundlich zu ihr sieht.

„Alice und wir sind beste Freunde geworden, stimmt’s Adam?“

Ihr Bruder nickt sogleich und nickt Alice zu, die daraufhin zögerlich wieder ihren Kopf hebt und mich ansieht.

Ich seufze Lächelnd und beuge mich etwas zu ihr hinab. „Können wir vielleicht auch Freunde werden, Alice? Ich beiße auch nicht, versprochen“

Sie sieht mich wieder an, unsicher und zögernd…dann ringt sie sich zu einem kleinen Lächeln durch. „Ja, gerne“, sagt sie ruhig und ich nicke ihr begeistert zu.

„Das freut mich! Du kannst auch immer zu mir kommen“

Auf einmal jedoch höre ich das grummelnde rufen von Hank und blicke überrascht auf. Dieser kommt gerade aus der Großküche raus gehumpelt und balanciert in seinen Händen ein großes Tablet. Ein köstlicher Duft steigt mir sogleich in die Nase.

Doch nicht nur mich muss dieser Duft betören, denn Hanks Hund Sumo rennt ihm bellend und hechelnd hinter her, läuft ihm zwischen die Beine, das der ältere Mann dabei fast zu Boden fällt.

Fluchend kann er sich gerade noch halten, ehe er vermutlich das Tablet mit dem Rührei und Speck im ganzen Saal verteilt hätte.

Eilig komme ich ihm zu Hilfe und ziehe den beleidigten Sumo etwas beiseite. „Komm schon, Sumo. Du bekommst auch gleich was, versprochen!“

Der große Bernhardiner sieht mich daraufhin schwanzwedelnd und sabbernd an und ich komme nicht umhin zu grinsen, während ich ihm den Kopf tätschle.

„Bist du auch endlich erwacht? Ich dachte schon du verschläfst den ganzen Tag!“, murrt mich Hank nur an, ehe er das Tablet auf den Tisch stellt.

Schmunzelnd besehe ich mir nebenbei die Kinder, als sie Teller und Besteck herbei bringen und alles ordentlich eindecken.

Es scheint so, als wenn sie alle schon ein eingespieltes Team wären.

Als dann endlich alles soweit fertig eingedeckt war, sogar mit hübschen blumigen Servietten, wurde dann auch endlich angefangen zu essen.

Zumindest wir aßen, Alice sah uns einfach nur zu, schien damit aber auch äußerst zufrieden zu sein.

Hank schlang sogleich alles hinunter, ohne womöglich groß zu schlucken.

Ihm beim Essen zuzuschauen, ist nicht wirklich appetitlich. Also blicke ich wieder auf meinen Teller und esse sorgsam.

Jeden Bissen genieße ich, schließlich habe ich schon bestimmt seit längerem nichts mehr gegessen und wer weiß, wann die nächste Mahlzeit kommt.

Und auch wenn es sich hierbei nur um Rührei mit Speck handelt, so hat Hank doch wirklich ausgezeichnet das Essen zubereitet.

Für mich schmeckt es zumindest so, als hätte es ein Sternekoch zubereitet. Während ich mir also jeden Bissen auf der Zunge zergehen lasse, fangen wir eine kleine, nette Tischkonversation an.

Dabei geht es um übliche Themen wie das Wetter und wie köstlich doch dieses Essen schmeckt.

Kaum waren wir jedoch fertig mit essen, da lenkt Amber das Gespräch in eine Richtung, mit der ich nicht wirklich gerechnet hätte.

Umso verblüffter sehe ich sie an, als sie sogleich weiter erzählt.

„Bald ist ja Weihnachten, oder? Glaubt ihr denn…wir könnten es hier feiern?“, fragt sie schüchtern und etwas leiser, als üblich.

Hank verschluckt sich beinahe an seinem Essen. Verwunderlich das es nicht schon eher passiert ist bei seiner Esskultur.

Adam meldet sich als erstes zu Wort und verzieht das Gesicht. In seinen Augen blitzt etwas auf, was ich selten zuvor in diesen gesehen habe.

Enttäuschung.

„Du willst hier Weihnachten feiern? Einfach so? Ohne…Dad?“

Seine Worte werden immer leiser, bis das letzte nur noch ein Hauchen war. Aufmerksam sehe ich ihn an und sehe ihm deutlich an, wie er versucht seine Tränen zurück zu halten.

Doch es gelingt ihm nicht wirklich und nun erkenne ich Wut in seinen Augen.

