Zum Inhalt der Seite

Leben unterm Polarlicht

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Leben unterm Polarlicht

Mit vielen lieben Worten und Grüßen an ihre Eltern verabschiedeten Anna und Jón bei Gréta. Lächelnd versprach sie: „Ich werde eure Grüße überbringen.“ Obwohl sie technisch gesehen Nachbarn war, sah man sich selten, schließlich lagen die beiden Farmen zwei Stunden Ritt entfernt.

Gréta schielte zu den Fremden und ihren Führer hinüber. Soweit sie es verstanden hatte, handelte es sich bei ihnen um Geologen, die Untersuchungen im näheren Hochland anstellen wollten. Wie wünschte sie mit ihnen reiten zu können, doch sie wurde daheim gebraucht. Viel lieber als die lästigen alltäglichen Pflichten zu erledigen, würde sie ein Abenteuer erleben. Es interessierte sie, warum Geysire kochendes Wasser spuckten und weshalb die Lavafelder, auf denen sie Brot buk, warm waren.

Sie konnte die Diskussion zwischen den Fremden und einem der Führer einigermaßen verfolgen, da Kristján ihr ein wenig englisch beigebracht hatte. Gerade ging es darum, ob einer der Führer sie zurück begleiten sollte und sich erst später wieder der Reisegruppe anschließen sollte.

Gréta streichelte Ari und überlegte. Mit ihrem bruchstückhaften Englisch hatte sie es auf dem Hinweg tatsächlich geschaffte eine Konversation mit einem der Geologen zu führen. Er schien sie einigermaßen verstanden zu haben, außerdem war da zur Not noch Pétur der Führer, der übersetzen könnte. Sie griff Ari zügel fester und führte ihn zur Reisegruppe.

„Ich kann alleine zurückreiten“, warf sie in einer Gesprächspause ein.

„Entschuldigen Sie, Miss, aber es wäre unverantwortlich, ließen wir sie den Rückweg alleine zurücklegen“, antwortete Mr. Brian Woodrow, der jüngste Expeditionsteilnehmer ihr.

„Mit Verlaub, ich reite die Strecke jetzt im Sommer regelmäßig alleine,“ gab Gréta zurück, „Es würde ihre Expedition verzögern, würde Pétur mit mir reiten, nur um Sie später einholen zu müssen.“

„Das ist schon in Ordnung, Gréta.“

„Ich dachte, Sie wollten ihren Ausgangspunkt möglichst bald erreichen.“

„Es wäre dennoch unverantwortlich Ihnen gegenüber, Miss.“

„Wie ich schon sagte, ich kenne die Strecke gut, wollten sie mich nicht aus diesem Grund als Führerin?“

Pétur seufzte. „Sie hat Recht, es würde die Expedition ziemlich zurückhalten und sie ist hier die Ortskundige.“

„Ich könnte es nicht verantworten, würde Ihnen auf dem Ritt etwas zustoßen, Miss“, wandte Woodrow erneut ein.

„Das liegt nicht in ihrer Verantwortung, Sir, sondern in meiner!“, begehrte Gréta auf. Seufzend beobachtete sie, wie sich nun auch noch Jón ins Gespräch einmischte. Warum glaubten die Männer eigentlich ein Recht darauf zu haben über ihr Leben zu bestimmen?

So verzögerten sie nur die Abreise aller!

Jóns Intervention erbrachte allerdings, dass sie alleine zurückreiten durfte.

Erleichtert winke Gréta Jón und Anna, während sie ihren Rückweg antrat. Zwei Stunden Ruhe erwarteten sie, zwei Stunden, die sie ganz für sich hatte, wo niemand etwas von ihr wollte oder erwartete. Umgeben von der faszinierenden Landschaft ihrer Heimat entspannte Gréta sich. Sie verließ sich auf Aris Trittsicherheit, dennoch achtete ebenfalls auf die Umgebung. Der Himmel leuchtete blau über ihr. Die Luft war kristallklar. Auf dem schwarzen, scharfkantigen Lavagestein schimmerte das Moos wie ein lebendes Juwel. In der Ferne spukte ein Geysir eine Wasserfontäne.

Trotz dieser Schönheit um sie herum wanderten Grétas Gedanken auf verschlungenen Pfaden fort von ihrer Heimat.

Wie es wohl in England war? Oder in Kopenhagen? Wie wäre es zu studieren? Sie konnte es sich kaum vorstellen, obwohl Kristján ihnen aus Kopenhagen viele Briefe geschrieben hatte und ihr später all ihre Fragen dazu beantwortet hatte.

Selbst der Gedanke an eine Stadt, in der man unter lauter Fremden war und fast niemanden kannte, überstieg Grétas Vorstellungsvermögen.

Leider hatten ihre Eltern nicht genug Geld, um auch ihr ein Studium zu ermöglichen, besonders jetzt, wo sie Kristjáns Plan eines Gewächshauses finanziert und umgesetzt hatten.

Vielleicht, falls sich das Gewächshaus lohnen würde, könnte sie wenigstens in der Hauptstadt an der noch recht neuen Universität studieren. Allerdings gab es dort keinen naturwissenschaftlichen Zweig, soweit sie wusste.

