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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Warnung: Gespräche über Suizid und Suizidgedanken.

Desweiteren:
Hawkes Mi vino es su vino ist eine Variation des spanischen Sprichwortes Mi casa es su casa ("Mein Haus ist dein Haus" oder im übertragenen Sinne: "Fühl dich wie daheim"). Vino ist dabei das spanische Wort für Wein.
Mein Headcanon ist, dass Antivanisch unserem Spanisch gleicht, weil der Akzent sowohl bei Zevran als auch bei Josephine für mich sehr nach Spanisch klingt, weshalb ich diese Sprache als Grundlage genommen habe. :) Komplett anzeigen

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Varric

„Die Inquisitorin ist auf dem Weg“, sagte Loghain.

Er hob den Arm und der Rabe, der sich darauf ausgeruht hatte, nachdem er seine Botschaft überbracht hatte, schwang sich wieder in die Luft, und war wenig später mit der Nacht verschmolzen.

„Wenn sie mit kleinem Gefolge reist, sollte sie in spätestens zehn Tagen hier sein“, meinte Hawke, die am Lagerfeuer saß, und stocherte mit ihrem Schwert in den glühenden Holzscheiten herum, um das Feuer wieder in Gang zu bringen.

„Ich hoffe, sie bringt den Qunari mit“, sagte Varric. „Ich bin mir sicher, er wäre nur zu glücklich, sich um die hiesige Drachenpopulation zu kümmern.“

Er schauderte, als er an den gigantischen Schatten dachte, der in den letzten Tagen mehrmals über ihr Versteck hinweggeglitten war, und an das Rauschen ledriger Schwingen, das ihn mittlerweile überall hin zu verfolgen schien.

„Aww“, machte Hawke, die seine Unruhe bemerkte. „So schlimm?“

Sie nahm einen Schluck aus der Weinflasche, die sie am Vormittag unter den sandbedeckten Überresten einer Karawane gefunden hatte, und rückte ein Stück näher, um beruhigend sein Knie zu tätscheln.

„Keine Sorge, Varric. Sollte uns der Drache angreifen, werde ich dich beschützen. Versprochen.“

Varric schüttelte nur amüsiert den Kopf und selbst Loghain gab im Hintergrund ein Geräusch von sich, das ein Schnauben oder ein unterdrücktes Lachen sein konnte, Varric war sich nicht ganz sicher.

„Du wärst definitiv wahnsinnig genug, es zu versuchen, Hawke“, entgegnete er und legte seine Hand auf ihre Finger.

„Pff.“ Sie verschränkte ihre Finger mit den seinen. „Es wäre nicht mein erster Drache, wie du weißt. Wie schlimm kann es also werden?“

Wie schlimm kann es werden?“, wiederholte Varric ungläubig. „Der Drache in Kirkwall war im Gegensatz zum hiesigen Exemplar ein Jungtier, Hawke, und selbst er hat dich damals schon in arge Bedrängnis gebracht.“ Er runzelte die Stirn. „Wie ihr ihn besiegt habt, ist mir ehrlich gesagt bis heute ein Rätsel...“

„Frag Fenris. Er kann erstaunliche Dinge mit seinem Körper tun“, erwiderte Hawke, als würde das alles erklären.

– Und auf gewisse Weise tat es das auch, und Varric war klug genug, nicht weiter nachzufragen. Hawke hätte zweifellos ihre Freude daran gehabt, ihm in aller Ausführlichkeit zu erzählen, wo der Elf beim Kampf gegen den Drachen überall seine Hände hineinversenkt hatte.

Dann fügte Hawke ein wenig vorwurfsvoll hinzu: „Aber es wäre zweifellos einfacher gewesen, hättest du uns damals begleitet.“

„Sehe ich so aus, als hätte ich einen Todeswunsch?“

„Sagt der Mann, der mal behauptet hat, es wäre Liebe auf den ersten Blick gewesen“, schniefte Hawke.

