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Soft epilogue

von

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Fragmented

„You ever been in love?“

„Once.“

„How'd it end?“

„It hasn't.“
 

-The Get Down
 

I. Ein früher Teil des Anfangs
 

Die Hitze war unerträglich.
 

Auch der sachte Windstoß, der durch das offene Fenster kam, brachte keiner Linderung mit sich. Nur das seichte Klingeln des Windspiels, was Ryuji für einige Sekunden wie hypnotisiert in seinen Bann zog, lenkte ihn von den heißen Temperaturen ab. Träge drehte er sich auf den Bauch, da der angesammelte Schweiß auf seinen Rücken anfing unangenehm zu jucken. Dabei knarzte der alte Holzboden unter ihm, was seinen Mitleidenden von seinem Handy aufschauen ließ.
 

Akira musterte ihn schweigend, bevor er energielos auf die Seite fiel und damit teilweise aus Ryujis Sicht verschwand. Dennoch konnte der Blonde ein amüsiertes Kichern nicht zurückhalten, da es zu dumm ausgeschaut hatte, wie ein Kuscheltier, dass nicht mehr hatte stehen wollen. Der Schwarzhaarige stimmte in das leise Gekicher mit ein, nur damit sie nach wenigen Augenblicke beide wieder verstummten.
 

Eigentlich hatten sie vorgehabt produktiv zu sein, wie etwa in Mementos Schatten aufzuspüren oder generell die Welt und ihren Namen zu retten. Doch die Sommerhitze hatte sie gestoppt und für einen Tag entschlossen sie, einfach nur zwei Teenager zu sein, die planlos herumhingen. Ryuji raffte sich soweit auf, dass er jetzt seine Beine auf das Bett über ihn bugsierte. Ein kläglicher Versuch eventuell Akira mit seinen stinkenden Füßen zu ärgern.
 

Doch nach einigem Wackeln mit den Zehen gab er bereits auf und starrte lieber die Decke des Zimmers an, wo er einige Sternensticker entdeckte. Stumm fragte er sich, woher Akira sie hatte und gerade als er seine Gedanken tatsächlich zu einem kohärenten Satz formen wollte, wurde er mit einer plötzlichen Berührung gestoppt.
 

Ryuji spürte wie etwas zärtlich sein stopeliges Bein entlangfuhr. Zuerst glaubte er, dass es eventuell ein Krabbeltier war. Bevor sein müdes Hirn den Befehlt zum wegschlagen geben konnte, verstand er, dass es Akiras Finger sein mussten. Was ihn erneut zum Innehalten einlud. Nicht wissend, was er mit dieser Erkenntnis anfangen sollte, hielt er nur angespannt den Atem an. Das zärtliche Streicheln setzte seinen Weg fort, wanderte langsam sein Bein hinauf bis zu der Stelle, wo die hässliche Narbe seiner Knieoperation prangte.
 

Die Finger hielten kurz inne, bevor sie wie eine Entschuldigung die Narbe entlangfuhren.

Ein wohliger Schauer lief ihm durch den Körper.

Das Bett knarzte, da Akira sein Gewicht verlagerte. Die Finger verschwanden. Stattdessen fühlte er plötzlich warmen Atem auf der Haut, die mit einmal viel zu überempfindlich war.

Ryuji wollte sein Bein wegziehen. Wollte es dort ruhen lassen und herausfinden, ob Akira wirklich gerade dabei war seine Narbe mit den Lippen zu berühren.
 

Dann klingelte Akiras Handy.
 

Erschrocken zog Ryuji seine Beine weg und ließ sie mit einem lauten Knall auf den Fußboden zurückfallen. Kurz schrillte das Ringen des Handy in dem sonst so ruhigen Raum, bis Akira genervt seufzte und abhob.

Es war Yusuke, der sie informieren wollte, dass sie doch noch einen Gang nach Mementos zu planen hatten. So nahmen die Dinge seinen Lauf und Akira und er rissen sich aus ihrer Lethargie und machten sich auf den Weg zu ihrem üblichen Treffpunkt.
 

Für den Rest des Tages vermied es Ryuji auch nur ansatzweise in Akiras Nähe zu sein.

Wenn der Schwarzhaariges es bemerkte, sprach er es nicht an.
 

Dennoch hing die unausgesprochene Frage noch mehrere Wochen schwer über ihren Köpfen.
 

II. Ein später Teil des Anfangs
 

„Ist das ein Liebesgeständnis?“, fragte Akira mit einem verschmitzten Halblächeln über den Rand seiner Kaffeetasse hinweg, während seine Finger mit der Schokolade spielten, die ihn Ryuji lustlos zugeschmissen hatte.
 

