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This Great And Little Gift

[NaLu | Lucy vs. Jude]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich glaube, so spät war ich noch nie. >.< Aber das Kapitel wollte einfach nicht, was vielleicht auch daran liegt, dass ich es beinahe komplett hinzufügen musste. Das tut mir echt leid. Aber wenigstens ist noch Sonntag. ^^"
Außerdem weiß ich nicht genau, ob ich alles so rübergebracht habe, wie ich das eigentlich wollte. :/ Ich hoffe, dass es trotzdem lesbar ist. ^^"

Enjoy. Komplett anzeigen

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9. Kapitel, in dem Lucy sich fragt, ob es das alles wert ist

Noch immer sauer kehrte Lucy zur Villa zurück und marschierte durch den Hintereingang, der direkt in das große Wohnzimmer führte, das am häufigsten benutzt wurde. Es sah noch genauso aus wie zu den Lebzeiten ihrer Mutter, die es geschmackvoll und überaus gemütlich eingerichtet hatte.
 

Layla hatte schon immer ein Auge für Stil, Schönheit und Heimeligkeit gehabt, eine echte Künstlerin eben. Lucy beneidete sie darum – sie selbst war lange nicht so talentiert und ihre Ergebnisse waren selten das, was sie sich vorstellte, wenn sie an ein Projekt heranging. Manchmal, wenn Lucy in diesem Wohnzimmer war, versetzte es ihr einen Stich, wann immer sie sich an ihre Mutter erinnerte. Manchmal kam sie aus genau diesem Grund hierher.
 

Im Moment hatte sie jedoch kein Auge dafür, sondern stürmte auf die doppelte Glastür zu, die in die große Halle mit der Galerie führte, über die man in alle Teile des Hauses kam. Sie vibrierte vor unterdrückter Wut und würde am liebsten schreien oder auf etwas einschlagen. Stattdessen kniff sie die Lippen zusammen und stapfte sauer zur Eingangshalle hinüber.
 

„Wo warst du?“, wollte plötzlich eine tiefe Stimme hinter ihr wissen und sie wirbelte erschrocken herum. Es war ihr Vater, der in seinem Ohrensessel saß, einem monströsen, uralten Teil, das so hässlich wie bequem war. Er sah wieder völlig gefasst aus und nichts wies darauf hin, dass er eben in einen heftigen Streit verwickelt gewesen war. Nichts bis auf den verkniffen wirkenden Mund und den subtilen Zorn in seinen Augen.
 

„Draußen.“, antwortete sie knapp, jetzt nicht für ein Gespräch aufgelegt. Außerdem war sie wütend auf ihn; er hatte Natsu wie den letzten Dreck behandelt und ihn dann auch noch geohrfeigt. Und jetzt tat er so, als wäre er im Recht! Wenn sie noch lange in seiner Gegenwart war, würde sie ihm an die Gurgel springen, da war sie sich sicher.
 

Jude betrachtete sie einen Moment mit leichtem Stirnrunzeln, als könnte er auf diese Art herausfinden, was geschehen war. Sie fragte sich, ob er ihr jetzt weitere Vorhaltungen machen würde und fragte sich, wie sie darauf reagieren würde. Ihn anschreien? Wütend davongehen? Ihm alle Schuld zuweisen? Doch vielleicht hatte irgendetwas in ihrem Gesicht ihn gewarnt, denn er nickte nur und sagte süffisant: „Also gut, ich werde dich vorerst in Ruhe lassen. Du hast allerdings Hausarrest. Eine Woche und jedes Mal, wenn ich dich wieder mit ihm erwische, eine weitere Woche.“
 

Letzteres interessierte Lucy derzeit herzlich wenig, auch wenn sie wusste, dass es sie sehr stören würde, sobald sie sich wieder mit Natsu versöhnt hatte. Aber im Moment war es ihr so egal, dass sie ihrem Vater entgegenschleuderte: „Keine Sorge, wir haben uns gestritten. Bist du jetzt zufrieden?!“ Und es war doch seine Schuld! Hätte er nicht gleich so überreagiert, hätte er nicht Natsu geschlagen, wäre das alles nicht passiert! Sie war drauf und dran, vor Wut und Frust in Tränen auszubrechen.
 

Jude jedoch wirkte nur selbstgefällig. „Merkst du jetzt, dass er kein Umgang für dich ist? Eines Tages wirst du mir dankbar sein.“
 

Sie warf die Arme hoch. „Ach, lasst mich doch alle zufrieden.“ Damit marschierte sie fußstampfend die Treppe nach oben und schmiss die Tür zu ihrer Zimmerflucht hinter sich zu, dass es krachte. Einen Moment stand sie einfach nur da und starrte geradeaus, ohne wirklich etwas wahrzunehmen.
 

Sie war es gewohnt, mit ihrem Vater aneinanderzugeraten und immer und immer wieder einen Weg finden zu müssen, seine Regeln und Verbote zu umgehen, ohne sie wirklich zu brechen. Bis jetzt hatte das ganz gut geklappt. Doch dies war der schlimmste Streit gewesen, den sie je mit Natsu gehabt hatte.
 

Natürlich, sie hatten sich schon vorher gestritten, oft über triviale Dinge, die am Ende nicht wichtig und schnell wieder vergessen waren. Aber beinahe jedes Mal hatten sie sich noch am selben Tag entschuldigt und alles wieder ins Reine gebracht. Ein Beispiel dafür war der kleine Zoff gewesen, den sie selbst vor wenigen Wochen angezettelt hatte, als sie Natsu von der Schwangerschaft hatte berichten wollen.
 

