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Die Krötenkrise

von
Koautor: Arcturus

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Die Krötenkrise

14. März 1982

Wapping Wall Nb. 7

London
 

Lily spürte den aufkeimenden Zorn wie Hundehaare auf ihrer Zunge. Sie hasste Hundehaare auf ihrer Zunge.

„Sirius.“

Vorsichtig, beinahe zaghaft, sah er auf. Erst über den Rand des kleinen Terrariums zwischen ihnen, dann zu ihrer Jeansjacke, zu ihrem Kinn. Er wedelte, und da war Lily sich sicher, nur nicht unschuldig mit der Rute, weil es sich gerade nicht anbot, sich zu verwandeln.

Lily kannte diesen Blick - und sie hasste ihn. Sie hasste ihn immer dann, wenn einer ihrer Schuhe eines unnatürlichen Todes gestorben war. Oder eine der Tassen, die ihre Mutter ihr zum Auszug geschenkt hatte. Oder Cashew XXVII., ihre Laborratte.

Besonders wegen Cashew XXVII. war sie immer noch sauer.

„Lily?“

Selbst sein Tonfall bebte voll fingierter Unschuld.

„Sirius? Das ... ist eine Kröte.“

Einen Moment lang blickten sie beide in das Terrarium.

Zugegeben, es war eine sehr prächtige Kröte. Grüne Flecken auf weißem Grund, rote Warzen dazwischen. Hätte Lily ihn Zaubertrankzutaten kaufen geschickt, sie wäre vermutlich begeistert gewesen, zumindest, bis der Kassenzettel einen Weg in ihre Finger fand.

Das Problem war nur: Sie hatte ihn nicht Zaubertrankzutaten kaufen geschickt.

Und eigentlich hatte sie angenommen, sie sei eindeutig genug gewesen, als sie ihm die Pfundnoten in die Hände gedrückt hatte. Pfundnoten, wohlbemerkt, nicht Galleonen.

Nun ...

Offenbar nicht.

Sie schnaubte.

„Fein. Hast du vielleicht auch an das Rezept gedacht?“

Ein geringerer Magier wäre vermutlich unter dem Blick, den Lily ihm zuwarf, eingeknickt, doch nicht Sirius Black. Bei jedem ihrer Worte hellte sich seine Miene auf. Ein Lächeln kroch in seine Mundwinkel, das sie nichts Gutes ahnen ließ.

„Du pinkelst drauf.“

Lily öffnete nicht einmal den Mund. Sie starrte.

Sie starrte zu Sirius, zu seinem feisten Grinsen, zu der Kröte. Vor allem zu der Kröte.

Unglückliches Quaken dröhnte durch das Loft. Eigentlich, fand Lily, war das Antwort genug.

Auf der anderen Seite der Kröte leckte Sirius sich über die Lippen. Statt Reue funkelte Schalk in seinen Augen.

„Also eigentlich“, verkündete er, als täte er ihr damit einen Gefallen, „pinkelst du rein. Du musst Applecheeks nicht anfassen, wenn du dich nicht traust.“

„Nicht hilfreich, Sirius. Nicht. Hilfreich.“

„Nicht?“

Sie biss die Zähne aufeinander.

Auch ohne seinen Blick zu erwidern wusste Lily, worauf ihr Freund lauerte. Allein die Lässigkeit, mit der er die Arme vor der Brust verschränkte und wartete, verriet, dass Sirius die drei Stunden zwischen seinem Einkaufsbummel und ihrem Schichtende nicht mit Klavierspielen verbracht hatte. Nicht nur, zumindest.

Sie sah die dreitausendundfünf scheinheiligen Erklärungen, die er ihr auftischen würde - und sie würde sie ignorieren. Sie alle. Sie und Petunias Stimme, die wie eine kaputte Schallplatte in ihrem Hinterkopf leierte und ihr erklärte, dass für Lily ein Hase gestorben war.

Lily presste die Lippen aufeinander.