Ryuji konnte verzerrten, korrupten Erwachsenen eine Tracht Prügel erteilen und gegen sie gewinnen. Er konnte sogar gegen einen Gott antreten und als Sieger hervorgehen. Aber er konnte nicht gegen seine eigenen, dummen Gefühle ankämpfen, geschweige denn ihnen auch nur ein einziges Haar krümmen. Was absolut beschissen war.
 

Weswegen er nur verächtlich das Gesicht verzog. „Urgh, niemals. Sag sowas widerliches nicht!“

Eine kurze Stille entstand, in der Akira förmlich zu einer Statue erstarrte. Mit jeder verstreichenden Sekunden sackte Ryujis gesagte Worte mehr und mehr in ihm ein und sein Mageninhalt vollführte quälende Purzelbäume.
 

Dann lächelte Akira wieder. Ein Lächeln so angeklebt wie schlechter Putz an Wänden.

„Nur ein Spaß, Ryuji.“

Nur das es keiner war und sie es beide wussten.
 

Ein Jahr später warf Ryuji ihm erneut Schokolade zu und sagte nur: „Frag mich noch einmal.“

Akira fragte erneut.

Doch dieses Mal log Ryuji nicht.
 

Es war es ein Liebesgeständnis, wenn auch verspätet.
 

III. Ein kleiner Teil der großen Mitte
 

Ryujis Griff um den Tragegurt seiner Sporttasche verfestigt sich, während er stumpf zuerst Akira und dann das Bett anstarrt.
 

Um es genauer zu definieren, dass Etagenbett.
 

Endlich nach einer gefühlten Ewigkeit, presst er drei Wörter als eine eloquente Frage hervor:

„Was.Zur.Hölle?“

Akira dagegen, der bisher seine Arme ausgebreitet hatte, um das Möbelstück vorzuzeigen, als würde er in einer Werbung für Immobilien mitwirken, ließ diese sinken und stemmte die Hände in die Hüfte. Eine Geste der stummen Gegenfrage, dass der Blonde sich weiter erklären sollte.
 

„Was ist das?“, fügte Ryuji seiner ursprünglichen Frage an, was verbal keinen neuen Kontext bot, dafür aber durch geringschätziges Nicken in Richtung des Bettes mimisch erweitert wurde.

„Ein Bett?“, erwiderte Akira und Ryuji entging nicht, der leicht spöttische Unterton, den er von seinem Freund über die Jahre kennengelernt hatte und meistens dann nutzte, wenn er meinte, dass der Blonde sich äußerst kindisch benahm. Was seine Irritation nur noch mehr unnötig steigerte.
 

„Das sehe ich“, knurrte er also, „aber warum ist es in unserem gemeinsamen Schlafzimmer?“

Eine kurze Stille, in der Akira nur leicht den Kopf schief legte.

„Um zu schlafen?“

Genervt stampfte der Blonde einmal auf und fing an mit seiner freien Hand wild herumzufuchteln.

„Ich meine, warum zur Hölle ist unser Bett ein Etagenbett?“

„Magst du keine Etagenbetten?“,fragte Akira, wobei er wie die Unschuld vom Land klang und Ryuji, so sehr er ihn auch liebte, gerne einmal kräftig schütteln wollte.
 

Es hatte Akira genau drei Jahre, sieben Monate, zweiundzwanzig Tage und vierzehn Stunden gebraucht – alles Angabe, die der Lockenkopf so selbstsicher verlauten ließ, dass Ryuji ihn dabei nicht anzweifeln wollte – bis der Blonde zugestimmt hatte, mit ihm zusammenzuziehen.

Und zum Dank, dass er nachgegeben hatte, bekam er ein Etagenbett vorgesetzt.
 

„Ich habe nichts persönlich gegen Etagenbetten“, fing Ryuji an und wurde prompt von dem Anderen unterbrochen.

„Wo ist dann das Problem?“

„...das es ein Etagenbett ist...“

Akira runzelte die Stirn. „Aber du sagtest, du hast nichts gegen Etagenbetten.“

„Habe ich auch nicht“, verteidigte Ryuji seinen Standpunkt.

„Bist du dir sicher? Es hilft solche Sachen meistens zuzugeben, damit man daraufhin arbeiten kann, sie zumindest zu tolerieren und niemanden Leid anzu-“

„Wow, wow, wow, stopp Akira, ich bin kein Etagenbett-Rassist!“

Ein süffisantes Grinsen um die schmalen Lippen seines Freundes. „Sicher?“

Als Antwort warf Ryuji ihm nur seine schwere Sporttasche entgegen und dann sich selbst hinterher.
 

