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Senbonzakura's Song

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen!

Ich hoffe, bei euch ist ungefähr genauso schönes Wetter, wie hier. Nach so einer arbeitsreichen Woche (Brückentagurlaub musste ich stornieren :| ) tut es gut, mal ein wenig die Sonne zu genießen. Viel unternehmen ist ja wegen meinem Fuß immer noch nicht. Jetzt bin ich schon 3 Wochen mit dieser Schiene unterwegs und gefühlt hat es noch gar nichts gebracht. Abends ist mein Knöchel immer noch rundherum geschwollen, auch wenn ich wirklich wenig gehe (Schrittzähler ist selten über 3.500 Schritte...). Hat jemand von euch Erfahrungen mit Außenbandrissen? xD

Und nun: Viel Spaß beim Lesen. Es wird interessant ^^

LG
yezz Komplett anzeigen

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Absence and Jealousy

Die Sonne schien hell und hoch am Himmel, die Straßen der Seireitei waren glitschig wegen dem schmelzenden Schnee. Byakuya wählte seinen Weg zu Kommandant Ukitakes Unterkunft am See vorsichtig durch den Matsch und den sturen Flecken Eis. Vielleicht war es die Farbe von dem ausgebleichten, hölzernen Gehweg gegen die kalte, graue Totenstille des tiefen Sees, doch der Ugendō sah… einsam aus.
 

Als er die Tür aufschob, wurde das Gefühl nur noch verstärkt. Der normalerweise allgegenwärtige Kyōraku war merklich abwesend und die verhaltene Weise, wie Ukitake ihn einließ, ließ Byakuya fragen: „Geht es dir gut, Kommandant?“
 

„Oh, es ist nichts“, sagte Ukitake mit einem gezwungenen Lächeln, als er eine zweite Schale fand und Byakuya Tee eingoss. Ukitake sank langsam zurück auf den Boden, als sei es schmerzhaft. „Ich habe wegen dem Schneesturm nur schlecht geschlafen. Die Kälte, weißt du?“
 

Doch Wasser war sein Element.
 

Hatte Ukitake ‚schlecht‘ geschlafen oder… alleine? Byakuya konnte den Impuls nicht unterdrücken, zu dem Platz zu schauen, wo meistens Ukitakes Bett ausgerollt wurde, wenn er krank war. Doch es war schon weggeräumt.
 

Wo war Ukitakes Partner? Ohne den ungestümen Kommandanten an seiner Seite, schien Ukitake… halbiert.
 

Hmmmm.
 

Kommandant Kyōraku war derjenige gewesen, der Daisuke in dieser Nacht zum Anwesen gebracht hatte. War da ein Streit gewesen? Auch Kyōraku hatte das Wort ‚Spion‘ benutzt, um seine eigene Beziehung zu dem Kagema zu beschreiben, war es möglich, dass Daisuke doch mehr für ihn war?
 

Vielleicht war es unhöflich, aber es schien ihm nicht außerhalb der Möglichkeiten zu liegen. Kyōraku flirtete mit allem und jedem, wie es schien. Byakuya erinnerte sich noch sehr gut an seine eigenen Tage hier in der Dreizehnten, dass Kyōraku die Tendenz hatte, herumzuwandern, aus Ukitakes Leben für Monate zu verschwinden. Manchmal hatte er sich noch nicht einmal damit aufgehalten, zurückzukehren, wenn Ukitake furchtbar krank gewesen war. Solch offensichtliche Herzlosigkeit hatte dafür gesorgt, dass Byakuya Kyōraku nicht gemocht hatte.
 

Was Kyōraku auf einer weiteren ‚Wanderschaft‘? Vielleicht um auszuleben, was auch immer er für eine Beziehung zu Daisuke hatte?
 

Nun ja, es war wohl kaum Byakuyas Angelegenheit oder warum er hierhergekommen war.
 

„Ich hatte letzte Nacht auch eine Schwierigkeit“, sagte Byakuya schlussendlich und nippte an dem heißen Tee. Wie gewohnt war Ukitakes Geschmack erlesen. Der Tee war reichhaltig und vollmundig. Byakuya nahm noch einen langsameren, genießerischen Schluck, bevor er fortfuhr. „Vielleicht hast du bereits von der Entführung meiner Cousine gehört?“
 

„Shunsui hat mir davon erzählt“, sagte Ukitake.
 

Ah, also war er zumindest ein wenig bei ihm.
 