Doch diesmal hatte sie nicht das Gefühl, dass sich das so schnell erledigen würde.
 

Natsu, der normalerweise so wenig nachtragend war wie ein freundlicher Hund, würde sich diesmal nicht entschuldigen. Er würde nicht einmal zu ihr kommen, bereitwillig und offen, damit es ihr leichter fiel, sich selbst zu entschuldigen. Aber Lucy dachte gar nicht daran.
 

Sie war einfach noch immer so wütend…! Was dachte Natsu eigentlich, wer er war, dass er sich so in die Beziehung zwischen ihr und ihrem Vater einmischte?! Dazu hatte er nicht das Recht! Das ging ihn rein gar nichts an! Das war allein ihre Sache und sie hatte sich ganz gut damit eingerichtet!
 

Sauer und gleichzeitig todunglücklich stapfte sie mit energischen Schritten in ihr Schlafzimmer hinüber und warf sich zum Bett um erst einmal ausgiebig eine Runde zu heulen. Dabei versuchte sie sich einzureden, dass es Tränen der Wut waren und nicht solche des Selbstmitleids und der Traurigkeit, aber die wusste es besser.
 

Sie behielt Recht – die nächsten Tage waren ätzend. Nicht nur, dass sie in ihrem Zimmer eingesperrt war (nicht wortwörtlich, aber sie verließ sie höchstens, um auf ihren Balkon zu gehen), ihr fehlte auch jegliche Unterhaltung und sie fühlte sich zu lustlos und uninspiriert, um etwas zu zeichnen oder sich um ihre Pflanzen zu kümmern und für die Schule gab es im Moment nichts zu tun.
 

Selbst ihr Notizbuch rührte sie kaum an, als wäre durch den Streit die Schwangerschaft plötzlich auf Stand-By gestellt worden. Sie hatte einfach nicht die Energie, sich damit zu beschäftigen oder auch nur, um sich Sorgen zu machen. Im Internet hatte sie gelesen, dass das zweite Trimester die angenehmste Zeit einer Schwangerschaft war, aber sie begann es auf diese Weise.
 

Loke war nicht zu greifen, da er in den ersten Wochen der Sommerferien immer mit seinem Vater wandern ging – komplett ohne Handys und Computer, etwas, über das er jedes Mal jammerte, obwohl sie alle wussten, wie sehr er den Ausflug genoss. Aber auf diese Weise war er für sie unerreichbar.
 

Mit Erza und Gray schrieb sie nur manchmal, aber von Natsu hörte sie kein Sterbenswörtchen. Erst jetzt, als er nicht mehr da war, merkte sie, wie sehr sie seine willkürlichen und beiläufigen Nachrichten und Bilder vermisste. Er hatte es offensichtlich ernst gemeint damit, dass er erst wieder mit ihr reden würde, wenn sie ‚Vernunft angenommen hatte‘.
 

Da konnte er lange warten! Er könnte sich ja auch entschuldigen dafür, wie er über ihren Vater gesprochen hatte! Sie versuchte darum auch nicht, mit ihm in Kontakt zu treten, obwohl sie ihn vermisste. Das ließ ihr Stolz nicht zu.
 

Da Jude ihr (schon wieder, hörte das auch mal auf?) Hausarrest erteilt hatte, konnte sie sich nicht einmal mit Erza oder Gray irgendwo treffen und etwas unternehmen. Erza hatte zwar viel zu tun mit all ihren Sommerkursen, aber sie hatte davon gesprochen, ins Museum zu gehen und einen Kurztrip nach Hargeon zu machen. Doch da beide ihr erklärten, dass sie wirklich ein ruhiges Gespräch mit Natsu führen und die Sache klären musste, hätte sie das sowieso nicht getan. Was ging die beiden das an?! Sie fühlte sich sehr allein gelassen.
 

Also saß sie so trübsinnig in ihrem Zimmer herum und die Tage zogen so zäh an ihr vorbei wie Kaugummi, dass es selbst ihren Vater erweichte, denn er stürmte zwei Tage später in ihr Zimmer. Er war offensichtlich bester Laune, denn er konnte das Schmunzeln nicht von seinem sonst so strengen Gesicht fernhalten. „Lucy, pack deine Sachen, wir fahren morgen nach Crocus!“
 

Erschrocken fuhr sie von ihrem Platz auf dem Sofa auf, wo sie gedankenverloren versucht hatte, ein Buch zu lesen. „Wa… was ist passiert?“, fragte sie verwirrt und schwang die Beine von den Polstern. Zweifelnd und beinahe erschrocken starrte sie ihren Vater an, dessen Lächeln immer breiter wurde.
 

„Nichts. Ich dachte nur…“ Er räusperte sich und brachte seine Gesichtszüge unter Kontrolle. „Ich muss morgen auf eine längere Geschäftsreise nach Crocus und da unser Urlaub leider ins Wasser fiel, dachte ich, du willst mich vielleicht begleiten? Leider habe ich nicht die Zeit, dass wir viel gemeinsam unternehmen können, aber dir wird ein Tapetenwechsel sicher guttun.“
 

Lucy blieb der Mund offenstehen. So etwas hatte es noch nie gegeben! „Für wie lange?“, brachte sie das erste heraus, was ihr in den Sinn kam.
 