Nach einigen Minuten des gutwilligen Rangelns und der Schwitzkastengriffe, sanken sie Beide schwer atmend auf das untere Bett. Für einige Minuten schwiegen sie nur, bis Ryuji sich auf die Seite lehnte und sofort mit einem Akira belohnt wurde, der es ihm gleichtat.

Zärtlich strich Ryuji dem Schwarzhaarigen eine seiner verirrten Locken aus dem Gesicht, was diesen dazu verleitete, sich endlich zu erklären.

„Ich wollte dich nicht absolut verschrecken.“
 

Für eine Sekunden setzte Ryujis rationales Denken aus, bevor er die Nase in Unverständnis kräuselte.

„Mich verschrecken?“

Akira zuckte leicht mit den Schultern, bevor er dann mit fester Stimme erklärte, so als wäre er auf einer Mission gegen Schattenmonster.

„Damit du weiterhin die Wahl hast, den Leuten zu erzählen, ob wir nur befreundet oder zusammen sind und keiner von ihnen Verdacht schöpft, falls sie zu Besuch kommen.“
 

Ryuji starrte Akira nur verblüfft an.

Dann lachte er und im nächsten Moment küsste er den Anderen atemlos.

Nach drei Jahre, sieben Monate, zweiundzwanzig Tage und vierzehn Stunden ließ ihm Akira noch immer die Wahl, was er für ihn sein wollte.
 

Nach drei Jahre, sieben Monate, zweiundzwanzig Tage und sechzehn Stunden schleppte Ryuji seinen Freund in ein Bettengeschäft, damit sie sich ein ordentliches Bett aussuchen konnten.
 

IV. Die Momente zwischendurch
 

„Nur um das richtig zu verstehen“, fing Akira an, während er gestresst seine Stirn mit Daumen und Zeigefinger massierte. „Du hast uns zwei Karten für das Theater besorgt.“
 

„Yep“, antworte Ryuji kurz angebunden, während er seine Hände in seine Hosentaschen steckte und unwohl mit seinen Fuß über den Boden schabte. Akira ignorierte das Unwohlsein des Blonden komplett und fuhr unbeirrt fort.

„Wobei es eigentlich vier Karten sind.“

„Jop.“

„Vier Karten für ein Date zu zweit.“

„Yeah...“

„Was kein Date mehr ist, da du die anderen zwei Karten meinen Eltern gegeben hast.“

„Richtig.“
 

Eisige Stille.

Ryuji wünschte sich, er könnte im Nichts verschwinden.

Akira hielt ihn gekonnt und mit gezielter, unterdrückter Wut davon ab.

„Woraufhin du noch zwei Karten gekauft hast, um Ann und Shiho mitzunehmen. Was das Ganze zu einem Doppel-Date mit meinen Eltern machen würde.“

„Eventuell?“

„Nur das wir meinen Eltern erklären, dass nicht wir und Ann und Shiho sich daten, sondern jeweils einer von uns eines der Mädchen?“

„Vielleicht?“
 

Akira schaute an die Decke und Ryuji konnte förmlich mitverfolgen, wie der Lockenkopf sein bisheriges Liebesleben mit dem Blonden hinterfragte.

„Schau, ich weiß, dass du und deine Eltern nicht gerade die beste Beziehung zueinander habt“, ein abfälliges Schnauben seitens Akira, „aber ich dachte, nun wenn sie vielleicht sehen, wie glücklich du mit deinen Freunden und mir bist, würden sie vielleicht eher dem Gedanken offen gegenüber sein, dass du und ich zusammen sind und irgendwann offiziell heiraten...und wenn nicht, dann könnten wir noch immer lügen und nicht alles in den Sand setzen...und….Akira, warum schaust du mich so an?“
 

Ohne ein weiteres Wort, umarmte Akira ihn so heftig, dass es Ryuji beinahe von den Füßen gerissen hätte.

„Lass uns auf dieses blöde Date gehen“, flüsterte der Schwarzhaarige ihn mit belegter Stimme in den Nacken. Ryuji lächelte nur sanft und streichelte beruhigend den wirren Haarschopf.
 

V. Die kleinen Momente zwischen den Momenten
 

„And I'll alwaaaaaaaaays love youuuuuuuuu“, posaunte Ryuji betrunken und schief heraus, während er auf den Kopf eines Holzpinguins balancierte. Dabei griff er sich dramatisch ans Herz und zwinkerte verführerisch – was eher einer Besorgnis erregender Zuckung glich – Akira zu.
 