„Ja, also“, begann Byakuya. Er nahm einen weiteren Schluck von dem starken Tee und preschte dann hervor. „Es scheint, als schulde ich dir eine Entschuldigung. Während der Rettungsmission wurden Dinge entdeckt, die auf eine Beteiligung von Aizen an unseren Schwierigkeiten im Rukongai deuten. Ich glaube nun, dass vermutlich Kaien Shibas Wiederauftauchen eine reine Illusion war.“
 

Ukitake hatte sich vorgebeugt und seine Teeschale mit beiden Händen umfasst, dabei hatte er aufmerksam zugehört. Er beobachtete Byakuya für einen weiteren Moment erwartungsvoll. Dann lächelte er und lachte sein sanftes, selbstironisches Lachen. „Oh!“, sagte er und setzte sich zurück. „Du bist den ganzen Weg hergekommen, um ‚Entschuldigung‘ zu sagen? Das hättest du nicht tun müssen, Byakuya. Ich habe dich da niemals ernst genommen.“ Er lachte wieder leicht und rieb sich wie ein Schuljunge den Nacken. „Immerhin wusste ich, dass ich ihn nicht illegal wiederbelebt habe!“
 

„Durchaus“, sagte Byakuya und hielt dabei mit schierer Willensstärke die Schamesröte aus dem Gesicht. Seine Augen fokussierten sich auf das Getränk in seiner Hand. „Dennoch waren meine Andeutungen gegenüber deinem Charakter unhöflich.“
 

„Es war Shunsui, der sich mehr beleidigt fühlte“, sagte Ukitake. Dann, mit einem Seufzen, presste er die Lippen fest aufeinander und blickte zur Tür hinaus, wo die Sonne die scharfen Eiskanten des großen Sees schmolz. Ein trauriger Ausdruck war kurz auf Ukitakes Gesicht zu sehen, doch er erholte sich schnell. „Würdest du zum Mittagessen bleiben? Wir können uns gegenseitig Trost spenden!“
 

„Trost?“, fragte Byakuya, ein bisschen über das Angebot überrascht.
 

Als würde Ukitake seine Gedanken lesen, erklärte er: „Wir können Tee trinken und die Sonne über dem See beobachten, um unsere Gedanken zu beruhigen. Immerhin musst du genauso besorgt um Renji sein, wie ich um Rukia.“
 

Rukia? Wann hatte sich Ukitake jemals um Rukia gesorgt? Besonders da es viel offensichtlicher war, dass er seinen Partner vermisste, nicht die Untergebene, die er bereits so oft sorglos in den Schlund der Gefahr geworfen hatte.
 

Byakuya starrte finster in seine Teeschale. Konnte dieses Gespräch noch verwirrender sein? Byakuya fühlte sich, als würde alles, was er aussendete, fehlgeleitet zurückkehren.
 

Jedoch war das ein gewohntes Gefühl in Ukitakes Gesellschaft.
 

Byakuya schüttelte den Kopf und sagte höflich: „Es wären mir eine Freude, Kommandant, doch da sowohl mein Vizekommandant als auch meine 3. Offizierin fort ist, befürchte ich, dass ich ablehnen muss. Meine Division ist momentan sehr unterbesetzt.“
 

„Oh, dann darf ich dich nicht aufhalten“, sagte Ukitake und stand bereits auf. „Ich war sowieso albern. Unsere Untergebenen sind stark und fähig. Ich bin mir sicher, dass wir nichts zu befürchten haben.“
 


 

Anstatt mit Blitzschritt zur Division zu eilen, entschied Byakuya, zurückzugehen – zumindest einen Teil des Weges. Er musste seinen Kopf frei machen. Trotz seiner Worte war er in keiner besonderen Eile, zu einer Division zurückzukehren, die soweit selbst in der Lage war, ohne ihn weiterzulaufen. Byakuya wollte sogar etwas Zeit schinden, um das Rätsel um die seltsame Interaktion mit Ukitake zu lösen.
 

Da es gerade Nachmittag war, waren die Straßen rund um der Dreizehnten gefüllt mit lebhaftem Lebensmittelhandel. Dutzende von Essenshändlern aller Arten waren aufgereiht an der großen, alten Befestigungsmauer aus Stein, welche die Division umgab. Shinigami saßen alleine oder in Gruppen, sprachen und lachten, während sie Nudeln schlürften oder am Okonomiyaki knabberten.
 

