Zum Inhalt der Seite

My love bite on your neck

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Love bite 19 - Kleine Sauereien

Ahoi! XD

Sorry für das verspätete Kapitel und dass ich noch nicht eure Reviews beantwortet habe. Das wollte ich eigentlich heute machen, aber ich hatte das Wochenende über viel zu tun. Nächste Woche mache ich mich aber dran ;-)

Jetzt gibt’s aber erstmal das nächste Kapitel ^^
 

Viel Spaß dabei und euch noch einen schönen Restsonntag ;D

Fara
 


 

Love bite 19 - Kleine Sauereien
 

"Niclas?"

"Hnn ...?"

"Bist du schon wach?"

"Hnn ..."

"Ich bräuchte dich mal."

"Hnnnnn ..."

"Och Mensch! Beweg endlich deinen faulen Hintern aus der Kiste!" Plötzlich wird es kalt. Meine Mutter hat mir einfach die Decke weggezogen!

"Ey!" Ich taste blind nach nach ihr, aber das nützt nichts. Sie bleibt verschwunden. Notgedrungen öffne ich die Augen einen Spalt breit und schiele dorthin, wo ich meine hundsgemeine Mutter vermute. Wie erwartet steht sie da, meine Bettdecke als Trophäe in der Hand. "Will pennen", knurre ich und rolle mich auf der Matratze zu einem Embryo zusammen. Mir bleibt dennoch kalt.

"Und ich will, dass du aufstehst und mich in die Gärtnerei fährst."

"Nee."

"Niclas. Bitte." Ich gebe einen genervten Laut von mir. "Ich brauche einen Fahrer."

"Meine Autoschlüssel hängen am Board."

"Soll ich die schweren Säcke voll Erde etwa alleine schleppen?" Wieder brumme ich. "Du weißt, mein Rücken ist kaputt!" Noch ein Brummen. Ich will nicht aufstehen! "Steh jetzt auf!"

"Ich hab auch Rücken", versuche ich mich zu wehren. Wieder vergebens.

"Raus da jetzt, du fauler Hund!" Mir fliegt die Decke auf den Kopf. Das soll eine Bestrafung sein? Schön warm! "Wenn du nicht in einer Viertelstunde rüber in die Küche tanzt, komme ich wieder. Du weißt, was das bedeutet?" Oh, das weiß ich nur zu gut. Mit Horror erinnere ich mich an Mamas Kitzel-Attacken, immer dann, wenn sie mich mit Worten und Drohungen nicht aus den Federn bekam. Entweder die, oder es kam ein nasser, kalter Lappen geflogen. "Hopp, hopp!" Ihre Schritte entfernen sich und natürlich lässt sie meine Zimmertür hinter sich sperrangelweit offen stehen. Es wird wirklich Zeit, dass ich wieder ausziehe!
 

Mürrisch krabble ich unter der Bettdecke hervor und quäle mich aus dem Bett. Was für eine unschöne Art geweckt zu werden! Dabei hatte ich einen so schönen Traum gehabt. Von Meilo und mir ... Seufzend latsche ich zum Kleiderschrank, ziehe mir irgendwelche Kleidung aus den Stapeln und trolle mich ins Badezimmer. Eine Dusche wird mich hoffentlich munter machen. Obwohl ich dies bezweifle. Ich bin heute morgen erst ins Bett, was bedeutet, mein Akku ist noch nicht mal halb voll. Unter dem heißen Wasser fühle ich mich aber dann doch einigermaßen wiederhergestellt. Nicht zuletzt, weil mir immer noch der Traum von letzter Nacht im Kopf herumschwirrt. Und weil es so ist, dauert das Duschen länger als eine Viertelstunde, doch meine Mutter scheint dies nicht zu stören. Sie lächelt mich an, als ich in die Küche komme. "Morgen Schatz. Ausgeschlafen?"

"Sehr witzig", knurre ich. "Ist noch Kaffee da?"

"Ja. In der Kanne ist noch welcher." Sie schiebt mir die Kaffeekanne zu. "Ach ich freue mich! Wir waren so lange schon noch mehr zu zweit unterwegs! Und ich will endlich das Beet fertig bekommen. Du weißt doch. Das am Gartenzaun der Uhlmanns liegt. Einen größeren Kübel für die Hortensie brauche ich auch noch. Und Erde. Dünger für die Tomaten ist auch aus. Hach! Ich freue mich auf unseren Einkaufstrip!" Meine Mutter ist im totalen Plaudermodus. Das wird bestimmt ein anstrengender Tag! Besonders für meine Gehörgänge.

Während sie weiter unseren Tag verplant, schlürfe ich meinen Kaffee runter, futtere den Toast, den sie mit ganz nach dem Prinzip, friss oder stirb, vorgeworfen hat, und werde rüde auf die Beine gejagt, während ich noch den letzten Bissen versuche hinunterzuwürgen.

Natürlich quasselt meine Mutter unaufhörlich weiter, als wir uns auf den Weg zur Gärtnerei machen. Sie erzählt von ihren Freundinnen, welches Buch sie gerade liest, und wie toll es doch ist (natürlich irgend so eine Liebesschnulze), ob wir nach der Gärtnerei noch schnell einkaufen fahren können, weil die Milch leer ist, und so weiter und so fort. Meine Ohren bluten! Wie hält Papa das nur aus?

Endlich bei der Gärtnerei angekommen, mache ich drei Kreuze. Jetzt darf sich der Verkäufer Mamas Geschwafel anhören. Ich hasse es, wenn sie einen dieser Tage hat, wo ihr Redefluss gar kein Ende nimmt. Dann ist sie gar nicht zu bremsen und will alles auf einmal machen. Heute muss anscheinend der Garten dran glauben.

Ich steige aus und laufe ihr nach. Sie hat einen ganz schönen Zacken drauf! Ich habe Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Doch spätestens, als sie mir den Einkaufswagen in die Rippen stößt, und mir damit signalisiert, dass ich ihn gefälligst vor mir herschleifen soll, sind wir wieder gleich auf.

Ratternd bahne ich mir den Weg, immer meiner voller Tatendrang losstürmenden Mutter. Es dauert nicht lang, da hat sie eine Verkäuferin bei Fuß. Sie kümmert sich hingebungsvoll um sie, was bedeutet, ich darf mich am Einkaufswagen festhalten und einen guten Eindruck machen. Apropos guter Eindruck.

Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche. Mal schauen, ob mein Herzblatt schon wach ist. Zehn Uhr. Da dürfte er ausgeschlafen haben. 'Guten Morgen, mein Augenstern. Hast du schon ausgeschlafen?' Und senden. Wie gern würde ich Meilos Reaktion sehen, wenn er das Wort Augenstern liest!