„Nur bis Sonntag. Es ist leider etwas sehr Dringendes in der Crocusfiliale angefallen, um das ich mich persönlich kümmern muss. Aber bis Donnerstag oder höchstens Freitag wird sich das erledigt haben.“, erklärte Jude. „Ich dachte, wir können vielleicht noch in den Zoo gehen? Den hast du als Kind doch immer so gemocht? Und einen Abend kann ich mir sicher auch freischaufeln, damit wir gemeinsam ein Ballett oder eine Oper ansehen können.“
 

Ihr Erstaunen nahm noch immer noch nicht ab, im Gegensatz, es wuchs. Klar, den wundervollen Zoo in Crocus hatte sie früher immer sehr gerne gemocht und sie hatte ihn oft mit Layla und, wenn er es einrichten konnte, auch Jude, besucht. Es rührte sie, dass er sich daran erinnerte, auch wenn sie schon lange kein Kind mehr war. Aber Zoos waren nicht nur für Kinder, oder? Sie fühlte, wie die Freude bereits jetzt in ihr hochstieg.
 

„Ich dachte, ich habe Hausarrest?“, rutschte es ihr heraus und am liebsten hätte sie sich selbst geschlagen. Jetzt machte er ihr so ein Angebot und sie erinnerte ihn an diese Sache! War sie denn ganz bescheuert?
 

Aber Jude schien blendende Laune zu haben und machte eine wegwischende Handbewegung. „Ich denke, du hattest dieses Jahr schon genug Hausarrest. Also? Was sagst du? Crocus?“
 

Lucy brauchte nicht lange zu überlegen. Plötzlich überschäumend vor Freude sprang sie auf, ohne darauf zu achten, dass ihr Buch auf den Boden kullerte, und fiel ihm um den Hals. Sie drückte ihm einen überschwänglichen Kuss auf die Wange. „Danke! Danke! Danke! Natürlich komme ich mit!“
 

Judes antwortendes Lächeln bekräftigte noch einmal, dass sie die richtige Wahl getroffen hatte. „Hervorragend! Wir fahren morgen schon um acht Uhr, sieh also zu, dass du fertig bist. Ich schicke dir Spetto, damit sie dir beim Packen helfen kann.“
 

Sie sah ihm nach, wie er das Zimmer verließ, und warf erfreut die Arme in die Luft, als sie realisierte, was das bedeutete. Endlich hier rauskommen, nicht mehr nur hier im Zimmer hocken, versauern und nichts tun, mal was anderes sehen. Das würde sie auf andere Gedanken bringen.
 


 

~~*~~❀~~*~~
 


 

Vorsichtig drehte Lucy ihre Füße so, dass sie einen festen Stand hatte, obwohl sie unerlaubt auf der Spitze eines kleinen Felsens stand. Von hier konnte sie über die Bäume des malerischen Schlossparks hinwegsehen, über die geschwungenen, mit weißem Kies bedeckten Wege, die zahlreichen, bunten Blumen und den kleinen Fluss, der sich durch das Grün der Wiesen schlängelte.
 

Im Hintergrund erhob sich das Mercurius, das Königliche Schloss von Fiore, wegen dem sie erst diese kleine Kletterpartie unternommen hatte. Die nach oben strebenden Türme und die schlanken, hohen Fenster, die violettblauen Dächer und die kunstvollen Stuckarbeiten wirkten elegant und ewig wie immer. Von hier hatte sie einen überaus tollen Blick auf den alten, märchenhaften Palast, der nur verstärkt wurde durch den idyllischen Park, der das Bild davor füllte.
 

Lucy hob ihre Kamera vor ihr Gesicht und knipste ein paar Fotos, ehe sie das Zoom einstellte und Detailaufnahmen schoss. So eine schöne Gelegenheit gekoppelt mit einem so tollen Standpunkt hatte sie noch nie gehabt. Der Himmel war strahlend blau, die Sonne hell und strahlend, aber hinter ihr und alles schien zu glänzen.
 

Sie überlegte, ob sie ein paar Stunden damit auf den Kopf hauen konnte, das Schloss zu besichtigen. Natürlich wurde es noch immer bewohnt, aber ein Flügel war der Öffentlichkeit freigegeben worden und jedes Jahr wurden neue, interessante Ausstellungen darin aufgebaut, so dass sich auch wiederholte Besuche lohnten. Vielleicht sollte sie nachschauen, was es dieses Mal so zu sehen gab. Letztes Jahr war es eine sehr interessante Sammlung prähistorischer Artefakte gewesen, die man in der Nähe gefunden hatte.
 

Auf der anderen Seite war sie vorhin schon shoppen gewesen und eigentlich hatte sie keine Lust, die Tüten quer durch den doch recht großen Park hinüber zum Mercurius zu schleppen. Sie konnte morgen noch ins Schloss gehen und außerdem hätte sie dann mehr Zeit als die paar Stunden, die sie jetzt noch hatte.
 

Inzwischen war Donnerstag und sie war bereits fünf Tage in Fiores Hauptstadt, eine alte Metropole mit einem malerischen Kern, der noch aus vergangenen Jahrhunderten stammte und an den sich modernere Vierteln schlossen, sowie einer starken Industrie weiter draußen. Sie hatte bereits einen entspannenden Wellnesstag hinter sich, den Vergnügungspark Ryuzetsu Land besucht und das Domus Flau, eine antike Arena, die von vier gigantischen Statuen bewacht wurde, und weitere Sehenswürdigkeiten besichtigt, die in dessen Nähe lagen. Zwei Tage hatte sie in verschiedenen Museen verbracht und für heute hatte sie sich eigentlich vorgenommen, nichts weiter zu tun als zu shoppen und so viel Geld zu verprassen, wie sie es noch nie vorher getan hatte. Jude würde es vermutlich nicht einmal bemerken.
 