Wie immer schien es, als wären in der Gegend um der Dreizehnten mehr Familien mit kleinen Kindern, als irgendwo sonst. Eine Gruppe von jungen Mädchen huschte an ihm vorbei und lief im Kreis um ihn herum. Eine hielt an, drehte sich um und sprang dann in die andere Richtung, als hätte sie seinen wehenden Haori als Schild oder Versteck benutzt.
 

Kinderspiele.
 

Fehlgeleitet.
 

Manchmal wunderte sich Byakuya sehr über seinen früheren Kommandanten und seinen ‚schattenhaften‘ Partner.
 

Nur die Zeit würde schlussendlich genau sagen, auf welcher Seite sie waren. Kyōraku, in seiner jovialen Art, war überraschend drohend gewesen in dieser Nacht. Als Byakuya ihn hinausbegleitet hatte, hatten sie fast keine Worte ausgetauscht, bis Kyōraku am Tor in seiner üblichen Art gelacht hatte. Er hatte seinen Kopf geschüttelt, als wolle er ein Kleinkind ermahnen und gesagt: „Sei vorsichtig, Herr Byakuya. Spiel keine Spielchen mit mir. Katen Kyokotsu ist ein schlechter Verlierer.“
 

Dann war er in den wütenden Schneesturm verschwunden. Der unheilvolle, grell pinke Kimono verschwand in der Nacht wie ein Geist.
 

Byakuya musste zugeben, dass er die Tendenz hatte, von seinen früheren Mentoren als harmlose, sogar aufdringliche, alte Männer zu denken. Und doch nahmen sie sich immer mal wieder die Zeit, ihn daran zu erinnern, wie falsch diese Einschätzung war.
 

Ukitake… schien abgelenkt oder war sein Benehmen… eine Ablenkung?
 

Die beiden waren so, einer spielte direkt in die Hand des Anderen. Das sorgte dafür, dass sich Byakuyas Nackenhaare aufrichteten.
 

Er war so versunken in seinen Gedanken, dass er kaum bemerkte, wie sich der Vizekommandant der 9. Division näherte, bis Shūhei Hisagi an seinem Ellbogen stand. „Kommandant Kuchiki?“
 

Byakuya blickte hinab – und dann hinauf – überrascht, festzustellen, dass Vizekommandant Hisagi genau seine Größe hatte. Sie waren genau auf Augenhöhe. Ähnlich schlank, doch Hisagi war vielleicht ein bis zwei Kilo schwerer als Byakuya, doch der Unterschied war sehr klein. Noch besorgniserregender war, dass ihre Augen eine ähnliche Farbe hatte, auch wenn Byakuya glaubte, dass seine eigenen einen helleren Grauton hatten.
 

Hatte Renji eine besondere Vorliebe, was den Körperbau anging?
 

Sie hatten auch die gleichen, tintenschwarzen Haare, wenn auch radikal anders frisiert. Tatsächlich konnte Hisagis kompletter ‚Stil‘ als ‚radikal‘ angesehen werden, wenn man sich dieses unhöfliche Gesichtstattoo und die Vorliebe für Lederarmbänder und-halsbänder mit Nieten so anschaute.
 

Letzteres sorgte dafür, dass Byakuya sich fragte, ob sie auch andere… Interessen teilten.
 

Die Stille streckte sich noch etwas länger als gewollt und HIsagi sah nervös aus. „Uh, entschuldigen sie, dass ich sie störe, Kommandant“, sagte er und nickte noch einmal grüßend. „Aber, haben sie Renji – ich meine, Vizekommandant Abarai gesehen?“
 

„Mir war nicht bewusst, dass du etwas mit meinem Vizekommandanten zu schaffen hast.“ Außer seine Klassenzimmerfantasien mit dir, natürlich, dachte Byakuya verägert.
 

„Renjis ‚Auf geht’s: Shikai‘ Teil 2 hätte vor 3 Tagen auf meinem Schreibtisch sein sollen und, natürlich, ist er jetzt dazu übergegangen, sich zu verstecken. Ich kann ihn nirgendwo finden“, sagte Hisagi. Er blickte zu den Häuserdächern hinauf, als hoffte er, Renji dort auszumachen. Dann fiel er hinter Byakuya in Gleichschritt, der sein Tempo erhöht hatte, um weitere Gespräche zu vermeiden. Hisagai fuhr mit einem Seufzen fort: „Es ist so schwer, Andere für Artikel zu überreden – nun ja, immerhin ist nicht viel Zeit. Ich denke nicht, dass sie bereit sind, ein Gegenstück für die Zeitung zu schreiben? Wie wäre es mit ‚Auf geht’s: Bankai‘?“
 

„Wie wäre es mit ‚Auf geht’s: Vergiss es‘?“, sagte Byakuya.
 

