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Durch die Augen eines Wolfes

von

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Kapitel 3 - Abfahrt

Letzten Endes hatte er keine andere Wahl als den Hogwarts Express zu nehmen, statt nach Hogsmeade zu apparieren. Früh am Morgen machte er sich, zusammen mit seinem Koffer, auf den Weg nach King's Cross, um sich durch die Barriere zu Gleis 9¾ zu begeben. Der Koffer war ein Geschenk von James, Sirius und Peter gewesen. Sie hatten immer darüber gelacht wie er ihre Hausaufgaben kontrolliert hatte, oder sie zurück gehalten hatte, wenn sie einen Streich durchführen wollten, der viel zu riskant war. Also gaben sie ihm den Koffer mit der Gravur „Professor R.J. Lupin“ eingraviert. Remus hatte ihn für jedes verbleibende Jahr in Hogwarts benutzt, wodurch er schon einige Gebrauchsspuren aufwies, sowie ein paar Flecken. Keiner von ihnen hätte wohl je gedacht, dass Remus ihn eines Tages wirklich als Professor benutzen würde. Und Remus selbst war wohl der letzte gewesen, den man davon hätte überzeugen können, dass er den Koffer je für seinen eigentlichen Zweck benutzen würde – wie es die Gravur zumindest sagte.
 

Remus saß in einem Abteil und versuchte zu schlafen, da er die letzte Nacht kaum Schlaf abbekommen hatte. Er war müde und hatte Schmerzen, die er einfach nur vergessen wollte. Gerade als er dachte, dass er einschlafen würde, hörte er plötzlich Stimmen. Natürlich wusste er, dass irgendwann Kinder hereinkommen würden. Er hielt seine Augen geschlossen und versuchte weiter zu schlafen. Nachdem er einmal tief Luft geholt hatte und ruhiger wurde, döste er langsam weg, nicht wissend, was um ihn herum geschah. Er hörte nicht die Gespräche über Sirius und auch nicht, neben wem er da eigentlich saß. Also konnte er auch nicht bemerken wie die Hexe mit dem Imbisswagen vorbeikam oder auch andere Schüler, die kurz hereinblickten. Das Schmerzen in seinem Körper wurde langsam weniger und er konnte sich auf seinem Sitz entspannen. Er brauchte einfach Schlaf nach dieser langen, ermüdenden Nacht.
 

Der Wolf in ihm hatte Remus einiges abverlangt. Als er erwacht war, hatte er mehr Kratzer auf seinem Körper, mehr Wunden, die vernarben und nie ganz verschwinden würden. Es war nicht der Anblick, der ihn störte, es war die Bedeutung, die ihm zutiefst verhasst war. Sie erinnerten ihn jeden Tag daran, was er war: ein Monster. Er war nur ein Monster. Sirius hätte ihn dafür geschlagen, ihn angeschrien. Aber Sirius war nicht hier. Niemand war hier. Er war alleine, wie er es auch die letzten zwölf Jahre gewesen war.

Jedes Mal, wenn er seine Augen schloss konnte er Sirius' Gesicht sehen. Wie er lachte, als er von den Auroren mitgenommen worden war. Er hatte nur andere Leute darüber reden hören, doch er konnte sein Gesicht so klar sehen, als hätte er ihm in jener Nacht direkt gegenüber gestanden.

Die Nacht in der er seine Freunde betrogen hatte, seine Familie. Die Nacht, die alles verändert hatte.
 

Auch wenn Remus recht gut schlief, im Vergleich zu anderen Nächten, schlief er bei weitem nicht lang genug, da er immer wieder von Stimmen oder Geräuschen im Abteil. Er brauchte einen Moment bis er verstanden hatte, dass der Zug gehalten hatte und die Lichter aus waren.

“Ruhe!“, sagte er mit einer heiseren Stimme, als alle um ihn herum durcheinander redeten und übereinander zu stolpern schienen. Er wurde die Decke los, die er über sich gelegt hatte und beschwor eine Flamme in seiner Hand.

„Bleibt wo ihr seid“, befahl er den anderen, erhob sich und ging langsam auf die Abteiltür zu. Im Augenwinkel konnte er das Gesicht eines Jungen sehen, dessen grüne Augen ihn fokussierten. Die Augen Lilys im jungen Gesicht von James. Ein stechender Schmerz schoss durch seine Brust und er konnte kaum atmen. Harry. Er wusste der Junge hätte Ähnlichkeit mit seinen Eltern. Man hatte es schon sehen können, als er gerade mal ein Baby gewesen war. Doch ihn nun hier zu sehen war anders. Es war das erste Mal nach so vielen Jahren. Nun sah er aus wie James, als er mit ihm zur Schule gegangen war. Nur seine Augen hatten dasselbe sanfte Grün wie Lilys. Er brauchte nicht einmal mehr Licht um sich sicher zu sein.

Gerade als er an der Tür angekommen war, ging diese auf und er fand sich einer Gestalt gegenüber, die einen Umhang trug und die er nur allzu gut kannte. Damals während des Kriegen waren sie überall gewesen. Dementoren. Die so genannten 'Wächter' Askabans. Natürlich waren sie hier. Sie würden den Zug nach Sirius durchsuchen. Das Abteil wurde eiskalt und er fühlte sich, als würde auch der letzte Rest Glück, der noch in ihm war, aus ihm herausgesaugt. Er musste sich konzentrieren.

„Keiner von uns hier versteckt Sirius Black unter seinem Umhang. Geh“, sagte er ernst, ehe er seinen Zauberstab zog. „Expecto Patronum“ Seine Stimme war nur ein Flüstern, doch es war genug. Eine silbrige, wolfsgleiche Kreatur kam aus seinem Zauberstab und schoss auf den Dementor zu, der dadurch gezwungen war zurückzuweichen.
 

„Harry! Harry!“ Remus hörte eine Stimme und drehte sich um. Harry lag am Boden. Ein rothaariger Junge kniete an seiner einen Seite, während ein schwarzes Mädchen mit Locken und krausem Haar an seiner anderen Seite saß. Die anderen zwei, die auch mit im Abteil waren, saßen noch immer an ihren Plätzen. Der Zug bewegte sich wieder und die Lichter gingen an. Langsam öffnete Harry seine Augen. Die Kinder an seiner Seite halfen ihm zurück auf seinen Sitz.

„Bist du in Ordnung?“, fragte der Rothaarige mit offener Sorge.

„Ja“, antwortete Harry und sah zur Tür, wo Remus den Dementor mit seinem Patronus davon gejagt hatte. „Was ist passiert? Wo ist dieses – dieses Wesen? Wer hat geschrien?“, fragte Harry und sah sich um.

Remus runzelte die Stirn. Niemand hatte geschrien. Es war still gewesen. Sehr still. Seine Gedanken wanderten umher. Dementoren ließen Menschen ihre schlimmsten Erlebnisse noch einmal durchleben. Was, wenn er den Tod seiner Eltern sah? Vielleicht war es Lily, die geschrien hatte. Aber dann wiederum... hatte er das damals überhaupt realisiert? Er war nur ein kleiner Junge gewesen, der nicht bemerkt hatte, was vorgefallen war. Also warum wäre das seine schlimmste Erinnerung?
 

Ganz in Gedanken verloren realisierte Remus nicht, dass der rothaarige Junge wieder begonnen hatte zu sprechen. „Niemand“, sagte er, um auf Harrys Frage zu antworten. Remus musterte ihn, blinzelte ein paar Mal. Bevor Harry noch mehr solcher Fragen stellen konnte, nahm er eine Schokoladentafel heraus und zerbrach sie. Überrascht von dem Geräusch sahen die Kinder zu ihm.

„Hier“, sagte er und reichte Harry ein großes Stück der Schokolade. „Iss. Dann geht’s dir besser.“ Aber statt zu essen fragte Harry weiter. „Was war das für ein Wesen?“ „Ein Dementor“, gab Remus zurück, während er auch den anderen Schokolade gab. „Einer der Dementoren von Askaban“ Er fühlte die Augen aller Anwesenden auf sich, aber erklärte nicht weiter. Stattdessen steckte er das Schokoladenpapier zurück in seine Tasche und lehnte sich zurück. Es war besser nun nicht zu viele Fragen zu beantworten. Harry sollte sich erst beruhigen. So auch die anderen, auch wenn niemand sonst so blass wie er war. Natürlich nicht. Harry war der einzige, der so etwas Grauenvolles erlebt hatte. Es war keine Überraschung, dass er so empfänglich gegenüber Dementoren war.

„Iss“, sagte Remus noch einmal. „Das hilft. Entschuldigt mich, ich muss mit dem Lokführer sprechen.“ Und mit diesen Worten erhob sich Remus und verließ das Abteil, während er Harry einen letzten Blick zuwarf.
 

Seine Gedanken schweiften ab, als er den Gang des Zuges entlanglief. Sie hatten wirklich Dementoren in einen Zug voller Kinder geschickt? Leicht schüttelte er den Kopf zu sich selbst. Das war Wahnsinn. Was dachte sich das Ministerium nur dabei? Als würden nicht schon genug Dementoren dort draußen patrouillieren. Er biss sich auf die Unterlippe und ging auf den Führerstand zu. Als er die Tür öffnete, drehte sich der Mann dort um.

„Sie sind fort, oder?“, fragte er und Remus nickte. „Ja, fürs erste. Wie lang ist es noch bis zu unserer Ankunft?“, wollte Remus wissen und der Mann blickte kurz nach draußen, dann auf seine Uhr, auf der sich die Zeiger viel zu schnell bewegten für eine normale Uhr. „Etwa 30 Minuten, Sir“, gab er dann zurück. „Unglaublich... Dementoren im Hogwarts Expres...“ Es war nur ein Murmeln, doch Remus hatte es gehört.

„Ich hoffe sie werden uns nicht noch einmal stoppen“, erwiderte er und der Mann seufzte. „Schon richtig, Aber was soll man sonst tun, wenn Sirius Black irgendwo dort draußen ist. Gefährlich. Sehr gefährlich.“ Remus nickte nur, offensichtlich nicht mehr in der Stimmung dazu nun über Dementoren oder Sirius Black zu reden, weshalb er das Thema wechselte. „Ist es möglich eine Eule los zu schicken?“, fragte er und der Mann zog an einem Glöckchen. „Natürlich ist das möglich“, antwortete er, „Gehen Sie einfach in den Gepäckwagen. Man erwartet Sie dort“ „In Ordnung. Vielen Dank, Sir“, sagte Remus höflich und verließ den Führerstand.
 

Er musste es Dumbledore wissen lassen was passiert war. So lief er zu besagtem Waggon und ihm wurde ein Käfig überreicht. „Sie ist unsere Schnellste. Überlassen Sie einfach alles ihr“, erklärte die Hexe, die ihm die Eule in dem Käfig überreicht hatte. Remus bedankte sich, nahm in einer ruhigen Ecke Platz und zog ein Papier und einen Kugelschreiber heraus. Obwohl er während seiner ganzen Schulzeit immer Federn benutzt hatte, bevorzugte er Kugelschreiber eindeutig.
 

»Albus, es waren Dementoren im Hogwarts Express, offensichtlich auf der Suche nach Sirius. Harry hat es nicht gut aufgenommen und ist zusammengebrochen. Es geht ihm gut, aber ich hoffe wir müssen nicht noch mehr Dementoren in Hogwarts erwarten.

-R. Lupin«
 

Er brachte das Papier an einem Bein der Eule an und öffnete ein Fenster, um sie raus fliegen zu lassen. Er fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken an diese Kreaturen. War das wirklich notwendig? Er seufzte etwas, dankte der Hexe noch einmal und machte sich auf den Weg zurück zu seinem ursprünglichen Abteil.
 

Die Schüler in den Abteilen schienen sich alle darüber auszutauschen, was sie gerade erlebt hatten. Er konnte ein paar Gesprächsfetzen auffangen, als Türen sich öffneten und wieder geschlossen wurden, doch das meiste klang eher wie ein Brummen in seinen Ohren.

Wieder am Abteil angekommen öffnete er die Tür und sah sich um, nur um zu bemerken, dass Harry noch immer die Schokolade in seiner Hand hielt. Er schenkte dem Jungen ein kleines Lächeln. „Ich hab die Schokolade nicht vergiftet, weißt du...“ Er konnte nicht wirklich glauben, dass Harry sie noch immer nicht gegessen hatte. Dann aber nahm er endlich einen Biss und Remus setzte sich auf seinen Platz. „Wir werden in zehn Minuten in Hogwarts ankommen“ Wieder sah er den Jungen neben sich an. Jetzt wo das Licht wieder an war, sah er noch mehr nach James aus. Das gleiche unkontrollierbare, ungekämmte schwarze Haar, die gebräunte Haut und er trug ebenso eine Brille. Nur das schelmische Funkeln in seinen Augen fehlte. Stattdessen waren sie so sanft und vertrauensvoll wie es Lilys Augen gewesen waren.

Remus seufzte tief und sah aus dem Fenster, aus dem er kaum etwas erkennen konnte. Es herrschte tiefste Dunkelheit, also drehte er sich zurück. „Bist du in Ordnung, Harry?“, fragte er und wollte sich in der nächsten Sekunde schon selbst dafür rügen. Er konnte seinen Namen nicht wissen, oder? Aber Harry fragte nicht nach. Er nickte nur und presste ein leises „Alles gut“ heraus.
 

Bis zu ihrer Ankunft am Bahnhof war es sehr ruhig. Und als sie endlich den Zug verließen, verlor Remus Harry, der sicher schon in eine Kutsche gestiegen war, aus den Augen. Er lief auf eine andere Kutsche zu, strich sanft über die Nüstern des Thestrals vor sich, ehe er sich auf die Kutschbank sinken ließ.

Während seiner Schuljahre hatten er – und auch die anderen Marauder – sich immer gefragt, wie sich die Kutschen bewegten. Doch nun wusste er es. Thestrale. Natürlich. Nachdem er Menschen im Krieg hatte sterben sehen, konnte er diese Tiere nun ebenfalls sehen. Aber ihm fiel auch auf, dass sie anderen Schülern nicht verborgen blieben. Da war ein blondes Mädchen, das eines streichelte und auch der Junge, der zuvor mit ihm im Abteil gesessen hatte.
 

Während sie zum Schloss aufbrachen fühlte sich Remus in seine Kindheit zurückversetzt, als alles noch anders gewesen war. Als er glücklich mit seinen Freunden gewesen war und das Schlimmste worüber sie sich Gedanken hatten machen müssen, eine schlechte Note war oder wie sie an Vollmond raus kamen. Er strich sich durchs Haar und biss sich auf der Unterlippe herum. Nach so vielen Jahren kam er nun zurück zu dem Ort, de er einst sein zweites Zuhause genannt hatte.

Er war sich sicher alle geheimen Gänge, all die versteckten Wege zu kennen, durch die man in das Schloss oder wieder hinaus kam. Oder auch Wege zur Küche. Sie hatten alles in ihre Karte geschrieben, die kurz vor ihrem Abschluss konfisziert worden war. Sie waren wirklich traurig darüber gewesen und aufgebracht, hatten sogar versucht sie zurück zu bekommen. Er fragte sich, ob sie noch existierte, oder ob sie schon längst weg geworfen worden war...
 

Als die Kutsche in Hogwarts ankam, stieg er aus seiner heraus, nur um einen blonden Jungen neben Harry zu sehen, der offensichtlich nicht glücklich damit war. Langsam kam er näher. „Gibt es hier ein Problem?“, fragte Remus mit sanfter Stimme. Der Junge drehte sich um und warf ihm einen überheblichen Blick zu.

„Oh, nein – ähm – Professor“, antwortete er und schmunzelte seinen größeren Freunden zu, ehe er die Stufen hoch zum Schloss ging. Harry und seine Freunde nahmen den selben weg, aber Remus blieb noch einen Moment zurück. Selbst hier konnte er die Dementoren sehen. Er hoffte wirklich, dass es näher am Schloss keine mehr gab.

Mit einem tiefen Seufzen nahm er die Stufen nach oben und als er schließlich durch die gewaltingen Tore trat, strömte Wärme auf seinen Körper ein. Wärme, die er seit Jahren nicht mehr gefühlt hatte...



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