Sie seufzte und ließ ihre Kamera sinken. Dieser spontane Urlaub tat ihr definitiv gut und ihre Laune hatte sich bereits gebessert, allerdings schwankte sie zwischen flüchtiger Zufriedenheit und der stets darunter lauernden Frustration und Niedergeschlagenheit hin und her. Ihre Probleme verschwanden nun mal nicht, nur weil sie vor ihnen davonlief.
 

Viel von ihrem Vater hatte sie während der letzten Tage nicht gesehen, da er das Crocus Gardens verließ, ehe sie erwachte, und oft erst spät abends heimkam, nachdem sie selbst schon ins Bett gekrochen war. Sie fragte sich, wie er das machte, ohne tagsüber vor Müdigkeit umzukippen.
 

Zweimal hatten sie sich zum Mittagessen getroffen und natürlich waren sie wie versprochen ins Königliche Staatsballett gegangen, das Lucy sehr genossen hatte. Doch eigentlich war sie ganz froh, ihn nicht sehen und sich mit ihm auseinandersetzen zu müssen. Auf diese Art konnte sie erst einmal ihre eigenen aufgewühlten Gefühle wieder unter Kontrolle bringen und musste nicht befürchten, ihm etwas an den Kopf zu werfen, das sie nicht mehr zurücknehmen konnte.
 

Sie war immer noch wütend, auf sich selbst, dass sie nicht besser aufgepasst hatte, auf Jude, weil er die Liebe ihres Lebens einfach nicht akzeptieren konnte, aber vor allem auf Natsu. Dabei konnte sie noch nicht einmal sagen, warum. Weil er sich in ihre Sachen eingemischt hatte, in einen Teil ihres Lebens, der ihn nichts anging. Weil er sich weigerte ihre Seite zu sehen. Weil er nicht den Mund hatte halten können; ohne seine Worte wäre diese Sache nie so explodiert.
 

Weil er alles so kompliziert gemacht hatte.

Vorher war alles gut gewesen, aber jetzt war alles so ein Chaos und sie konnte es einfach nicht mehr ordnen.
 

Sie senkte die Kamera und starrte darüber hinweg zum Schloss hinüber, ohne es wirklich zu sehen, noch in Gedanken versunken. Dann riss sie sich in die Gegenwart zurück und zückte ihr Handy für ein Panoramabild, das sie an ihre Freunde schickte, ehe sie sich an den Abstieg machte. Sie wollte ja nicht, dass irgendwer die Polizei rief, nur weil sie auf den Felsen herumkletterte.
 

Unten sammelte sie ihre Tüten ein, die sie hinter einem Busch versteckt hatte, und dann machte sie sich auf den Weg zurück zur Einkaufszeile. War der Park selbst schon sehr geschäftig gewesen, explodierte das Gedränge in den geschwungenen Straßen, wo die Geschäfte sich aneinanderreihten und Kaufhäuser erhoben. Manche von ihnen waren untergebracht in den alten Gebäuden, andere in modernen Bauwerken mit Fronten aus Stahl und Glas.
 

Lucy hatte bereits den Rest des Tages hier verbracht, also hatte sie viele Läden, die sie interessierten, bereits hineingeschaut und viel zu viel Geld für Schmuck und Designerklamotten liegen lassen, die sie letzten Endes doch nicht brauchte. Außerdem hatte sie sich mit ein paar neuen Büchern eingedeckt, die jetzt schwer an ihrer Schulter hingen.
 

Jetzt bummelte sie an den Schaufenstern vorbei und versuchte krampfhaft, ihre Gedanken nicht abgleiten zu lassen. Es gab einen guten Grund, warum ihre Woche so angefüllt gewesen war mit Touristenattraktionen und Veranstaltungen. So war sie abgelenkt und abends müde genug, um ins Bett zu fallen und sofort zu schlafen.
 

Auf diese Weise musste sie nicht an die Großen Katastrophe denken, wie sie den Vorfall in ihrem Kopf nannte, und daran, wie sie diese Situation am besten wieder geradebog. Denn ihr war klar, dass etwas geschehen und eine Lösung hermusste und zwar bald. Jude durfte auf keinen Fall von allein dahinter steigen und mit Natsu musste sie noch klären, wie das alles überhaupt weiterging.
 

In ihrem Bauch wuchs etwas heran, das sie im Moment nur als Problem ansehen konnte, als ein Störfaktor, der ihr vorher so geordnetes Leben aus der Bahn geworfen hatte. Wäre sie niemals schwanger geworden, wäre das alles nie passiert. All der Stress, all der Streit, all die bösen Worte… Wäre es nicht besser, sie hätte sich niemals darauf eingelassen?
 

War es das alles überhaupt wert?
 

Vielleicht hätte sie doch einfach abtreiben sollen. Vielleicht hätte sie Natsu niemals davon erzählen sollen und auch nicht Erza. Vielleicht hätte sie nur dieses eine Mal in den sauren Apfel beißen müssen. Vielleicht hätte sie von Anfang an das Vernünftige tun sollen. Ein kurzer Eingriff und all das wäre nicht geschehen.
 

Aber sie wusste, tief im Inneren, dass diese Gedanken falsch und giftig waren und auch nicht die Wahrheit. Dass sie niemals einen anderen Weg hätte wählen können. Nicht, wenn sie sich selbst noch offen ins Gesicht sehen oder ihre eigenen Ideale nicht verraten wollte. Nicht, wenn sie Natsu gegenüber so ehrlich und fair bleiben wollte, wie er es verdiente.
 

Wie hätte sie ihm noch in die Augen sehen können, wenn sie ihn derartig angelogen hätte?
 