„Ja, nun ja. Ein Versuch war es wert“, Hisagi zuckte mit den Schultern. Er wandte sich in die Richtung seiner eigenen Division ab und winkte zum Abschied, was allerdings nicht viel mehr als ein Schütteln seiner Finger war. „Also wenn sie Renji sehen, sagen sie ihm bitte, dass ich diesen Artikel aus ihm herausbekomme, egal wie. Selbst wenn ich Tag und Nacht mit einer Peitsche hinter ihm stehen muss! Kein Bier mehr und kein nächtlicher Ausgang, bis ich meinen Artikel bekomme!“
 

Eine… Peitsche?
 

Nächtlicher Ausgang?
 

Nein. So sehr ‚nein‘. Tatsächlich war alles, was Byakuya tun konnte, nicht zu keifen: ‚Du wirst dich nicht mehr in die Nähe meines Renjis wagen‘. Stattdessen nickte er nur steif und sagte leise: „Glaube mir, ich werde mit ihm reden, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.“
 


 

Als Byakuya zur Division zurückkam, herrschte dort… Chaos. Zumindest schien es ihm so, denn plötzlich brauchten alle irgendetwas von ihrem Kommandanten. Woher sollte er denn wissen, wo die Anforderungsformulare aufbewahrt wurden? Ohne Zweifel waren sie dort, wo Renji sie normalerweise aufbewahrte. Nein, er hatte keine Ahnung, wo sie vielleicht sein könnten. Hatte er eine Meinung über die Reihenfolge der Trainingseinheiten? Sicherlich konnte da auch jemand anderes etwas zu sagen. Aber er konnte das nicht sagen, oder? Also traf er die entsprechenden Entschlüsse. Doch wenn er das tat, hatte Byakuya das starke Gefühl, durch all die zusammengezogenen Augenbrauen und ausdruckslosen Blicke, dass es nicht das war, was Renji entschieden hätte. Folglich könnte er auch komplett falsch liegen, doch niemand von ihnen wagte sich, etwas zu sagen. Nein, er wünschte ganz sicher nicht, zwischen zwei streitende, ranglose Soldaten zu treten, doch zumindest war es schnell gelöst, indem er ihnen einen ernsten Blick zu warf, sodass die beiden erzitterten, sich entschuldigten und versprachen, sich zu benehmen.
 

Wie in aller Welt konnte Renji Tag ein und Tag aus damit umgehen?
 

Byakuya fand endlich einen Grund, zu verschwinden. Es war ein Auftrag, weit unter seinem Rang, doch wenn niemand mutig genug war, die monatlichen Karten aus der ‚Vorschlagsbox‘ zum Generalkommandanten zu bringen, hatte Byakuya ganz sicher die Fähigkeiten, den Hügel hinaufzugehen und hatte noch nicht einmal einen Hauch von Angst dem Vizekommandanten der Ersten gegenüber.
 

Außerdem konnte es als Arbeit für die Division gewertet werden. Er drückte sich also nicht vor seinen Pflichten.
 

Und er lief auch nicht weg, auch wenn er mit Shunpo aus dem Haupttor der Division trat, um sicherzustellen, dass niemand nach seinem Ärmel greifen konnte.
 

Es war ein Zeichen für die hektische Energie im Büro des Vizekommandanten, dass im Vergleich die Straßen ruhig erschienen. Byakuya mochte es zu denken, dass die Nachbarschaft um der Sechsten herum die Persönlichkeit der Division widerspiegelte. Folglich war es eine vielseitige Kombination aus Würde und Ungestüm. Die Handelsleute, die in der Nähe der Division lebten, waren meist höchst talentierte Maurer, Baumeister und Zimmerleute. Sie alle hatten Familien, arbeiteten hart, lebten vorwiegend ruhige, manierliche Leben – außer zu dieser Zeit des Tages, wenn sich viele bei den Akachōchin mit den roten Laternen sammelten, laut lachten und sich gegenseitig gutmütige Neckereien und Spitzen zuwarfen.
 

Alleine den Geräuschen der Taverne zuzuhören ließ Byakuya Renji so heftig vermissen, dass es bereits wie ein körperlicher Schmerz war.
 