Ich behalte mein Handy in der Hand (deswegen heißt es ja auch so, oder?), und warte gespannt auf eine Antwort. Und die kommt prompt. 'Habe ich, mein Zuckerstück. Hast du gut geschlafen?' Zuckerstück! Ha!

'Habe ich', schreibe ich zurück. 'Und geträumt habe ich auch gut. Sehr gut sogar, mein Hasenzahn.' Und ab geht die Nachricht.

"Niclas?"

"Ja?"

"Komm endlich! Zu den Außenpflanzen! Los!"

"Komme ja schon." Tzäh! Immer diese Zwischenrufe.

Ich zockle durch die Gänge des Gewächshauses, hinaus in den Außenbereich. Meine Mutter steht zusammen mit der Verkäuferin vor einem Verkaufstisch voll hoher Blumen. "Sind die nicht hübsch?!", ruft sie mir zu. "Ich liebe Rittersporn!"

"Wunderhübsch", murmle ich abwesend. Meilo hat weder gesimst. 'So? Gut geträumt hast du? Von was denn, mein Mausi?' Mausi? Was besseres fällt ihm nicht ein?

'Von dir, mein Schokokaramellbonbon. Wo von sonst?' Das ist ein einfallsreicher Kosename Meilo!

'Von mir? Was habe ich den mit dir gemacht, mein knattergeiles Honigmäulchen?'

"HA!", lache ich auf. Knattergeiles Honigmäulchen! Ich werde dumm angegafft. Von der Verkäuferin und meiner Mutter. "War so beeindruckt vom Rittersporn", sage ich achselzuckend und lege meine beste Unschuldsmiene auf.

"Wers glaubt", schnaubt meine Mutter und wendet sich wieder ihren Rittern zu.

Lächelnd tippe ich eilig meine Antwort auf Meilos SMS. Dabei passe ich auf, dass mir keiner bei über die Schulter schaut. Muss ja keiner wissen, was ich träume. 'Du standest nachts plötzlich in meinem Zimmer. Splitternackt. Dann bist du zu mir ins Bett gekrabbelt, hast dich auf mich gelegt und ...' Den Rest darf er sich selbst ausmalen. Das zum Thema versaute SMS'n. Ingo wäre stolz auf mich. Noch schnell ein 'Mein sexy Marzipanschweinchen', hinterhergeschickt. Fast vergessen.

"Niclas? Pack doch mal mit an, anstatt mit deinem Telefon zu spielen! Siehst du denn nicht, dass die arme Frau das nicht alleine schafft?"

"Hä?" Ich schaue auf. Wir stehen vor einer Reihe Paletten, die beladen mit vielen Erdensäcken sind. Wie sind wir denn hier hin gekommen?

"Niclas? Schläfst du immer noch?" Meine Mutter fuchtelt wild mit ihren Armen vor meinem Gesicht herum und schnippst dabei mit den Fingern. Wie lästig und unhöflich! Die Verkäuferin lacht sich derweil eins ins Fäustchen. Was für ein Tag!

Genervt lege ich das Handy in den Einkaufswagen und helfe der noch immer grinsenden Verkäuferin mit der Erde. Ganze drei Sack landen auf einen Schubkarren. Aber nicht die kleinen, handlichen. Nein! Die großen mit 70 Liter Inhalt dürfen wir herumwuchten. "Was willst du mit der ganzen Erde?", keuche ich, als wir den Letzten anheben.

"Die Beete auffüllen. Was den sonst? Ach! Und den Kübel am Eingang befüllen. Aber dafür brauche ich noch Pflanzen ... Nanu?" Meine Mutter guckt in den Einkaufswagen. "Niclas? Dein Telefon klingelt."

"Warte! Nicht dran ge...hen." Zu spät. Mama hat es sich gekrallt.

"Hallo?" Ich lasse den schweren Sack los, als wir ihn da haben, wo er hin soll, und laufe rüber zu meiner neugierigen Mutter, die sich mein Handy ans Ohr presst.

"Mama! Gibt her!" Ich will danach greifen, aber sie ist schneller.

"Hallo Meilo, mein Lieblingsschwiegersohn! Wie geht es dir?" WAS?! Lieblingsschwiegersohn? Mal abgesehen davon, dass sie gar keinen anderen hat, den sie so betiteln könnte, was quasselt die da für einen Unsinn? "Wie schön. Das freut mich zu hören." Ungeduldig trete ich von einem Fuß auf den anderen. Ich kann mir geradezu vorstellen, wie sich Meilo über mein Mütterchen amüsiert. Ich halt's nicht aus! Sie soll auflegen, oder noch besser, mir mein Handy zurückgeben! "Und wohin gehst du als nächstes? ... So weit? Dann kannst du uns ja vorerst nicht nochmal besuchen kommen." Das hätte ich ihr auch sagen können. Handy her! "Wirklich schade. Du musst unbedingt Nicole treffen", sagt sie zu Meilo und wirft mir dabei gemeine Blicke zu. Zieh ihn da nicht wieder mit rein! Das Thema ist tabu zwischen uns, und das ist auch gut so. "Das musst du mir nicht sagen", gackert sie. "In diesen Dingen ist er wie ein kleiner Junge!" Sie lacht laut auf.

"Geht's noch?", grante ich sie an. "Gib das Handy her!" Jetzt plaudern die auch noch über mich!

"Ach Niclas! Finger weg! ... Was hast du gesagt Schwiegersohn?" AHHHHH!!!
 

***
 

"Jetzt guck doch nicht so."

"Ich gucke, wie ich will."

Ein Seufzen. "Wir haben uns nur unterhalten."

"Ja, über mich!"

"Ja und? Du liegst uns beiden am Herzen."

"Davon habe ich aber nichts gemerkt", schnaufe ich. "Und dann legst du auch noch einfach auf, ohne, dass ich auch mal mit ihm reden kann!"

"Oh du Dramaqueen! Hör auf zu jammern und gib mir den großen Buchs."

"Was ist Buchs?"

Wieder seufzt sie. "Du bist mir ein schöner Schwuler. Kennst dich weder mit Blumen noch mit Mode aus! Meilo wüsste sicher, was ein Buchs ist", schnattert sie und greift sich einen Blumentopf, in dem eine große Grünpflanze in Form einer Kugel drinsteckt.

"Dann ruf Meilo an und lass dich von ihm in die Gärtnerei fahren. Und wenn ihr schon dabei seid, könnt ihr mein gesamtes Leben bequatschen und analysieren." Eingeschnappt verschränke ich die Arme vor der Brust. Wieso helfe ich ihr eigentlich noch beim Gärtnern, obwohl sie mir heute so sehr auf den Sack geht?