Akira selbst stand genauso betrunken unter ihm und lachte, bevor er dramatisch mit in das Lied einstimmte, aber weniger schief als sein Partner.

Yusuke dagegen starrte sie nur verdrossen an, obwohl der Alkohol ihn ebenso wie seine Freunde schwanken ließ.

„Wenn ich gewusst hätte, dass ihr euch so daneben benimmt, wenn wir die Veröffentlichung meiner eigenen Galerie feiern, hätte ich lieber alleine gefeiert.“
 

„Pscht, Schwachsinn“, leierte Ryuji, wobei er bedrohlich schwankte und Akira schon die Arme ausbreiten ließ, so als könnte er tatsächlich einen erwachsenen Mann ohne weiteres auffangen.

„Du musst mitsingen, dann hast du auch Spaß! Richtig, Aki?“

Akira schaute zu Yusuke rüber und zuckte nur mit den Schultern.

„Ein Versuch ist es wert.“
 

Erneut grölte Ryuji los, worauf Akira munter einstimmte und nach wenigen Minuten, in denen sie nicht locker ließen, sang Yusuke auch mit. Worauf sie wirklich Spaß hatten. Auch noch, nachdem sie es auf dem Drehkreisel übertrieben, Ryuji die Hälfte seines Mageninhaltes ausbrach und sie schlussendlich von dem Kinderspielplatz fliehen mussten, als ein Polizist ihnen verärgert zurief.
 

Auch nach all den Jahren steckten in ihnen alle noch ein Stückchen der Diebe, die sie als Jugendliche gewesen waren. Nur das ihr Lachen dieses Mal viel leichter und sorgloser war.
 

VI. Die etwas ungünstigen Anekdoten würdigen Zeiten
 

„Hmm, das ist jetzt ungünstig“, ließ Akira seelenruhig verlauten, nachdem die Sprachnachricht von Makoto verklungen war.
 

Ryuji knirschte mit den Zähnen und versuchte sich mit aller Macht an dem Felsen vor ihm festzuhalten. Das Sicherungsseil knarzte bedrohlich unter seinem Gewicht und vor seinem geistigen Auge stützte er Meilen in die Tiefe bis er nur noch ein blutiger Fleck auf dem Boden war.

„Glaubst du, ja?!“ Brüllte er panisch.
 

„Ich meine, logisch gesehen, wenn man den Verkehr und alles mit einrechnet, schaffen wir es nie rechtzeitig zur Geburt ins Krankenhaus“, führte Akira seinen Gedanken behutsam weiter und lehnte sich weiter zurück, damit er das Seil an dessen Ryujis Überleben hing, besser umgreifen konnte.
 

„Akira, ich weiß nicht einmal, ob ich die nächsten fünf Minuten überhaupt überstehe!“ Erinnerte er den Schwarzhaarigen laut und panisch an seine jetzige Situation. Doch Akira schien das Ganze nicht zu hören oder es schien ihn auf eine verdrehte Art nicht zu kümmern.

„Wir könnten Glück haben, wenn wir die Seilbahn um Halb erwischen und dann die Linie 34 um viertel nach...eventuell auch Linie 17, aber die tendiert dazu auszufallen.“

„Ich.Sterbe.Hier! Erde an Freund!“
 

Von oben ertönten Rufe von den Leuten, die Akira dabei helfen würden, dass Ryuji nicht in den Tod stürzte. Erleichterung machte sich im Blonden breit und er betete zu allem was ihm heilig war, dass solange das Seil noch halten würde.

Tatsächlich kamen die Helfer rechtzeitig an und hievten ihn auf sicheren Boden. Die ganze Zeit über, war Akira ungewöhnlich still und zurückhalten. Erst als sie sich wieder in der Seilbahn befanden, um schnellstmöglich zur Geburt ins Krankenhaus zu kommen, erhob der Lockenkopf wieder das Wort.
 

„Willst du wissen, warum ich so ruhig war?“

Ryuji schaut erschöpft und angefressen zu seinem Freund hinüber, auch wenn er ihm das nie sagen würde. Denn Akira war schon immer der Härtere von ihnen gewesen, wenn es um Nerven und lebensbedrohliche Situationen ging. Wofür er ihn gleichzeitig bewunderte und beneidete.

„Warum?“ fragte er also, um den Anderen zu belustigen.
 

„Weil du nicht vor mir sterben wirst.“

Keine Erklärung. Keine Frage.

Ein festes Statement, wogegen es keinen Widerspruch gab.

Als stünde es schon lange fest.

Ryuji sprach es nicht aus, aber dieser Gedanke tröstete ihn keineswegs.