Vielleicht hätte er doch bei Ukitake bleiben sollen. Die Gerüche, die von der Kneipe kamen, erinnerten ihn, dass er sein Mittagessen ausgelassen hatte und es war nicht so, als würde er nicht verstehen, wie es sich anfühlte… komplett zu sein – nein, das minderte die Größe von beiden Seiten… vielleicht verbessert? Erhaben? – alleine von einem Partner.
 

Byakuya atmete laut aus.
 

Sein Reiatsu breitete sich reflexartig aus, um Renji als seinen Fels neben ihm zu suchen, nur um Leere zu finden. Ah, was würde Byakuya dafür geben, Renji nun hier zu haben, diese lächerlich langen Beine, die ihn laufen ließen, als würde er prahlen. Zu sehen, wie die untergehende Sonne die rubinroten Haare in ein lebendes Feuer verwandelte. Die Weise, wie die dunklen Linien seiner Tattoos jeden Gesichtsausdruck wilder und intensiver wirken ließen. Und doch, trotz all dem, wie einfach er lachte, wie schnell er lächelte und wie erhebend seine Präsenz war. Es war niemals schwierig, mit ihm zu sein, denn Renji schien von Natur aus zu verstehen, wann er ihm Raum lassen und wann er die Stille füllen sollte.
 

Wie es niemand anderes gekonnt hatte, seit Hisana.
 

Manchmal fragte sich Byakuya, ob er besorgter darüber sein musste, Renji zu früh zu verlieren, wie es bei Hisana gewesen war. Doch das Gefühl blieb nie lange. Da war kaum jemand widerstandsfähiger, als Renji. Natürlich konnte dieser närrische Pavian sehr einfach sterben, weil er seine eigenen Fähigkeiten überschätzte, doch seltsamerweise tröstete dieses Szenario Byakuya. Wenn Renji gerade jetzt brüllend und kopfüber in den sicheren Tod stürmte, wusste Byakuya, dass Renji genau so sterben würde, wie er es wünschte – mit dem Schwert in der Hand und das Schicksal mit einem Schnauben auf den Lippen herausfordernd.
 

Und auch wenn Byakuya glaubte, dass er vermutlich niemals mehr lieben konnte, würde er zumindest Frieden in einem solchen Tod von Renji finden.
 

Übermäßiges Selbstvertrauen. Es würde seine eigene Belohnung oder Fluch sein, je nach Ausgang.
 

Nein, die Sache, die Byakuyas Eingeweide in seinem eisigen Griff hatte, war Rukias Tendenz, nicht auf ihre eigene Stärke zu vertrauen. Es war kein wirkliches Wunder, dass sie Bankai nicht erreicht hat. Wenn er Sode no Shirayuki wäre, würde er sich sehr betrogen fühlen von Rukias Bereitschaft, ihr Zanpakutō in einer Krise abzugeben. Es wortwörtlich an einen untrainierten Menschen abzugeben, statt nach ihm zu rufen? Diese Situation musste wirklich schrecklich gewesen sein. Dennoch war es dieser seltsame Impuls von Rukia, dieser tiefliegende Mangel an Selbstvertrauen, der Byakuya bis ins Mark verängstigte.
 

Sie könnte so stark sein, wenn sie nur an sich selbst glauben würde.
 

Byakuya fragte sich, ob etwas in Inuzuri das aus Rukia gemacht hatte, ihren Willen ein wenig gebrochen hatte. Auch hier wünschte er sich wieder, dass er sich Renji zuwenden und fragen konnte. Doch selbst Renji behielt viel von seiner Vergangenheit verschlossen in seiner Brust – selbst wenn es ihn so klar bestimmte.
 

Renji hatte es nie geschafft, trotz Akademie und Jahrzehnten bei den Hofgarden, seinen Akzent zu verlieren oder seine Komplexe zu bewältigen. Er schien niemals komfortabel auf dem Anwesen oder wenn ihm irgendeine Art von Luxus präsentiert wurde. Das Letzte war besonders frustrierend für Byakuya, denn er schien, dass jedes Mal, wenn er versuchte, Renji ein Geschenk oder etwas Ähnliches zu machen, dass es ihm wieder um die Ohren flog. Hisana zumindest hatte sich erlaubt, sich verwöhnen und mit Juwelen behängen zu lassen.
 

