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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Aufgrund der Festtage habe ich es dieses Mal leider nicht pünktlich geschafft, aber hier ist nun endlich das neue Kapitel. Komplett anzeigen

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Cullen

Die ersten Tage nach der Abreise der Inquisitorin und ihres Gefolges waren die schwersten.

Cullen konnte die warme Präsenz des Bandes zu Dorian noch immer spüren, aber sie wurde von Stunde zu Stunde schwächer, auch wenn sie nie ganz verschwand. Doch während Dorian zuvor immer in seiner Nähe gewesen war und nie weiter als ein paar Minuten entfernt, lagen nun viele Meilen zwischen ihnen, und Cullen wurde zum ersten Mal bewusst, dass er nicht würde helfen können, wenn dem anderen etwas geschah. Er musste auf die Kraft und Klugheit des Magiers vertrauen, sowie die Unterstützung seiner Gefährten.

Und obwohl er wusste, dass der andere fähig war, auf sich selbst aufzupassen, wollte das Gefühl der Hilflosigkeit nie ganz weichen, und mit jedem Tag, der verstrich, sehnte er sich mehr nach dem Moment, in dem Dorian wohlbehalten zur Himmelsfeste – und zu ihm – zurückkehren würde.

 

Um seiner inneren Anspannung etwas entgegenzuwirken, beschloss Cullen, sein Vorhaben endlich in die Tat umzusetzen und Nachforschungen bezüglich der Attacken auf Dorian anzustellen.

Er war kein Narr; ihm war bewusst, dass es zu auffällig sein würde, die Templer direkt zu befragen, also beschloss er nach einiger Überlegung, ihren Hauptmann ins Vertrauen zu ziehen. Ser Barris stand seinen Leuten sehr nahe und hatte sich in der Vergangenheit als zuverlässig und aufrichtig erwiesen, und Cullen war überzeugt, dass er diese Sache diskret behandeln würde.

Umso mehr überraschte ihn der fast sorgfältig neutrale Gesichtsausdruck des Mannes, als Cullen ihn auf Dorian ansprach.

„Der Tevinteraner, Sir?“, fragte Barris vorsichtig. „Ich kenne ihn nicht persönlich, aber ich bin ihm schon begegnet. Was ist mit ihm?“

Cullen musterte ihn für eine Weile aufmerksam. Dass Barris so ungewohnt zurückhaltend war, ließ nur eine von drei Erklärungen zu: dass er selbst an den Angriffen beteiligt war – was Cullen stark bezweifelte –, dass er die Angreifer in Schutz nehmen wollte, oder dass er sich des Problems bewusst, aber hilflos war.

„Es liegt mir fern, die Templer als Ganzes für das, was vorgefallen ist, zur Rechenschaft zu ziehen“, entgegnete er schließlich und sah Barris ruhig an, „doch ich muss wissen, ob Euch Aussagen zu Ohren gekommen sind, die die Sicherheit von Dorian betreffen, da ich Grund zu der Annahme habe, dass weitere Übergriffe folgen werden.“

Die Augen des anderen Mannes weiteten sich, als er dies hörte.

„Beantwortete mir darum nur eine Frage...“, fuhr Cullen behutsam fort. „Könnte es sein, dass es jemand auf ihn abgesehen hat?“

Ser Barris sah ihn einen Moment lang schweigend an, dann sackten schließlich seine Schultern herab und er stieß ein Seufzen aus.

„Das versuche ich selbst schon seit Wochen herauszufinden, Sir“, gestand er, offenbar erleichtert darüber, dass er jemandem seine Sorgen anvertrauen konnte. „Doch falls es einen Drahtzieher gibt, dann habe ich ihn noch nicht ausfindig machen können. Mittlerweile habe ich auch die Vermutung, dass es keine Einzelperson ist, sondern eine Bewegung, die aus Angst und Unsicherheit erwachsen ist – insbesondere seitdem wir wissen, dass der Feind, der Haven vernichtet hat, aus Tevinter stammt. Zwar versuche ich, meinen Leuten ihre Ängste zu nehmen, wo ich kann, doch der Erfolg ist bislang eher mäßig.“

Cullen nickte. Dies war eine der Erklärungen, mit denen er gerechnet hatte – und diejenige, die ihm am meisten Sorgen machte. Denn gegen einzelne Personen konnte man vorgehen, doch Zweifel und Unsicherheit waren nicht so leicht zu bekämpfen. Seit ihrer schweren Niederlage in Haven hatte die Inquisition noch keinen einzigen, großen Sieg errungen, der das Selbstvertrauen der Leute hätte stärken können. Also begannen sie, in den eigenen Reihen nach einem Sündenbock zu suchen, und es brach Cullen schlicht das Herz, dass das Los aufgerechnet auf denjenigen gefallen war, der mehr als die meisten anderen für die Inquisition geopfert hatte.