Und außerdem war sie nur ein Mädchen. Ihre Eltern erwarteten, dass sie heiratete statt zu studieren. Dabei war es das, was sie wollte, mehr über die Welt lernen. Am liebsten würde sie mehr über die schlafenden Giganten ihrer Heimat wissen wollen.

Gréta runzelte die Stirn. Etwas in der Umgebung hatte sich verändert und dabei dachte sich nicht an den Nieselregen, der inzwischen eingesetzt hatte. Das da vorne sah merkwürdig aus. Klar es waren ein paar kleinere Felsbrocken, aber es war mehr als das.

Vorsichtig näherte Gréta sich auf Ari dem Etwas. Hier in der Gegend war Vorsicht immer angebracht, gab es doch Erdspalten, heiße Quellen und kochende Geysire zu beachten.

Je näher sie kam desto deutlicher wurde es, dass es sich bei dem Etwas um ein Tier mit dunkelbraunem Fell handelte. Schließlich konnte sie erkennen, dass es ein Polarfuchs war. Der Fuchs war halb unter einem Steinbrocken eingeklemmt. Gréta brachte Ari zum Stehen, stieg ab und führte den Hengst zu einem Fleckchen mit süßem Gras, so dass er nicht abhauen würde. Langsam näherte sie sich dem Fuchs.

Das Tier blickte ihr ruhig entgegen und machte keine Anstalten zu fliehen.

„Hilf mir!“

Bildete sie sich das ein? Gréta meinte den Satz klar und deutlich vernommen zu haben, doch weit und breit war sie der einzige Mensch. Bur ihr Pferd und der Fuchs waren in ihrer Nähe, beides keine Tiere, die gemeinhin sprachen.

„Bitte, hilf mir!“

Da war es wieder. Ganz deutlich hatte sie die Stimme einer jungen Frau vernommen. Mit gerunzelten Brauen schaute Gréta sich um. Hier war die Gegend von ein paar einzeln aufragenden Felsen abgesehen flach. Es blieb dabei, in der Nähe waren nur Ari und der Fuchs.

Der Blick des Tieres war genau auf Gréta gerichtet, die ihrerseits das eingeklemmte Tier musterte. Es wirkte völlig gelassen, eigentlich viel zu gelassen in der Nähe eines Menschen. Ob es Tollwut hatte?

Rasch verdrängte sie den Gedanken. Gréta mochte Polarfüchse, obwohl sie hin und wieder Hühner rissen. Eigentlich sah man sie eher selten in dieser Gegend. Gréta zog ihren Mantel aus. Sie würde den Fuchs befreien, aber sie wollte das Risiko gebissen zu werden verringern.

Mit dem Mantel in den Händen trat sie auf das Tier zu, welches immer noch ruhig blieb. Fast erschien es Gréta als könnte sie Zustimmung auf dem Gesicht des Tieres erkennen. Rasch warf sie den Mantel über den Kopf des Fuchses. Nun zappelte er doch ein wenig. Gréta drückte ihn mit einer Hand auf den Boden, während sie mit der anderen begann kleinere Steine zu entfernen. Nun bemerkte sie, dass ein Hinterbein des Tieres in einer Erdspalte steckte. Aber ansonsten hatte das Tier Glück gehabt, denn die kleineren Steine trugen den Großteil des Gewichts des Felsbrockens und nur ein Bruchteil lastete auf dem Fuchs.

Als es Gréta möglich war, ihre Hand in die Spalte nahe dem Hinterlauf zu schieben, betastete sie das Bein. Es schien nicht gebrochen zu sein. Ihr Herz klopfte heftig, denn nun musste sie beide Hände benutzen, um den großen Brocken zu entfernen.

Es dauerte einen Augenblick, bis sie einen geeigneten Griff gefunden hatte, um ihn hochzuheben. Die ganze Zeit lag der Fuchs ruhig und ohne zu zappeln da, so als warte er geduldig darauf, dass Gréta ihre Arbeit beendete.

Grét atmete tief ein und hob den Stein an. Er war ziemlich schwer. Nur zwei Schritte entfernt entglitt er ihrem Griff. Ari ließ sich von dem nicht beeindrucken, den Fuchs hingegen brachte es auf die Beine. Aber noch war das Tier in der Spalte gefangen. Rasch lief Gréta zurück. Um den Hinterlauf zu befreien, musste sie den Spalt ein wenig erweitern.

Kaum war genug Gestein entfernt und der Hinterfuß locker, da zerrte der Fuchs das Bein aus der Spalte. Mit dem Mantel über dem Kopf stand er wackelig da. Gréta griff den Mantel, zog ihn weg und trat ein paar Schritte zurück. Wider Erwarten rannte das Tier nicht sofort los. Stattdessen drehte der Fuchs ihr den Kopf zu. Gelbe, intelligente Augen musterten sie. Mit einem Kopfneigen, das wie eine Abschiedsgeste wirkte, nahm das Tier noch einmal Notiz von ihr, bevor es langsam davon hinkte.

Gréta schüttelte den Mantel aus und zog ihn wieder über, ehe sie wieder auf Ari stieg.