Renji… Byakuya konnte sich das noch nicht einmal wirklich vorstellen – wenn er Renji mit glitzerndem Flitter überhängen würde, würde er sich vermutlich sogar schlecht dabei fühlen, auch wenn er keine Ahnung hatte, warum.
 

Als Byakuya die 1. Division erreicht hatte, legte er den Umschlag an den entsprechenden Platz. Vorher hatte er jedoch einem aufgeschreckten Vizekommandant Kira den Weg gezeigt, der offensichtlich auf der gleichen Mission war.
 

„Fühlt sich Vizekommandant Abarai nicht gut?“, fragte Kira, als sie gemeinsam nach draußen gingen.
 

„Er ist auf Mission.“
 

Kira zuckte zusammen und ein dunkler Schatten glitt an seinen Augen vorbei, bevor sein Gesichtsausdruck härter wurde. „Hueco Mundo“, vermutete er. Dann ballten sich seine Fäuste an seinen Seiten und er flüsterte, fast wie ein Fluch oder vielleicht sogar einem Gebet: „Gin.“
 

Byakuya nickte, wusste nicht, was er sonst antworten sollte. Als Kira ging, wünschte er sich nur, dass er von dieser Art von Personen war, die einfach fragen konnten: ‚Du kennst Renji seit der Akademie, wie war das so? Wie war er damals?‘ Doch offensichtlich war Kira in einem sehr… intensiven Gedanken über seinen früheren Kommandanten verloren. Und trotz seiner kühnsten Wünsche, manchmal, war Byakuya nie einer von dieser Sorte.
 

Also kehrte Byakuya zu seinen eigenen Gedankengängen zurück.
 

Er bemerkte, dass die Lichter in den Laternen nun angezündet wurden und dachte, dass er besser mit Blitzschritt zur Division zurückkehrte, bevor er den komplette Tag mit seinen Grübeleien und Schmachten nach Renji verbrachte. Er hielt kurz beim Anwesen, um etwas zu Abend zu essen und dann zur Division zurückzukehren. Sicherlich würde die Nachtschicht weniger chaotisch werden?
 

Er konnte es nur hoffen.
 

Byakuya trat am Hintereingang des Anwesens, dem Eingang der Dienerschaft, aus dem Shunpo. Es war die nahegelegenste Tür und auch wenn Byakuya überlegte, schnell zur Front zu gehen, sah er keinen Grund, warum er sich nicht einfach für diesen Weg entscheiden konnte. Er öffnete die Tür, nur um mit Seichi, Renjis Bruder, zu kollidieren.
 

Seichi schien bereit, zu zetern oder zu keifen, doch dann schaute er Byakuya kurz an, seine Augen wurden beim Anblick des Kenseikan und dem Haori groß und er fiel auf die Knie. „Ich bitte vielmals um Entschuldigung!“
 

Ein törichter Impuls überwältigte Byakuya und er überraschte sich selbst, als er sagte: „Leiste mir beim Abendessen Gesellschaft. Ich möchte über Renji sprechen.“
 

Seichi sah… in die Enge getrieben aus, doch er sagte: „Ähm, ok.“
 

Byakuya nickte. Wenn er nicht mit Renji über seine Vergangenheit reden konnte, dann könnte er zumindest etwas durch seinen Bruder herausfinden. „Folge mir.“
 

Seichi aß genauso wie sein Bruder, mit Feuereifer und scheinbar endlosem Appetit. Es war sowohl faszinierend als auch ekelerregend, das zu beobachten.
 

Byakuya hatte seine Portion bereits vor eine Weile aufgegessen. Er hatte sich etwas zurückgesetzt und nippte an seinem Tee, während er versuchte, zu formulieren, was genau er sagen wollte. Kaum ein Wort hatten sie beide ausgetauscht, seit der Tisch gedeckt worden war. Vorher hatte er nur ein paar gegrunzte Antworten auf Fragen wie ‚Hast du dich gut eingelebt?‘ und andere Höflichkeiten bekommen. Byakuya musste feststellen, dass nun wo Seichi hier war, er keine Ahnung hatte, wie er mit ihm reden sollte.
 