„Ich verstehe“, sagte er. „Ich bin mir sicher, Ihr tut, was Ihr könnt.“

Es gelang ihm nur mit Mühe, seine Enttäuschung darüber zu verbergen, dass er hier keine Lösung für das Problem finden würde.

Barris räusperte sich. „Ich, ah, war jedoch so frei, alle mir bekannten Übeltäter unauffällig an andere Stellen zu versetzen, Sir. Ich weiß, es ist nicht die feine Art...“

Deshalb hatte er in letzter Zeit also so viele Versetzungsanträge auf dem Schreibtisch gehabt. Cullens Mundwinkel zuckten. „Euch sei verziehen, Ser Barris.“

Dann sah er aus dem Fenster des Turmes hinab in den Hof.

„Ich bin gerne bereit, den Templern längere Zeiten auf dem Übungsplatz einzuräumen, um ihnen die Gelegenheit zu geben, auf andere Gedanken zu kommen“, fuhr er fort. „Und ich verlasse mich darauf, dass Ihr Eure Leute regelmäßig daran erinnert, dass es Konsequenzen hat, magischen Säuberungen gegen Mitglieder der Inquisition vorzunehmen. Sollte es dennoch weitere Vorfälle geben, dann werdet Ihr diese unverzüglich an mich weiterleiten.“

„Jawohl, Sir“, erwiderte Barris und straffte die Schultern. „Danke, Sir.“

Cullen nickte ihm zu und wollte sich gerade zum Gehen wenden, als Barris sich erneut räusperte.

„Es freut mich, dass er wenigstens Euch akzeptiert, Sir“, sagte er, als Cullen ihn fragend ansah. „Von mir wollte der Tevinteraner keine Hilfe annehmen, doch es beruhigt mich zu wissen, dass er einen Freund in Euch gefunden zu haben scheint.“

Er schien noch mehr sagen zu wollen, doch dann schien ihm bewusst zu werden, dass er damit eine Grenze überschreiten würde, und so schwieg er stattdessen.

„Habt Dank, Ser Barris“, entgegnete Cullen mit einiger Verzögerung.

Dann ging er.

 

Die Himmelsfeste war ein großer, unübersichtlicher Ort.

Es war absolut möglich, dass zwei Personen wochenlang in ihr umherlaufen konnten, ohne sich auch nur ein einziges Mal zu begegnen. Dann wiederum gab es Treffen, die sich nicht vermeiden ließen, so als hätte das Schicksal selbst sie in die Wege geleitet. Und so begegnete Cullen am Abend nach seinem Gespräch mit Barris auf der Wehrmauer schließlich einer alten Bekannten, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.

„Cullen.“

„Hawke.“

Die dunkelhaarige Frau stemmte eine Hand in die Hüfte und musterte ihn.

„Ihr seht müde aus“, stellte sie fest. „Aber entspannter als beim letzten Mal, als wir uns begegneten. Nicht mehr so wütend, wie in Kirkwall.“ Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln. „Die Inquisition scheint Euch gut zu tun.“

„Sie hat ihre Höhen und Tiefen“, erwiderte Cullen und erwiderte das Lächeln vorsichtig. „Doch es gibt viele Leute, die sie für eine gute Idee halten, mich eingeschlossen.“

„Tatsächlich? Darauf wäre ich nie von selbst gekommen, Kommandant Cullen“, sagte sie mit sanftem Spott.

„Mmh“, machte Cullen nur, dann bedeutete er ihr mit einer Kopfbewegung, sich neben ihn an die Wehrmauer zu lehnen. Hawke zögerte nur kurz, bevor sie seiner Einladung folgte.

Für eine Weile blickten sie stumm in das Tal unter der Festung hinab.