Es nieselte noch immer als sie in der Nähe des Wasserfalls kam. Kurzentschlossen, machte Gréta einen kleinen Umweg und lenkte Ari zum Wasserfall hin. Dort angekommen gönnte sie sich und Ari eine weitere kleine Rast. Sie ließ das Pferd trinken, während sie den Anblick des rauschenden Wassers genoss. Zu lange durfte sie die Rast allerdings nicht ausdehnen, da die Angelegenheit mit dem Fuchs sie schon Zeit gekostet hatte.

Während sie dem Wasser zusah, kaute sie auf einem Streifen Trockenfischs herum, den ihr Anna mitgegeben hatte.

Erfrischt und gestärkt nahm sie den letzten Teil ihres Rittes in Anspruch.

Die Sonne stand noch immer hoch am Himmel, als sie den Hof erreichte. Das war im Sommer und noch war Sommer, obwohl es schon Mitte August war, immer so. Es würde noch Stunden dauern, bis die Sonne hinter dem Horizont versank und selbst dann, wäre es noch Helligkeit vorhanden.

Zuerst versorgte Gréta Ari. Sie rieb ihn trocken, nachdem sie ihm Sattel und Zaumzeug abgenommen hatte. Mit Futter und Wasser versorgt ließ sie ihn auf der Koppel zurück.

Im Haus fand sie niemanden vor, was wohl bedeutete, dass ihr Vater und Kristján, Hinrik und Lilja mitgenommen hatten oder die Kinder mit ihrer Mutter im Gewächshaus waren.

Nachdem sie eine Scheibe Brot mit Butter und eine Tasse Kaffee zu sich genommen hatte, suchte sie das Gewächshaus auf.

Es war Kristjáns ganzer Stolz, hatte er es doch geplant und zum größten Teil errichtet.

In der feucht-warmen Umgebung fand sie ihre Mutter, welche die Pflanzen versorgte. Sie hatten sich Gartenbücher aus England und Deutschland kommen lassen müssen, da sie sich noch nicht mit den Pflanzen auskannten, die nun im Gewächshaus wuchsen. Auch das Saatgut hatten sie teuer importieren müssen.

„Da bist du ja wieder, wie geht es Jón und Anna?“

„Gut. Der alte Schippen ist repariert und ich soll euch lieb grüßen.“

„Und die Fremden sind auf dem Weg?“

„Sie sind kurz vor mir aufgebrochen.“

„Übst du nachher Lesen mit Lilja und Hinrik, wenn sie vom Heu machen genug haben?“

„Kann ich machen.“

„Hier schau mal.“ Ihre Mutter hielt ihr eine hellrote, runde Frucht hin. „Sie ist abgefallen, aber schlecht scheint sie nicht zu sein. Ich glaube eigentlich sollen sie dunkler werden, aber wir können sie ja trotzdem probieren.“

Gréta musterte die rote Frucht. „Ich bin gespannt, wie sie schmecken. Kristján meinte er mochte sie, als er sie in Kopenhagen gegessen hat.“

Hildur nickte. „Wir werden sie trotzdem in kleine Stücke schneiden, damit alle sie probieren können. Sei so lieb und bring sie eben ins Haus.“

„Klar.“

Gréta brachte die einzelne Tomate in die Küche. Diese hellrote, runde Frucht stellte einen weiteren kleinen Erfolg dar. Sie bewies, dass das Gewächshaus warm hielt und die Temperatur für die Pflanzen richtig war. So langsam eigneten sie und ihre Mutter sich Erfahrung im Umgang mit Gemüsen wie Bohnen, Tomaten und Gurken an. Sollte das mit dem Gemüse weiterhin gut funktionieren würden sie zu weiteren Pflanzen, diesmal mehr Obst übergehen und eventuell ein weiteres Gewächshaus bauen. Noch war es allerdings ein Versuch, ein teurer Versuch. Der Bau hatte Kapital erfordert, genauso wie der Kauf der Gartenbücher und die Samen.

Lächelnd legte Gréta die Tomate auf den Küchentisch. Vorsichtshalber schrieb sie einen Zettel dazu. „Fürs Abendessen bestimmt!“

Zurück im Gewächshaus half sie ihrer Mutter eine Weile dabei, die Pflanzen zu gießen und kleinere Unkräuter, die in der Erde enthalten gewesen waren, zu entfernen.

Ihre Mutter winkte sie schließlich wieder zu sich. „Schau.“ Sie deutete auf die Erdbeerpflänzchen in der Hängeampel, welche ihre Mutter unbedingt hatte haben wollen. Eine kleine Handvoll süßer roter Beeren hatten sie vor einigen Wochen schon probieren können. Hildur schob die gezackten Blätter beiseite. „Schau.“

Die Pflanzen hatten erneut kleine grüne Fruchtansätze.

„Soll das so?“

„In der Broschüre stand es wären Monatserdbeeren und sie würden den ganzen Sommer über Früchte tragen. Ich war mir nur unsicher, ob sie das auch hier tun würden.“

„Da stimmte die Broschüre wohl.“

Schritte trappelten vor dem Gewächshaus. Gréta und Hildur tauschten einen Blick, dann verließ Gréta das Glasgebäude. Draußen wurde sie von ihren jüngeren Geschwistern mit Fragen über die Fremden bestürmt, die sie gar nicht alle beantworten konnte. Schließlich gelang es ihr Lilja und Hinrik ins Haus zu bugsieren, wo sie sich um den Küchentisch scharrten und nachdem die Tomate gebührend bewundert worden war, eine Ausgabe der Sagas aufschlugen. Gréta übte mit den beiden Lesen, bis Hildur hereinkam, um das Abendessen vorzubereiten.