Am Ende war es Seichi, der zuerst sprach. Vielleicht hatte er Byakuyas Blick auf sich gespürt, doch seine Essstäbchen verlangsamten ihr konstantes Schaufeln lange genug um „Was?“ zu fragen. Als Byakuya nicht direkt antwortete, setzte sich Seichi etwas auf, ließ seine Essstäbchen im Schoß ruhen und sagte: „Richtig. Ich meine, natürlich möchten sie etwas. Ich meine, ich esse am Tisch des Kommandanten, das ist eine Sache. Also, was schulde ich ihnen?“
 

Schulden. Solch ein gewichtiges Wort, doch es schien nie weit Weg in Seichis Gedanken. Auch wenn diese Situation tatsächlich eine solche war.
 

„Nur ein paar kleine Informationen“, sagte Byakuya. Er hielt die Teeschale in seinen Händen, um sich zu wärmen. Eishirō, der offensichtlich dieses Treffen missbilligte, hatte ihr Abendessen in das sehr formale ‚Kriegszimmer‘ verlegt. Samurai und Oni kämpften auf den Wänden um sie herum. Der große und ausgedehnte Raum mit der Kirschbaumholzdecke strahlte ernste Leere aus und war sehr kalt und hallte. „Ich bin neugierig, an was du dich von Renji in seiner Jugend erinnern kannst.“
 

„Heh“, Seichi begann wieder, an den restlichen eingelegten Pflaumen zu knabbern. „Der Renji, den ich gekannt habe, war ein Dieb und Dreckskerl. Nicht viel größer, als ich jetzt bin, doch mit einer großen Klappe und bissig wie eine Viper.“
 

Byakuya wunderte sich über Seichis Wortwahl bei der Beschreibung. Wusste er von Zabimarus Schlangenschwanz?
 

Es war auch schwer, sich vorzustellen, dass Renji jemals so klein gewesen war wie Seichi. Seichi war so klein, dass er schon fast wie ein Kind aussah, auch wenn es so schien, als würde er etwas in die Höhe schießen, nachdem er nun schon länger aus dem Gefängnis geholt worden war. Die Sonne hat einen Glanz in das sonst so fahle Gesicht gebracht und die Arbeit im Garten begann, Muskeln bei ihm aufzubauen, welche unter seinem Yukata leicht zu sehen waren. Es war vielleicht Einbildung, aber er schien auch ein paar Zentimeter gewachsen zu sein.
 

„Ansonsten war er, denke ich, derselbe. Hat immer seine Haare hochgebunden, wenn sie zu lange waren“, sagte Seichi mit einem Kopfschütteln, als könne er Renjis Modegeschmack nicht ganz nachvollziehen. Er bediente sich noch einmal an den Pflaumen, lachte zu sich selbst, als er sagte: „Ich habe ihn immer aufgezogen damit, dass er so hart versuchte, hässlich zu sein. Denn er wusste, wie süß er war, wenn er sie offen trug. Doch man kann nicht die Abarai-Gang anführen, wenn man wie ein Bish aussieht, richtig?“ Seichi blickte zu Byakuya auf und fügte hinzu: „Oh, nichts für ungut.“
 

Byakuya benötigte einige Minuten um die Puzzleteile zusammenzurücken und zu verstehen, dass ‚Bish‘ vermutlich eine Kurzform für Bishōnen war. Doch wie er das auf sich selbst beziehen konnte, kam ihm nicht in den Sinn. Wenn überhaupt war er ganz sicher eher ein Biseinen, da er ein Knabenalter bereits vor längerer Zeit hinter sich gelassen hatte. Wie auch immer, Seichi schien besorgt, dass er sich falsch verhalten hatte, also winkte Byakuya seine Sorge weg und sagte: „Schon gut.“
 

Als Seichi fortfuhr, die Teller und Körbe nach weiteren Resten zum Verschlingen zu durchsuchen, nippte Byakuya weiter an seinem Tee.
 

„War es das, was sie wissen wollten?“, fragte Seichi mit dem Mund voller Reis. Es war ein Wunder, dass er nie eines dieser langen, lapprigen, blonden Dreadlocks verschluckte, die immer in seinem Gesicht hingen. Er trug immer noch das Bandana, welches Renji ihm gegeben hatte, um sein Stirntattoo zu verdecken. „Ich meine, nach welcher Art von Information suchen sie? Ich werde ihn nicht verpetzen, wissen sie. Ich habe den Abarai-Schwur geschworen. Wir sind Brüder.“
 

„Ich möchte nichts dergleichen“, sagte Byakuya, doch er war dankbar zu hören, dass Seichi nicht die Absicht hatte, irgendein Detail von Renjis krimineller Vergangenheit preiszugeben. Das Letzte, was Byakuya wollte war, dass Tante Masama Wind von der ganzen Sache bekam und es Renji anhängen konnte.
 