Das letzte Mal, als sie sich begegnet waren, hatten sie gemeinsam gegen Templerkommandantin Meredith gekämpft, um von Kirkwall zu retten, was noch zu retten gewesen war. Cullen erinnerte sich noch genau an Hawkes blasses, tränennasses Gesicht während jenes Kampfes. Nur wenige Stunden zuvor hatte einer ihrer Begleiter die Kirche von Kirkwall in die Luft gesprengt und Hawke, die den Verrat eines ihrer engsten Vertrauten nicht hatte fassen können, hatte über ihn gerichtet – nicht zu seinen Gunsten, wie es schien, denn Cullen hatte den Mann nie wieder gesehen. In den Jahren danach hatte er sich oft gefragt, ob der Magier mehr für sie gewesen war, als nur ein Freund, und ob dies der Grund für ihre tiefe Trauer an jenem Tag gewesen war.

Doch Fragen wie diese wären zu persönlich gewesen und hätten nur alte Wunden aufgerissen, und so behielt er seine Überlegungen für sich.

Eine Sache ließ ihn jedoch nicht los.

„... Ihr und Varric also, hm?“

Hawke lachte auf.

„Ist das tatsächlich so verwunderlich?“, fragte sie.

Cullen warf ihr einen kurzen Blick zu und zuckte dann mit den Schultern.

„Nein“, sagte er sanft. „Nein, das ist es nicht.“

Er schwieg einen Moment und fügte dann hinzu:

„Es freut mich, dass Ihr nach allem, was passiert ist, gemeinsam Euer Glück finden konntet.“

Hawke sah ihn erstaunt von der Seite an, als hätte sie nicht mit diesen Worten aus seinem Mund gerechnet.

„... danke“, erwiderte sie schließlich.

Dann musterte sie ihn ihrerseits aufmerksam – und oh, er kannte diesen Blick nur zu gut von seiner Schwester.

„Was ist mit Euch?“, fragte sie dann. „Habt Ihr jemanden gefunden, der diese Position erträglicher macht? Eine nette junge Frau oder...“ Sie zwinkerte ihm zu. „... einen netten jungen Mann?“

Und Cullen, der fast damit gerechnet hatte, dass sie dies fragen würde, konnte nicht verhindern, dass er rot wurde.

„Ich... ah... nun...“, stammelte er und starrte auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne.

Hawke hob überrascht die Augenbrauen. „Beim Erbauer, ist es tatsächlich ein Mann?“

Sie senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Raunen, damit die Wache, die in diesem Moment hinter ihnen vorbeiging, sie nicht hören konnte.

„Wer ist er? Lebt er auch hier? Weiß er, was Ihr für ihn empfindet?“

Sie stupste ihn mit dem Ellenbogen an.

„Kommt, erzählt schon...!“

Hawke!

Cassandras Stimme war so frostig, dass sie Wasser hätte gefrieren können.

Cullen war noch nie so froh gewesen, sie zu hören.

Hawke drehte sich zu ihr herum.

„Lady Cassandra“, begrüßte sie die andere Frau mit einer kleinen Verbeugung. „Cullen und ich haben nur ein wenig an alte Zeiten angeknüpft.“

Cassandra musterte Cullen, der noch immer rot im Gesicht war und sich wünschte, er hätte diese Unterhaltung nie begonnen.

„Ja“, entgegnete sie. „Das sehe ich.“

Hawke lächelte nur unschuldig.

Cassandra seufzte. „Wenn Ihr uns entschuldigen würdet, Hawke, ich muss mit dem Kommandanten ein paar Dinge besprechen.“

„Gewiss.“

Hawke zwinkerte Cullen erneut zu, dann wandte sie sich ab und ging über die Wehrmauer hinüber zur Taverne.

„Was war das eben?“, fragte Cassandra, nachdem sie außer Hörweite war, und verschränkte die Arme vor der Brust.

Cullen räusperte sich. „Tu mir einen Gefallen und lass uns nicht weiter darüber sprechen.“

Cassandra hob eine Augenbraue, zuckte dann aber nur mit den Schultern.

„Wie du wünschst.“

Seite an Seite liefen sie zur großen Halle hinüber.

„Gibt es Neuigkeiten von der Inquisitorin?“, fragte Cullen, als sie den Hof überquerten.

Cassandra schüttelte jedoch nur den Kopf.

„Der Kontakt brach ab, nachdem sie den Außenposten im Fahlbruch verlassen hat, um tiefer in die Sümpfe vorzudringen“, erwiderte sie. „Aber das war zu erwarten. Lavellan wird sich melden, sobald sie etwas gefunden hat.“

Sie sah ihn aufmerksam an.