Trotzdem konnte sie diese hässlichen Gedanken im Moment nicht unterdrücken, ebenso wenig wie die Aussicht auf den noch größeren Krach mit ihrem Vater, der ihr noch bevorstand und den sie nicht umgehen konnte. Früher oder später musste sie Jude gestehen, dass sie schwanger war, denn ein Zurück gab es nicht mehr. Sie hatte fürchterliche Angst davor und sie wusste einfach nicht, wie sie damit umgehen sollte.
 

Sie seufzte und blinzelte, um sich wieder in die Gegenwart zurückzuholen. Nach einem Moment bemerkte sie, dass sie auf eine Auslage winziger Schühchen starrte. Erschrocken trat sie einen Schritt zurück und ihr Blick wanderte zu dem Schild hinauf, das über den Schaufenstern hin. BabyBear stand darauf, abgerundet mit dem Logo eines niedlichen, lachenden Teddybären – Fiores größte Kette an Zubehör für Babys und Kleinkinder.
 

Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden, und blickte sich hastig um, um zu sehen, ob jemand bemerkt hatte, wie sie viel zu lang auf die Auslage gestarrt hatte. Doch niemand achtete auf sie und sie rief sich energisch zur Raison – nur, weil sie Babysachen ansah, hieß das noch lange nicht, dass sie sie selbst brauchte (bis dahin war es noch eine Weile, sie hatte also noch etwas Zeit). Immerhin konnte man immer für andere Leute etwas besorgen und sowieso…
 

Und warum rechtfertigte sie sich in ihren eigenen Gedanken und warum zum Teufel war sie gerade automatisch davon ausgegangen, dass sie bald überhaupt so etwas brauchte?
 

Sie atmete tief ein und brachte ihre panischen Gedanken wieder unter Kontrolle. Erstens – niemand konnte jetzt schon sehen, dass sie schwanger war. Zweitens – noch hatte sie sich nicht entschieden, was sie mit dem Baby machen würde. (Oder doch?) Drittens – sie würde jetzt da reingehen und sich umsehen.
 

Wenn sie schon mal hier war, konnte sie etwas für Grandine besorgen. Natürlich war deren Geburtstermin erst Ende Oktober, aber es konnte ja trotzdem nicht schaden, schon einmal etwas zu haben. Und Babypartys waren traditionell sowieso ein paar Wochen früher.
 

Sich selbst darüber im Klaren, wie fadenscheinig die Ausrede war, schob Lucy die Tür auf und trat ein. Über ihr klingelte sanft ein kleines Glockenspiel, das beinahe in der ruhigen Hintergrundmusik umging, die die Räume erfüllte. Der Laden war hell und freundlich, die Wände beige gestrichen und mit kindlichen Motiven versehen, die Regale waren aus weißem Holz gefertigt und alle Ecken abgerundet und der Boden bestand aus echten Dielen, die teilweise mit Teppichen bedeckt waren. Dafür, dass das Geschäft eigentlich die Hauptfiliale einer riesigen Kette war, wirkte es sehr familiär und heimelig.
 

Eine ältere Verkäuferin mit verkniffenem Gesicht und kundenfreundlichem Lächeln blickte zu ihr herüber, doch Lucy winkte ab und sah sich erstmal selbst um. Und was es da alles zu sehen gab – Regale voller Kleidung vor allem für das Kind, aber auch die werdende Mutter, Spielsachen, Babysitze, Bettwäsche, Handtücher, Geschirr, Möbel und Kinderwägen und und und. Wie konnte man sich bei der Auswahl für die Dinge entscheiden, die man wollte und brauchte?
 

Beiläufig schnappte sie sich einen Korb und packte hinein, was ihr passend erschien – ein Satz niedlicher Holztiere, eine weiße Plüschkatze, ein Paar niedlicher, rosa Schuhe, an denen sie einfach nicht vorbeigehen konnte. Vor den Kinderwägen blieb sie eine Weile stehen, sie konnte kaum glauben, was es da für eine Auswahl an unterschiedlichen Modellen gab und in welch horrende Höhen die Preise wuchsen.
 

Als sie schließlich bei dem Regal voller Strampler ankam, hielt sie einen Moment inne und blickte auf die Uhr. Kurz vor sechs, teilte diese ihr mit und Lucy blinzelte einmal und vergewisserte sich ein zweites Mal. So spät schon?! Aber… Sie wusste nicht auf die Minute genau, wann sie hereingekommen war, doch es war noch keine Vier gewesen, dass wusste sie mit Sicherheit! Vielleicht halb vier.
 

Hieß das etwa, dass sie jetzt schon über zwei Stunden hier war und sich Babysachen ansah?!
 

Und jetzt konnte sie sich noch nicht einmal richtig darüber ärgern, dass sie hier so viel Zeit vertrödelt hatte, denn es fühlte sich gar nicht so an. Es hatte ihr viel zu viel Spaß gemacht und sie fühlte sich so gut wie seit Tagen nicht mehr. Es war, als hätte diese Wanderung durch dieses Geschäft alles weggewischt, ihren Stress, ihre Zweifel, ihren Ärger, besser als die Wellnessbehandlung vor ein paar Tagen.
 

Wollte sie jetzt darüber nachdenken, was das bedeutete?
 

Skeptisch blickte sie auf ihre für diese lange Zeit doch recht magere Ausbeute hinunter und überlegte, was sie noch brauchte. Es erschien ihr noch so wenig. Einen Strampler sollte auf jeden Fall noch dazu. Vielleicht auch eine Babyflasche oder eine Schnullerkette? Es war nicht so, als ob sie geizen musste und sie hatte sich ja sowieso vorgenommen, ihren Vater etwas zu schröpfen.
 