„Also was möchten sie?“, sagte Seichi, schaute noch ein zweites Mal und bemerkte, dass immer noch keine Reste vom Fisch unter dem Korb zu finden waren. „Ich meine, dieses Essen muss ein Vermögen gekostet haben. Außerdem kümmern sie sich schon eine lange Zeit um mich. Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber ich möchte nicht, dass etwas davon auf Renjis Konto geht, wissen sie? Also nehmen sie sich, was sie von mir wollen, haben sie verstanden?“
 

Das hatte Byakuya ganz sicher nicht. „Tut mir leid, was?“
 

Schamesröte breitete sich über Seichis Nase aus und er blickte in seinen Schoß. „Ich habe gesehen, wie Renji bezahlt. Ich sage, ich bin derjenige, der ihnen dafür etwas schuldet. Nicht er.“
 

Byakuya hatte komplett den Faden des Gesprächs verloren. „Renji bezahlt für nichts. Worüber redest du?“
 

„Zwing mich nicht dazu, es zu sagen, du Bastard“, wisperte Seichi durch zusammengebissene Zähne. Sein Gesicht wurde blass und er begann zu zittern.
 

Was ging hier vor sich? Und warum war er plötzlich ein ‚Bastard‘? „Das musst du jedoch. Ich habe keine Hoffnungen, dass ich es sonst verstehe.“
 

„Schau“, begann Seichi, nachdem er tief durchgeatmet hatte. „Ich weiß nicht, welchen Zusatzhandel Renji gemacht hat, um mich aus dem Knast rauszuholen, aber sie müssen ihn heftig getroffen haben, um ihn zu verletzen. Ich sage, hören sie auf.“ Seichi riskierte einen Blick zu ihm, seine Augen waren voller Feuer. „Es wird mich vielleicht umbringen, aber es ist nicht richtig, dass er die Schläge für mich einsteckt… oder auf seinen Knien bezahlen muss.“
 

Byakuya öffnete seinen Mund, doch noch nicht einmal Luft kam heraus, so perplex war er.
 

Sein Verstand war so aufgewühlt, dass sich Byakuya darauf konzentrieren musste, normal zu atmen und sich eine Schale Tee einzuschenken. Endlich war er in der Lage, zu sprechen: „Du missverstehst die Situation.“ Doch Byakuya hatte keine Ahnung, wie er es richtig erklären sollte, immerhin trafen sie sich nicht für ein paar Getränke in einer Kneipe. Byakuya hatte getrunken, doch er hatte Renji befohlen, sich im Büro auszuziehen. Das war kaum das, was unter ‚er hat es sich ausgesucht, an meiner Seite zu sein‘ zu verstehen war. Mit einem Seufzen wählte Byakuya die Wahrheit – zumindest die Wahrheit, die er kannte: „Die Dinge haben unausgewogen angefangen, doch das ist nicht, wie ich es am Ende haben möchte. Wenn es in irgendeiner Weise ein Konto gibt, dann diese Art von Austausch, die typisch bei Paaren sind. Natürlich erwarte ich gewisse Dinge von Renji, doch er tut dasselbe bei mir. Das Einzige, was ich mir beim Handel mit dir erhoffe ist, dass Renji glücklich ist.“
 

„Und was ist dann all das hier?“, fragte Seichi und deutete dabei auf die leeren Teller. „Was mache ich hier?“
 

„Um ehrlich zu sein, vermisse ich Renji. Ich hatte gehofft, deine Geschichten über ihn würde mein Unbehagen für eine Weile lindern.“
 

Seichis Gesicht war knallrot. Ironischerweise erinnerte Byakuya die Farbe an Renjis Haare. „Oh. Oh scheiße, ernsthaft?“
 

„Ziemlich“, sagte Byakuya und war nicht in der Lage, das kleine Lächeln auf seinen Lippen zu verstecken.

„Oh, nun ja, ähm… Ok, ich denke, ich kann ihnen über dieses eine Mal erzählen, als Renji dachte, es wäre eine gute Idee, wenn…“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Vorschau Kapitel 14:
Mit Renji in Hueco Mundo sucht Byakuya nach Leuten, die ihm vielleicht Geschichten über Renjis Vergangenheit erzählen können. Byakuya bekommt ein paar interessante Anekdoten, ebenso wie einige Einsichten. Komplett anzeigen

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