„Geht es um Dorian?“, fragte sie. „Gibt es etwas, was wir wissen sollten?“

Cullen schüttelte den Kopf. Der Name auf seiner Haut hatte sich in den letzten Tagen ruhig verhalten, was vermutlich bedeutete, dass sie auf keine größeren Widerstände gestoßen waren. Und doch wurde er das ungute Gefühl nicht los, dass dies nur die Ruhe vor dem Sturm war...

 

Seine Vorahnung bestätigte sich nur wenige Stunden später während einer Besprechung mit Cassandra, Leliana und Josephine, als der Seelenname plötzlich warm wurde und immer stärker zu brennen begann.

Cassandra, die seinen Gesichtsausdruck richtig deutete, unterbrach ihre Diskussion mit Josephine und schob Cullen mit einer kurzen Entschuldigung an die beiden Frauen hinaus in den Gang.

„Was ist los?“, fragte sie besorgt, sobald sie allein waren.

Cullen hielt sich mit zusammengebissenen Zähnen das Handgelenk, in dem der brennende Schmerz nur langsam wieder abklang.

„Ich bin mir nicht sicher“, entgegnete er. „Aber es fühlt sich an, als wäre Dorian...“

Verletzt.

Nein, das stimmte nicht ganz. Nach dem plötzlichen Schmerz kehrten die Worte auf seiner Haut zu einem schwachen, aber regelmäßigen Pulsieren zurück. Cullen hatte keine Ahnung, was dies bedeutete, und das machte ihm Sorgen.

„Cullen“, sagte Cassandra ruhig. „Ist die Inquisitorin in Gefahr?“

Er schüttelte hilflos den Kopf.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte er mit rauer Stimme.

Cassandra überlegte nicht lange.

„Ich werde Leliana bitten, ihr einen Raben zu schicken und sich nach der Lage zu erkundigen.“

Sie wollte gerade die Tür öffnen, um in den Raum zurückzukehren, doch etwas ließ sie zögern.

„Leliana wird sich ihre eigenen Gedanken machen“, meinte sie. „Es tut mir leid, Cullen, aber es kann sein, dass wir sie früher oder später in dein Geheimnis einweihen müssen.“

Doch Cullen nickte nur erschöpft. Er hatte geahnt, dass es eines Tages dazu kommen würde.

„Tu, was du tun musst“, sagte er. Cassandra schenkte ihm noch einen letzten Blick, dann setzte sie sich in Bewegung.

Sollten die Berater der Inquisitorin ruhig erfahren, was ihn mit dem Tevinteraner verband. Hauptsache, Cullen hatte Gewissheit darüber, dass Dorian in Sicherheit war.

Das war das wichtigste.

 

Cullens Gefühl hatte ihn nicht getrogen. Wie Leliana ihnen am nächsten Tag mitteilte, hatte es tatsächlich einen Kampf gegeben, aus dem die Inquisitorin siegreich hervorgegangen war – und in dem es ihr gelungen war, die vermissten Soldaten von ihren Peinigern zu befreien.

 

Zwei Wochen später kehrten die Inquisitorin und ihr Gefolge zur Himmelsfeste zurück, und mit ihnen die verloren geglaubten Männer und Frauen, die sie im Fahlbruch befreit hatten.

Wie immer, wenn Lavellan nach längerer Reise heimkehrte, wurde sie überschwänglich im Hof begrüßt. Doch dieses Mal wurden auch ihre engsten Begleiter von den Bewohnern der Festung mit offenen Armen empfangen und für ihre mutigen Taten gelobt.

Cullen lächelte, als er den verwirrten Ausdruck auf Dorians erschöpfter Miene sah, als ihn eine korpulente Waschfrau in die Arme zog und ihm für die Rückkehr ihres Sohnes dankte. Sie war nicht die einzige, auch andere Männer und Frauen traten an ihn heran und dankten ihm dafür, dass er ihre Angehörigen sicher zu ihnen zurückgebracht hatte.

Das Lächeln, das schließlich auf Dorians Lippen trat, als ihm klar wurde, dass sie ernsthaft über seine Hilfe erfreut waren, war das echteste, das Cullen je bei ihm gesehen hatte.

 

Es war bereits Abend und die Menge hatte sich schon längst wieder aufgelöst, als Cullen beschloss, an den inoffiziellen Feierlichkeiten zur Rückkehr der Inquisitorin in der Taverne teilzunehmen.

