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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Kurze DUB!CON-Warnung für den ersten Absatz!
Es geht nicht zu sehr ins Detail, aber es liegt definitiv kein explizites Einverständnis einer der beiden Parteien vor. Komplett anzeigen

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Cullen

Wie auch beim letzten Mal war die Tür unverschlossen.

„Ah, Cullen“, begrüßte ihn Dorian mit einem höflichen Lächeln, als Cullen das Zimmer betrat. „Seid Ihr gekommen, um unser Gespräch fortzusetzen?“

Wie auch beim letzten Mal war das nicht der Grund, weshalb er hier war, doch Cullen machte sich nicht die Mühe, den anderen zu korrigieren. Sein Blick wanderte kurz über die elegant geschnittene Robe, die Dorians schlanke Figur betonte, dann trat er näher und legte die Hände an die Taille des anderen.

„Oh“, sagte der Magier leise, und Cullen sah das Verstehen in seinem Blick. „Darum seid Ihr hier.“

Es war keine Ablehnung in seiner Stimme, nur gleichgültige Akzeptanz.

Cullen legte die gepanzerte Hand an sein Kinn und hob es an. Einen Moment lang sah er in Dorians Augen – Augen, die schon vor langer Zeit ihren Kampfgeist verloren hatten – dann neigte er den Kopf und küsste ihn. Die Lippen des anderen waren genauso warm und weich, wie er sie in Erinnerung hatte, und Dorian leistete ihm keinen Widerstand, als er mit der Zunge in seine Mundhöhle eindrang.

Doch er erwiderte seinen Kuss auch nicht, und nach einer Weile erweckte seine Passivität Cullens Unmut.

„Zieh dich aus“, sagte er leise, nachdem er wieder von ihm abgelassen hatte, und trat einen Schritt zurück, während der andere seiner Aufforderung gehorsam nachkam, wobei er jedes einzelne Kleidungsstück ordentlich glattstrich und über die Lehne seines Stuhls hängte.

Schließlich stand Dorian nackt vor ihm und wartete darauf, dass er den nächsten Schritt machte. Im Angesicht eines Templers, der noch immer seine volle Rüstung trug, wirkte er schwach und schutzlos, doch paradoxerweise war es in diesem Moment Cullen, der sich vor dem wehrlosen Mann schwach und schutzlos vorkam. Wütend schüttelte er den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben, bevor er grob die Hand des anderen packte und ihn herumdrehte. Er wusste, dass der andere Mann seine Gefühle niemals erwidern würde – dass er nie wieder fähig sein würde, irgendetwas zu fühlen – doch er würde auch die Reaktionen seines Körpers nicht verhindern können, und wenn Cullen wenigstens das von ihm bekommen konnte, dann würde es genug sein.

Und während seine Hand über den Oberkörper des anderen wanderte und jedes leise Keuchen, das er ihm entlockte, ihm wie ein kleiner Sieg erschien, fiel sein Blick auf Dorians Handgelenk und das Geflecht von Narben auf seiner Haut...

 

Schweißgebadet erwachte Cullen in der Dunkelheit seines Zimmers.

Der Traum war so lebhaft gewesen, dass die Erinnerung an Dorians leeren Blick und seine eigene Grausamkeit nur langsam wieder verblasste. Sie erfüllte Cullen mit Selbstekel, sowie einer Übelkeit, die ihn mehrmals heftig würgen ließ, bevor sich sein Körper allmählich wieder beruhigte und er zitternd zurück auf das Bett sank.

Es war das erste Mal gewesen, dass er auf diese Weise von Dorian geträumt hatte und seine Zuneigung für ihn sich mit Cullens Erinnerungen an Kinloch vermischt hatten. Doch das wirklich Schlimme an dem Traum war gewesen, dass diese Dinge sich so oder auf ähnliche Weise tatsächlich hätten ereignen können.

Cullen hatte sich zwar selbst niemals an einem der Magier vergangen, für die er und die anderen Templer im Zirkel damals verantwortlich gewesen waren, doch er hatte während seiner Zeit im Turm hin und wieder von solchen Fällen gehört, und sein Hass auf Magier war damals zu groß gewesen, um das Richtige zu tun und dagegen vorzugehen.

Doch wenn er sich jetzt vorstellte, was passiert wäre, wäre Dorian einer von ihnen gewesen, dann wurde ihm ganz anders...