„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, erkundigte sich auf einmal eine freundliche Stimme neben ihr und Lucy zuckte zusammen. „Oh, entschuldigen Sie.“ Die Verkäuferin, die so plötzlich neben ihr aufgetaucht war, als wäre sie aus dem Boden gewachsen, lächelte sie entschuldigend an. Es war eine junge Frau, nur wenige Jahre älter als Lucy selbst, in einer blauen Bluse, über die sich kastanienbraune Locken ringelten, und mit einem hübschen, offenen Gesicht.
 

„Oh… Nichts passiert.“, beruhigte Lucy die Frau, deren Lächeln daraufhin noch etwas breiter wurde. „Ich … äh… Ich suche ein Geschenk für eine Freundin.“, erklärte sie und fühlte sich, als würde sie lügen. Sie verdrängte den Gedanken, um auf etwas Praktischeres zurückzukommen. „Wie groß muss so ein Strampler für ein Neugeborenes denn sein?“
 

„Ich würde etwas in Größe 56 empfehlen.“, erklärte die Verkäuferin und ging mit geschäftigen Schritten an ihr vorbei. „Hier haben wir eine schöne Auswahl.“ Sie ließ ihre Hand über drei niedrige Stapel von Kleidungsstücken streichen, hinter denen die Markennamen der Hersteller an den Regalen angebracht waren.
 

Dann blickte sie sich kurz um, ob auch niemand in der Nähe stand, und beugte sich verschwörerisch vor. „Diese sind schön und gut, aber wenn Sie wirklich etwas qualitativ Hochwertiges für Ihr Geld wollen, nehmen Sie diese hier.“ Sie ging zwei Schritte weiter zu den weniger sorgfältig ausgelegten Kleidern. „Hier, ich schwöre auf diese. Den habe ich für meine Nichte gekauft.“ Damit hielt sie einen einfachen blauen Strampler hoch, auf den süße, weiße Häschen gedruckt waren.
 

„Der ist sehr niedlich.“, stimmte Lucy zu und stellte ihre anderen Lasten ab, ehe sie ihn entgegennahm. Der Stoff fühlte sich kuschelig weich und warm unter ihren Händen an und bestand aus reiner Baumwolle, wie ein kurzer Blick zeigte.
 

„Er stammt von einer noch jungen Firma, umweltbewusst und aufstrebend. Wir haben ihn natürlich auch in anderen Ausführungen.“, erklärte die Verkäuferin und hielt ein grünes Exemplar mit orangeroten Füchsen hoch und ein weiteres in Gelb, auf dem braune Hühnchen zu sehen waren. „Die sehen nicht nur toll aus, sie sind auch noch echt robust und halten einiges aus.“ Sie senkte erneut die Stimme. „Mehr als diese da auf jeden Fall.“ Dabei deutete sie auf die teureren, die sie zuerst gezeigt hatte.
 

„Danke.“ Lucy grinste die Frau an, die ihr hier offensichtlich das aufschwatzen wollte, von dem sie überzeugt war, und nicht unbedingt das, was am meisten Gewinn brachte. „Dann nehme ich diese.“ Sie nahm nach kurzer Überlegung den mit den Füchsen – Natsu konnte mit Hühnern nicht so viel anfangen – und ließ ihn gemeinsam mit dem blauen in ihren Korb fallen.
 

Die Verkäuferin grinste und zwinkerte ihr zu. „Wenn Sie noch etwas suchen, würde ich ein Handtuch mit Kapuze empfehlen, das ist immer sehr praktisch und wir haben da auch eine sehr schöne Auswahl da. Oder Sie packen etwas für die Mama hinein, das kommt immer gut an.“
 

„Das ist eine gute Idee, aber ich weiß nicht, ob ich hier etwas finde.“ Trotzdem nahm Lucy sich vor, nachher noch in eine Drogerie zu gehen und etwas zu besorgen, zumindest ein Gutschein sollte dazu. „Aber vielleicht so ein Handtuch, das klingt gut.“
 

Plaudernd führte die Verkäuferin sie in eine andere Abteilung hinüber, wo sie nicht nur die kuscheligsten Handtücher fand, sondern auch eine ganze Reihe in Tierform. „Die sind ja süß!“, rief sie aus, als die Verkäuferin eines davon hochhielt, mit dem niedlichen Gesicht und den Öhrchen eines Bären.
 

„Sie sind sehr beliebt.“, stimmte die Frau zu. „Und ich kann sie nur empfehlen. Auch in verschiedenen Farben und der Ausfertigung Hase, Eule, Hund, Katze und Drache vorhanden.“
 

„Drache?“ Interessiert trat Lucy näher und ließ sie Finger über die weichen, flauschigen Handtücher gleiten. Schließlich wählte sie ein knallrotes und ein grasgrünes aus und ließ sich zur Kasse führen, endlich zufrieden mit ihrer Ausbeute. Grandine würde sich sicher freuen!
 

Erst, als sie – viel zu spät, wie ihr erneut auffiel – auf die Straße trat, die sich inzwischen ziemlich geleert hatte, obwohl noch immer viel los war, fiel ihr auf, dass sie fast alles in zweifacher Ausfertigung gekauft hatte.
 


 

~~*~~❀~~*~~
 


 

„Du siehst schon viel weniger gestresst aus, wenn ich das so sagen darf.“, bemerkte Jude hinter ihr und Lucy drehte sich um, die Kamera noch immer erhoben.
 