Zur seiner Überraschung war Dorian jedoch nicht dort, und so fragte er den Eisernen Bullen, wo er ihn finden konnte. Der Qunari warf ihm einen Blick zu, der für Cullens Geschmack viel zu wissend war, bevor er seine Frage beantwortete. Doch an diesem Abend kümmerte es ihn nicht, was der andere dachte. Nachdem er ihn wochenlang nicht gesehen hatte, wollte er einfach nur Dorians Stimme hören und sich vergewissern, dass es ihm gut ging.

Er fand den Magier schließlich halb zusammengerollt in seinem Sessel am Fenster der Bibliothek sitzen und schlafen, auf der Lehne ein aufgeschlagenes Buch.

Cullen lächelte. Die Ereignisse der letzten Wochen mussten Dorian mit neuem Ehrgeiz erfüllt haben, anders konnte er sich nicht erklären, weshalb der andere beschlossen hatte, den Feierlichkeiten fernzubleiben und sich stattdessen in seine Arbeit zu stürzen.

Er erinnerte Cullen für einen Moment fast an eine jüngere Version seiner selbst.

„Dorian“, sagte er leise und berührte den anderen sanft an der Schulter. „Dorian, wacht auf. Ich bin mir sicher, es gibt bessere Ort zum Schlafen, als die Bibliothek.“

Für einen Moment regte sich Dorian nicht, dann hob er schließlich den Kopf und warf Cullen einen verschlafenen Blick zu.

„Das halte ich für ein Gerücht“, meinte er und lächelte. „Ich habe oft genug in Bibliotheken geschlafen, um mit ihrer erholsamen Wirkung vertraut zu sein.“

Cullen hob amüsiert eine Augenbraue. „Und wie oft seid Ihr danach ohne Nackenschmerzen aufgewacht?“

Dorian stöhnte auf. „... erinnert mich nicht daran.“

Seufzend erhob er sich von seinem Sessel.

Cullen machte einen kleinen Schritt zurück, um dem Impuls, Dorian in seine Arme zu ziehen und nicht mehr loszulassen zu berühren, nicht nachzugeben.

Doch obwohl er deutlich sehen konnte, wie erschöpft der andere Mann war, wollte er sich noch nicht von ihm trennen.

„Darf ich Euch noch zu Eurem Zimmer begleiten?“

„Wie ritterlich.“ Dorians Mundwinkel hob sich. „Wie könnte ich nein sagen?“

Cullen schüttelte lächelnd den Kopf.

 

Es dauerte nur wenige Minuten, bis sie die abendliche Festung durchquert hatten und an der Tür zu Dorians Zimmer angekommen waren, wo sich schließlich ihre Wege wieder trennten.

„Danke, dass Ihr mich geweckt habt.“ Dorian, der im Türrahmen lehnte, schenkte Cullen ein Lächeln. „Mein Nacken hätte es morgen sonst mit Sicherheit bereut.“

Cullen schmunzelte. „Ich habe es nur für ihn getan.“

Dorian sah ihn an. Etwas schien ihm auf der Zunge zu liegen, und Cullen begann sich zu fragen, ob er etwas Falsches gesagt hatte.

Doch schließlich seufzte der andere nur.

„Ihr seid ein seltsamer Mann, Cullen“, sagte er. „Ich werde nicht schlau aus Euch.“

Cullen erwiderte fragend seinen Blick. „Ich verstehe nicht.“

„Das hier“, meinte Dorian und machte eine Geste, die sie beide einschloss. „Euer Interesse an meinem Wohl, Eure Offenheit und Hilfe... Ihr tut all diese Dinge für mich, ohne etwas dafür zu erwarten, und ich frage mich, wieso...?“

Seine Stimme wurde leiser. „Warum ich? Ich bin niemand für Euch, Cullen.“

Und es war etwas in seiner Stimme – die Nüchternheit eines Menschen, der es gewohnt war, dass niemand sich für seine Gefühle und Bedürfnisse interessierte – die Cullen all seinen Mut zusammennehmen und nach der Hand des anderen greifen ließ.

„Dorian...“, erwiderte er ebenso leise, „Ihr seid alles für mich.“

Dann zog er seine Hand an die Lippen und presste einen Kuss auf die Fingerknöchel.

Dorian starrte ihn mit offenem Mund an.

Cullen strich sanft mit dem Daumen über den Rücken seiner Hand, dann ließ er sie wieder los.