Unbehaglich rutsche ich etwas auf meinem Stuhl hin und her, da ich bereits spüre wie die Stimmung zu kippen droht.

„Adam, hör mal…“, fange ich an, doch ich komme nicht sonderlich weit. Adam steht schnell auf und rennt einfach so aus den Raum.

Betreten sehe ich ihm nach, als ich Amber bereits schniefen höre. „H-hab ich was falsches gesagt? Ich…wollte…“

Schnell streiche ich beruhigend über ihre Hand und lächele etwas. „Keine Sorge, ich kläre das!“

Also renne ich ebenfalls aus dem Speisesaal um Adam zu erwischen und ruhig mit ihm darüber zu reden.

Zwar habe ich mit den Kindern schon ausführlich über den Tod ihres Vaters gesprochen gehabt, aber es nagt immer noch an ihnen. Was ja auch kein Wunder ist, besonders dann wenn Weihnachten so sehr naht.

Kaum bin ich um eine Kurve geschliddert, krache ich prompt in etwas hinein und werde dadurch zurück geworfen.

Ich bin mir ziemlich sicher nun auf meinen Hintern zu landen, doch ich werde fest an meinem Handgelenk gepackt und so vor einem schmerzhaften Aufprall verschont.

Überrascht sehe ich auf und sehe in ein tiefes dunkles Braun, welches mir sogleich bekannt vorkommt. Eine Gänsehaut bildet sich auf meiner Haut, doch ich blende es schnellstmöglich aus.

„Connor“, sage ich verblüfft, als er mich wieder gerade hinstellt und mich ansieht. Er sieht nicht sonderlich mitgenommen aus, dafür dass ich gerade eben voll in ihn hinein gerannt bin.

Naja es wird ihm auch nicht sonderlich viel ausgemacht haben.

Kurz sehe ich an ihm vorbei, doch Adam sehe ich nirgends. Es scheint so, als ob er über alle Berge ist. Mittlerweile kennt er sich hier auch besser aus, da werde ich vermutlich ewig suchen müssen.

Niedergeschlagen seufze ich auf, ehe ich mir durch mein zerzaustes Haar streiche. „Ach, verdammt“

„Was ist los?“, fragt er sogleich, doch ich winke nur frustriert ab. „Würdest du wahrscheinlich nicht verstehen“, murmele ich mir eher selbst zu, während ich weiterhin unauffällig meinen Blick schweifen lasse.

Adam ist nirgends zu sehen.

Erst jetzt bemerke ich, dass Connor weiterhin mein Handgelenk festhält, doch ich gehe nicht weiter darauf ein. Vermutlich wird er mich eh gleich wieder loslassen um irgendwelchen wichtigen Erledigungen nachzugehen.

„Ich habe dich gesucht gehabt. Wo warst du gewesen?“, fragt er nachdrücklich, sodass ich wieder zu ihm sehe.

Er wirkt ernst und autoritär.

Beinahe komme ich mir vor wie damals beim Schuldirektor, wenn ich etwas ausgefressen hatte und dafür Rede und Antwort stehen musste.

Bei diesem Gedanken muss ich tatsächlich schmunzeln, was mir Connor wohl etwas krumm nimmt. Sein Gesichtsausdruck verändert sich tatsächlich und er sieht verärgert aus.

Fasziniert betrachte ich daraufhin verstohlen sein Gesicht und frage mich insgeheim, zu welchen Emotionen er noch Fähig ist.

Es wäre bestimmt ziemlich unterhaltsam diese alle aus ihm heraus zu kitzeln. Doch das muss warten, erst muss ich Adam wieder finden.

„Sorry, aber ich habe gerade keine Zeit dafür. Ich muss Adam suchen, er ist verschwunden“, sage ich daher ruhig und versuche mich langsam von ihm zu lösen.

Allerdings komme ich mir dabei vor, als wäre mein Arm in einem Schraubstock gefangen.

Äußert frustrierend.

Erst jetzt fällt mir jedoch auf, dass Connors Jackett fehlt und er lediglich sein Hemd trägt. Vermutlich haben mich seine verdammten Augen vom Rest abgelenkt.

Frustriert seufzte ich auf und versuche ruhig zu bleiben, während ich nebenbei zu meinem Handgelenk blicke.

Anscheinend ist dieser Android wirklich nicht gewillt, mich loszulassen. Das grenzt ja schon an Freiheitsberaubung!