„Mein Herz mag dir gehören, Hawke, aber nicht mein Selbsterhaltungstrieb“, stellte Varric klar.

„Und doch bist du hier“, entgegnete sie. Sie sah ihn nicht an, doch um ihre Lippen spielte ein Lächeln, und Varric seufzte ergeben.

Ertappt.

Loghain war während des gesamten Wortwechsels näher an das Feuer herangetreten und hatte ihr Gespräch mit einem amüsierten Funkeln in den Augen verfolgt. Doch als sich nun Schweigen über sie senkte, wandte er sich wieder ab.

Varric war nicht überrascht. Während ihrer gemeinsamen Reise war der andere Mann lieber für sich geblieben und hatte nur dann die Stimme erhoben, wenn sie sich über ihr weiteres Vorgehen einig werden mussten. Nach der langen Zeit der Flucht vor den Grauen Wächtern schien er die Gesellschaft nicht mehr gewohnt zu sein und zog sich häufig sofort zurück, nachdem sie ihr Lager aufgeschlagen hatten.

Zu Varrics Verwunderung ergriff Hawke jedoch in diesem Moment das Wort.

„Bleibt doch“, sagte sie leise. „Hier am Feuer ist es wärmer... und außer Warten gibt es für uns eh nicht viel zu tun.“

Loghain erstarrte, und für einen kurzen Augenblick sah Varric Überraschung auf seinem Gesicht, bevor sich seine Züge wieder glätteten. Dann wandte er sich ihnen zu.

„Wie Ihr wünscht“, entgegnete er ruhig und ließ sich ihnen gegenüber am Feuer nieder.

„Fantastisch.“ Hawke hob ihre Flasche und prostete ihm zu. Dann trank sie einen Schluck daraus und hielt sie ihm anschließend hin.

Loghain zögerte einen Moment, bevor er nach der Flasche griff und ebenfalls daraus trank.

„... danke“, sagte er.

Hawke zuckte nur mit den Schultern.

Mi vino es su vino“, meinte sie großzügig. „Altes antivanisches Sprichwort.“

Loghain gab keine Antwort, doch sein Mundwinkel hob sich belustigt bei diesen Worten. Dann nahm er erneut einen Schluck, bevor er Hawke den Wein zurückgab.

Varric sah sie an. „Hat Isabela dir das beigebracht?“

„Nein.“ Hawke schüttelte den Kopf. „Diese Weisheit habe ich Josi zu verdanken.“

Josephine?

„Nach zwei Flaschen Wein wird sie ziemlich redselig“, erwiderte Hawke mit verträumter Miene. „Und oh, Varric, die erotischen Gedichte, die sie dann zum Besten gibt...! Ich muss dir bei Gelegenheit ein paar davon vortragen.“

Denn natürlich hatte sie es geschafft, die Fassade der reservierten, jungen Diplomatin während ihrer kurzen Zeit auf der Himmelsfeste zu durchdringen. Natürlich. Sie war Hawke.

Varric starrte sie an.

Dann seufzte er.

„Weißt du, Hawke, eines Tages“, sagte er, „eines fernen Tages...“

„Ja?“

„... wirst du mal etwas sagen, was mich nicht mehr überraschen kann.“

Sie lachte nur.

Erneut machte sich Stille breit, doch dieses Mal war es Loghains Stimme, die sie wenig später durchbrach.

„Ihr erstaunt mich“, sagte er leise und ließ den Blick über die karge, von tiefen Schluchten durchzogene Landschaft schweifen, die sich unter dem Felsvorsprung, unter dem sie ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten, ausbreitete.

An manchen Orten konnte man das grüne Flackern von Rissen erkennen, die die Welt mit dem Nichts verbanden, und hin und wieder hallten Schreie von Kreaturen zu ihnen hinauf, die Varric weder genauer identifizieren konnte noch identifizieren wollte.