Beim Abendessen blieb ihr dann nur von der Freude des Ritts zu zehren, da ihr Vater begann von ihrer Zukunft zu sprechen und, welcher der Söhne ihrer Nachbarn und Bekannter als ihr Ehemann in Betracht käme.

Um ihn nicht zu verärgern schaufelte Gréta schweigend den Eintopf in sich hinein.

„Vater, Gréta möchte studieren und das sollte sie auch!“, konnte Kristján es sich nicht verkneifen einzuwerfen.

„Das ist völlig ausgeschlossen! Es ist zu teuer und unnütz, wo sie doch eh heiraten wird!“

„sie hat einen wissenschaftlichen Geist und ihre Sprachkenntnisse in Englisch und Deutsch sind besser als meine!“

„Das mag sein, wie es ist. Sie wird nicht studieren. Dafür ist kein Geld da, nachdem wir dein Studium in Kopenhagen und deine Glashausspielerei finanziert haben!“

Gréta sah Kristján heftig schluckte, so hatte ihr Bruder das sicherlich noch nicht gesehen.

Hildur nahm dies zum Anlass aufzustehen und die säuberlich in schmale Spalten geschnittene Tomate auf einem Teller zu servieren.

„Mein Lieber, noch mag es eine Spielerei sein, aber wenn es weiter so gut läuft, lohnt sich die Investition in der Zukunft. Heute haben wir die erste Tomate ernten können.“

Ihr Versuch die Stimmung aufzulockern misslang. Hálldor presste die Lippen zusammen und hob abwehrend eine Hand. Er mochte das Gewächshaus mit bezahlt haben, aber er war nicht gewillt, dessen exotische Früchte zu kosten.

Alle anderen griffen zu und schoben sich die schmale Tomatenspalte in den Mund.

Kristján nickte. „Ja, schmeckt wie die in Kopenhagen.“

„Au, das brennt!“, murrte Hinrik, der eine aufgeschlagene Lippe hatte.

„Was setzt du ihm auch solches Zeug vor!“ An diesem Abend war ihr Vater besonders unleidig.

„Es schmeckt trotzdem“, beeilte sich Hinrik zu versichern, „Es brennt nur ein bisschen an der Lippe!“

„Bei mir brennt es nicht!“, schaltete sich Lija ein, „Bei euch?“ Sie sah Gréta, Hildur und Kristján an. Alle schüttelten die Köpfe.

„Ich meine mich zu erinnern, dass Tomaten etwas Fruchtsäure enthalten. Kann sein, das es das ist, was in deiner Wunde brennt“, erklärte Kristján beruhigend.

„Und du bist der Experte darin, weil du studiert hast, oder wie?“, knurrte ihn Hálldor an.

„Nein, ein Experte bin ich darin nicht, aber ich habe schon beim Tomatenessen etwas Ähnliches erlebt.“

Hálldor schnaubte. „ich sehe nach den Pferden!“ Damit erhob er sich und verließ das Haus.

Hildur seufzte nur. „Gréta, Lilja helft mir beim Abwaschen“, ordnete sie an.

Während sie die Teller abtrocknete und Lilja reichte, die sie wegräumte, sah Gréta hinaus. Trotz der Helligkeit am Himmel glitzerte es grünlich am Horizont. Sie drückte Lilja das Trockentuch in die Hand und hastete ohne die Rufe von Mutter und Schwester zu achten hinaus. Schwach zitterte ein grünliches, sich windendes Band über den Himmel. Gréta liebte Polarlichter, auch dann wenn sie kaum zu sehen waren, wie dieses. Es war früh im Jahr dafür und das erste Nordlicht seit dem Winter, welches sie sah. Mit Blick auf das Himmelsschauspiel, erinnerte sie sich an eine Sage, nach der Polarfüchse das Nordlicht erzeugten, indem sie mit ihren Schwänzen Schneekristalle aufwirbelten. Ob das der Fuchs war, den sie befreit hatte? Sie schüttelte den Kopf über sich selbst, es gab bestimmt irgendeine wissenschaftliche Erklärung, die sie nur nicht kannte.

Das brachte ihr schmerzhaft in Erinnerung, dass ihr Traum von einem Studium nun ausgeträumt war. Sie zwinkerte Tränen weg und biss die Zähne zusammen. Sie musste jetzt allein sein! Sie hatte das dringende Bedürfnis ihren Traum in Ruhe zu begraben. Sie musste hier weg! Sie musste allein sein! Nur fort von hier!

Gréta griff sich automatisch einen Korb, ehe sie Richtung Fluss davon stürmte. Einen Mantel oder Handschuhe aus dem Haus holte sie sich nicht, da sie niemanden sehen wollte.

Gerne wäre sie jetzt geritten, doch ihr Vater war bei den Pferden, also fiel Reiten aus.

Das recht lose Bimsgestein verhinderte Rennen, aber sie ging so schnell sie konnte. Hinter der nächsten Hügelkuppe hielt sie inne, um zu Atem zu kommen. Der Untergrund war für wütendes Davonstürmen wirklich denkbar ungeeignet.