Denn die Vorstellung sein Leben ohne Akira zu verbringen, war schrecklicher als jeder Tod es hätte sein können.

Trotzdem sagte er nur: „Okay.“ und sprach die Wahrheit nicht aus, da sie zu real erschien, um sie laut auszusprechen.
 

Sie schafften es rechtzeitig zur Geburt. Auch wenn sie unterwegs noch einen Penner bestechen musste und samt Einkaufswagen, an einer Pferdekutsche hängend, über die Hauptstraße donnernten.

Leben und Tod lagen näher aneinander, als es Ryuji jemals bewusst gewesen war.
 

VII. Der Teil in der Mitte
 

Akira kicherte sachte, wodurch die Röte nur noch mehr Ryujis Nacken entlang wanderte.
 

„Lach nicht“, zischte er, was den Schwarzhaarigen nur noch mehr in einen Lachanfall verfrachtete, den er möglichst versuchte zu unterdrücken. Genervt verschränkte der Blonde die Arme vor der Brust und schaute beleidigt seine Schnürsenkel an.
 

Neben ihm beruhigte sich Akira soweit, dass er wieder Wörter sagen konnte, wobei er eine Hand Halt suchend auf Ryujis Oberarm ablegte. „Verzeihung, es ist nur...zu...gut“, presste der Andere hervor, bevor ein erneute Welle des Lachens über ihn hereinbrach. Ryuji knurrte genervt und verdrehte die Augen.
 

„Kein Grund so eingeschnappt zu sein. Auch wenn du der stoische, starke und verwegene Kerl bist, bist du immer noch wahnsinnig süß, da hat sie schon recht“, spöttelte Akira jetzt, nicht ohne jedoch ihn dabei beruhigend im Nacken zu kraulen. Jedoch lösten seine Worte nur aus, dass Ryuji die Hitze erneut ins Gesicht stieg.
 

„Ich bin nicht süß“, presste er gereizt hervor.

„Hm“, summte Akira nur amüsiert, bevor er seinen Kopf auf die Schulter des Anderen legte. „Ich finde dich wahnsinnig süß, wenn du errötest.“

„Scheiße, nächstes Mal kann Makoto ihre Tochter selbst abholen kommen!“ Fluchte Ryuji beschämt.

„Pass auf, was du sagst“, rügte ihn Akira, da sie sich noch immer im Kindergarten befanden und in Hörweite dieser.
 

Dann lehnte er sich noch ein Stückchen näher an ihn heran, so dass er Ryuji direkt ins Ohr flüstern konnte.

„Ich liebe es aber noch mehr, wenn du wegen ganz anderer Sachen errötest.“

Am Ende als Mina, Makotos Tochter mit gepackter Schultasche auf sie zugerannt kommt, ähnelt Ryuji mehr einer Tomate als einem Menschen.
 

Am Abend dieses Tages erinnert Akira ihn nur zu gerne daran, an welches Erröten er dabei gedacht hat.
 

VIII. Der Anfang von dem Rest der Mitte und alles was danach kommt
 

„Schau, ich habe keine Ahnung, ob es solch ein kitschiger Schwachsinn wie Seelenverwandte überhaupt gib“, fing Ryuji an, was genau der falsche Anfang war.
 

Denn Akira vor ihm schaute ihn plötzlich so an, als hätte er gerade einen Sack voller Kätzchen ertrunken. Was er ihm mehr als übel nehmen würde. Himmel, er würde es sich übel nehmen.

„Oh, okay...“
 

„Wow, halt die Pferde im Zaun! So meinte ich das nicht.“ Nervös leckte Ryuji sich über die Lippen. Als er die ganze Sache mit Ann durchgegangen war, hatte sich das alles viel besser angehört. Aber dann war Ann womöglich auch nicht die beste Wahl gewesen, wenn man bedachte, dass sie von Taubenscheiße bedeckt gewesen war, als sie ihre Liebe Shiho gestanden hatte. Trotzdem hatte sich das Grundprinzip perfekt angehört.
 

Hinter ihnen johlten einige Kinder fröhlich herum, während sie sich mit der Zuckerwatte bewarfen, die auf der ganzen Straße verteilt war. Wobei ihre Eltern weniger begeistert aussahen, insbesondere diejenige, die mit pinker Elefantenkotze gerade die Besitzer der Zirkuswagen zurecht stutzen. Ryuji hatte keine Ahnung, wie ein romantischer Spaziergang mit einem Zirkusbesuch, damit enden konnte, dass ein rachsüchtiger Eisverkäufer so viel Schaden anrichten würde. Womöglich hätte er die Enten nicht in dessen Stand scheuchen sollen. Definitiv nicht. Aber er hasste Enten.
 