„Der kleine Urlaub hat wirklich Wunder getan.“, stimmte sie zu und konzentrierte sich wieder auf die Pinguine, die nur wenige Meter entfernt über das künstliche Eis marschierten, als wollten sie für ihre Kamera posieren. Ein paar von diesen Fotos würde sie zuhause auf jeden Fall auf Leinwand oder zumindest ein großes Blatt Papier übertragen. Diese kleinen, schwarzweißen Gesellen waren ein dankbares und sehr niedliches Motiv.
 

Schade, dass sie keine Zeit dafür hatte, sich hier ins Gras zu setzen und zu skizzieren. Aber das konnte sie ihrem Vater (oder sonst jemandem) kaum zumuten. Sie ging auf die Knie, um zwischen die Gitterstäbe des Geländers hindurch noch ein paar Fotos zu schießen und schloss sich dann wieder Jude an, der sie zum Eisbärengehege führte.
 

Sie fühlte sich gut, ruhig sogar, auch wenn sie sich noch nicht als zufrieden oder gar glücklich bezeichnen würde. Dazu lag noch zu viel auf ihrem Herzen. Doch ihr Ärger auf Jude und Natsu war abgeklungen. Sie hatte zwar noch immer keine Lösung für ihre verschiedenen Probleme gefunden, aber jetzt konnte sie wenigstens kühlen Kopfes darüber nachdenken.
 

Am nächsten Tag würde sie mit ihrem Vater nach Magnolia zurückkehren und sie konnte über Erza und Gray vorsichtige Fühler ausstrecken, was Natsu anging. Außerdem wollte sie mal wieder Ur besuchen; der Rat der Frau war unbezahlbar und vielleicht hatte sie einen Einblick auf die Situation, der sich Lucy versperrte. Und wenn nicht, würde es auf jeden Fall guttun, sich bei einer neutralen Partei alles von der Seele zu reden.
 

„Das freut mich für dich.“, erklärte Jude. „Nächstes Jahr kommen einige große Veränderungen auf dich zu, da musst du vorbereitet sein.“
 

„Keine Sorge, die Herausforderungen werd ich schon meistern.“, erklärte sie grinsend. Als ob sie nicht selbst wüsste, dass da viel auf sie zukommen würde – viel mehr, als Jude jetzt ahnte. Sie warf ihm einen Seitenblick zu. Was würde er tun, wenn sie es ihm sagte, hier und jetzt? Würde er es akzeptieren? Oder sie auf der Stelle enterben und allein in Crocus zurücklassen? Aber nein, so herzlos würde er niemals sein!
 

Außerdem hatte sie nicht vor, es ihm jetzt zu sagen, zuerst musste sie sich wieder mit Natsu versöhnen. Sie beschloss, etwas anderes auszutesten. „Ich hab mir schon Unis angesehen.“, erklärte sie darum. „Hier in Crocus haben sie einen sehr guten Studiengang für mich, Journalismus und Business Communication. Und es würde mich schon reizen, hierher zu kommen.“
 

Allerdings wäre sie dann von Natsu getrennt. Der wollte sich zwar gerade eine Ausbildungsstelle in einer anderen Werkstatt besorgen, aber dafür würde er wohl kaum Magnolia verlassen. Oder doch? Wenn er hier etwas Tolles fand? Crocus war eine herrliche Stadt und sie hätten hier sicher viel Spaß zusammen. Das mit dem Kind würden sie schon irgendwie auf die Reihe kriegen. Gray und Erza würden vielleicht sowieso hierherkommen.
 

Auf der anderen Seite… „Aber die Uni in Magnolia hat auch einen tollen Studiengang für mich, Medienkommunikation und Journalismus. Und sie hat sogar fast einen besseren Ruf als Crocus. Ich bin also noch am Überlegen.“
 

„Hängst du also noch immer an diesem kindischen Traum fest?“, wollte Jude wissen und seine kühle Stimme ließ sie aufblicken. Mit strengem Gesicht sah er auf sie hinunter und er wirkte hart und unerbittlich.
 

Für einen Moment wusste sie gar nicht, was sie darauf antworten sollte. „Wa…was meinst du damit?“
 

„Ich meine, dass deine Zukunftsaussichten als Journalistin nicht sehr toll sind“, antwortete er mit betont ebenmäßiger Stimme, „und du Business studieren solltest oder etwas im Finanzwesen, damit deine Aufstiegschancen gut sind. Ich kann dich natürlich nicht sofort in einer höheren Position anfangen lassen, aber nichts spricht dagegen, dich rasch aufsteigen zu lassen. Du musst diese Chance nur ergreifen! Es gibt nur wenige, die sie bekommen. Ich weiß eine Menge Leute, die dafür neidisch auf dich wären.“
 

Ihr Gesicht wurde bei jedem seiner Worte länger. Gerade hatte sie sich wieder mit ihm ausgesöhnt und er brachte sowas! Wieso begriff er einfach nicht, dass sie kein Interesse daran hatte, im Heartphilia Konzern einzusteigen oder gar, irgendwann einmal seine Nachfolgerin zu werden? Das einzige, was sie für ihn tun würde, wenn überhaupt, wäre irgendwo bei einer der Stiftungen mitzuhelfen, doch das schien er nicht einmal in Betracht zu ziehen!
 

Aber sie hatte es ja wissen wollen.
 

„Und warum gibst du diesen Job dann nicht diesen Leuten?“, antwortete sie pampig und hängte sich den Riemen ihrer Kamera über ihre Schulter. „Ich will ihn nämlich nicht! Ich will meinen eigenen Job und mein eigenes Leben und meinen eigenen Weg schaffen!“ Ärgerlich beschleunigte sie ihre Schritte und sie hörte ihn hinter sich geplagt seufzten.
 