„Im Angesicht des Chaos und der Gefahren, die uns umgeben, seinen Humor nicht zu verlieren... das ist eine seltene Gabe.“

„Findet Ihr?“, fragte Varric. „So wie ich das sehe, bleibt uns nur Humor. Denn die Alternative wäre Verzweiflung... und mit Verzweiflung ist noch niemand weit gekommen.“

„... da habt Ihr wohl nicht unrecht“, entgegnete Loghain mit düsterer Miene. Dieses Mal griff er ohne Zögern nach dem Wein, als Hawke ihm schweigend die Flasche hinhielt.

Varric fragte sich, was der andere gerade dachte, und ob er sich in diesem Augenblick all die Momente seines Lebens vor Augen hielt, in denen er versagt hatte. Doch er zweifelte nicht daran, dass Loghain sich sämtliche Vorwürfe, die er sich nach seiner Absetzung hatte anhören müssen, bereits unzählige Male selbst gemacht hatte, und verzichtete darauf, ihn auf vergangene Fehler anzusprechen.

Stattdessen fragte er:

„Aber angenommen, wir kommen alle heil aus dieser Sache heraus... was werdet Ihr danach tun?“

Die Flasche verharrte auf dem Weg zu seinen Lippen, während Loghain für einen Moment nachdenklich ins Feuer starrte. Dann zuckte er mit den Schultern und trank einen weiteren Schluck.

„Ich habe nie darüber nachgedacht“, entgegnete er.

Hawke runzelte die Stirn, bevor sie das Kinn in die Hand stützte und ihn aufmerksam ansah.

„Habt Ihr so wenig Vertrauen in die Inquisition, dass Ihr glaubt, wir können diesen Krieg nicht gewinnen?“, fragte sie herausfordernd.

Doch Loghain schüttelte den Kopf.

„Oh, ganz im Gegenteil“, sagte er. „Wenn jemand Erfolg hat, dann sie. – Nein...“

Er schüttelte die Flasche kurz und ließ sie dann sinken, nachdem er festgestellt hatte, dass sie leer war.

„... ich bin nur nie davon ausgegangen, dass ich diesen Konflikt überleben werde“, fuhr er leise fort.

Varric und Hawke tauschten einen raschen Blick.

„Ihr rechnet damit zu sterben?“, fragte Varric dann.

„Ist das so undenkbar?“, entgegnete Loghain. „Seit Jahren schon hoffe ich auf ein Ende, aber die Wächter fanden immer wieder etwas für mich zu tun.“

Er lächelte humorlos. „Vielleicht habe ich dieses Mal endlich Glück.“

„Aber warum?“ Hawke schüttelte verständnislos den Kopf. „Ihr habt noch immer Familie – Enkelkinder sogar, wie ich gehört habe... Gibt es für Euch denn nichts, wofür es sich zu leben lohnt?“

„Vielleicht gibt es das“, sagte Loghain. „Aber das allein ist nicht alles...“

Wieder sah er in die Dunkelheit hinaus.

„Graue Wächter sind nicht für die Ewigkeit gemacht“, sprach er leise. „Der Ruf der Tiefe wird mit jedem Tag stärker, und ihm zu widerstehen immer schwerer. Noch schaffe ich es, ihn zu ignorieren, doch die Alpträume werden von Tag zu Tag schlimmer und ich begreife allmählich, wieso der Tod so vielen von uns wie eine Erlösung erscheint.“

Eine unbehagliche Stille breitete sich aus. Was konnte man einem Mann sagen, der wusste, dass die ihm verbliebene Zeit nur noch von kurzer Dauer war?

Doch dann verfinsterte sich Hawkes Miene plötzlich.

„So ein Unsinn!“, sagte sie. „Ich habe Wächter gesehen, die schon wesentlich länger im Dienst waren, als Ihr, und selbst sie haben es mit mehr Fassung getragen und sich weniger beklagt.“

„Hawke!“, stieß Varric entsetzt hervor, doch sie ignorierte ihn.