"Zick nicht und zieh den Topf vom Ballen." Auffordernd sieht sie mich an. Blitze schweben durch die Luft. Am Ende gewinnt sie und ich zerre den dreckigen Topf von dem Pflanzenballen. Mit gerümpfter Nase reibe ich mir den Dreck von der Hand und pople Erde unter einem Fingernagel hervor. So eine Sauerei! "Im Keller sind Handschuhe, Eure Hoheit."

"Mach mich nur weiter fertig." Ich mag eben keinen Dreck unter den Fingernägeln.

"Ach Niclas!" Der Buchs, oder wie das Ding nochmal heißt, landet in dem großen Kübel, vor dem meine Mutter steht. "Dann ruf ihn doch an, wenn du mit ihm reden willst."

"Geht nicht. Muss Erde aus meinen Fingernägeln kratzen." Demonstrativ reibe ich weiter an meinen Fingern herum. Plötzlich trifft mich was am linken Oberarm. "Ey!" Ein Klumpen Erde! Meine Mutter grinst und drückt die Pflanze fest. "Was sollte das?"

"Sei lieb, sonst hole ich den Wasserschlauch. Apropos ... Holst du ihn her? Der Buchs muss angegossen werden." Grummelnd tue ich ihr den Gefallen und schließe den Gartenschlauch an. Dann zerre ich ihn durch den halben Garten, bis ich damit vor meiner Mutter stehe. Ich kann nur schwer dem Drang widerstehen, ihr eine kalte Dusche zu spendieren. Aber so gemein bin ich dann doch nicht. "Ist der Wasserhahn aufgedreht?"

"Ja", antworte ich. "Soll ich?"

"Bitte." Zischend erwacht die Gartenbrause in meinen Händen zum Leben und überflutet den Topf. "Das genügt", meint meine Mutter nach kurzer Zeit. "Du entwickelst dich ja zu einem wahren Gartenexperten", lacht sie.

"Hm."

Mein Gebrumme bringt mein Mütterchen wieder dazu, mich mitleidig anzuseufzen. "Was ist denn los? So eine Schnute ziehst du doch nicht nur, weil du angesäuert über das Telefonat bist." Da ist sie wieder, meine Mutter, die die Probleme ihrer Kinder auf dreitausend Kilometer Entfernung wittern kann.

"Ich will zu ihm", platzt es aus mir raus, obwohl ich noch so gern ein wenig sauer auf sie sein möchte. "Und die wenige Zeit, die wir am Telefon haben, ist beinahe heilig für mich, verstehst du?" Sie legt den Kopf schief und mustert mich mitfühlend. "Es sind nicht mal drei Tage her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, aber es kommt mir vor wie drei Monate."

"Mein Armer Liebling", flüstert sie, streift sich die Gartenhandschuhe von den Händen und fällt mir um den Hals. Ich versteife mich erst, gebe dann jedoch nach und schmiege mich in ihre Arme. "Das wird besser. Versprochen."

"Und wann?", frage ich sie. "Das ist mir vorher noch nie passiert. Noch nie hatte ich eine solche Sehnsucht nach einem anderen Menschen."

"Das zeigt doch nur, wie sehr du ihn liebst. Genieße es."

"Würde ich ja! Wenn er bei mir wäre." Sie lacht leise und klopft mir auf den Rücken, ehe sie mich wieder loslässt. "Ich weiß nicht, was ich tun soll."

"Du tust das, was du tun musst", sagt sie. "Ihr werdet euch wiedersehen. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber vielleicht schon übermorgen. Und bis es so weit ist, telefoniert ihr eben, oder schreibt euch schmutzige SMS."

"Woher weißt du das mit den SMS?!", frage ich sie erschrocken.

"Ich bin nicht blöd Niclas. So, wie du beim Tippen gegrinst hast, wäre es auch schwer gewesen, es nicht zu wissen."

"Oh Mann!" Nicht zu fassen! Mütter!

Lachend zieht sie sich wieder die Handschuhe über. "Können wir jetzt weiter machen? Die Beete müssen noch aufgefüllt, und teilweise neu gepflanzt werden."

"Lass mich raten", ächze ich "Das bedeutet Erde schleppen, oder?"

"Haargenau!" Hätte ich mal lieber nicht gefragt!
 

***
 

Ich bin völlig erledigt und heil froh, dass ich am späten Nachmittag endlich auf der Couch hocken, und mich entspannen darf. Morgen habe ich unter Garantie Muskelkater. Mein Mütterchen hat mich ganz schön herumgescheucht.

"Oh mein ... Das gibt's doch nicht ..." Was'n jetzt los? Ich schiele rüber zu Nicole, die seit geraumer Zeit ruhig und brav neben mir auf der Couch sitzt, sich nun allerdings in Schnappatmung übt. "Scheiße ... Das kann doch nicht ... Scheiße!"

"So etwas sagt man nicht", rümpfe ich sie.

"Oh Gott!"

"Ist mal bald Ruhe? Ich will meine Soap sehen." Das ich so was mal sagen würde! Wie tief bin ich schon gesunken?

"Ich sterbe!"

"Geht das auch leiser?"

"AHHHH!!!" AHHHHHH! Mein Trommelfell platzt! Ich hab genau gehört, wie es explodiert ist! "AHHHH!!"

"RUHE VERDAMMT!", brülle ich und verpasse Nicole einen leichten Ellenbogenstupser. "Warum brüllst du hier herum wie eine Geisteskranke?"

"Er hat es an! Er hat es an!!! Ich fass es nicht!"

"Wer hat was an?" Und warum muss wieder mein Trommelfell darunter leiden?

"Na Keith! Er hat mein Armband an!"

"Ach so ..." Stimmt ja ... Da war ja was. "Auf einem Konzert?"

"Nein! Er hats getwittert! Hier!" Nicoles Herzschrittmach... Äh Handy schiebt sich zwischen den Fernseher und meinem Blickfeld. "Du musst den Kommentar lesen! Les schon!"

"Ja, ja", schnarre ich und nehme ihr das Handy ab. "Wenn du so zappelst, kann ich gar nichts lesen." Nicole bringt die Sprungfedern der Couch zum Quietschen. Das weckt Erinnerungen, sage ich euch. Welche, verrate ich nicht.* "Danke für das tolle Armband Nicole. Wie du siehst, es passt ;-)", steht dort. "Sehr hübsch. Ihm gefällt es offenbar."

"Gefallen?!", ruft sie. "Er hat es an!"

"Ja, ich habs mitbekommen." Wie auch nicht?

"Keith Kandyce hat etwas um sein Handgelenk gebunden, das ich ihm gemacht habe ... Oh Gott! Oh Gott, oh Gott, oh Gott ..." Wenn ich mich anstrenge, bringe ich Meilo auch dazu, so oft nach Gott zu rufen. "AHHH!"

