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This Great And Little Gift

[NaLu | Lucy vs. Jude]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Guess what! :D Ich hab heute Geburtstag. XD

Dafür kommt das lang erwartete Kapitel... Sie spricht endlich mit Natsu! :D

Enjoy. Komplett anzeigen

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5. Kapitel, in dem Natsu auch endlich mitreden darf (oder so ähnlich)

Um es hinter sich zu bringen, war Lucy gleich im Anschluss zu dem Termin bei Dr. Marvell – der gezeigt hatte, ja, sie war definitiv schwanger, es gab keinen Zweifel mehr; ihre Welt würde untergehen – zu der Beratungsstelle hinübermarschiert. Wenn sie schon einmal Ärger mit ihrem Vater bekam, dann spielte es keine Rolle, wie lange sie wegblieb. Sie hätte allerdings nicht gedacht, dass es ganz so lange dauern würde.
 

Aber erstmal musste sie darum kämpfen, überhaupt sofort dranzukommen, ohne eine Woche auf einen Termin warten zu müssen. Die Tatsache, dass sie um ihre Fassung rang und beinahe an Ort und Stelle erneut in Tränen ausbrach, erweichte das Herz der Sekretärin so sehr, dass sie eine Beraterin anrief. Die kam auch gleich vorbei und stimmte nach einem Blick auf Lucy zu, gleich mit ihr zu sprechen.
 

Lucy war es peinlich, schon wieder auf diese Art an einen Termin zu kommen; sie wollte weder manipulativ noch so jämmerlich sein. Wo kamen diese Tränen eigentlich so plötzlich her? Sie war schon nah am Wasser gebaut, das wusste sie selbst, aber doch nicht so nah!
 

Zumindest schaffte sie es, sich während des Gesprächs am Riemen zu reißen und brauchte währenddessen keine Taschentücher. Man musste die Siege nehmen, wie sie waren, selbst wenn es nur kleine Siege waren.
 

Die Beraterin war sehr freundlich und mitfühlend und breitete vor ihr aus, was sie für Möglichkeiten hatte und was bei jeder einzelnen auf sie zukam. Doch im Grunde war es auch nichts anderes als das, was Grandine ihr bereits erklärt und sie sich selbst auch schon gedacht hatte. Wenigstens erfuhr sie, dass es diverse Mittel und Gelder gab, die sie bekommen konnte, falls sie das Kind behalten wollte und alle anderen Stricke reißen würden. Es gab sogar Unterkünfte für junge Mütter, wenn sie lieber von Zuhause ausziehen wollten und keine anderen Möglichkeiten hatten!
 

Doch bis dahin würde noch viel Zeit vergehen und erst einmal musste sie sich klarwerden, ob es überhaupt dazu kommen würde. Ob sie dieses Kind behielt. Ob sie dafür das Risiko einging, mit ihrem Vater einen fürchterlichen Streit zu haben. Und vielleicht mit Natsu.
 

Letzten Endes lag die Entscheidung bei ihr selbst und niemand konnte sie ihr abnehmen.
 

Einen positiven Effekt hatte das Gespräch allerdings, denn sie verließ die Beratungsstelle mit geordneten Gedanken und dem Gefühl, jetzt eine fundierte, gut durchdachte Entscheidung treffen zu können. Außerdem hatte sie die Visitenkarte der Beraterin bekommen und den freundlichen Hinweis darauf, dass sie sich jederzeit wieder melden konnte.
 

Jude erwartete sie nicht in der Eingangshalle, also erwachte in ihr die leise Hoffnung, dass er den ganzen Tag in der Firma geblieben war. Trotzdem verhielt sie sich so still wie möglich, als sie zu ihren Zimmern hochstieg. Sie versteckte ihre Broschüren und die wertvolle Visitenkarte und setzte sich an den Schreibtisch, um sich ihren Hausaufgaben zu widmen.
 

Doch als Spetto einige Minuten später hereinkam, war es nicht, um ihr das Mittagessen zu bringen, sondern um ihr mit einem ehrlich teilnahmsvollen Lächeln mitzuteilen, dass ihr Herr Vater sie gerne in seinem Arbeitszimmer sehen würde. Ihre Augen wirkten dabei besorgt, als befürchtete sie das Schlimmste.
 

Mit einem Seufzen stand Lucy wieder auf und begab sich in besagten Raum. Dabei versuchte sie sich einzureden, dass alles gar nicht so schlimm war und sie nichts falsch gemacht hatte, auch wenn sie genau wusste, dass sie die Anweisungen ihres Vaters unverhohlen ignoriert hatte. Würde ihre Ausrede reichen, um ihn zu beschwichtigen?
 

Das Arbeitszimmer ihres Vaters war direkt neben der Eingangshalle lokalisiert und ziemlich groß. Die Wände wurden auf der einen Seite von Bücherregalen bedeckt, während ihnen gegenüber wertvolle Gemälde hingen, für die sich auch ein Kunstmuseum nicht schämen müsste, unterbrochen von einem kolossalen Kamin aus weißem Marmor. Auch der Boden bestand aus Marmor und durch die Fensterfront gegenüber der Tür fielen warme Sonnenstrahlen, die alles in ein helles Licht tauchten.
 

Jude saß hinter seinem beeindruckenden Mahagonischreibtisch, ein wuchtiges Möbelstück, mit dem man kleine Autos abrupt stoppen konnte. Einige niedrige Regale standen hinter ihm an der Wand, die mit Aktenordnern gefüllt waren. Zwei elegante Stühle standen vor dem Tisch; sie waren für Besucher bestimmt und konnten mit Judes Chefsessel nicht mithalten.
 

Er hielt sich gar nicht mit irgendwelchen Begrüßungsformeln auf und blickte nicht einmal hoch, als sie den Raum betrat. Unbeholfen wartete sie neben einem Besuchersessel darauf, dass er ihre Anwesenheit wahrnahm, doch er ließ sie erst einige Minuten warten, ehe er aufblickte. „Wo warst du heute Mittag? Ich dachte, du hast Hausarrest?“
 

„Tut mir leid.“, antwortete sie und beschloss, bei der Wahrheit zu bleiben. Naja, irgendwie zumindest. Zu dumm, dass man Lügen nicht einfach so mal zwischendurch lernen konnte. „Ich hatte einen Termin bei Dr. Marvell.“ Meistens reichte das aus, damit er nicht weiterfragte – die meisten Männer wollten nichts von weiblichen Problemen hören und Jude stellte da keine Ausnahme dar.
 

Doch im Moment schien er nicht gewillt zu sein, deswegen innezuhalten und fuhr mit einem demonstrativen Blick auf die große Uhr an der Wand einfach fort: „So lange?“ Seine Stimme klang flach und es war deutlich, dass er ihr nicht glaubte.
 

Lucy kniff die Lippen zusammen, um nichts zu sagen, aber das Misstrauen schmerzte sie. Konnte er ihr nicht einmal vertrauen? Auf der anderen Seite – hatte er nicht recht, ihr zu misstrauen? Immerhin verschwieg sie ihm gerade etwas wichtiges…
 

Aber sie war seine Tochter. Sagte sein Verhalten nicht genug? Welcher Vater tat so etwas?
 

Er ging jedoch nicht weiter darauf ein, sondern fuhr fort: „Trotzdem erwarte ich, dass du mir in einem solchen Fall Bescheid sagst. Glanville hätte dich auch gefahren und du musst ihn nicht mit einer Nachricht über deine Freunde abspeisen.“ Sein Tonfall sagte eindeutig, was er von ihren Freunden hielt, und wieder einmal wurde ihr deutlich, wie viel lieber er sie in anderen gesellschaftlichen Kreisen sehen würde. Über Loke sprach er nie auf diese Weise.
 

Lucy senkte den Kopf, damit er den Ärger in ihren Augen nicht sah. „Ja, Papa.“, antwortete sie folgsam. „Ich werde daran denken.“
 

Jude schwieg einen Moment. „Deine Lehrer sind sehr zufrieden mit dir und den Zusatzarbeiten, die du in den letzten Wochen gemacht hast. Darum werde ich diesmal ein Auge zudrücken und deinen Hausarrest nicht verlängern. Ich werde solchen Ungehorsam allerdings nicht noch einmal dulden.“
 

Lucy schluckte ihren Ärger hinunter. „Ja, Papa.“
 

Er hatte offensichtlich in der Schule angerufen oder war sogar vorbeigefahren, um das zu wissen. Er hatte sie nicht einmal darüber informiert oder sie vorher gefragt, wie ihr Standpunkt dazu war. Er hatte es einfach getan und sie dabei komplett übergangen, als würde es nicht um sie gehen, um ihr Leben und ihre Zukunft.
 

Sie mochte noch nicht volljährig sein, aber war sie inzwischen nicht alt genug, dass sie bei einem solchen Gespräch mit einbezogen werden konnte? Oder zumindest darüber informiert? Ärger stieg in ihr hoch und sie ballte die Hände zu Fäusten, um sich zu beherrschen, doch ihr Vater bemerkte das nicht einmal.
 

Er war bereit wieder halb ein seine Arbeit vertieft, noch während er weitersprach: „Behalte das bei. Nächstes Jahr machst du deinen Abschluss und du solltest dich darum vollständig auf die Schule konzentrieren.“
 

Übersetzung: Trenn dich endlich von Natsu und ignorier am besten auch deine sogenannten Freunde. Lucy sagte nichts darauf, denn eine ehrliche Antwort wäre ein resolutes Nein gewesen. Ihre Freunde waren wie eine zweite Familie für sie, sie hatte bei ihnen Anschluss gefunden, Liebe und Geborgenheit – alles, was sie zuhause so oft vermisste, seit Layla nicht mehr da war. Sie konnte das nicht aufgeben.
 

Außerdem würden ihre Freunde und vor allem Natsu das nicht verstehen – oder zulassen.
 

„Ich möchte nicht, dass du dir deine Zukunft verbaust. Du kannst jetzt gehen.“ Jude hatte seinen Standpunkt klargemacht und war jetzt fertig, ohne ihre Meinung ebenfalls zu hören. Auf diese Weise von ihrem eigenen Vater entlassen und weggeschickt zu werden, als wäre sie eine einfache Angestellte oder seine Sekretärin, war nichts Neues für sie.
 

Warum aber tat es jedes Mal aufs Neue so weh?
 


 

~~*~~❀~~*~~
 

Am Sonntagmorgen setzte die berühmt-berüchtigte Schwangerschaftsübelkeit ein, vor der sie sich schon gefürchtet hatte. Warum konnte sie nicht eine der Glücklichen sein, die damit nicht zu kämpfen hatten? Was, wenn es jemandem auffiel und er zwei und zwei zusammenzählte? Wenn er ihrem Vater Bescheid gab?
 

Den Morgen verbrachte sie entweder auf der Toilette über der Kloschüssel hängend oder leidend auf dem Diwan im Wintergarten, wo sie mit Loke und Gray chattete, diverse Blumen skizzierte und sich allgemein schlecht fühlte. Am Mittag ging es ihr wieder besser, doch am Montagmorgen fing es von vorne an. Nur dass sie nicht für die nächsten paar Wochen zuhause bleiben und Schule schwänzen konnte, um auf dem Sofa herumzulümmeln.
 

Also schleppte sie sich ins Bad und durch ihre Morgenroutine, wobei sie sich zweimal übergab und nur einen Tee trinken konnte, weil ihr von dem Geruch von allem anderen übel wurde. Sie war dankbar darum, dass Glanville sie zur Schule fuhr. Oft hatte sie sich gewünscht, wie alle anderen mit dem Bus oder dem Fahrrad zu fahren, doch manchmal war es praktisch, einen privaten Chauffeur zu haben.
 

„Geht es dir nicht gut?“, wollte Gray wissen, als er sich neben ihr auf seinen Stuhl fallen ließ. Seine dunklen Haare standen in alle Richtungen ab, als hätte er vergessen sich zu kämmen, und er sah übernächtigt aus.
 

Sie lachte und versuchte, die Sache herunterzuspielen. Auf keinen Fall wollte sie jetzt unangenehme Fragen beantworten. „Mir ist nur etwas schlecht. Hattest du auch so Probleme mit der Mathehausaufgabe?“
 

„Das war ein fieser kleiner Trick.“ Er nickte, aber wirkte noch immer nicht ganz beruhigt. Mit scharfem Blick musterte er sie eingehend, trotzdem drang er nicht weiter in sie ein. Stattdessen winkte er Natsu und Erza, die gerade gemeinsam zur Tür hereinkamen. Sie wohnten nicht weit voneinander entfernt, weswegen die Rothaarige in der Regel von ihm mitgenommen wurde.
 

Lucy sprang auf, um ihren Freund mit einem Kuss zu begrüßen, der danach den Arm um ihre Schultern legte und sie nicht mehr losließ. Seine Nähe tat ihr einfach gut, auch wenn es ihr vor dem Gedanken grauste, ihm davon zu erzählen. Rational wusste sie, dass Natsu die Nachricht nicht negativ aufnehmen oder zumindest nicht sie beschuldigen würde, aber das hinderte ihre Gedanken nicht daran, im Kreis zu rennen und auf das gefürchtete Aber was, wenn doch…? zurückzufallen.
 

Erza hatte sich derweil zu Gray gesellt und blickte auf, als sie näher kamen. „Na, Hausarrest überstanden?“, wollte sie wissen und Lucy nickte. „Endlich. Freiheit!“
 

„Ehrlich?“, warf Natsu aufgeregt ein. „Haben die Qualen endlich ein Ende?!“ Er warf die Arme um sie und presste ihr einen übertriebenen Kuss auf die Wange. Lucy ließ es sich lachend gefallen.
 

Gray trat ihn leicht gegen das Schienbein. „Na hör mal, du warst es nicht, der fünf Wochen im Haus eingesperrt war.“
 

„Er wäre verrückt geworden.“, bestätigte Erza, die Arme vor der Brust verschränkt. „Könnt ihr euch das vorstellen?“
 

„Oh Gott, lieber nicht!“, stöhnte Gray auf.
 

„Mein Vater hat mir noch nie Hausarrest gegeben.“, erklärte Natsu überheblich.
 

„Vermutlich weil er weiß, dass du ihm die Bude abfackeln würdest, du Pyromane!“
 

„Dann wäre es wenigstens nicht mehr langweilig, Eisklotz!“
 

Lucy verdrehte die Augen und stellte sich neben Erza, während Gray und Natsu sich anfunkelten und ihren verbalen Schlagabtausch weiterführten. „Hast du es ihm schon gesagt?“, flüsterte die Freundin ihr zu, kaum dass sie nah genug nebeneinander standen.
 

Lucy schüttelte den Kopf. „Nein, ich hatte noch keine Gelegenheit.“
 

„Du musst es so bald wie möglich tun. Er hat ein Recht darauf, es zu erfahren. Außerdem wird er dir die größte Stütze sein.“
 

Zweifelnd sah Lucy sie an. „Meinst du wirklich?“ Das war ihre größte Sorge, so bescheuert sie auch war: dass Natsu abweisend reagieren würde oder sogar wütend und… Was würde sie dann tun? Sie konnte das nicht ohne ihn tun, ganz egal, was es war.
 

Erza schlug ihr etwas zu hart auf die Schulter, so dass sie nach vorne stolperte, und riss sie damit aus den Gedanken. „Es ist Natsu!“, sagte sie nachdrücklich. „Natürlich wird er hinter dir stehen! So wie Gray und ich auch. Aber denkst du wirklich, dass Natsu dich im Stich lassen würde?“
 

Lucy hob die Schultern. Sie wusste es ja und wenn man es so ausdrückte, klang es wirklich lächerlich. Er würde ihr nie einfach so den Rücken kehren, schon gar nicht in einer so schweren Zeit! Er war eben Natsu, loyal und zuverlässig, zumindest wenn es um solche Themen ging.
 

„Du hast Recht.“, erklärte sie und Erza warf sich in die Brust. „Natürlich! Weißt du schon, wie du es ihm sagen willst?“
 

„Nun ja… ich werde es ihm halt sagen…“, murmelte Lucy abschwenkend und wurde vor einer weiteren bohrenden Frage von einem lauten „Gray-Schatz!“, das von der Tür herüberdrang, gerettet.
 

Die beiden Freundinnen schauten in die Richtung eines hübschen, brünetten Mädchens, das gerade ins Klassenzimmer trat, Louise die Langweilige. Auch Gray blickte auf, von wo er Natsu gerade in einem Schwitzkasten hatte. Die Unachtsamkeit wurde ihm zum Verhängnis, als der Pinkhaarige sich befreite und den Spieß umdrehte. Louise verzog unwillig das Gesicht über dieses Schauspiel; sie hatte von den harmlosen Reibereien zwischen den beiden Jungs nie viel gehalten und machte ein viel zu großes Aufheben darum.
 

Doch Lucy rettete den Dunkelhaarigen, indem sie ihren Freund von ihm wegzog. „Hast du heute Abend Zeit?“ Sie rieb sich nervös die Hände. Besser, sie brachte diese Beichte schnell hinter sich.
 

„Ja, klar! Willst du rüberkommen?“ Natsu grinste sie erfreut an und achtete nicht mehr auf Gray, der ging um seine Freundin zu begrüßen, die mit verkniffenem Gesicht etwas entfernt gewartet hatte. Niemand geriet gern in die Schusslinie zwischen Gray und Natsu, auch Lucy tat es nur manchmal. Einzig Erza wagte sich jedes Mal ohne Probleme in die Kampfzone und beendete den Streit, wenn er zu heftig wurde, wenn nötig mit Gewalt.
 

Lucy nickte. „Ich muss etwas mit dir besprechen.“
 

Etwas in ihrer Stimme musste ihm sagen, dass es sich um etwas sehr Ernstes handelte, denn er verlor den fröhlichen Gesichtsausdruck und runzelte die Stirn. „Dein Vater will, dass du mit mir Schluss machst, oder?“, fragte er misstrauisch, als ob er befürchtete, dass sie genau das tun würde.
 

„Was?! Nein, natürlich nicht!“, wehrte sie reflexartig ab. Dann ruderte sie zurück. Natsu kannte Jude besser, als dass er ihr das jetzt abkaufen würde. „Okay, er will das, aber ich werde das ganz sicher nicht tun.“ Sie stellte sich auf Zehenspitzen, um ihn zu küssen und ihm auf diese Weise zu zeigen, dass zwischen ihnen alles in Ordnung war. „Okay? Darum geht es nicht, im Gegenteil.“
 

Diesmal wirkte er eher verwirrt, also tätschelte sie seinen Arm und lächelte ihn beruhigend zu. „Ich werde ganz sicher nicht mit dir Schluss machen, versprochen. Wir besprechen das heute Abend, okay?“
 

Natsu nickte und wollte etwas sagen, doch die Lehrerin unterbrach ihn, als sie mit einem lauten „Hallo, alle zusammen. Wenn ihr wohl die Güte hättet, euch hinzusetzen.“ in den Raum gestürmt kam.
 

„Also gut. Aber heute Abend darfst du keinen Rückzieher machen!“, verlangte er, als er sich von ihr löste und zu seinem Platz hinüberging. Auch Lucy ließ sich wieder auf ihrem Stuhl nieder. Unruhig spielte sie mit ihren Stiften und wippte mit den Füßen, erleichtert, diesen Schritt zumindest hinter sich gebracht zu haben, auch wenn das Schlimmste noch auf sie zukam.
 

Gray warf ihr wieder einen Blick zu, der auf Außenstehende wohl kühl und abweisend gewirkt hätte, aber in dem Lucy ehrliche Sorge lesen konnte. „Und bei dir ist wirklich alles in Ordnung?“
 

Lucy antwortete nur mit einem bitteren Lächeln und konzentrierte sich auf die Lehrerin.
 


 

~~*~~❀~~*~~
 

Natsu wohnte mit seinem Vater knapp außerhalb der Innenstadt, aber noch nicht in einem der adretten Wohnviertel, sondern an der Grenze zwischen dem Kardia-Park, dem Gewerbegebiet und der City. Das Zweifamilienhaus gehörte den Dragneels und stand auf einem gigantischen Gelände, das ursprünglich Natsus Mutter gehört hatte und inzwischen größtenteils als Schrottplatz diente. Es wurde verdeckt von den zusammenhängenden Gebäuden der Dragon’s Garage, der Autowerkstatt, die im Vordergrund des Geländes errichtet worden war.
 

Drei dunkelrot lackierte Metalltore nahmen den Großteil der Vorderfront des Baus ein, in dem die eigentlichen Werkstätten untergebracht waren. Die Büros sowie ein Teil des Lagers befanden sich in einem Nebenhaus, das den Mittelpunkt der Werkstatt darstellte. Der Hof wurde auf der anderen Seite von einem weiteren, langgezogenen Gebäude begrenzt, das als Garage diente und in dem Igneel seine künstlerischen Anwandlungen auslebte.
 

Diese manifestierten sich in zumeist ziemlich großen Figuren aus Altmetall und ähnlichem Schrott. Sein Lieblingsmotiv dabei waren Drachen wie jener in der Galerie und der bekannteste davon, ein gigantisches Monstrum in Rot und Gold, stand im Rathaus. Das Material davon kam vom hauseigenen Schrottplatz, auf dem größtenteils alte Autos landeten.
 

Das Wohnhaus erhob sich von der Straße nicht einsehbar etwas entfernt und hatte eine eigene Einfahrt sowie einen großzügigen, wenn auch extrem verwilderten Garten. Dieser war von einer hohen Hecke aus verschiedenen Beerensträuchern, Rosen, Schneeball und ähnlichem Gewächs umgeben, so dass keinen Zweifel entstand, was Privatbesitz und was noch zum Betrieb gehörte.
 

Hinter all dem befand sich das, das Lucy nur als Autofriedhof bezeichnen konnte, auch wenn Vater und Sohn beide schworen, dass es sich dabei zumindest teilweise um zukünftige Projekte handelte. Diese waren meistens beinahe schrottreife Oldtimer, die Igneel zu günstigen Preisen erwarb. Manche erstanden tatsächlich neu, wie ein Phönix aus der Asche, und wurden von den beiden restauriert, um dann zu erstaunlichen Preisen an Sammler und Liebhaber verkauft zu werden.
 

Die meisten Wracks allerdings rosteten langsam vor sich hin und wurden höchstens noch als Ersatzteillager oder – wahrscheinlicher – Material für Igneels Kunstwerke verwendet. Dabei handelte es sich meist um all jene Autos, die tatsächlich kaum mehr als Schrott waren, hier ausgeschlachtet wurden und dann weitergeschickt wurden.
 

In dem Zweifamilienhaus befanden sich zwei Wohnungen; jene im Erdgeschoss bewohnten die Dragneels und über ihnen lebte ein junges Pärchen, das stets freundlich grüßte, aber dem Lucy nur selten begegnete. Meistens lag es daran, dass die beiden von früh bis spät arbeiteten; anscheinend wollten sie gemeinsam eine Weltreise machen, die ein Jahr dauern sollte. Im Gegensatz zu den Kreisen, in denen Lucy sonst so verkehrte, musste ein Normalbürger jedoch für sowas hart arbeiten.
 

Als Natsu seinen flammendroten, selbstrestaurierten Mustang auf den Hof lenkte, stand Igneel gerade mit einem Kunden vor der Werkstatt. Er war ein hochgewachsener Mann, dem man die Verwandtschaft zu Natsu mit einem Blick ansah. Er hatte einen ähnlichen Körperbau und wildes Haar, das nur ein paar Töne dunkler war als das seines Sohnes, der ihm obendrein wie aus dem Gesicht geschnitten war.
 

Natsu brüllte ihm einen Gruß zu, als er mit Lucy über den Hof marschierte, aber sein Vater winkte ihnen nur kurz, noch mit dem Kunden beschäftigt, der aussah, als würde er jeden Moment explodieren, so rot war sein Kopf. Doch Lucy achtete nicht weiter auf die beiden, Igneel kam mit solchen Leuten bewundernswert gut klar, ohne dass sich jemand einmischte. Er hatte eine Art an sich, ein Gespräch dorthin zu bringen, dass jeder zufrieden davon wegging, obwohl er keinen Zentimeter von seinem Standpunkt abgewichen war.
 

Außerdem hatte sie ihre eigenen Probleme, um die sie sich kümmern musste und die sie gerade wieder fast in Panik ausbrechen ließen. Am Morgen hatte sie Erza großspurig verkündet, es Natsu einfach zu sagen, aber jetzt war sie nicht mehr so sicher, dass das der richtige Weg war. Vielleicht hätte sie sich doch ein paar Gedanken darum machen sollen, wie sie es formulieren sollte.
 

Natsu jedenfalls bemerkte nichts von ihrem Dilemma, sondern schob sie ohne weitere Verzögerung gut gelaunt in sein Zimmer. Er ahnte noch nichts von der Bombe, die sie gleich platzen lassen würde. Es sah nicht sehr anders aus als vor fünf Wochen, als sie das letzte Mal hier gewesen war, unordentlich und durcheinander wie immer – wie auch nach der Nacht, in der sie miteinander geschlafen hatten.
 

Das erinnerte sie erneut daran, warum sie darauf bestanden hatte, unbedingt heute mit ihm zu kommen. Er hatte keine Einwände dagegen, danach zu urteilen, wie leidenschaftlich er sie gerade gegen die Tür presste und küsste, doch Lucy fühlte sich nicht so energetisch und erwiderte den Kuss nur halbherzig. Natsu bemerkte es sehr schnell und ließ von ihr ab.
 

„Was ist?“, wollte er wissen, die Augenbrauen besorgt zusammengezogen. „Ist etwas passiert? Hast du doch noch länger Hausarrest?“
 

Lucy fummelte nervös am Saum ihres T-Shirts herum. „Ich hab dir doch gesagt, dass wir miteinander sprechen müssen?“
 

Er grinste. „Ja. Aber du hast auch gesagt, dass es nicht ist, weil du dich von mir trennen willst. Können wir also vorher nicht noch ein bisschen rummachen?“
 

Lucy war sehr gewillt das Angebot anzunehmen und das Problem für heute einfach fallen zu lassen. Aber wenn sie das tun würde, würden sie es das nächste Mal auch machen und danach erneut und vielleicht nicht wieder den Mut finden, es überhaupt anzugehen.
 

Außerdem waren es ja diese Handlungen, die ihnen den ganzen Schlamassel erst eingebracht hatten. Nun ja, vielleicht nicht das Fummeln, aber was danach folgen konnte – und vermutlich auch würde, wenn sie das Funkeln in Natsus Augen richtig deutete. Warum konnte er nicht einmal im Leben ernst sein?
 

Sie schob ihn von sich und drehte das Gesicht zur Seite. „Nein. Wir müssen wirklich reden.“
 

Unsicher trat er von ihr zurück. Er wusste offensichtlich überhaupt nicht, was er mit ihrem Verhalten anfangen sollte und worauf sie hinauswollte. Wie konnte er es auch ahnen? Sie hatte ja nicht einmal Andeutungen gemacht! Sie hatte sich sehr bemüht, sich nichts anmerken zu lassen.
 

Lucy steuerte den Schreibtischstuhl an und fegte einige alte Kleidungsstücke hinunter, ehe sie sich darauf niederließ. „Könntest du dich bitte setzen?“
 

Natsu starrte sie für einen Moment wortlos an, dann ließ er sich langsam auf sein ungemachtes Bett sinken. „Ist etwas passiert? Du machst mir echt Angst… Du bist nicht ernsthaft krank oder so, wie deine Mutter? Oder will dein Vater dich wegschicken für das nächste Jahr oder ist mit ihm etwas?“
 

Lucy starrte ihn an und fragte sich, warum sie verwundert über die Fragen war und die ehrliche Sorge dahinter. Natsu war weit scharfsinniger, als man ihm zugestehen wollte, und sie wusste das. Trotzdem war es anscheinend leicht, das zu vergessen, denn sie hätte nicht geglaubt, dass er sich solche Gedanken machte. „Nein, nichts von alledem.“, versicherte sie ihm rasch.
 

Er warf frustriert die Arme in die Luft. „Ja, was denn dann! Du machst mir echt Angst hier.“
 

Sie holte tief Luft. Ihn noch länger warten zu lassen, wäre unfair. „Erinnerst du dich an Grays Geburtstag?“
 

„Ja, natürlich. Was hat das damit zu tun?“ Plötzlich wurden seine Augen schmal. „Du hast nicht mit jemand anderem rumgemacht oder so?“ Dann runzelte er die Stirn und schüttelte den Kopf, als würde ihm selbst auffallen, was für eine blöde Frage das war. Als ob sie ihn jemals betrügen könnte!
 

„Nein! Natürlich nicht!“, entrüstete sie sich. Wie kam er ausgerechnet auf diese Idee?
 

Er wirkte immer verwirrter und sie musste es ihm jetzt sagen! Jetzt gab es kein Zurück mehr. „Ich…“ Sie hätte es sich wirklich überlegen sollen, wie sie es ihm sagte. Es ihm so einfach ins Gesicht zu schleudern, schien ihr mit einem Mal unsensibel.
 

Allerdings war Natsu selbst nicht gerade der taktvolle Typ, er würde das vermutlich nicht einmal so sehen. Also beendete sie den Satz einfach: „…bin schwanger.“
 

Er starrte sie an, als würde sie in einer fremden Sprache sprechen.
 

Lucy starrte zurück, unsicher, ob sie vielleicht zu undeutlich oder zu leise geredet hatte. Sollte sie es wiederholen?
 

„Schwanger?“ Seine Stimme war nur ein heiseres Krächzen und er starrte sie an, als wäre ihr spontan ein zweiter Kopf gewachsen.
 

Sie nickte. „Ja. Du weißt schon. In anderen Umständen. Braten in der Röhre. Kind unter dem Herzen. Betriebsunfall.“ Das Lachen, das sie hinterherschickte, klang so unecht, wie es war. Ihr war gerade eher nach Heulen zumute oder nach Schreien.
 

Natsu starrte sie weiterhin an, dann stand er auf und ging ein paar Schritte, ehe er stehen blieb und sich fahrig durch die Haare fuhr. „Wie konnte das denn passieren?“
 

„Wenn ich dir das jetzt erklären muss…“, begann sie drohend, doch er hob abwehrend die Hände. „Das meine ich nicht. Ich bin doch kein Idiot! Ich meine… ich meine, wir haben es doch nur ein einziges Mal gemacht!“
 

„Das reicht doch schon!“, fauchte sie zurück. Warum machte er sie jetzt so blöd an?! Es war doch nicht allein ihre Schuld! Er war ebenso beteiligt und zu sowas gehörten sowieso immer zwei! Sie starrte ihn wütend an, die Hände zu Fäusten geballt. Unter ihrem Fuß lag ein Stift oder so und sie hatte noch nicht einmal gemerkt, wie sie aufgesprungen war.
 

Natsu erwiderte ihren zornigen Blick mit so weit aufgerissenen Augen, dass es schon beinahe komisch wirkte. Dann hob er abwehrend die Hände und tat einen vorsichtigen Schritt auf sie zu, als wäre sie ein wildes Tier, das er beruhigen musste. Ausnahmsweise schien er mal nicht aufgelegt für einen Streit zu sein. „Ich… Lucy…“, begann er, sichtlich bemüht darum, die Stimme gleichmäßig klingen zu lassen. „Komm erstmal ru…“
 

„Ich bin nicht die einzige Verantwortliche hier!“, fauchte sie, unwillig sich zu beruhigen, und es war wie ein Damm, der losbrach. Sie hatte das so lange für sich behalten und mit niemandem darüber gesprochen, hatte sich Sorgen gemacht und war nachts wach gelegen, während in ihrem Kopf sich immer die gleichen, negativen Gedanken im Kreis gedreht hatten und sie darum gekämpft hatte, nicht in Tränen auszubrechen.
 

Und jetzt war sie die Dumme hier! Nicht mit ihr! „Zu sowas gehören zwei und du bist genauso beteiligt und wage es nicht, alles auf mich abzuschieben!“
 

„Lucy! Beruhige dich! Ich will doch gar ni-“
 

Und war es nicht ironisch, dass ausgerechnet er es war, der sie jetzt zur Ruhe aufrief? Eigentlich spielten sie dieses Spiel anders herum. Aber jetzt hatte sie einfach keine Lust, sich zu beruhigen.
 

Sie stampfte mit den Fuß auf. „Nein! Ich bin hier die, die sich damit herumschlagen muss, und das nur, weil du ihn nicht in der Hose lassen konntest! Du wirst gefälligst Verantwortung übernehmen!“ Sie schniefte, als ihr plötzlich Tränen in die Augen schossen, und drehte sich um, dass er sie nicht sehen konnte. Beim Hinausgehen schnappte sie sich ihre Tasche. „Und wenn du bereit dazu bist, können wir ja miteinander reden!“ Damit knallte sie die Tür so heftig hinter sich zu, dass sie sofort wieder aufsprang, und stapfte wütend nach draußen.
 

Hinter sich konnte sie ihn nur noch rufen hören. „Lucy!“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ups, da hat jemand wohl überreagiert...

Gruß
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yosephia
2016-09-04T07:27:48+00:00 04.09.2016 09:27
Jude ist so ein Kotzbrocken... Klar, er meint es nur gut, er will nur das Beste für seine Tochter, aber Mann ey, ging er mir in der Szene auf den Senkel! Arme Lucy! Sie bräuchte jetzt einen richtigen Vater, dem sie vertrauen kann und der ihr beisteht! >_<

Ich fand es sehr süß, dass ein bisschen GraLu-Broship dabei war! Gray ist ja durchaus sehr aufmerksam, da hat es gut gepasst, dass er Lucy etwas angemerkt hat, selbst wenn er nicht von selbst auf die Idee kommt, dass sein bester Freund vergessen haben könnte, zu verhüten. (SO genau beschäftigt er sich sicher nicht mit Natsus Sexleben XD")

Das Gespräch zwischen Natsu und Lucy fand ich sehr glaubwürdig! Lucys Ängste im Vorfeld waren sehr wohl nachvollziehen und Natsus Sorgen wegen ihres Verhaltens waren echt süß. Er macht sich sogar Sorgen um Jude - zwar zuallererst um Lucys Willen, aber das ist dennoch total toll!
Und seine Reaktion fand ich absolut nachvollziehbar, aber klar, dass Lucy in ihrem ange-/überspannten Zustand überreagiert. Sie hat es schon so lange in sich hinein gefressen und ist mit den Nerven am Ende, aber wenn sie sich etwas beruhigt hat, wird ihr sicher auch auffallen, dass Natsu ihr doch gar keinen Vorwurf gemacht hat und dass er so eine Neuigkeit doch auch erst einmal richtig erfassen muss!

Die Beiden berappeln sich garantiert schnell wieder. Schon allein, weil Natsu das sicher nicht so stehen lassen will! >_<
Aber wahrscheinlich braucht er jetzt erst einmal jemanden zum Reden. Wohl Gray, oder? Zu schade, dass die Story nur Lucy-PoV hat, DAS wäre nämlich ein echt interessantes Gespräch ID"

Kurz und gut: Tolle Umsetzung! Die Beschreibungen von Judes Büro und von Natsus und Igneels Zuhause fand ich sehr toll! Konnte ich mir alles richtig toll vorstellen!
Oh, und mein Bild von Louise ist alles andere als schmeichelhaft, aber das ist wohl auch Absicht XD"

Tolles Kapitel!


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