Festentschlossen erst zur Farm zurückzukehren, wenn ihre Eltern zu Bett gegangen waren, begann sie Beeren zu sammeln. Wenn sie Beeren mitbrächte, könnte ihr keiner den Vorwurf machen, sie hätte nur geschmollt.

Normalerweise hatte sie beim Beerensammeln ein Auge aufs Wetter, doch heute war sie zu aufgewühlt.

Ihre Aufmerksamkeit galt immer nur dem nächsten versteckten Beerenstrauch, dem Untergrund und ihren enttäuschten Hoffnungen.

Eigentlich hatte sie es ja gewusst, wer schickte schon eine Tochter zur Universität, wenn sie eh später heiratete?

Aber es gab Frauen, die wissenschaftliche Expeditionen anleiteten und sogar anleierten!

Kristján hatte ihr einen Reisebericht einer Frau über Island geschickte, den ihm einer seiner Professoren empfohlen hatte. Er hatte allen in der Familie Bücher aus Kopenhagen gesandt, um sich die lange Winterzeit zu vertreiben. Das Buch für Gréta war auf Deutsch gewesen und von einer Ina von Grumbkow geschrieben, die eine Suchexpedition in Island begleitet hatte.

Es war zwar schon ein paar Jahre alt aber dafür umso anschaulicher geschrieben. Ina berichtete darin über die Suche nach ihrem in Island verunglückten Verlobten und den wissenschaftlichen Untersuchungen, die ebenfalls im Verlauf der Reise unternommen worden waren. Obwohl es eine Suchexpedition war, waren einige Umwege gemacht worden, um Islands Natur zu erforschen.

Gréta gefiel das Buch, deswegen so gut, weil die Schreiberin nicht etwa daheim auf die Ergebnisse der Suche gewartet hatte, sondern die anstrengende und gefährliche Reise selbst auf sich genommen hatte. Eine Frau war zur Askja gereist, als vollwertiges Expeditionsmitglied! Gréta war noch nie in der Askja gewesen, wusste jedoch wie gefährlich und anstrengend die Reise war, die nur sehr selten überhaupt unternommen wurde.

Gréta hatte das Buch voller Faszination aber mit viel Mühe gelesen. Ihr Deutsch mochte besser als Kristjáns sein, aber für dieses Buch war es kaum ausreichend gewesen. Dennoch hatte sie sich mit Hilfe eines Wörterbuchs durchgekämpft.

Wenn es möglich für eine Frau möglich war, solch eine Reise zu unternehmen, müsste es doch auch möglich sein die Universität besuchen zu können, die Frauen sogar offenstand!

Nur leider hatte sie kaum eigenes Geld. Dass bisschen, was sie heute als Führerin verdient hatte reichte dafür bestimmt nicht.

Gréta strich sich eine vom Wind gelöste Haarsträhne hinters Ohr und sah auf. Dunkle Wolken ballten sich über ihr. Der Wind kam in heftigen Böen.

Gréta schluckte, diese Wolken waren etwas ganz anderes, als die von zuvor, die den Niesel gebracht hatten.

Hastig raffte sie den Korb auf und strebte Richtung Farm los. Vergessen war der Groll auf den Vater. Nun galt es so rasch wie möglich eine sichere Zuflucht zu finden. Kaum war sie ein paar Schritte weit gekommen, trieb der Wind ihr, erste Flocken ins Gesicht. Zu den ersten, vereinzelten Flocken gesellten sich rasch immer mehr, bis sie durch einen Flockenwirbel ging. Gréta wählte ihren Weg mit äußerster Behutsamkeit. Sie wollte verhindern, dass sie in einen Geysir stolperte, etwas was schon vorgekommen war und tödlich enden konnte.

Schnee setzte sich in ihrem Haar und ihren Wimpern fest.

Ein bekannter Felsen, der in ihrer Familie Fuchsfelsen genannt wurde, obwohl er eigentlich anders hieß, brachte sie zum Fluchen. Der Felsen stand bei der Abzweigung zu einer weiteren Nachbarsfarm, doch von hier aus dauerte es bis zum nächsten Haus eine Stunde zu Fuß!

Sie hatte sich viel weiter von der heimischen Farm entfernt als beabsichtigt. Gréta lief zum Felsen und kauerte sich im Schutz dessen Windschattens zusammen. Sie war entsetzlich dumm gewesen, sich ohne Mantel und Handschuhe soweit von einem Haus zu entfernen!

Nun blieb ihr nur zu beten, dass der Sturm bald abflaute. Schon nach kurzer Zeit bibberte sie. Sie rieb ihre Hände aneinander, blies darauf und verfluchte ihre Starsinnigkeit, die sie on Hus ferngehalten hatte.

Etwas stupste sie am Ellenbogen. Gréta zuckte zusammen, Ihr erschrockener Blick fiel auf einen Polarfuchs, der sie noch einmal an stupste, ehe er hinterm Felsen verschwand.

Im nächsten Augenblick trat eine Frau in Grétas Alter von der anderen Seite des Felsens zu ihr. Sie trug einen dunklen Mantel und hatte erstaunlich dunkelbraunes Haar. Außerdem kam sie Gréta vage bekannt vor.