Man hatte den Magiern im Zirkel keine Privatsphäre gelassen. Jedem Neuzugang im Turm wurde das Armband entfernt, und sein Seelenname wurde notiert. Gab es einen anderen Magier oder gar einen Templer mit diesem Namen im selben Zirkel, so wurde der Neuankömmling zu einem anderen Zirkel geschickt, um zu verhindern, dass die Seelenpartner einander begegneten. Das Band machte die Menschen irrational, was an Orten, an denen so viel Macht konzentriert war, ein Risiko war, das man nicht eingehen konnte.

Doch Dorian... mit Dorian wäre es anders gewesen. Cullen hätte den Magier jeden Tag sehen müssen. Und die Tatsache, dass Dorian einen anderen Namen trug, hätte das Seelenband nicht daran gehindert, sich zu verfestigen, wenn er Dorian zum ersten Mal begegnet wäre. Dann hätte Cullen Jahre in dem Turm zugebracht, in denen er sich nach dem Magier verzehrt hätte, und vielleicht, nur vielleicht, wäre er eines Tages tatsächlich schwach geworden...

Und selbst die Gefahr, dass die Templer den arroganten Magier wie in seinem Traum möglicherweise durch Brandmarken gefügig gemacht hätten, hätte ihn nicht davon abhalten können.

Hätten Dorian nicht vor dem Monster, das er war, beschützen können.

Und dieser Gedanke war es, der Cullen am meisten Angst machte.

Cullen starrte lange an die Decke seines Zimmers – zu aufgewühlt, um wieder einzuschlafen, doch zugleich auch zu müde, um aufzustehen. Nie hatte er sich so sehr nach Cassandras Nähe und Beistand gesehnt. Doch sie war mit der Inquisitorin zum Kammwald aufgebrochen und würde so schnell nicht wieder zurückkehren.

Und die Liste an Freunden, die Cullen auf der Himmelsfeste hatte, war ohne sie beschämend kurz... und die Anzahl derer, denen er sich in solch persönlichen Dingen anvertraute, beschränkte sich allein auf Cassandra.

Ihm blieb also nichts anderes übrig, als allein gegen seine Dämonen zu kämpfen.

Durch die Ritzen zwischen den Brettern sah Cullen, dass die Sterne langsam verblassten und der Himmel sich allmählich aufhellte. Er überlegte für einen Moment, ob er heute im Bett bleiben und seinen Sekretären die Arbeit überlassen sollte, doch dann würden seine Gedanken nur den ganzen Tag lang um seinen Traum kreisen, und das wollte er vermeiden.

Er brauchte Ablenkung. Er brauchte...

Die Glocke der Kapelle läutete in diesem Moment einmal kurz zur vollen Stunde. Der helle Klang hallte für einen Augenblick durch den Hof, dann kehrte wieder Stille ein.

Cullens Mundwinkel hoben sich schwach.

Plötzlich wusste er, was er brauchte.

 

„Kommandant Cullen?“

Die Sonne war bereits über den Horizont geklettert, als Cullen sein Gebet schließlich beendete und die Kirche wieder verließ. Er fühlte sich deutlich ruhiger, als zuvor, und der Traum der letzten Nacht war nun nicht mehr als das: ein Alptraum, der mit jeder Stunde mehr verblasste. Als er in den Garten hinaustrat, blendete ihn das helle Licht der aufgehenden Sonne, und er musste mehrmals blinzeln, bevor er sah, wer ihn gerade angesprochen hatte.

„Mutter Giselle“, sagte er, als er sie schließlich erkannte, und schenkte ihr ein Lächeln. „Was kann ich für Euch tun?“

Die Ehrwürdige Mutter neigte respektvoll den Kopf.

„Ich hatte gehofft, Ihr könntet mir in einer Angelegenheit weiterhelfen, die eines der Mitglieder des Inneren Kreises betrifft. Es kann leider nicht warten, bis die Inquisitorin wieder hier ist, aber ich bin zuversichtlich, dass Ihr die Sache mit der notwendigen Diskretion behandeln werdet.“

„Ihr habt mein Wort“, entgegnete Cullen und nickte. „Um wen geht es?“

Giselle senkte die Stimme. „Es betrifft den Tevinteraner. Ihr scheint gut mit ihm befreundet zu sein, darum hielt ich Euch für den besten Ansprechpartner...“

„Dorian?“ Cullen hob überrascht die Augenbrauen. „Was ist mit ihm?“

Sie zog einen Umschlag aus ihrem Ärmel, auf dem ein Siegel prangte, das Cullen nicht bekannt war. Es war bereits gebrochen, und für einen Moment erfüllte ihn Ärger darüber, dass die Ehrwürdige Mutter es gewagt hatte, eine private Nachricht an Dorian zu lesen.