„Lucy. Nun nimm doch Vernunft an.“ Er schloss zu ihr auf und dank seiner längeren Beine hatte er keine Probleme, mit ihr Schritt zu halten, egal, wie wütend sie voranstapfte. „Warum siehst du nicht, dass dies deine beste Chance ist? Nur wenige haben eine solch helle Zukunft vor sich und du wirfst alles einfach so weg.“
 

Abrupt blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um. „Aber vielleicht will ich das ja gar nicht!“, antwortete sie viel zu laut, so dass sich Leute zu ihnen umdrehten. Aber sie war viel zu aufgewühlt, um sich jetzt zusammenzureißen. „Vielleicht habe ich keine Lust auf diese perfekte Zukunft, die du für mich ausgesucht hast! Ich will nur das machen, was mir Spaß macht, und wenn das nicht ganz so perfekt und toll ist, dann ist das halt so! Na und? Wenigstens bin ich dann glücklich!“ Sie schnaufte und versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.
 

Eine Szene wollte sie hier eigentlich nicht veranstalten. Nicht, weil sie Angst hatte, dass die Öffentlichkeit sich über sie das Maul zerreißen würde, sondern eher, weil sie der Meinung war, dass solche privaten Probleme nicht unter aller Augen besprochen werden mussten. Das ging nur sie und ihren Vater etwas an und nicht all diese Fremden, die jetzt zu ihnen starrten und die Hälse reckten.
 

Jude rieb sich die Nasenwurzel und blickte geplagt auf sie hinunter, als wäre sie plötzlich eine Last – oder zumindest, als wäre ihre Einstellung etwas, das völlig überflüssige Mühen bereitete. Dann nickte er. „Also gut. Ich hatte eigentlich nicht vor, mich heute mit dir zu streiten.“, erklärte er beschwichtigend und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Also verspreche ich, mir das ebenfalls durch den Kopf gehen zu lassen. Wir sprechen ein andermal darüber. Deal?“
 

Lucy blickte mit gerunzelter Stirn misstrauisch zu ihm hoch. Er gab viel zu einfach nach! Das hatte sie ja noch nie gesehen. Trotzdem nickte sie. Darauf konnte sie sich einlassen, auch wenn er vermutlich erwartete, dass sie sich das ebenfalls nochmal überlegte. Aber sie hatte ihre Entscheidung längst getroffen.
 

Ein erleichtertes Lächeln huschte über sein Gesicht und er deutete zu einer Verkaufsbude hinüber, die auf einem kleinen Platz in der Nähe stand. „Dort gibt es Eis. Lass uns eins holen gehen.“ Damit setzte er sich auch schon in Bewegung, offensichtlich erfreut danach, dass alles nach seinem Willen ging.
 

Sie blickte ihm nach und fragte sich, ob er die Worte ernst gemeint hatte. Aber, erkannte sie und ihre Hand stahl sich unwillkürlich zu ihrem Bauch, wo sie beschützend liegen blieb, letzten Endes würde das keine Rolle spielen. Denn Jude kannte das Gesamtbild noch nicht.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Lucy ist schon so durcheinander, die weiß schon gar nicht mehr, was sie tut. :X Hoffentlich war das nicht alles zu verwirrend.

Dann lesen wir uns in einer Woche.
Bis dann
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yosephia
2016-10-04T20:27:31+00:00 04.10.2016 22:27
Oje...

Also ein kleines, kleines bisschen bin ich auch sauer auf Lucy, weil sie so bockig ist und sich keine Gedanken macht, was für Sorgen sich Natsu um sie macht - aber natürlich ist mir klar, dass es aus ihrer Sicht keinen Grund zur Sorge gibt. Es passt absolut zu ihr, dass sie nicht einfach so einlenkt.
Genauso passt es, dass ihre Gedanken dennoch immer wieder zu diesem Thema zurück kommen und dass dieses Thema ihre Zweifel wegen des Babys auch wieder befeuert.

Umso schöner ist es, dass Lucy trotz dieser Zweifel doch schon anfängt, sich auf das Baby einzulassen. Sie versucht zwar noch, es vor sich selbst zu verschleiern, aber die vielen kleinen Gesten sprechen eine eigene Sprache. Finde ich wirklich schön! Ganz besonders das mit dem Babyladen!

Natsu kann ich gut verstehen, aber ich kann mir auch gut vorstellen, dass er sehr unter dieser Funkstille leidet, sich Sorgen um Lucy und das Baby macht, versucht, weiter wütend zu sein, und eigentlich einfach nur seine Freundin vermisst. Wahrscheinlich ist mit ihm derzeit echt nicht viel anzufangen und der arme Igneel wundert sich schon .__.

Und Jude... hach, dieses Kapitel zeigt sehr schön, was für eine Berg- und Talfahrt die Beziehung zwischen Jude und Lucy ist! Jude gibt sich wirklich viel Mühe, Lucy glücklich zu machen. Es steht völlig außer Frage, dass er Lucy liegt und nur das Beste für sie will, aber er hat sich so verbohrt in seiner Ansicht, was das Beste für sie ist, dass er immer wieder mit Anlauf in die Fettnäpfchen springt. Richtig traurig ist das! u.u

Ich finde das Kapitel wirklich sehr gelungen! Lucys Entwicklung ist sehr plausibel und fügt sich auch gut an die vorangegangenen Ereignisse!
Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht! >__<


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