„Komm.“ Die Frau reichte Gréta die Hand. Zitternd ergriff Gréta sie und ließ sich mitziehen. Einen Schritt, zwei Schritte und sie standen im Warmen.

„Wen bringst du uns denn da, Alda? Du weißt doch, dass wir vorsichtig sein müssen,“ hörte Gréta eine Stimme, von der sie ebenfalls sicher war, dass sie sie kannte.

Jemand legte ihr eine Decke um. „Die Sorgen kannst du dir später machen. Komm, Liebes, sehen wir zu, dass dir wieder warm wird.“ Sacht wurde Gréta in eine Küche geführt und auf einen Stuhl neben den Herd gesetzt.

Alda, das war doch der Name, der ältesten Tochter der Nachbarfarm, die als Greni bekannt war. Ihr wurde eine Tasse mit heißem Kaffee mit viel ahne in die Hand gedrückt.

„Es ist nur gerecht. Sie hat mich heute auch schon gerettet, Vater.“ Als Alda zu einem Küchenstuhl ging, sah Gréta, dass sie hinkte.

„Bringt das Kind nicht so durcheinander. Wir klären da, wenn sie sich aufgewärmt und ausgeschlafen hat.“

Dem konnte Gréta nur zustimmen. Sie schlang die Finger um die Tasse und nippte genüsslich an dem Getränk. Hin und wieder musste sie die Tasse sogar loslassen, da sie zu heiß an ihren kalten Fingern war, die kribbelten warm wurden.

Je mehr Wärme in sie zurückkehrte, desto bewusster wurde sie sich ihrer Umgebung. Von gelegentlichen Besuchen kannte sie diese Küche. Die Bewohner der Farm Greni lebten eher zurückgezogen, dennoch kannte man sich. Insbesondere Grétas Mutter war schon fast mit Ragna, der Frau des Hauses befreundet.

Nur, wie war sie hier hergekommen? Vom Fuchsfelsen aus lief man schon bei gutem Wetter eine Stunde her.

„Heute wirst du hierbleiben müssen. Wenn der Sturm Morgen abgeflaut ist, bringe ich dich zurück zu eurem Hof“, brummte der Herr des Hauses den Satz. Er schien ein wenig unglücklich mit der Situation, aber fand sich wohl damit ab.

„Sag, Liebes, du bist doch sonst eher umsichtig, wie kommt es dass du das Wetter so außer Acht gelassen hast?“, erkundigte sich Ragna, während sie einen Teller aufgewärmte Hühnersuppe vor Gréta abstellte. Gréta schüttelte abwehrend den Kopf. Das war eine Familienangelegenheit. Aber sie wollte doch so gerne studieren. Wieder zwinkerte sie Tränen weg. Was brachte es deswegen zu weinen? Sie wischte sich verstohlen die Augen.

„Jetzt hast du sie zum Weinen gebracht!“, beschwerte Alda sich bei ihrer Mutter.

Gréta zwang sich zu einem verzerrten Lächeln. „Eigentlich ist es nichts Großartiges“, wiegelte sie ab, „Ich hatte mich nur in Tagträumereien verstiegen, vielleicht irgendwann studieren zu können.“ Jetzt, wo sie es aussprach, klang es erst recht albern. Sie, in Mädchen träumte davon zu studieren, wie kam sie dazu?

„interessierst du dich für etwas bestimmtes?“ Aldas Stimme war sanft und ihre Frage ernstgemeint, dass konnte Gréta ihrem Tonfall entnehmen.

„Ich möchte mehr über Vulkane lernen. Wie sie entstehen, wie man Ausbrüche vorhersagen kann, um Menschen rechtzeitig zu warnen und ähnliches. Und ich würde gerne wissen, wie Polarlichter entstehen. Wobei ich manchmal denke, dass zu erfahren, würde verhindern ihren Zauber ungehindert genießen zu können.“

„Das kling vielversprechend. Wissen über die Erde zu erlangen, auf der wir leben, ist etwas Gutes. Wieso nennst du das eine Tagträumerei?“, hakte Ragna nach.

„Weil Frauen, keine Naturwissenschaften studieren und sowieso heiraten! Also wozu sollten Eltern dann das viele Geld für ein Studium ausgeben!“, gab sie gereizter als gewollt zurück. Erschrocken klappte sie den Mund zu. So unhöflich hatte sie nicht sein wollen, war sie doch ein Gast.

„Ach ja, das liebe Geld… Ich verstehe nur nicht, warum eine mögliche Heirat eine Frau davon abhalten sollte zu studieren, schließlich arbeiten alle Frauen. Sich fortzubilden sollte jedem freistehen. Ohne meine liebe Ragna, könnte ich die Farm nicht bewirtschaften. Sie arbeitet oft härter als ich und hat zusätzlich zur Farmarbeit auch noch unsere Kinder aufgezogen. Wer lernen möchte, sollte auch lernen können, das ist meine Meinung dazu.“ Aldas Vater lächelte Gréta aufmunternd an. „Iss, ruh dich aus. Nach einem erholsamen Schlaf sieht die Welt ganz anders aus.“
 

Als Gréta am nächsten Morgen erwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel, was zurzeit aber völlig normal war. Es war dennoch recht früh, etwa halb sieben am Morgen. Sie schlüpfte aus den weichen Federn, es war Aldas Bett, wie ihr einfiel und kleidete sich rasch an. Alda hatte mit ihrer jüngeren Schwester das Bett geteilt, damit ihr Gast ein eigenes Bett hatte. In der Küche traf sie Ragna an, welche ihr bedeutete sich zu setzen. Kaum saß Gréta servierte ihr Ragna den üblichen Kaffee mit viel Sahne, ehe sie sich dem Herd zuwandte und begann Pfannkuchen zu backen.