Was nicht der Punkt war.
 

Der Punkt in diesem Moment war, dass sein ausgeklügelter Plan völlig daneben gegangen war und Akira dachte, er würde ihn nicht lieben. Oder so ähnlich. Auf jedenfall sollte er sich schleunigst korrigieren, bevor er ebenso ein Opfer der Elefantenkotze wurde.
 

„Was ich meinte“, startete Ryuji von vorne und holte tief Luft, „ich habe keine Ahnung, ob es so einen Mist gibt. Aber wenn, nun, dann muss es genau das zwischen uns sein, richtig? Wenn es nicht sogar besser ist, richtig? Und auch wenn es nichts von alledem ist, ist es besser als alles, was es sein könnte. Verstehst du?“ Dabei verhaspelte und verschluckte er sich so heftig, dass alles nur als großes Gestotter herauskam. Er war wirklich furchtbar in sowas.
 

Akira hob fragend eine Augenbraue, bevor er sich verlegen an der Wange kratzte und räusperte.

„Ryuji, fragst du mich gerade, ob ich dich heiraten möchte?“

„Was?! Nein! Ich wollte dir nur sagen, wir sehr ich dich wirklich liebe!“

„Oh.“

Hinter ihnen gab es ein erneutes Würgegeräusch, was sich wie eine undichte Rohleitung anhörte und Eltern schrien ihre Kinder an in Deckung zu gehen.

„...aber wenn du mich heiraten möchtest, wäre ich voll dabei“, fügte Ryuji leise und mit hochrotem Kopf an.
 

Ryuji war eine Katastrophe, wenn es um das ganze Liebeszeug ging. Zum Glück kümmerte sich Akira um die Hochzeitsplanung. Wobei der Schwarzhaarige herzhaft lachen musste, als ausgerechnet ein Elefant außerhalb des Standesamtes auf sie wartete.
 

X. Der Anfang des unvermeidbaren Endes
 

Ryuji kannte das dunkelste Geheimnis Akiras.
 

Was nicht sonderlich schwer war, wenn man mit ein und derselben Person seit fast achtundzwanzig Jahre zusammenlebte. Dennoch erstaunte es ihn immer wieder, wie sehr Akira es abstritt. Sogar dann, wenn er durchgängig davon Zeuge wurde. Es war mehr als belustigend, wie vehement er es abstritt und im nächsten Moment zeigte.
 

Akira liebte es nicht nur unter der Dusche zu singen, sondern ebenso wild dazu zu tanzen.
 

Dabei variierten seine Musiknummern von irgendwelchen Pop-Songs, die auf und ab im Radio liefen oder irgendeinem anderen Zeug, welcher zufällig auf seiner Spotify-Liste eingeblendet wurde. An manchen Tagen durfte Ryuji sich sogar ein Lied wünschen, was meistens damit endete, dass er in das ganze Theater miteinbezogen wurde.
 

Dennoch war es Ryujis liebstes Geheimnis über Akira, da er nie müde wurde, ihn dabei zu beobachten, wie er nur mit einem Handtuch um die Hüfte und dem Kamm in der Hand, eine energiegeladene Show für ein unsichtbares Publikum und ihn bot.
 

Zumindest war es das gewesen, bis zu jenem Abend, an dem plötzlich das laute Gesinge schlagartig verstummte und ein lautes Poltern ertönte. Besorgt hetzte Ryuji ins Bad, nur um einen bewusstlosen Akira auf den Fliesen liegend zu sehen. Zuerst hatte er angenommen, dieser wäre unglücklich in einer Pfütze ausgerutscht.
 

Später als sie im Krankenhaus waren, da Akira auf Verdacht einer Gehirnerschütterung untersucht werden sollte, fand Ryuji heraus, dass dem nicht so gewesen war. Sondern das der Schwarzhaarige von ganz alleine das Bewusstsein verloren hatte.

Ein weiteres, wenn auch ebenso nicht gut behütetes Geheimnis von Akira war, dass er niemals seine Versprechen brach.
 

Auch wenn sie vom Sterben handelten.
 

XI. Die melancholische Mitte des Endes
 

Futaba hatte den alten Wagen aufbewahrt.
 

Der Bus war mehr als in die Jahre gekommen und es hatte einiges an Geduld und Reparaturen gekostet, um ihn wieder zum Laufen zu bringen. Aber am Ende war er mit einem lauten Krachen zum Leben erwacht, was sie allesamt in Hochstimmung versetzt hatte.
 