„Es ist ein Brief“, sagte sie und hielt ihm das Schriftstück hin. „Er stammt von seiner Familie...“

 

Cullen überkam ein beunruhigendes Gefühl von Déjà-vu, als er wenig später an die Tür von Dorians Zimmer klopfte.

„Ich bin es, Cullen“, rief er.

Für eine Weile herrschte Stille, dann öffnete sich das Türschloss mit einem Klicken und ein leises „Herein!“ ertönte. Cullen atmete noch einmal kurz durch, dann trat er ein.

Dorian saß mit untergeschlagenen Beinen auf seinem Bett und notierte etwas in dem kleinen Buch, das er stets in einer Lederhülle an seinem Gürtel trug, und das, wie Cullen schon mehrfach beobachtet hatte, mit magischen Sprüchen und Ritualen gefüllt war.

Als er den Kopf hob und Cullen sah, erhellte sich Dorians Blick und ein Lächeln trat auf sein Gesicht.

Nur ein Traum, ermahnte sich Cullen nicht zum ersten Mal an diesem Morgen und erwiderte das Lächeln. Der Mann, der auf dem Bett saß, war voller Energie und Leben, und hatte nichts mit der seelenlosen Hülle gemein, die ihm in seinen Träumen begegnet war.

„Kommandant Cullen!“, sagte Dorian. „Womit verdiene ich die Ehre?“

Er musterte Cullen für einen Moment, und senkte die Stimme dann zu einem verführerischen Raunen. „Seid Ihr etwa hier, um mein Angebot endlich anzunehmen?“

Ein Schauer lief über Cullens Rücken und ließ ihn frösteln. Das letzte, war er in diesem Moment wollte, war Dorian zu berühren, zu sehr erinnerte ihn die ganze Situation an seinen Traum. Anstatt auf seine Frage zu antworten, zog er deshalb den Brief aus seiner Tasche und überreichte ihn Dorian.

„Ein Brief von Eurem Vater“, sagte er leise. „Er war an Mutter Giselle adressiert, vermutlich weil Eure Familie hoffte, Euch durch sie besser zu erreichen. Aber ich bin der Meinung, es ist Euer gutes Recht, ihn als erster zu lesen.“

Sofort verschwand jede Wärme aus Dorians Augen und sein Lächeln erstarb.

„Ah“, entgegnete er, und seine Stimme klang seltsam monoton. „Ich verstehe. – Gebt ihn mir.“

Für ein paar Minuten war es still, als Dorian den Brief las, mehrmals, wie Cullen vermutete, denn seine Augen sprangen immer wieder zum Anfang zurück.

Schließlich stieß er einen leisen Fluch in seiner Muttersprache aus und zerriss das Schriftstück, bevor er die Fetzen in seiner Hand in Flammen aufgehen ließ.

„Wie kann er es wagen!“, stieß er hervor. Er sprang auf und begann, in dem kleinen Zimmer ruhelos auf- und abzulaufen. „Was für eine unglaubliche Unverfrorenheit!“

Seine Schultern bebten vor Wut und Cullen machte unwillkürlich einen Schritt zurück, bis er mit dem Rücken gegen die Türklinke stieß.

„Was erhofft er sich damit?“, rief Dorian wütend. „Meine Vergebung? Oder gar mein Verständnis?“

„Was erhofft er sich womit?“, fragte Cullen behutsam, in der Hoffnung, die Wogen von Dorians Wutausbruch wieder etwas zu glätten.

„Von einem Treffen!“, entgegnete Dorian scharf. „Als würde er ernsthaft glauben, dass ich ihn nach dem, was er mir angetan hat, jemals wiedersehen möchte.“

Cullen hatte immer gewusst, dass Dorians Beziehung zu seiner Familie keine einfache war. Er kannte zwar keine Details, aber die Art und Weise, wie sich Dorians Gesicht verfinsterte, wann immer man ihn auf seine Eltern ansprach, hatte ihre ganz eigene Sprache gesprochen.