„Guten Morgen. Vielen Dank. Ich bin sehr froh, dass Alda mich hergebracht hat.“

„Das sind wir auch, Liebes. Alda sucht gerade die frischen Eier bei den Hühnern und Hrafn ist Heu machen, nachher wird er dich heimbegleiten.“

„das ist sehr lieb von euch.“ So wie Hrafn war ihr Vater sicher auch dabei Heu zu machen, welches im Winter den Pferden und Schafen als Futter dienen würde.

Ragna lächelte. „das ist doch selbstverständlich.“ Geschickt holte sie einen Pfannkuchen aus der Pfanne, bugsierte ihn auf einen Teller und stellte ihn mit einem Glas Heidelbeermarmelade vor Gréta. „Greif zu.“

„Danke.“ Gréta verspeiste die Pfannkuchen mit großem Genuss, sie waren köstlich. Sie war viel zu sehr mit Essen beschäftigt, um weiter eine Unterhaltung zu führen. Außerdem traute sie sich nicht, die Merkwürdigkeiten des Vortages zu erwähnen. Obwohl sie noch immer darüber nachdachte, wie sie vom Fuchsfelsen zum Hof Greni gekommen war. Doch bei Licht betrachtet, war es zu unglaublich, um es jemandem gegenüber zu erwähnen, insbesondere einer langjährigen Freundin ihrer Mutter.

Noch während sie frühstückte kam Hrafn herein. „Guten Morgen, Gréta.“, grüßte er sie, ehe er sich auch einen Teller mit frischen Pfannkuchen schnappte.

„Guten Morgen.“

Er setzte sich ihr gegenüber. Nach dem er den ersten Bissen heruntergeschluckt hatte, erklärte er: „Wir haben dir einen Vorschlag zu unterbreiten. Ragna, Alda und ich haben uns vorhin darüber unterhalten.“

Gréta legte ihr Besteck zur Seite und sah ihn aufmerksam an. „Was für einen Vorschlag?“

„Du wunderst dich sicher, wie Alda dich hergebracht hat, nicht wahr?“

Gréta nickte.

„Sie hat einen Fuchstunnel benutzt.“ Ragna sagte es, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, obwohl Gréta keinerlei Ahnung hatte, wovon sie sprach.

„Es ist so, dass wir Menschen normalerweise unser Geheimnis nicht anvertrauen und eher dafür sorgen, dass sie es vergessen, wenn sie es zufällig erfahre.“, fügte Hrafn hinzu. Seine Worte waren ruhig ausgesprochen.

„Doch du bietest uns eine Antwort auf ein Problem. Und außerdem finden wir, dass du studieren können solltest.“, fuhr Ragna fort.

„Unser Vorschlag ist folgender: Da Alda in Reykjavik Medizin studieren möchte, was wir unterstützen, biete ich an mit deinem Vater über deine Studienpläne zu verhandeln und sie ihm dadurch schmackhaft zu machen, dass du unsere Tochter begleitest. Im Gegenzug hilfst du ihr in der Hauptstadt ihr Geheimnis zu verbergen und versprichst es ebenfalls zu bewahren.“

„Gréta starrte Ragna und Hrafn an, sie sahen nicht aus als scherzten sie.

„ich, ich glaube, ich weiß gar nicht so genau, wovon ihr sprecht.“

„mit ein wenig Nachdenken fällt es dir ein“, gab Ragna zurück.

„Gréta schluckte. „es ist ein sehr verlockendes Angebot, aber was habt ihr davon? Und es löst das Problem mit den Studienkosten nicht.“

Hrafn lächelte. „Wir hätten ein paar Sorgen weniger, die wir uns machen würden, wenn Alda studiert. Für das Problem mit den Kosten wird sich auch eine Lösung finden, wenn dein Vater erst überredet ist. Bedenke jedoch, ich verspreche nur mein bestes Verhandlungsgeschick einzusetzen, um deinen Vater zu überreden, dich studieren zu lassen.“

„Hm. Du versprichst mit meinem Vater zu verhandeln und sollte es gelinden, soll ich Alda nach Reykjavik begleiten und ihr dort behilflich sein und im Gegenzug verlangst du von mir über euer Geheimnis zu schweige, auch wenn die Verhandlungen mit meinem Vater scheitern sollten?“

„Genau.“ Hrafns Lächeln erinnerte verdächtig an einen Fuchs der ein Huhn gestohlen hatte.

„Kann ich etwas Bedenkzeit haben?“

„Du hast bis zum Ende des Heimritts.“

„Danke.“

„Dann lass uns los, wenn wir aufgegessen haben.“

Gréta nickte überwältigt. Die letzten Bissen waren in ihrem Mund wie Sand, den sie mit ihrem Rest Kaffee herunter spülen musste.