Wie damals nachdem sie die Welt und ihre eigenen Existenzen gerettet hatten, fuhren sie einfach blindlings drauf los. Der Sonne entgegen, ihre Herzen alle im selben Takt, ohne an die Zukunft oder irgendwelche Konsequenzen zu denken. Nur sie alle zusammen und das war, was zählte.
 

Neben ihm erhob sich Akira von seinem Sitz und schob das Sonnendach des Autos auf. Ryuji beobachtete ihn kurz, wie der Fahrtwind seine Haare durcheinander brachte und die letzten Sonnenstrahlen seine scharfen Konturen entlangfuhren. Aber es waren seine grauen Augen, die ihn immer an frischen Nebel am Morgen erinnerte, der ihn stets um die Knöchel geisterte, wenn er rannte, die ihn fesselten.
 

In ihnen war eine Entschlossenheit und Zufriedenheit, die den Tod furchtlos ohne Reue direkt anschauten, was Ryujis Herz leicht und schwer zur selben Zeit machte.
 

Akira war bereit.

Ryuji würde es nie sein.
 

Er war es nicht gewesen, als Akira nur für einige Monate Meilen entfernt in einer anderen Stadt gelebt hatte. Und er würde es erst recht nicht sein, wenn zwischen ihnen Erde und fleischlose Knochen standen.
 

Der Lockenkopf schien sein Starren zu bemerken, da er jetzt zu dem Blonden hinab schaute. Kurz schauten sie sich nur an, bis Akira ihm voller Zuneigung lächelnd die Hand entgegenstreckte und ihn einlud, mit ihm zusammen den Augenblick zu genießen. Zuerst rührte Ryuji sich nicht, sondern brauchte einige Sekunden, um sich zu wappnen, sich zu fassen und griff schließlich dann nach der warmen, von Lebend pulsierenden Hand.
 

Die kühle Fahrtluft flog ihm nur so um die Ohren, was anfangs unangenehm war. Aber als er dann die Aussicht auf das Meer genoss und schließlich auf Akira, der jetzt genüsslich die Augen geschlossen hatte, störte es ihn nicht weiter. Er brannte sich den Anblick des Anderen so gut es ging ein.
 

Nein, Ryuji würde nie bereit dazu sein, ein Leben ohne Akira zu führen.
 

Schließlich drängten sich Ann, Yusuke und Futaba mit in die Öffnung, was dazu führte, dass sie wie die Fische in einer Dose aneinander gedrückt waren. Sie schoben, beleidigten und lachten unter den empörten Rufen von Makoto und den Zurufen von Haru.

Aber während Akira herzhaft lachte und dabei von seinen Freunden, die seine über alles geliebte Familie waren, umgeben war, konnte Ryuji zumindest mit dieser Tatsache Frieden schließen.
 

Er mochte nie bereit dazu sein.

Aber Ryuji war froh, dass er ein Großteil seines Lebens mit Akira hatte verbringen können.

Und am Ende war es das, was am meisten zählte.
 

XII. Das Ende
 

Es roch und klang nach Frühling.
 

Durch das geöffnete Fenster des Krankenhauszimmers wehte ein angenehmer Wind, der kommende Wärme versprach. Ryuji schloss halb die Augen und lehnte sich in die harte Lehne des Stuhls zurück, um seine Beine besser auf Akiras Schoss zu heben. Eine Bitte, die er ihn ohne Zögern gewährt hatte.
 

Wortlos rollte Akira sein linkes Hosenbein hoch, dort wo die Narbe von Ryujis Knieoperation gewesen war. Sanft zog er die über Jahre verblassten Konturen der Narbe nach. Die gleichen Finger, nur mit mehr Alter, verpasste ihm dennoch immer noch das gleiche, angenehme Schaudern.

Still verharrten sie so, gefangen im Hier und Jetzt und gleichzeitig in der Vergangenheit eines alten Sommertages.
 