„Du solltest hier nicht einfach herum rennen, du könntest dich dabei verletzen“, ermahnt mich Connor sogleich und hört sich dabei tatsächlich so an, wie mein Rektor von damals.

Kann ich mir eigentlich noch blöder verkommen?

Grummelnd lege ich einfach meine Hand auf seine und sehe ihn nun herausfordernd an. „Also gut. Dann komm doch einfach mit und hilf mir bei der Suche“

Nun wirkt er tatsächlich etwas überrascht, doch ich gehe einfach los und er lässt sich mitziehen. Ein zufriedenes Grinsen stielt sich daraufhin auf meine Lippen.

„Ich muss dir eh noch dein Jackett zurückgeben, Connor. Trifft sich doch gut, oder?“

Er antwortet nicht, doch ich spüre seine Blicke in meinen Rücken. Vermutlich muss er erstmal sein ominöses Programm durchforsten, damit er weiß wie er mit mir umgehen kann.

Mittlerweile bin ich wohl falsch abgebogen und stehe nun vor einem Notausgang. Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue nach oben, während ich mir nachdenklich auf meine Lippe beiße.

Verdammt, ich hab mich verlaufen!

„Bist du sicher, dass du hier lang willst?“, höre ich Connors tiefe Stimme recht nah an meinem Ohr und zucke daraufhin zusammen.

Muss er mich immer so erschrecken?!

Frustriert drehe ich mich zu ihm um und blicke prompt in ein fast schon belustigtes Gesicht. Etwas überrascht weiten sich meine Augen, doch schnell sehe ich wieder genervt drein.

Findet er das etwa lustig?!

„Dann führe mich doch mal, ich habe nun mal einen miserablen Orientierungssinn!“, meckere ich ihn halbherzig an.

Tatsächlich macht er sogleich kehrt und zieht mich mit. Beinahe wäre ich gestolpert, da der Android so schnell eine Drehung gemacht hatte, dass ich überhaupt nicht damit gerechnet hätte.

Und nun bin ich diejenige, die ihm Löcher in den Rücken starrt. Mein Blick gleitet seinen rechten Arm entlang, weiter zu seiner Hand.

Inzwischen hält er meine Hand nicht mehr am Handgelenk fest, sondern hat seine Hand mit meiner verschlossen.

Verdrossen versuche ich, diese niederträchtige röte in meinen Wangen abzuwehren. Doch vermutlich sehe ich wieder aus wie eine überreife Tomate.

Leise seufzte ich, ehe ich meinen Blick nun auf Connors Haarpracht lenke. Selbst beim Gehen wippen seine schokobraunen Haare ganz sachte mit.

Irgendwie bekomme ich Hunger auf etwas Süßes.

Ein Lachen entweicht mir daraufhin und just in diesem Augenblick habe ich etwas beschlossen. Niemand wird mich dabei aufhalten können!

„Connor“, sage ich leise und drücke leicht seine Hand, die sich wunderbar warm anfühlt. Selbst ein leichtes Kribbeln breitet sich in meinen Fingern aus, als Connor sich tatsächlich umdreht und mich etwas fragend anblickt, indem er den Kopf etwas schief legt.

Tief atme ich ein, dann versuche ich meinen allerbesten und bittesten Blick überhaupt aufzusetzen. Ich kralle mich in seinem Arm fest und sehe mit großen Hundeaugen zu ihm auf, zumindest hoffe ich das es dieser Blick geworden bin.

Denn seine verdammten Augen bringen mich noch komplett durcheinander!

Er ist nur eine Maschine, denk dran!

Auch wenn ich es mir mal wieder nicht vorstellen kann, wenn ich ihm mitten ins Gesicht blicke. Mit den feinen Härchen, die kleinen Grübchen und diesen Hautporen…

„Was…hältst du davon, wenn wir Weihnachten feiern?“, frage ich vorsichtig und mit wild klopfenden Herzen.

Er blickt mich überrascht und etwas verwirrt an, während ich ihn weiterhin bittend ansehe. „Bitte, für die Kinder…sie brauchen etwas Ablenkung“

Und ich vermutlich auch, wenn ich ihn noch länger anstarre!

Hastig senke ich meinen Blick und versuche meinen Herzschlag wieder zu beruhigen, doch als ich seine Stimme wieder höre, bin ich mir sicher es springt mir gleich aus dem Brustkorb.

„Wenn es euch Glücklich macht, dann spricht nichts dagegen“



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