Doch Dorian war in diesem Augenblick ganz offensichtlich zutiefst verletzt, und wenn Cullen eines nicht ertrug, dann war es mitanzusehen, wie sein Seelenpartner litt.

„Dorian“, sagte er sanft und griff vorsichtig nach der Hand des anderen. „Ich weiß, es steht mir nicht zu, zu fragen, aber...“ Er sah ihm offen in die Augen, während er ihre Finger miteinander verschränkte. „Was genau hat er Euch angetan...?“

Dorian starrte für einen Moment auf ihre verschlungenen Finger hinab, dann seufzte er schließlich.

„Ich glaube, es wäre besser, wenn ich es Euch einfach zeige...“

Er löste vorsichtig ihre Hände, dann wandte er sich ab.

Cullen hatte keine Ahnung, was er vorhatte, bis Dorian plötzlich nach dem Saum seiner Weste griff und sie über seinen Kopf streifte.

Plötzlich fühlte er sich wieder viel zu sehr an seinen Traum erinnert, und hob abwehrend die Hände.

„Dorian, ich glaube nicht, dass das nötig ist...“, begann er.

Der andere ignorierte jedoch seinen Protest.

„Doch“, sagte er leise. „Doch, das ist es.“

Er hatte mittlerweile auch sein Hemd abgestreift und drehte sich mit nacktem Oberkörper wieder zu Cullen herum.

Dieser sog scharf die Luft ein, als er sah, was Dorian ihm hatte zeigen wollen.

Auf seiner Brust prangte eine Narbe, deren zahllose Verästelungen sich ähnlich den Strahlen einer Sonne über Dorians Oberkörper zogen. Ihr Zentrum war kaum größer als eine Münze, doch groß genug, dass es nicht viel Fantasie erforderte sich vorzustellen, wie schwerwiegend die Wunde gewesen sein musste. Die Narbe und ihre zahlreichen kleineren und größeren Auswüchse, die an die filigranen Enden einer Wurzel erinnerten, pulsierten in einem schwachen Rot – ein Zeichen dafür, dass sie nicht durch eine Waffe, sondern durch Magie entstanden war.

Durch Blutmagie, dachte Cullen fassungslos. Dorians Vater hatte Blutmagie gegen ihn eingesetzt. Gegen sein eigenes Kind.

„Das Verhältnis zwischen meinem Vater und mir war immer schwierig gewesen“, erzählte Dorian leise, während Cullen noch die Narbe anstarrte.

Viel zu nah an seinem Herzen...

„Die Tatsache, dass ich nicht die von ihm gewünschten... Präferenzen hatte und mich weigerte, eine Frau zu ehelichen, mit der ich ein langes und unglückliches Leben geführt hätte, war schließlich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte“, fuhr Dorian fort.

Er schlang die Arme um seinen Oberkörper und wirkte mit einem Mal so schutzlos und verloren, dass es Cullen das Herz brach. Er ignorierte die leise Stimme seines Unterbewusstseins und trat an den anderen heran, um ihn in seine Arme zu ziehen.

„Er hat viele Versuche an mir durchgeführt, um mich zu... zu verändern... und er wäre erfolgreich gewesen, wäre es mir nicht gelungen zu fliehen“, wisperte Dorian an seinem Ohr und Cullen schlang die Arme fester um ihn.

„Genug“, sagte er sanft. „Ich habe genug gehört. Quält Euch nicht weiter mit diesen Erinnerungen.“

Er wartete, bis Dorian sich beruhigt hatte, bevor er ihn wieder losließ und seine Stirn küsste.

„Schreibt Eurem Vater, dass Ihr die Einladung zum Treffen annehmen werdet.“

Dorians Augen weiteten sich.

„Cullen“, entgegnete er. „Ich verstehe nicht–“

„Ich überlasse Euch die Entscheidung, ob Ihr mitkommen wollt oder nicht“, fuhr Cullen fort. „Nach dem, was er Euch angetan hat, würde ich es verstehen, wenn Ihr ihn nie wieder sehen wollt. – Doch ich werde auf jeden Fall gehen.“

Dorian starrte ihn an.

„Was habt Ihr vor?“, fragte er.

„Ich will ihm in die Augen sehen“, entgegnete Cullen leise, „und ihm mitteilen, was passieren wird, sollte er Euch jemals wieder anrühren...“



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