Die Phase, an denen sie Petunias Geschichten über die Schwangerschaftstests des NHS glaubte, hatte sie längst hinter sich gelassen. Die Phasen, in denen sie an einen Funken anstatt in ihrem Freund glaubte, auch.

„Du weißt, dass Muggel schon seit über zehn Jahren keinen Urin mehr in Kröten spritzen?“, fragte sie spitz.

„Nicht?“

Er wirkte nicht halb so geschockt, wie ein reinblütiger Zauberer, der noch nie etwas von Tierversuchen gehört hatte, wirken sollte. Vielleicht sollte sie seiner Vorgesetzten beim nächsten Mittagessen in der Ministeriumskantine verraten, was er nachschlug, wenn sie ihn zur Recherche in die Bibliothek schickte. Wenn sie die Steaks dort nicht vorher fraßen.

„Nicht, nein.“

Sie atmete tief durch.

„Als ich dich gefragt habe, ob du weißt, welche Apotheke ich meine, hast du gelogen, oder?“

Sirius antwortete mit einem Augenaufschlag, der dem Mister-Magic-1982-Award der Hexenwoche würdig gewesen wäre.

„Nein“, flötete er. „Ich habe gelogen, als ich dir sagte, ich würde zu dieser Apotheke gehen.“

In ihr keimte das Bedürfnis auf, sich wie die Gryffindor, die sie war, über Couchtisch und Kröte hinweg auf ihn zu stürzen und ihn zu schütteln. Statt nach Sirius Hals' griff sie nach dem Terrarium und linste hinein.

Einen Augenblick lang starrten sie und die Kröte einander an.

„Nur fürs Protokoll, Paddy“, murrte sie, Auge in Auge mit einer besonders großen, roten Warze. „Wenn Applecheeks hier in den nächsten Tagen laicht, suche ich den Namen aus.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Vielen Dank fürs Lesen. :)

Und, falls ihr euch jetzt wundert, woher die Sache mit den Kröten kommt: Die ersten, zuverlässigen Schwangerschaftstests wurden Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelt und waren Tierversuche. Um herauszufinden, ob eine Frau schwanger war, injizierte man ihren Urin in ein Tier und prüfte dann, ob es eine Reaktion zeigte. Die ersten Tiere waren Mäuse und Kanninchen. (Daher auch der Ausspruch "The rabbit has died" für einen positiven Schwangerschaftstest. Ganz korrekt ist das nicht - bei diesen frühen Tests starben generell alle Testtiere. Der Test sah vor, das Versuchstier zu töten und anschließend die Eierstöcke zu untersuchen.)
Etwas später wurden Versuchsmethoden mit Fröschen und Kröten entwickelt und fanden in den 1950ern massenhafte Anwendung. Auch hier wurde noch Urin in ein Tier injiziert, eben in einen Frosch oder eine Kröte. Ob die Urinspenderin schwanger war oder nicht, ließ sich kurz darauf daran ablesen, ob das Tier laichte (bei Weibchen) oder Spermien abgab (bei Männchen), der Tod des Tieres war dabei nicht mehr erforderlich.
In den 1960er und 1970er Jahren wurden dann Tests entwickelt, die ohne Tiere auskamen. Die ersten Schwangerschaftstests, die frau selbstständig zu Hause durchführen konnte, kamen Ende der 1970er auf den Markt.

Und ja, eigentlich hätte Sirius so ein Ding besorgen sollen. Aber Sirius wäre nicht Sirius, würde er sich an die Vorgaben halten. ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Jeon_Jungkook
2017-04-17T16:40:32+00:00 17.04.2017 18:40
Köstlich, wahrlich köstlich!
Am Anfang hatte ich nur kleine Probleme herauszulesen, wann Sirius sich denn von einem Hund in sein menschliches Wesen verwandelt hatte. Zumindest habe ich einen Moment gebraucht! Aber die Umsetzung hat mir sehr gefallen und die Idee mit der Kröte als magischer Schwangerschaftstest war einfach nur herrlich. 
Da kann man nur gespannt sein, ob die Frau Kröte nun laichen wird?
Von:  CharleyQueens
2017-04-05T09:54:41+00:00 05.04.2017 11:54
Das war wirklich eine sehr seltsame Geschichte, muss ich zugeben. Aber dennoch sehr, sehr lustig geschildert. Vor allem die kleinen Dinge haben ihren Charme und ich mag den Dialog der beiden. Es ist so typisch Sirius, dass er mit einer Kröte bei Lily ankommt.
(Und übrigens traue ich es den Hexen auch zu, dass sie sich auf diese Art und Weise auf Schwangerschaft testen lassen... wäre ich in Hogwarts, ich würde wahrscheinlich keine Kröte in meine Nähe lassen)
 