„Seid Euch selbst gegenüber doch wenigstens so ehrlich und gebt zu, dass Euer Todeswunsch nichts mit der Tatsache zu tun habt, dass der Ruf immer stärker wird, sondern schlicht und einfach damit, dass Ihr nicht mit Eurer eigenen Existenz klarkommt!“, fuhr sie wütend fort.

„Hawke...!“

„Die Auswirkungen Eures Coups haben damals meinen Vater und meinen Bruder das Leben gekostet, aber seht ihr mich vielleicht die Hände in den Schoß legen und darauf warten, dass ich wieder mit ihnen vereint werde?“

Hawke sprang auf, zu aufgebracht, als dass sie länger sitzen konnte, und es tat Varric in der Seele weh, sie so voller Schmerz und Bitterkeit zu sehen.

„Wir machen alle Fehler, verdammt! Ich muss auch bis zum Ende meines Lebens mit der Frage leben, ob ich die Zerstörung der Kirche in Kirkwall hätte verhindern können, wenn ich nicht so dumm gewesen wäre, meinem S- ... Anders bedingungslos zu vertrauen.“ Ihre Stimme bebte. „Aber ich werde niemals, niemals aufhören zu kämpfen, hört Ihr? Nicht nur, um Buße zu tun, sondern weil ich die wenigen, guten Dinge in meinem Leben mit der Zeit zu schätzen gelernt habe und alles dafür tun würde, um mich so lange es geht an ihnen zu erfreuen!“

Hawke!“, rief Varric alarmiert. „Nicht so laut!

Ein Schrei in der Nacht ließ sie alle drei nach ihren Waffen greifen, und für einen Moment hörten sie ein tiefes Grollen, gefolgt von einem Fauchen, das für Varrics Geschmack viel zu dicht an ihrem Lager ertönte. Doch sie hatten Glück – was auch immer dort durch die Dunkelheit schlich, schien bald wieder das Interesse an ihnen zu verlieren und nach einer Weile wurde es wieder still.

Nachdem die unmittelbare Bedrohung vorüber war, ließ sich Hawke wieder auf ihren Platz vor dem Feuer sinken. Ihre Wut war mit einem Mal verpufft und sie wirkte erschöpft und ausgelaugt.

Loghain musterte sie einen Moment lang aus wachen, grauen Augen, als schien er darauf zu warten, dass sie ihre Tirade fortsetzte. Doch es kam nichts mehr.

„Besser?“, fragte er schließlich.

Hawke nickte.

„Ja“, murmelte sie und lehnte den Kopf an Varrics Schulter. „Bitte entschuldigt. Das war unangebracht von mir.“

Zu ihrer Überraschung lachte Loghain jedoch nur leise.

„Möglich“, entgegnete er. „Aber Ihr hattet nicht ganz unrecht mit Euren Worten. Und wenige hatten je den Mut, mir Dinge wie diese so direkt ins Gesicht zu sagen.“

Dann stand er auf und schlang seinen Umhang fester um seinen Körper.

„Ihr solltet Euch ausruhen“, sagte er und Varric war dankbar für den Themenwechsel. „Ein langer Tag liegt hinter uns. Ich werde die erste Nachtwache halten, wenn es Euch genehm ist.“

Varric zögerte. „Seid Ihr sicher? Ich weiß nicht, was das eben war, aber wenn es wiederkommt–“

„... werde ich Euch unverzüglich wecken, Ihr habt mein Wort“, erwiderte Loghain.

Er wandte ihnen den Rücken zu und sah in die Dunkelheit hinaus.

Varric nickte Hawke zu, bevor er ihr dabei half, die Decken auszubreiten. Sie legten sich ohne ein weiteres Wort zur Ruhe und Hawke war eingeschlafen, sobald sie sich an Varrics Seite gekuschelt hatte.

Nichts sollte ihren Schlaf in dieser Nacht stören.



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