"Scheiße, Nicole! Geh dich in deinem Zimmer freuen! Ich werd ja noch taub!"

"Kann nicht aufstehen", japst sie. "Ich glaub mir wird schlecht."

"Musst du kotzen?"

"Weiß nicht." Sie ist tatsächlich ganz blass. "Niclas? Mir ist so komisch ..." Ihre Augen verdrehen sich nach hinten und weg ist sie. Nicole kippt seitlich um und plumpst auf die Couch. Wenigstens hat sie sich nicht den Kopf am Tisch aufgeschlagen.

"Oh Mann", seufze ich und beuge mich zu ihr. "Nicole? Hey Nicole?" Total weggetreten die Gute. "Nicole?"

"Hm?" Ihre Augenlider beginnen zu flattern.

"Geht's wieder?"

"Was'n passiert?", fragt sie mich.

"Du hattest einen amtlichen Ohnmachtsanfall."

"Was? Wieso?"

"Weil du Keith ein Armbändchen gebastelt hast." Ihre Pupillen weiten sich. Sie will doch nicht wieder ohnmächtig werden? Will sie nicht. Ganz im Gegenteil.

Wie ein Flummi springt sie auf, verpasst mir dabei beinahe einen Kinnhaken, und saust aus dem Wohnzimmer. "Ich muss die Mädels anrufen!", brüllt sie noch, dann knallt ihre Zimmertür zu.

"Und ich rufe Meilo an", beschließe ich, schalte die Glotze aus, und tapse in mein Zimmerchen. "Das hält ja der stärkste Mann nicht aus."

In meinem bescheidenen Reich haue ich mich auf den knarrenden Bürostuhl und drücke mir das Handy ans Ohr. /Sweety!/, dröhnt es schon nach dem zweiten Tuten aus dem Hörer. Heute haben es offenbar alle auf mein Gehör abgesehen!

"Meilooo!", gebe ich retour, freue mich aber, weil sein Aufschrei bedeutet, dass er allein ist.

/Schön, dass du endlich anrufst./

"Ich hätte schon eher angerufen, aber meine Mutter hatte mich noch in Beschlag."

/Habs mitbekommen/, lacht er. /Ich habe mich gut mit ihr unterhalten./

"Und das habe ich mitbekommen. Aber Schwamm drüber", sage ich und habe den Vorfall weitgehendst verdaut. "Ich wollte dich nämlich was fragen."

/Was denn?/

Ich drehe mich mit dem Stuhl langsam im Kreis. "Bist du stolz auf dich?"

/Ähm ... was?"/

"Ob du stolz auf dich bist", wiederhole ich. Vor meinem geistigen Auge sehe ich richtig, wie er nachgrübelt.

/Ich verstehe nicht, auf was du genau aus willst. Habe ich was falsch gemacht?/ Jetzt trete ich mir selbst in den Hintern. Ich habe ihn verunsichert.

"Meine aufgelöste Schwester hat mir einen Tweet von dir gezeigt. Einen, in dem du ein Armband trägst."

/Ach so!/, pustet Meilo. /Hat sie sich gefreut?/

"Gefreut? Sie ist ohnmächtig auf der Couch zusammengeklappt." Stille. Bis auf das leise Atmen zumindest. "Meilo? Bist du jetzt auch ohnmächtig?"

/Nein!/, japst er. /Das tut mir leid. Das wollte ich nicht./

"Mach dir keinen Kopf", tröste ich ihn. "Überlas das mir." Ein Seufzen dient mir als Antwort. Ich weiß, was er damit andeuten möchte. Wenigstens sagt er es nicht und überlässt es mir, wann und wie ich Nicole darüber aufkläre, dass ich mit ihrem heißgeliebten Popsänger eine Beziehung führe.
 

Meilo und ich unterhalten uns noch eine Weile miteinander. Er erzählt mir, wie die letzten Tage so waren, was für Termine noch anstehen und so was alles. Ich höre zu, werfe immer mal wieder einen Kommentar dazwischen, bleibe aber ansonsten in meiner Zuhörerrolle. Das macht mir nichts aus, ich höre gerne Meilos Stimme, doch es fuchst mich, dass es von meiner Seite aus nichts Neues zu erzählen gibt. Ich bin immer noch arbeitslos, lebe bei Mami und verkomme langsam zu einer Couchpotato. Wenn sich nicht bald etwas an meinem Gammeldasein ändert, drehe ich noch durch! Der einzige Lichtblick in meinem Leben ist und bleibt Meilo. Wenn er nicht wäre, läge ich jetzt bestimmt aufgedunsen und perspektivlos auf der Couch und würde mir eine Soap nach der anderen reinziehen. Viel fehlt dazu nicht mehr.

Wir verabschieden uns nach einer guten Stunde voneinander. Nachdenklich bleibe ich vor meinem Schreibtisch sitzen. Ich habe keine Lust, meinen Laptop anzuschmeißen. Langsam frage ich mich, für was ich den ganzen Aufwand überhaupt noch betreibe. Keiner will mein Programm, beziehungsweise mein Know-how. Manchmal glaube ich, als kleiner Programmierer hat man kaum eine Chance. Ständig habe ich das Gefühl, deswegen von jedem belächelt zu werden. Besonders, wenn man keine abgeschlossene Berufsausbildung in der IT-Technik, oder gar Informatik Studiert hat, sondern sich alles selbst, mithilfe von Büchern, beigebracht hat. Mit einer Ausbildung als Einzelhandelskaufmann kann man da kaum punkten. Ich hab's manchmal so satt!
 

Angepisst und eine Spur traurig laufe ich rüber in die Küche. Heute ist einer dieser Tage, an denen man eine gute Tasse Tee gebrauchen kann. Ich stelle Wasser auf, nehme mir eine Tasse und krame in der Holzkiste herum, in der meine Mutter alle mögliche Teesorten aufbewahrt. Ein Früchtetee wird der Sieger des heutigen Tages. Der Beutel wandert umgehend in die Tasse. Bis das Wasser kocht, lehne ich mich gegen die Arbeitsplatte. Ich bin im Nachdenklichkeitsmodus.

Es wird echt Zeit, dass ich wieder Geld verdiene. Da sich die Firma, bei denen ich ein Vorstellungsgespräch als Gabelstaplerfahrer hatte, noch nicht gemeldet hat, sollte ich eventuell bei alten Bekannten anfragen. Es gibt ein paar Leute, für die ich schon früher einmal gejobbt habe. Ob ich sie mal anrufen soll? "Niclas?"

"Hm?" Meine Schwester schlurft heran und wedelt mit dem Telefonhörer.

"Telefon." Ach nee!

Ich nehme es ihr ab und warte, bis sie sich wieder vom Acker gemacht hat. "Ja?"

/Hey Nicilein./ Och nöö! Bitte nicht Klaus-Peter!

/Wie stehts?/

"Geht so", brumme ich.

/Hab schon davon gehört./

"Von was?", frage ich Klaus-Peter, einen alten Bekannten von mir. Wie der Zufall es so will, ist er genau einer der Bekannten, für den ich früher mal gearbeitet habe. Ich bin für ihn Prospekte austragen gegangen. Damals noch für sein Fitnessstudio, das inzwischen wieder geschlossen hat. Lief wohl nicht so gut.

/Von deiner Lage. Du suchst einen Job?/

"Tue ich." Hinter mir brodelt es. Ich ziehe den Topf von der Herdplatte und stelle sie aus. "Hast du was für mich?" Fragen kostet nichts, und da er mich angerufen hat, nehme ich mal stark an, dass er das hat.

/Könnte man so sagen/, sagt er mit einem freudigen Unterton in seiner leicht tuckigen Stimme.

"Schieß los", bitte ich ihn gespannt. Auch wenn Klaus-Peter, oder wie wir ihn alle nennen, KP, was zu dem lustigen Spitznamen Kanapee geführt hat, mir nicht allzu sympathisch ist, zahlt er immer gut.

/Ich habe Anfang des Jahres einen kleinen Weinkeller im Viertel aufgemacht/, beginnt er. Im Viertel bedeutet, in dem Stadtteil, in dem die Schwulen- und Lesben-Szene beheimatet ist. /Ich suche immer Aushilfen, die Weinverkostungen machen, oder im Laden für Ordnung sorgen. Regale auffüllen, kehren und sowas./

"Ich kenne mich aber nicht aus mit Weinen", gebe ich zu bedenken. "Weinverkostung hört sich gut an, aber für mich schmecken die, mehr oder weniger, alle gleich." KP lacht. Ich hätte lieber gelogen, aber ich will meinen neuen Job nicht gleich wieder verlieren, wenn ich ihn überhaupt bekomme.

/Das spielt keine Rolle/, meint KP. /Du wärst hauptsächlich dafür zuständig, die Weine zu öffnen, Tische abzuräumen und danach alles wieder herzurichten./

"Eine Wein-Putze also?"

KP lacht auf. /Genau! Ich brauche dich als Weinputze./

"Hört sich gut an." Nicht wirklich, aber ich bin nicht wählerisch. "Wann soll ich vorbeikommen?"
 

***
 

Am nächsten Tag ist es dann soweit. Ich stehe im besagten Weinkeller und schaue mich zusammen mit KP um. "Wirklich schön", staune ich. "Wie bist du hier dran gekommen?"

"Durch meinen Opa. Ihm gehörte das Gewölbe."

"Hier? Im Viertel?"

"Früher war es noch nicht das 'Viertel'", klärt mich KP auf. "Mein Opa lebte lange in einem Altenheim. Ich wusste auch nicht, dass er hier ein Haus besaß. Als er vor einem halben Jahr gestorben ist, hat er es mir vermacht."

"Wahnsinn." Mit der Hand fahre ich über die raue Wand aus grob geschlagenen Sandstein. Das hier verdient tatsächlich den Namen Weinkeller. "Wie viele Weine hast du hier?"

"Hier sind nicht viele. So ungefähr zweihundert Stück."

"Nicht viele?!"

"Hinten geht es weiter. Dort lagern meine größten Schätze." Wow! Ich wusste gar nicht, dass KP so ein Weinkenner ist.

"Das muss ein Vermögen gekostet haben", überlege ich laut.

"Mein Opa hat mir nicht nur das Haus vermacht", deutet KP an und grinst.

"Du Glückspilz! Hast du noch einen Opa? Vielleicht einen, der noch einen Enkel haben möchte?"

"Nein, leider nicht", lacht KP. "Aber ich lasse dich gern an meinem Glück teilhaben. Fünfzehn Euro die Stunde. Wie wäre es?"

"Fünfzehn?!" Da sage ich doch nicht nein!

"Du kannst gleich anfangen, wenn du magst. Jean, mein Somalier, ist vorn und kümmert sich um die neu angelieferten Weine. Mach dich doch mit ihm bekannt und greife ihm unter die Arme."

"Klar. Gerne." Ich schüttle Klaus-Peter die Hand, bedanke mich für sein Jobangebot und laufe vor in das Weingeschäft.

Neben den Weinverkostungen, die KP im Sandsteingewölbe anbietet, hat er vorn im unteren Teil des einstmaligen Wohnhauses einen Laden eröffnet. Außer Wein bietet er auch Lebensmittel aus Frankreich und Italien an. Mir läuft allein vom Hinschauen das Wasser im Mund zusammen, und je länger ich hier bin, desto sicherer werde ich mir, dass KPs Geschäftsidee dieses mal womöglich nicht wieder den Bach runterlaufen wird. Ein Weingeschäft für ausländische Leckereien im Viertel. Wenn das mal kein brummendes Geschäft wird!

"Morgen", begrüße ich Jean, Klaus-Peters Somalier.

"Einen wunderschönen guten Morgen." Ui, ist der höflich. Und das sogar mit französisches Akzent. Ollala.

"Ich bin Niclas. Klaus-Peter hat mich zu dir geschickt. Ich helfe ab heute hier aus.

"Ahh! Niclas!" Verdutzt reiße ich die Augen auf, als Jean mit ausgebreiteten Armen auf mich zukommt, mich umarmt und mir fest auf die Schulter klopft. "Klaus-Peter hat mir schon von dir erzählt."

"Hat er das?"

"Oui."

"Hoffentlich nur Gutes", lächle ich verlegen. Ich kann mir nicht helfen, aber Typen mit einem französischen Dialekt bringen mich leicht durcheinander.

"Natürlich!", trällert er, wobei er das Ü stark betont. "Er hat mir viel von deinen Qualitäten berichtet."

"Wie lieb von ihm." Mehr oder weniger ... "Soll ich hier weiter auspacken helfen?" Ich gehe zwei Schritte zurück und deute auf eine halb gefüllte Weinkiste. Bloß nicht zu nahe an diesen überschwänglichen und überfreundlichen Franzosen ran! Glaubt aber bitte nicht, ich würde bei ihm schwach werden. Woher denn? Ich hab Meilo, aber dieser französischer Akzent ... Heute Abend frage ich Meilo, ob er Französisch kann.
 

Bis zum frühen Nachmittag war ich mit Jean zusammen im Laden beschäftigt. Ich half ihm die Weine ausräumen, sie auf der Lieferliste abzuhaken, die Regal wieder auf Vordermann zu bringen, und habe zum Schluss noch den Laden komplett durchgefegt, sowie kleine Gestecke abgeholt, die den Weinkeller schmücken sollen. Um kurz nach zwei schickte mich KP, der äußerst zufrieden mit meiner Arbeit war, nach Hause. Ich bin wieder um 75 Euros reicher und mir hat die Arbeit richtig Spaß gemacht. Ich bin keine faule Couchpotato mehr!

Montag soll ich wieder vorbei kommen, diesmal Nachmittags. Dann gibt es dort die angekündigten Verkostungen, und ich werde einen weiteren Teil der Truppe kennenlernen. Ich fühle mich richtig gut!

Zuhause kicke ich mir die Schuhe von den Füßen und laufe gute gelaunt mit einem kleinen Liedchen auf den Lippen an der Küche vorbei. "Niclas?"

"Hallo Muttilein."

Sie legt die Stirn kraus. "Muttilein?", fragt sie. "Dann darf ich annehmen, du hast den Job?"

"Habe ich", gebe ich stolz von mir. "Ab heute helfe ich in Klaus-Peters Weinkeller aus."

"Super!"

"Hab sogar schon Geld verdient heute."

"Fein. Dann kannst du mir ja wieder das Geld für den Sprit neulich zurückgeben." Meine Mutter. Wacht wie eine Füchsin über die Haushaltskasse. Mein schöner, soeben verdienter Fünfziger wechselt in ihren Besitz über. "Danke."

"Bitte." Ich starre auf die restlichen Fünfundzwanzig. "Hier. Nimm die auch noch."

"Wieso?"

"Ihr füttert mich schon eine ganze Weile mit durch. Nimm sie."

"Ach was! Behalte die paar Kröten." Die paar Kröten? Früher hat sie mich immer zusammengefaltet, wenn ich mal einen Groschen in den Kaugummiautomaten geschmissen habe. "So eine Geldverschwendung! Ein Groschen ist viel Geld!", sagte sie mir dann stets. Und um noch eins obendrauf zu setzen: "Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert." Ich frage mich heute noch, in welcher grauen Vorzeit es bei uns Taler gab. War meine Mutter da überhaupt schon geboren?

"Nimm sie", sage ich ihr und lege die fünfundzwanzig Euro einfach auf den Küchentisch. "Ab jetzt mache ich keine Schulden mehr bei euch."

"Ich erinnere dich dran", kichert sie.

"Tu das." Ich zwinkere ihr zu und laufe rüber in mein Zimmer. Jetzt ist ausspannen angesagt! Arbeiten kann anstrengend sein.
 

Am Abend, ich habe doch tatsächlich den ganzen Nachmittag gepennt, fläze ich mich faul im Bett herum. Bei leiser Musik dämmere ich so dahin, denke an nichts Böses und schmiede Pläne für den kommenden Tag. Für morgen Früh habe ich mir vorgenommen, endlich mal wieder joggen zu gehen. Seit Meilos ersten Besuch bei mir, wo ich mir ja fest vorgenommen habe, wieder etwas mehr auf meine Fitness zu achten, bin ich seitdem allerdings nur einmal losgezogen. Schämen sollte ich mich!

Es klingelt an der Tür. Ich lausche. Hektische Schritte. Eindeutig die meiner Mutter. Gut, dann muss ich nicht aufstehen. Gähnend drehe ich mich auf die andere Seite. Faulenzen macht müde. Ich bin kurz davor, wieder einzupennen, als mich ein Klopfen aufschrecken lässt. "Niclas? Du hast Besuch." Besuch? Mein Herz schlägt schneller. Es wird doch nicht ...?

"Ey." Ed! Kein Meilo, der mir einen Überraschungsbesuch abstattet. Wie auch? Er steckt bis zur Nasenspitze in Arbeit.

"Ey Ed", begrüße ich meinen Lieblingsschrauber. Ihn habe ich ja völlig vergessen! Vier Tage ist es nun her, dass ich wieder von meinem letzten Besuch bei Meilo zurück bin. Seitdem haben wir uns nicht mehr gesehen. "Komm rein." Ich schäle mich aus der Bettdecke und setze mich im Schneidersitz drauf. Ich ahne, weshalb er hier ist. "Wo hast du Ingo gelassen?"

"Der ist zu hause", murmelt er und parkt auf meinem Schreibtischstuhl. "Ich dachte, es wäre blöd, wenn ich ihn mitnehmen würde."

"Vielleicht", antworte ich. "Du bist gekommen, um mit mir über dieses Foto in der Zeitung zu reden?" Er nickt. "Verstehe." Ich sag's ja. Ich habe es geahnt.

"Dieser Keith sieht deinem Meilo ganz schön ähnlich, nicht?"

"Sieht er", gebe ich zu.

"Ich nehme nicht an, dass die anderen es wissen?"

"Tun sie nicht. Bis auf meine Eltern." Ed nickt wissend.

"Und ich soll's für mich behalten", schlussfolgert er in seiner typischen Art.

"Das wäre echt lieb von dir. Meilo bekommt sonst Probleme."

"Verstehe." Tut er das? "Dann ist ja alles geklärt." Ed richtet sich auf.

"Äh … Warte mal!", halte ich ihn auf. "Du willst gehen?"

"Ja."

"Bleib doch noch."

"Willst du nicht pennen?"

"Iwo! Ich war nur am Dösen."

"Ach so." Und schon sitzt er wieder. Es erstaunt mich immer wieder, wie seltsam Ed manchmal sein kann.

"Hast du denn keine Fragen?"

"Über was?" Ist das zu fassen?!

"Über Meilo?"

"Hn ... Eigentlich nicht." Nein, es ist nicht zu fassen. Dieser Kerl ist echt einzigartig.

"Ich bin mit einem Popsänger zusammen, und du hast keine Fragen?" Kopfschütteln. "Ed? Du bist unglaublich!"

Er runzelt die Stirn. "Ist das gut?"

Ich fange an zu lachen. Wirklich jetzt! Er ist unfassbar! "Ja, das ist gut, du verschrobener Mechaniker." Seine linke Augenbraue wandert nach oben, aber er sagt nichts. "Wenn du schon keine Fragen hast, kann ich dich etwas fragen?"

"Klar."

"Was würdest du an meiner Stelle tun?"

"Wegen was?" Muss ich das noch erklären? Muss ich, denn ich rede hier schließlich mit Ed.

Deswegen fange ich ganz von vorn an. "Als ich Meilo begegnet bin, wusste ich noch nichts von seinem, nun ja ... Beruf. Selbst auf den ganzen Postern in Nicoles Zimmern habe ich ihn nicht erkannt."

"Nicht? Für mich war das ganz eindeutig dein Freund." Ed guckt mich verwundert an.

"Ich hab's eben nicht gesehen, okay?" Verteidige ich mich gerade? Ja, tue ich. "Für mich war das ein riesiger Schock!"

"Wie hast du es herausgefunden?"

"Ich hab Nicole zusammen mit ihren Freundinnen auf eins seiner Konzerte begleitet. Sie durfte alleine nicht dort hin, also bin ich mit."

"Wie nett von dir." Nicht wahr? "Und da hast du ihn erkannt?"

Ich lächle schmal. "Ja. An seiner Stimme. Ich konnte es nicht glauben, deshalb habe ich mich bis ganz nach vorn durchgekämpft, da hat er mich ebenfalls gesehen und ..." Soll ich es wirklich sagen? "Er hat ein Liebeslied gesungen, dass er für mich geschrieben hat", flüstere ich.

"Echt?" Ed grinst. "Wie niedlich."

"Niedlich?" Hat er eben wirklich das Wort niedlich in den Mund genommen?

"Ja. Ist es doch, oder nicht?"

"Na ja, irgendwie schon." Kitschig träfe es besser, aber meine ganzen Gefühle ihm gegenüber sind total kitschig. Kitschig und unbeschreiblich toll!

"Was hast du dann gemacht?"

"Ich bin raus. Ich konnte ihm nicht weiter zuhören. Nach dem Konzert, ich musste ja noch auf meine Schwester und ihre Freundinnen warten, kam dann plötzlich so ein bulliger Sicherheitsmann auf mich zu, und meinte, ich solle ihm folgen. Er brachte mich in Meilos Garderobe. Erst war ich sauer, aber dann verabredeten wir uns in seinem Hotel und am nächsten Morgen waren wir ein Paar." Zubdiwubb! So einfach war das alles.

"Hört sich gut an." Und die Erinnerung daran ist sogar noch besser. Bis auf die Panik, die ich verspürte, als ich herausfand, dass mein geliebter Meilo ein Doppelleben mit Schminke und einer Horde Teeniefans führt. "Und was soll ich dir jetzt raten?"

"Wie sage ich es meiner Schwester?", antworte ich ohne Luft zu holen. "Wie sage ich es ihr, ohne dass sie mich umbringt?"

Ed zuckt mit den Schultern. "Sag es ihr und gut ist. Was will sie schon tun?" Mir würden da viele schlimme Dinge einfallen. Mich mit einem Schuh zu erschlagen ist noch das Harmloseste.

"Ich weiß nicht wie."

"Es gäbe da eine Möglichkeit, es ihr zu sagen, ohne es ihr zu sagen." Uhuh! Eds Spezialgebiet.

"Und welche?", frage ich hoffnungsvoll.

"Setz ihr Meilo vor die Nase."

"Das geht nicht!"

"Und warum?"

Ich muss an den Vorfall von gestern denken. "Sie würde einen Herzinfarkt bekommen!"

"Dann musst du es ihr schonend beibringen." Ich lasse den Kopf hängen. "Lass es auf dich zukommen. Irgendwann erfährt sie es." Toller Ratschlag! Aber er hört sich verlockend an.

"Mal sehen", murmle ich. Vielleicht hat er ja recht. Irgendwann wird sie es erfahren. Und dann wird sie mich umbringen, meine Leiche im Wald verbuddeln und sich an Meilo ranmachen.
 

***
 

Montag.

Mein erster offizieller Arbeitstag. Ich freue mich schon richtig drauf!

Von KP habe ich Kleidung spendiert bekommen, die ich tragen soll. Eine schwarze Stoffhose, schicke Schuhe, ein weißes Hemd mit (würg) Fliege und einer weinroten Kellnerschürze. "Siehst du toll aus!", staunt meine Mutter. Sie steht hinter mir und begutachtet mich im Spiegel. "Wenn die Schütze nicht wäre, könntest du glatt heiraten!"

"Mama." Ich verdrehe die Augen.

"Was denn? Stimmt doch." Sie verpasst mir einen Schmatzer auf die Wange und zu allem Überfluss auch noch einen Schlag auf den Hintern. "Den festen Poppes hast du eindeutig von deinem Vater. Meiner ist nicht so knackig."

"Mama!" Sie kichert und verzieht sich aus meinem Zimmer. "Dann mal los!", mache ich mir selbst Mut, stecke mir mein Handy ein, grapsche mir den Autoschlüssel und mache mich auf den Weg.

Am Weinkeller angekommen, parke ich in einer Seitenstraße, direkt daneben, und nehme den Seiteneingang. Durch einen niedrigen Kellergang geht es direkt in einen kleinen Raum, der als Lager dient und von dort aus in den abgetrennten Mitarbeiterbereich hinter dem Laden. Dort finde ich auch Jean, der sich mit einem anderen Mann unterhält. Auf französisch. Sofort werde ich schwach, aber nicht schon wieder wegen der Sprache. Jedenfalls nicht direkt. Gestern habe ich nämlich erfahren, dass mein Schatz ebenfalls Französisch spricht. Und das sogar sehr gut. Ich werde ganz kribbelig, wenn ich auch nur daran denke. Dagegen hört sich Jeans Gerede an wie Gossensprache!

"Hallo", melde ich mich zu Wort, damit sie mich bemerken.

"Oh! Hallo Niclas." Wieder zieht mich Jean an seine Brust. Ebenso sein Gesprächspartner. Sind Franzosen alle so … kontaktfreudig?! "Das hier ist Alain."

"Freut mich dich kennenzulernen, Alain. Ich bin Niclas."

"Danke", antwortet er mir in einem eher schlechten Deutsch.

"Alain ist hier, um mit mir zusammen die Verköstigung zu machen." Das schindet Eindruck. Zwei Franzosen bei einer Weinverkostung. Meine Herrn. KP lässt sich nicht lumpen.

"Wie schön", lächle ich. "Und was soll ich dabei tun?"

Jean zeigt mir, was ich zu tun habe, wenn die Gäste hier sind. Im Prinzip muss ich nur dahinter sein, dass die 'Spuckeimer' zügig gewechselt werden, immer der richtige Wein an die Tischen gebracht wird und sonst keine Katastrophen passieren. Alles kein Problem, bis auf die Spuckeimer. Wägs!

Ich helfe bei den Vorbereitungen, weil ich etwas zu früh dran bin. Stelle Tische um, zünde Kerzen an, achte darauf, dass die Musik nicht zu laut spielt. Dann rücke ich die Flaschen alle nochmal zurecht, damit auch ja die Etiketten gut zu lesen sind. Perfekt!

"Niclas?"

"Ja?" Ich drehe mich zu Jean um.

"Ich möchte dir einen weiteren Kollegen vorstellen."

"Oh. Fein!" Ich wische mir die Hände trocken und laufe hinter Jean her, der mich in den Laden führt.

"Das ist Clemens. Er wird dich heute Abend unterstützen." Er zeigt auf einen jungen, großen Mann, der mit dem Rücken zu mir steht, und eins der Regale mit Nudeln auffüllt.

"Hallo Clemens. Schön dich kennenzuler...nen." Mir gefriert das Lächeln auf den Lippen, und die Hand, die ich soeben ausstrecken wollte, um meinen neuen Kollegen zu begrüßen, hängt erstarrt auf halben Weg in der Luft. "Du?!", japse ich und starre in ein Gesicht, dass ich noch sehr gut in Erinnerung habe. Das ist Kilians Neuer!

"Hallo", fiepst er und sieht mich ebenso überrascht an, wie ich sicher ihn anglotze. "Was für ein Zufall." Er lacht gekünstelt und hebt mir seine Hand entgegen. "Trotz allem auf gute Zusammenarbeit." Soll das ein schlechter Scherz sein?

"Das wird sich zeigen", knurre ich und drehe mich um. Den da gebe ich unter keinen Umständen die Hand!

Wo habe ich vorhin nochmal die Spuckeimer hingestellt? Ich könnte jetzt echt einen gebrauchen. Doch davor noch ein paar Flaschen Wein. Gaaanz viele Flaschen Wein!
 

******
 


 

*Fara: Wohl als kleiner Junge Trampolin auf der Couch gesprungen, wa Nic?

Nic: Logisch! Was auch sonst ;-)



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (9)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Usaria
2016-09-13T18:19:59+00:00 13.09.2016 20:19
Hallo Fara,

Bei der Szene mit den Kosenammen musste ich schmunzeln, hätte ich meine Ohren nicht dazwischen gehabt, hätte ich rund rum geschmunzelt. Ja, Ja, die Welt kann ein Dorf sein! Außgerechnet mit dem Neuen von seinem Ex. Muss er zusammenarbeiten. HM! Wenn der dann auch noch von diesem K. abgeholt wird..... hmmm mir schwirrd da schon so ne kleine fiese Szene durch den Kopf! Schelmisches Grinsen!

Ach ja jetzt weiß ich wie Niclas aussieht. Als ich vor ein paar Tagen Abends im Bus saß, ist ein junger Mann (anfang/mitte 20) ein gestiegen. Ich saß schon drin. Ich guck da so vor mich hin, und aufeinmal flüstert meine Innere Stimme mir zu: "Der sieht an Niclas ähnlich!" Äh! Moment.
O.K. Er war groß mdstens 1,85cm. O.k. das ist Niclas auch
Er hat lange Haare. O.k auch dass!
Er war jetzt nicht sonderlich durch trainiert, aber hatte eine gute Figur! *Zähne knirrsch!* Auch das Stimmt.
Nur mit der Augenfarbe bin ich mir jetzt nicht ganz sicher. Dieser Typ hatte eisblaue Augen! Uhiiii! und hellbraune Haare.

O.k. liebes inneres Stimmchen ich stimme dir zu (fast)!
Als ich ausgestiegen bin musste ich den Kopf über mich selbst schütteln.
>>Ich glaube ich lese eindeutig zu viele FF´s!<<

Trotzdem bleibe ich an deiner Geschichte dran!
Antwort von:  Fara_ThoRn
14.09.2016 21:49
Hey Usaria ^^

die beiden können so herrlich doof zusammen sein xDDDDD Doof und schnuffig *grins*

Ja, muss er. *lach* und natürlich wird Kilian davon bald Wind bekommen. Dann wird’s interessant. Aber sehr wahrscheinlich ganz anders, als ihr alle denkt *ggggg*

Du hast also Nic gesehen? Cool xD
Er hat zwar keine lagen Haare, aber wenn du ihn dir so vorstellst, hast du meinen Segen *gggg* Ich stell mir die Charas auch meist ganz anders vor, als sie beschrieben werden ^^
Eisblaue Augen sind auch nicht schlecht. Mir stand mal ein Mann gegenüber, der hatte wahnsinnige blaue Augen. Die waren richtig hellblau. Nur vom Alter her hat es nicht so ganz gepasst. Der werte Herr war schon gänzlich ergraut, aber dennoch war ich kurz sprachlos.

Zur besseren Veranschaulichung habe ich mal ein Bildchen der beiden hochgeladen *gg*
Von:  jako83
2016-09-12T18:30:32+00:00 12.09.2016 20:30
musste an paar stellen so richtig lachen...wenn ich mich anstrenge... die kosenamen... bravo
einfach toll!!!
Antwort von:  Fara_ThoRn
14.09.2016 21:44
Danke ^^
Als ich die mir ausgedacht hab, musste ich auch grinsen xD
Antwort von:  jako83
14.09.2016 22:05
freue mich auf den nächsten Kape
Von:  chaos-kao
2016-09-12T12:49:53+00:00 12.09.2016 14:49
Vielleicht sollte er seiner Schwester eine Mail mit einem Beweisfoto schicken. Dann kann er sich währenddessen in seinem Zimmer verbarrikadieren oder in eine andere Stadt flüchten :D
Antwort von:  Fara_ThoRn
14.09.2016 21:43
Das wäre mal eine Idee! Nic schickt Nicole ein Bild, wo er den geschminkten Meilo abknutscht und als Text drunter: Sorry kleine Schwester. Der Mann gehört jetzt nur mir! XDDDDDD
Natürlich darf er nicht erwähnen, wo er sich gerade mit Meilo aufhält ;D
Von:  Remi-cookie
2016-09-12T11:44:26+00:00 12.09.2016 13:44
Wer ist Clemens? O.o Habe ich was überlesen? Oder ist er jemand aus nicis Vergangenheit ?
Apropos tolle Geschichte
Bussi
Remi
Antwort von:  chaos-kao
12.09.2016 14:50
Clemens ist der Kerl, für den Nic von seinem Ex sitzen gelassen wurde ^^ Der taucht in dem Kapitel im Kaufhaus auf, in dem sie es in der Umkleide treiben.
Antwort von:  Remi-cookie
12.09.2016 17:27
Aber doch nicht nici und clemclem O.o brrr
Antwort von:  chaos-kao
12.09.2016 17:51
Nein, Meilo und Nic natürlich. Dachte das wäre klar :D
Antwort von:  Remi-cookie
12.09.2016 18:08
Asuu ich freu mich schon drauf
Antwort von:  Fara_ThoRn
14.09.2016 21:41
Öhm ja. Genau. Clemens ist der Neue Kerl an Kilians Seite. ^^
Aber Niclas wurde nicht wegen ihm von Kilian sitzen gelassen. Wie genau die beiden zusammen gekommen sind, wird noch zum Thema werden ;-)


Zurück