Draußen schmolz der letzte Schnee des Jahres, als ein letzter Kuss auf eine alte Narbe gehaucht wurde und Akira für ein letztes Mal die Augen schloss.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Valenfield
2018-07-18T13:18:52+00:00 18.07.2018 15:18
Hey!
Bitte entschuldige, dass es so unfassbar lange gedauert hat, diesen Kommentar zu schreiben. ;_; Ich "musste" die Geschichte noch (zwei, vier, zwölf...) Mal lesen, und AHH listen to me scream.
Im Allgemeinen ist die ganze Beschreibung ihrer Beziehung von harmloser Freundschaft zu unterdrückten Gefühlen zu gelebten Gefühlen einfach toll??? Ryuji, der Akira zum zweiten Mal (hoffentlich gleichsam billige HAHA) Schokolade zuwirft, damit er noch mal fragt; Akira, der Ryuji über das Etagenbett neckt, obwohl er es eigentlich aus Respekt und Verständnis besorgt hat.
Und!! YUSUKE!! Ahhhhhh anfangs fand ich ihn so nervtötend, aber seine Confidant Route ist GOLD (und AkiRyuKita auch HUST). Dann dieses herzzerreißende Bild von Akira, wie er felsenfest überzeugt erklärt, dass es ja völlig LOGISCH war ruhig zu bleiben, weil Ryuji selbstverständlich nicht vor ihm sterben wird. ;_; Ahhh my boys.
(Ich glaube, für das Bild mit dem Einkaufswagen an der Pferdekutsche muss ich irgendwann mal eine Commission aufgeben, OMG!)

...aber wenn du mich heiraten möchtest, wäre ich voll dabei
AHHHHHHHHHHHHH!!
(UND DER VERDAMMTE ELEFANT WIE HAMMER IST DAS DENN ;_;)

Und dann und dann!!! *schreit laut*
BRICHT MEIN HERZ
"Akira war bereit.
Ryuji würde es nie sein."
WIESO!!! WIESO und das Ende ich AH oh mein Gott!! Alles was mit dieser verdammten Narbe zu tun hat macht mich 1000000000000000% emotional I CRY.

Okay, ich...atme ein (1) Mal tief durch...
Ich liebe Geschichten in dieser Form! Momentaufnahmen von Anfang bis Ende, besonders bei diesen beiden Trolls, die so verschieden und doch so gleich sind, und auch wenn mein Herz ein bisschen gebrochen ist (HAHA EIN BISSCHEN???), so hatten die beiden doch ein gutes Leben zusammen und HNNhghhh I LOVE THEM.
Man spürt extrem gut diesen graduellen Übergang von entspannten Teenagern zu (jungen) Erwachsenen, wie sich das Energetische in Lethargie wandelt, wie Erwartungen zu Melancholie werden, und das ist einfach schön ;_;

Danke. Danke hierfür!!! <3
Antwort von:  Rix
19.07.2018 14:37
Ach wegen der Dauer brauchst du dich nicht entschuldigen, ich bin da nicht so ungeduldig. Lieber bekomme ich eine ordentlich Rückmeldung als irgendwas rasch dahin geklatschtes xD
Und awwwwwwwwwwweeeee, ich kann dir nicht sagen, wie glücklich es mich macht, dass dir die ganze FF solche Gefühle abverlangt hat! Und das sie genau das rübergebracht hat, was ich erreichen wollte - auch wenn sie eine bittersüße Note am Ende trägt. Sry dafür, aber da kam mein Dramagen durch xD

Wie gesagt, ich hatte ja erst zwei andere Versionen davor, die so ähnlich gewesen wären. Die Erste hat sich ziemlich ans Spiel gehalten, aber nah, irgendwe fühlte sch das zu gezwungen an (auch wenn ich eine Szene drinne hatte, in der sie ja am Stand sind und Ryuji nicht anders kann als Akira anstarren bzw Yusuke ihn darauf hinweist). Generell mag ich Yusuke auch super gerne! Ging mir da genauso wie dir, bei mir hat seine Confidant Route ihn mir super sympathisch gemacht <3 Die zweite Version war suuuuuuuuper heavy und deprimierend, weil kA, ich ein wenig HC das Ryuji am Anfang ziemliche Problem mit seiner Bisexuallität hat und kA, ich war mir nicht sicher, ob du das mögen würdest. Aber dafür trauere ich YT-Star Akira etwas hinterher, der in der Geschichte vorkam xDD
Und dann hab ich halt ein Mischmasch aus den ertsen zwei Versionen in dieses verpackt. Wollte halt etwas eigentlich fluffiges/lustiges für sie machen, aber gleichzeitig auch zeigen, wie so eine langjährige Beziehung funktioniert/wie man daran wächst. Und ja, es war genauso billige Schokolade. Und Sollte du das Bild mit der Pferdekutsche jemals in Commission geben, würde ich das auch nur zu gerne sehen xDDD
Und die Narbe ist soooooo ein verdammter HC von mir, ich bin so froh, dass du ihn mochtest! =D

Auf jedenfall vielen lieben Dank dafür, dass ich für dich schreiben durfte und das du diese Momentaufnahmen von unserem Chaos-Duo so sehr mochtest. Ist das größte Lob was man kriegen kann <3


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