„Ruht Euch aus, Dorian“, sagte er. „Ihr habt es Euch verdient.“

Er nickte ihm ein letztes Mal zu, dann wandte er sich ab und ging.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schneesturm
2017-01-07T21:56:27+00:00 07.01.2017 22:56
Q__Q Oh, ich komm momentan gar nicht zum Lesen, aber jetzt werde ich mal einiges aufholen..

Ich bin froh, dass Cullen der Sache nachgeht und auch, dass Barris nicht ganz untätig war. Hoffentlich sind auch wirklich alle, die Dorian etwas antun wollten, versetzt. Aber ich hab so ein Gefühl, dass es noch mal zu einer (sehr sehr bösen)Attacke kommen wird. >__>

Deine Hawke passt wirklich gut zu Varric, sie kommt sehr schelmisch rüber und hat Cullen mal eben entlarvt.
Na wenigstens hat ihn Cassandra gerettet, bevor er noch mehr im Boden versinken konnte. xD

Die Stelle, an der Cullen merkt, dass mit Dorian irgendwas nicht stimmt, finde ich an sich ganz gut eingebaut und dass du so noch einmal die Verbindung mit ihm zeigst, allerdings stört mich der Satz Es fühlte sich eher an, als hätte Dorian sich völlig verausgabt..., ich hätte es offener etwas besser gefunden (dass er halt nur spürt, dass er in Gefahr ist).

Mich wundert es ja, dass Leliana noch nichts weiß (im Bezug auf Cullen und Dorian, sowie die Templer, die Dorian etwas anhaben wollen), sie hat ja ihre Spione sonst auch auf alles und jeden angesetzt :D

Es ist doch mal schön zu sehen/lesen, dass Dorian für seine Mühen belohnt wird und (erst einmal) nicht als der (böse) Tevinteraner angesehen wird. Hat er sich aber auch mal verdient. :D

Ooooh und der Schluss hat mir ja am besten gefallen *__* (Dem Bullen aber bestimmt weniger, er hat Cullen doch sofort durchschaut...und doch...schweigt er...hmmm....)
Wird aber auch mal Zeit, dass Cullen zu sich steht...aaaber dann zieht er einfach von dannen....echt jetzt? xD
Wie gemein...aber ich bin ja gespannt, ob er sich da rausredet oder ob er noch mal ein klärendes Gespräch sucht und Dorian nicht einfach so verwirrt zurück lässt.


Antwort von: Morwen
08.01.2017 22:41
Hallo Schneesturm. :D

Falls es dich beruhigt: mein Vorsprung an neuen Kapiteln wird langsam, aber sicher kleiner, was bedeutet, dass ich in zwei, drei Monaten vielleicht gar nicht mehr jede Woche updaten kann, so wie ich es jetzt noch tue. Dann wird das Lesen sicher auch wieder etwas entspannter. :)

Dazu... kann ich mich leider nicht näher äußern, aber Barris wird definitiv noch mal einen Auftritt haben. ;)

Danke! Ich mag sie auch sehr, auch wenn ich ihre Art in dieser Szene fast ein bisschen too much und aufdringlich finde... aber es ist nun mal Hawke. xD

Du findest, es war zu offensichtlich? Hmm... Ich glaube, da könntest du Recht haben. Ich habe es noch mal etwas umgeschrieben, ich hoffe, jetzt kommt es etwas offener rüber. :)

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Leliana schon längst Bescheid weiß. Die Tatsache, dass Cassandra noch nicht mit ihr darüber gesprochen hat, bedeutet ja nicht, dass Leliana nicht schon lange durchschaut hat, was vor sich geht. :D
Vielleicht sollte ich mal ein Kapitel aus ihrer Perspektive schreiben... ich bin mir sicher, sie hat bei tausend verschiedenen Sachen ihre Finger mit im Spiel. xD

Dorian hat alle guten Dinge verdient, die er bekommt, der arme Kerl. ;3;

Ich glaube, der Eiserne Bulle ist da sehr gelassen. Er mag die Leute, mit denen er Sex hat (oder wie in diesem Fall: gerne mal hätte xD), aber er lässt sich selten auf tiefere Bindungen ein und hat kein Problem damit, wenn seine Bettpartner sich auch mit anderen vergnügen. Das war für mich das ganze Spiel über so der Eindruck, den ich von ihm hatte. :)
Ansonsten freut es mich, dass es dir gefallen hat, und was deine restlichen Fragen angeht, werden sie sich in den nächsten Kapiteln hoffentlich klären. :D

Vielen Dank!
Morwen~ ^^


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