LG, Queenie
Antwort von: Arcturus
09.04.2017 18:42
Hey,

danke für deinen Kommentar. :)
Was genau fandest du denn seltsam?

(Und ja. Vermutlich tun sie genau das. Aber da Hogwarts ja offensichtlich weder menschliche Biologie im Allgemeinen noch Sexualkunde im Besonderen unterrichtet, werden das diverse Damen sicher erst erfahren, wenn sie keine Hogwartshaustiere mehr brauchen...)
Von: abgemeldet
2017-04-01T15:23:58+00:00 01.04.2017 17:23
Definitiv eine der unterhaltsamsten Geschichten, die ich zum Fandom in den Jahren gelesen habe. Du hast die Eigenheiten des Hundes mit Haaren und Rute eingebunden, den Spitznamen der Bücher aufgegriffen und das Ganze mit charmanten Hinweisen an die Hexenwoche usw. aberundet. Man weiß, was die Charaktere tragen, wo sie sich und vor allem wann sie sich befinden - top für die Leserorientierung.
Der Dialog ist geschlossen, Emotionen authentisch und nahtlos. Dass Lily am Ende die Kröte nimmt und den Namen aussucht - pointiert, hervorragend.
Was mir zu hoch war, war die Kurzbeschreibung. Ich sehe absolut gar keinen Zusammenhang zum Inhalt. Für mich war der Schnuppertext weitaus interessanter, weil sie den Stil wiedergibt - und der spricht mich rundherum an.

Cylk.
Antwort von: Arcturus
01.04.2017 18:33
Hallo,

danke für deinen Kommentar. :)
Die Kurzbeschreibung stammt vom Prompt.
Ich sollte - neben dem Pairing - drei Dinge einbinden: Den Schwangerschaftstest, das Geständnis "Ich habe gelogen" und einen Wahrsagekalender, der jeden Tag eine neue Weissagung trifft. Die ersten beiden Sachen habe ich im Text eingebunden, die letzte in den Kurzbeschreibungstext. Es ist also eine Prophezeiung für Sirius.

lG
Arcturus
Von: Swanlady
2017-03-14T18:21:00+00:00 14.03.2017 19:21
Du, ich weiß nicht mal wirklich, was ich mir bei dem Prompt gedacht habe. ;) Es erschien mir einfach lustig und genau so ist es am Ende auch geworden! Danke für die Infos bzgl. der Entwicklung des Schwangerschaftstests, man lernt immer wieder dazu.
Mit dem nötigen Kontext macht es natürlich viel Sinn, dass Sirius mit Applecheeks aufkreuzt - zumindest scheint er recherchiert zu haben. Wobei ein "er hat's versucht" wohl längst nicht mehr bei Lily zieht, hm...
Eine sehr unterhaltsame und gelungene Szene. Hab vielen Dank für die humorvolle Geschichte, ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen.

Antwort von: Arcturus
14.03.2017 20:24
Was Applecheeks anbelangt - ich fürchte ja fast, die Magier testen Schwangerschaften immer noch so. Die werden irgendwann mal festgestellt haben "Wenn ich auf diese spezielle, magische Krötenart pinkle, dann sagt mir die Kröte, ob ich schwanger bin oder nicht!" und dann ... wird die Kröte halt von Mutter an Tochter weitergeben. Oder so.
Ähm ...
Anyway: Gern geschehen.
Vielen Dank für dieses abstruse Plotbunny. :3


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