Auf dem Ritt zurück hatte sie keinen Blick für die Schönheit der Landschaft, um sich herum. Ihre Gedanken kreisten um das Angebot und das Pferd, welches Hrafn ihr für den Ritt geliehen hatte, folgte seinem Pferd brav, so dass sie nur gelegentlich auf den Weg achten musste. Als sie ihren Hof schon sehen konnten zügelte Gréta ihr Pferd und räusperte sich. Hrafn drehte sich zu ihr um. „Ich nehme das Angebot an.“

„Das freut mich.“

Ihre Ankunft auf der heimatlichen Farm sorgte für große Aufregung. Grétas gesamte Familie strömte herbei. Lilja und Hinrik warfen sich auf sie und drückten sie, dass sie kaum Luft bekam, sobald sie abgestiegen war. Gréta erwiderte ihre feste Umarmung indem sie ihnen über die Rücken streichelte. Auch ihre Eltern wirkten ungemein erleichtert. Gréta war klar, dass alle gefürchtet hatten, sie wäre im Schneesturm verloren gegangen oder in einen Geysir gestolpert.

Lilja und Hinrik halfen ihr die Pferde zu versorgen, während sich Hrafn mit ihren Eltern und Kristján zurückzog.

Die beiden Kinder beschäftigten sie so sehr, dass ihr keine Möglichkeit blieb sich in die Unterhaltung ihrer Eltern einzuschleichen. Bis zu Hrafns Rückkehr, etwa eine Stunde später, hatten die beiden sie über ihre Erlebnisse ausgequetscht und mit vielen Zuneigungsbekundungen überhäuft, die sie sonst nur an Weihnachten zeigten.

Beim Abschied legte ihr Hrafn eine Hand auf die Schulter. Ein breites Lächeln zierte sein Gesicht. „Zum nächsten Semesterbeginn im März reisen Alda und du nach Reykjavik. Alda wird sich freuen, das zu hören. Dein Bruder hat sich übrigens auch sehr für dich eingesetzt. Das mit den Kosten wird schon regeln.“

„Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll…“

Er drückte ihre Schulter. „Pass mir in der Hauptstadt gut auf meine Kleine und dich selbst auf, das ist mir Dank genug.“ Damit stieg er auf, ergriff das Führzügel von dem Pferd, welches Gréta geritten hatte und ritt los. Gréta winkte ihm mit Tränen in den Augen nach, bis sie ihn nicht mehr ausmachen konnte.

„Sieht so aus, als hättest du sie für dich eingenommen“, merkte Kristján neben ihr an. Gréta bemerkte ihn erst jetzt. Wie kommst du darauf? Ich habe nichts Besonderes getan.“

„Das glaube ich dir sogar. Dennoch hast du ihn mit irgendetwas so sehr beeindruckt, dass er es auf sich genommen hat Vater zu überzeugen.“

Gréta zuckte mit den Schultern, sie konnte Kristján schließlich nichts von der Vereinbarung zwischen ihnen erzählen. „Mag sein. Vielleicht gefällt ihnen auch nur die Vorstellung besser, dass Alda nicht alleine nach Reykjavik geht.“

„Vielleicht auch das. Was auch immer vorgefallen ist, ich bin froh, dass du in diesem Sturm bei ihnen gelandet bist. Pass in Zukunft besser auf! Ich möchte meine Lieblingsschwester noch lange behalten!“

Gréta wandte sich ihm zu. „Ich dachte Lilja, wäre deine Lieblingsschwester?“

„Ihr seid beide meine Lieblingsschwestern.“

„Verstehe, weil wir deine einzigen Schwestern sind. Diplomatisch wie immer. Ich werde besser aufpassen, eine Schneesturm ausgeliefert gewesen zu sein, reicht mir, eine Wiederholung ist nicht erforderlich.“

Lilja kam angerannt. „Gréta, Mama sagt, du sollst mit uns Lesen üben!“

„Komme.“ Der Alltag hatte sie wieder. Ein wenig skeptisch war sie schon, ob sie im kommenden Frühjahr den Weg nach Reykjavik antreten könnte. Es war etwas, worauf sie sich freuen konnte. Gréta war sich sicher, dass sie es erst richtig glauben würde, wirklich studieren zu dürfe, wenn sie die Universität betrat.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe es hat gefallen.
Leider habe ich nicht rausfinden können, ab wann Frauen in Island studieren durften und auch nicht, wann die naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Reykjavik gegründet wurde. Man sollte meinen das Gründungsdatum einer Fakultät sollte sich auf der Universitässeite finden lassen... Vielleicht war ich auch nur nicht gut genug im Suchen.

Wie auch immer, das erste Gewächshaus wurde 1923 auf Island errichtet. Das von Grétas Familie ist nicht das Erste, aber eines der Ersten.

Bei dem Buch, auf welches Gréta sich bezieht handelt es sich um Ina von Grumbkows 1909 erschienenes "Ísafold. Reisebilder aus Island."
Diese Buch kann ich nur empfehlen, es ist wunderbar geschrieben. Darin erzähl sie von den Strapazen der Reise mit einer guten Portion Witz und verblüfft mit wundervoll poetische Landschaftsbeschreibungen. Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück