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Ein würdiger Traum

Der Preis des Vertrauens
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich wünsche euch einen schönen Start in die Woche.

Ohne große Umschweife präsentiere ich das neuste Kapitel und hoffe, dass ihr viel Spaß habt ;-)

Liebe Grüße und danke für die netten Kommis
Sharry Komplett anzeigen

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Kapitel 12 - Die Überfahrt

Kapitel 12 – Die Überfahrt

 

-Zorro-

„Wie weit bist du, Süße?“, hörte er die ihm nur allzu bekannte Stimme.  

„Fast fertig“, log er und sah hilflos die Schuhe vor sich an. Das Kleid, der BH, die Haare, mit all diesen Dingen konnte er sich irgendwie abfinden. Musste er sich mit abfinden. Aber diese Schuhe.  

Das Blut vom Vortag hatte sie von innen beinahe komplett schwarz gefärbt. Er hasste diese Schmerzempfindlichkeit seines neuen Körpers.

Damals, als er sich selbst die Füße abhacken wollte, hatte es weniger wehgetan, als jetzt diese Schuhe. Unglücklich betrachtete er die unschuldig aussehenden Folterwerkzeuge.

Es überraschte ihn kaum, dass die Tür aufschwang und die Haushälterin hereinkam.

„Das Kleid steht dir wirklich gut. Allerdings sollten wir den Ausschnitt mit einem Schal bedecken, wegen den ganzen blauen Flecken. Unten habe ich noch… Oh, Kind.“

Er hatte gar nichts gesagt, doch es war auch nicht nötig. Die Augen des ehemaligen Kindermädchens glitten von seinen wunden Füßen zu den ruinierten Schuhen und zurück. Dann nickte sie ernst, verschwand für einen Augenblick, ehe sie innerhalb weniger Sekunden wieder auftauchte und ein einfaches Paar flacher Schuhe hervorzauberte.

„Zum Glück hab ich eben noch diese Ballerinas gekauft. Seira hatte mir schon mitgeteilt, dass du die Schuhe gestern nicht unbedingt bequem fandest. Die hier sollten besser passen. Aber auf jeden Fall musst du eine Strumpfhose anziehen.“

„Eine was?“

Sie lachte nur.

„Komm, zier dich nicht. Wir müssen uns beeilen, sonst wird der junge Herr noch ungeduldig.“

„Was soll an dem denn jung sein?“

Doch er wehrte sich nicht, sondern gehorchte der Haushälterin nur. Das war einfacher, als mit ihr zu diskutieren. Am Ende würde sie eh ihren Dickkopf durchsetzen. Nach einigen Minuten Kämpfen und Zerren stolperte er aus dem Zimmer.

„Warte, deine Haare mein Kind.“

„Nicht nötig! Danke nochmal, habt einen schönen Tag.“

So schnell er konnte hechtete er die Treppe hinunter und zum Flur. In der Küche traf er den zeitungslesenden Samurai an.

„Nun komm schon! Bevor die noch auf die Idee kommt, mich wieder zu schminken.“

Mit leichter Verwunderung sah der Schwarzhaarige auf und betrachtete ihn für einen Augenblick ausdruckslos.

„Hast du was auf den Ohren? Lass uns abhauen!“

Ohne abzuwarten packte er den Arm des anderen und zerrte ihn wieder in den Flur.

„Loreen, warte doch. Deine Haare!“, tönte es vom Treppenabsatz.

„Ganz bestimmt nicht!“, brüllte er zur Antwort und jagte zur Tür hinaus.

„Jetzt komm, Falkenauge!“

„Jetzt kreisch hier nicht so rum, du Nervensäge. Außerdem habe ich dir gesagt, dass du mich Dulacre nennen sollst!“, bekam er eine gereizte Antwort. Überrascht wandte er sich um.

Mit gelangweiltem Gähnen folgte ihm der andere nun langsam und zog sich noch den seltsamen Hut auf. Mantel und Schwert wie immer anwesend.

Leise vor sich hin murrend wartete er, bis der Samurai zu ihm aufgeholt hatte.

„Also, was ist der wahre Plan?“

„Hmm?“, fragend blickte der Ältere mit einem Auge zu ihm hinab.

„Kanan mag ja glauben, dass wir nach Sarue fahren, aber jetzt mal raus mit der Sprache: Was machen wir wirklich?“

Der Schwarzhaarige verschränkte unschuldig die Arme hinterm Kopf.

„Wie gesagt, wir fahren nach Sarue.“

„Du kannst es jetzt sein lassen, Falkenauge. Was hast du wirklich vor?“

Bevor er reagieren konnte, drückte sich eine Hand unglaublich feste in seine Schulter.

„Ein letztes Mal“, knurrte der Samurai so nahe an seinem Ohr, dass er wegzuckte,

„Wir fahren nach Sarue und du nennst mich ab jetzt Dulacre, du unerzogenes Balg.“  

Verwirrt sah Zorro zu dem anderen Schwertkämpfer auf.

„Was hast du denn jetzt schon wieder? Was ist an deinem Namen denn schon so toll? Du nennst mich doch auch immer nur Lorenor. Und warum verschwendest du einen kompletten Trainingstag um so ‘ne blöde Insel zu besuchen?“

Falkenauge ließ ihn los und schritt an ihm vorbei.

„Du bist wirklich eine Plage. Du treibst mich echt noch zur Weißglut.“

Dann seufzte der Samurai. „Ich weiß nie, ob du so dumm daher redest um mich zu nerven oder ob du einfach nur so begriffsstutzig bist.“

Wütend folgte er ihm. „Hey! Du…“

„Ich erkläre es dir noch einmal. Danach erwarte ich, dass du deine paar grauen Zellen mal benutzt um selber nachzudenken.“

Sie hatten schon beinahe die Lichtung erreicht. In diesem Moment bemerkte er zum ersten Mal die singenden Vögel und spürte eine leichte sommerliche Wärme, die immer wieder vom frischen Wind fortgetragen wurde. Eigentlich war es doch ein schöner Tag um an der frischen Luft zu sein.

„Wie gesagt, werden wir erst morgen mit deiner Ausbildung fortfahren können“, fuhr der Samurai schließlich fort und wartete, bis  er selber zu dem Schwarzhaarigen aufgeholt hatte.

„Deswegen nutzen wir heute, um uns ein Bild von der Insel zu machen, auf der die Strohhüte ankommen werden. Schließlich planen wir einen Hinterhalt.“

Ein gemeiner Unterton und ein fieses Grinsen schlichen sich auf die sonst so kühlen Züge.

„Es wäre sinnvoll, wenn wir uns die Vorteile zu Nutzen machen können.“

„Ganz der Stratege, was?“, kommentierte er und sah zum anderen herauf.

„Und dafür fahren wir extra dahin? Ganz schön aufwendig.“

„Es gibt noch einen anderen Grund.“

„Aha“, erwiderte er nur, während vor ihnen das Dorf auftauchte.

„Es könnte sein, dass es dort jemanden gibt, der dir helfen könnte, wieder deine ursprüngliche Gestalt zu erhalten.“

Er spürte wie sich plötzlich eine innere Anspannung in ihm aufbaute.

„Wirklich?“

Falkenauge nickte.

„Ich hatte ihn ganz vergessen, aber als du dich gestern mit dem Bürgermeister von Sarue unterhalten hast, erinnerte ich mich wieder an diesen komischen Kauz. Banri oder so war sein Name. Ihm gehört die städtische Bibliothek und wenn jemand über Inkarnation und Wiedergeburt Bescheid wissen kann, dann wohl er.“
 

In Schweigen gehüllt gingen sie nebeneinander die Straßen des Dorfes hinab, jeder in seinen eigenen Gedanken gefangen. Um sie herum herrschte bunter Trubel. Leute auf dem Weg zur Arbeit, andere errichteten ihre Stände vor den Hauseingängen. Kinder liefen laut lachend zur Schule. Die Dorfbewohner wirkten glücklich.

Doch Zorro entfiel nicht, dass sie alle plötzlich verstummten und die Straßenseite wechselten, sobald ihr Blick auf die zwei Piraten fiel. Er kannte diese argwöhnischen Augen nur zu gut, doch zum ersten Mal seit Jahren waren sie ihm wieder unangenehm.

„Es liegt nicht an dir“, hörte er die ruhige Stimme des Samurais.

Da bemerkte er es auch. Die Blicke waren gar nicht auf ihn gerichtet, sondern alle auf den Mann mit den Augen eines Falken. Jetzt erkannte er auch, dass Furcht und ein bisschen Verachtung in den Gesichtern der Bewohner stand. Die Menschen, mit denen der Schwertkämpfer aufgewachsen war, wollten ihn nicht bei sich haben. Er kannte diese Blicke. Sie hatten ihn nie viel gestört. Aber hier und jetzt empfand er sie als furchtbar. Selbst die Sonne, die warme Strahlen über den Platz warf, konnte daran nichts ändern. Er blinzelte durch das Licht hindurch und sah den anderen mit großen Augen an.

„Ist es dir egal?“, murmelte er schließlich.

Wieder sah der Schwertkämpfer zu ihm hinab. Ein sanftes Lächeln umspielte seine markanten Züge und er strich sich überlegend über den Bart.

„Ich bin nicht wegen den Dorfbewohnern hier. Ihre Gedanken interessieren mich nicht.“

Zorro senkte wieder den Kopf.

„Warum willst du, dass ich dich Dulacre nenne?“, fragte er unvermittelt.

Der Samurai lachte leise:

„Das hab ich dir doch gestern erklärt, du Grünschnabel.“

Er verschränkte die Arme, während ein warmer Wind an seinem Halstuch zog.

„Ja, aber das war doch nur für zufällige Mithörer.“

„Du bist echt langsam im Kopf, mein lieber Lorenor“, sagte der andere mit einem Grinsen im Gesicht und legte seine Hand auf die grünen Haare, nur um sie zurückzuziehen, bevor er sich wehren konnte.

„Mein Gott, das Gras auf deinem Schädel brennt ja förmlich.“

„Was soll das?“, fuhr er den Samurai an, doch dieser hatte bereits, ohne auf ihn zu warten, die Straßenseite gewechselt und eilte zu einem kleinen Stand.

„Jetzt hör mir wenigstens zu, wenn ich dich anschreie!“, rief Zorro wütend und folgte dem Schwarzhaarigen. Er konnte seinen Gedankengängen einfach nicht folgen.

Dieser unterhielt sich immer noch mit der Verkäuferin. Als er ihn erreicht hatte bedankte Mihawk sich gerade.

„Hier“, grinste er ihn an und stülpte ihm einen weißen Hut auf den Kopf.

„Bevor daraus noch Heu wird.“

Zornig funkelte er Falkenauge an.

„Der Hut steht Ihnen ausgezeichnet, junge Dame“, sprach nun die Verkäuferin freundlich.

Er sah sie beinahe entsetzt an. Für einen Moment wollte er ihr mit dem Hut den vorlauten Mund stopfen, aber mit seinen schwächlichen Ärmchen würde er wahrscheinlich scheitern. Dann fing er sich schnell und verbeugte sich leicht.

„Vielen Dank. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen, Dulacre“, endete er mit einem bedrohlichen Unterton.

„Für dich doch alles, meine liebe Loreen“, erwiderte der Samurai ebenso bedrohlich, „Und nun komm, sonst verpassen wir noch die Fähre.“

„Fähre?“, fragte er noch, da hatte der andere schon sein Handgelenk ergriffen und eilte die Straße hinunter.

„Weißt du, wie das aussieht?“, knurrte er und versuchte seine Hand wegzuziehen. Doch natürlich schaffte er das nicht.

„Ich mag ihn“, sagte der andere plötzlich ohne ihn anzusehen, als die erste Meeresbrise sie erreichte.

„Lo-re-nor. Ich mag den Klang des Namens, deshalb.“

Der Samurai eilte immer noch Richtung Hafen, den Blick starr auf das Meer gerichtet. „Und Falkenauge mag ich nicht.“

Dann ließ der Ältere ihn los und ging einfach weiter, dem Meer entgegen.

„Ich mag Falkenauge“, flüsterte Zorro beinahe ungehört und wusste, dass die goldenen Augen seiner Begleitung auf ihm ruhten.

„Falkenauge heißt kämpfen, siegen, stärker werden, nie aufgeben.“

Einen Moment hörte man nur den Wind reden.

„Da vorne ist die Fähre mit der wir nach Sarue kommen“, lenkte der Samurai das Thema ab und griff wieder seine Hand. Erneut fielen ihm ein paar nicht allzu schöne Worte ein. Doch dieses Mal hielt er einfach nur seinen Hut fest und folgte dem anderen.

Vorne am Steg stand ein älterer Herr, der ihnen eilig zuwinkte.

„Beeilen Sie sich, wenn Sie noch an Bord wollen. Wir müssen ablegen, wenn wir pünktlich in Sarue ankommen möchten“, rief er ihnen zu, während er bereits damit anfing die ausgeklappte Brücke zu entsichern. Als sie nur noch wenige Meter von ihm entfernt waren, stutzte er.

„Aber das ist doch der junge Herr Dulacre. Ich habe Sie schon Jahrzehnte nicht mehr gesehen.“ Der alte Mann verbeugte sich knapp und unterbrach seine Aufbruchsarbeiten. „Das letzte Mal haben Sie die Fähre mit Fräulein Sharak genutzt. Damals reichten Sie mir kaum bis zur Schulter und mussten immer die ganzen Einkaufstaschen ihrer wunderschönen Schwester schleppen. Das ist ja schon ewig her und nun sind Sie erwachsen und in Begleitung einer hübschen Dame“, plapperte er in Erinnerungen schwelgend weiter.

Zorro sah zum Samurai hinauf, der den Alten nicht mal eines Blickes würdigte.

„Ja“, antwortete er kalt und bedeutete dem Mädchen bereits an Bord zu gehen.

Der Fährmann verbeugte sich rasch.

„Ich entschuldige mich für meine unbedachten Worte. Ihr Verlust tut mir aufrichtig leid. Ihre Schwester und die Werte Frau Mihawk waren eine Bereicherung für alle Inselbewohner.“

Der Pirat nutzte die hölzerne Brücke um vom Steg auf die Fähre zu gelangen. Direkt hinter sich konnte er die verschränkten Arme des Älteren spüren, der die Worte des alten Mannes mit keiner Antwort wertschätzte.

An Bord waren einige Leute, viele von ihnen schienen geschäftlich unterwegs zu sein. Anzugträger und Händler teilten sich die einfachen Bänke und unterhielten sich angeregt über das Wetter und die Nachrichten aus der Zeitung. Sobald ihr Blick auf die Neuankömmlinge fiel, verstummten sie einen Augenblick, ehe sie noch aufgeregter miteinander tuschelten.

Ihre neugierigen Mienen gingen Zorro bereits jetzt schon so dermaßen auf die Nerven, dass er an allen vorbei, bis ans Ende des Schiffes ging. Dort standen nur noch zwei Bänke, welche nicht mehr vom Schutz des Daches gesichert waren und dementsprechend arg mitgenommen aussahen. Sie waren spiegelverkehrt angerichtet, sodass man aufs Meer hinaussehen konnte.

Der verzauberte Pirat warf sich auf die erstbeste Bank und bereute bereits jetzt schon, sich nicht doch noch die Zeit genommen zu haben, einen Mantel oder so mitzunehmen. Der Seewind war kühl und der knochige Körper zitterte innerhalb von wenigen Sekunden unter dem dünnen Stoff des Kleides. Verärgert über sich selber hielt er sich die schwachen Ärmchen. Er war lächerlich.

Der Samurai lehnte sich neben ihn an eine der Säulen, die das Dach der Fähre hielten, und zog wieder die Zeitung aus den Tiefen seines Umhangs. Während der Wind an den raschelnden Blättern riss, las Falkenauge unbeirrt weiter. Nach einer Weile seufzte er leise auf.

Zorro starrte währenddessen stur aufs Meer und ignorierte seinen frierenden Körper. Früh am heutigen Morgen war er aufgeschreckt, weil er sich sicher gewesen war, dass sein Kapitän nach ihm gerufen hätte. Das war natürlich Unsinn. Nicht mehr als ein verzweifelter Traum und so beobachtete er beinahe sehnsüchtig die Wellen. Er hätte sich nie träumen lassen, dass die blauen Wogen in ihm so viel Wehmut erwecken konnten.

Mit einem Mal bedeckte etwas Warmes seine Schultern und ehe er sich versah, umhüllte ihn der schwere Umhang des Samurais.

„Was…?“ entkam es ihm entrüstet. Mihawk seufzte erneut.

„Dein Zähneklappern stört beim Zeitung lesen. Denk das nächste Mal dran, dir einen Mantel mitzunehmen, wenn du so leicht frierst“, murrte der Ältere ruhig, ohne aufzublicken.

„Ich habe nicht um deine Hilfe gebeten“, knurrte der Grünschopf wütend, während er sich den Hut festhielt.

„Doch, hast du. Auf Knien, wenn ich dich erinnern darf“, antwortete Falkenauge gelassen und blätterte in seiner Zeitung, ehe er wieder aufseufzte.

„Was hast du denn nun schon wieder?“, hakte Zorro nach und sah zu dem anderen hinauf, welcher etwas ärgerlich die Zeitung zusammenfaltete.

„Die Presse hat mal wieder zu viel Freizeit“, murmelte dieser bloß und verschränke die Arme. Offensichtlich wollte er nicht näher darauf eingehen.

Da es den Piraten auch nicht wirklich interessierte, verschränkte er ebenfalls die Arme und grub die zittrigen Hände tief in den warmen Stoff des Mantels.

So vergingen einige Minuten der Überfahrt in einvernehmlichem Schweigen, nur gestört von den Gesprächsfetzen der anderen Mitreisenden, die ab und an zu den beiden Schwertkämpfern hinüber schwappten. Die Unterhaltungen wirkten sehr oberflächlich und nicht wenige schienen sich über das ungleiche Paar am Schiffsende zu ereifern.

Zorro versuchte die meist dreisten Mutmaßungen zu ignorieren, aber es fiel ihm sichtlich schwer, sodass er mit dem Gedanken spielte, sich Mihawks Schwert zu borgen und den Gaffern mal eine Lektion zu erteilen. Allerdings befürchtete er, dass er das Black Sword nicht wirklich führen konnte. Aber er hatte noch nie ein Schwert gebraucht, nur um andere in ihre Schranken zu weisen. Notfalls würden auch ein paar einfache Worte, versüßt mit einer ordentlichen Kopfnuss, ausreichen.

Mit aufgeplusterten Wangen stand er auf und hatte sich schon einen passenden Kommentar zurechtgelegt, als der Samurai auf ihn zu kam.

„Lass sie reden, Lorenor“, sagte er ruhig und legte ihm eine Hand auf die Schulter, ehe er weiterging und sich auf der Reling abstützte, „Die meisten Menschen hier haben nur ihr eintöniges Leben und das, was in der Zeitung steht, zum Erzählen. Verschwende keine unnötige Energie an sie. Du wirst sie wahrscheinlich doch eh nie wieder sehen.“

Der Grünschopf verschränkte die Arme und betrachtete das Schwert auf dem Rücken des anderen, ehe er antwortete.

„Aber es sind doch deine Landsleute oder nicht? Sie sollten nicht so über dich reden. Schließlich werden sie durch deinen Namen geschützt.“

Falkenauge legte den Kopf in den Nacken.

„Die Erziehung fremder Leute ist weder meine Aufgabe noch meine Verantwortung. Der Name meiner Familie schützt diese Insel. Mir sind die Inselbewohner gleichgültig.“

„Trotzdem steht dein Name am Hafenschild und nicht der deines Vaters“, murmelte Zorro und lehnte sich mit dem Rücken neben den Samurai an die Reling. Er konnte sehen, wie einige Köpfe sich schnell umdrehten, als er unter Deck guckte.

„Sag mal“, entkam es ihm schließlich, während er den viel zu langen Mantel noch etwas enger um sich drückte und den Hut abnahm, ehe dieser noch die Fliege machen konnte, „Mir ist aufgefallen, dass du und dein Vater ganz untypische Namen für diese Gegend hier haben. Ich meine, er hieß doch Gat, oder? Und du heißt Dulacre. Das ist ganz anders als der Name deiner Schwester Sharak oder deine Mutter. Warte, wie war noch einmal ihr Name?“

„Das ist es, von all den Dingen, die du mich fragen könntest, was dich interessiert?“ fragte Mihawk mit einem kurzen Seitenblick. Er stützte seine Unterarme auf das verblasste Holz und sah auf die immer kleiner werdende Insel. Es wurde still um sie.

„Taruchie“, murmelte er schließlich, „Taruchie war der Name meiner Mutter.“

Zorro nickte, mehr zu sich selbst, als zu dem anderen.

„Warum ist dein Name so anders?“

Der Samurai seufzte:

„Ich trage den Namen meines Vaters Großvaters. Meine Schwester trug den Namen unserer Großmutter mütterlicherseits. Mihawk ist der Familienname meiner Mutter. Sie lernte meinen Vater kennen, als er hier auf der Marinebasis stationiert war. Sie verliebten sich und er nahm ihren Namen an. Auch ein Weg um seine Karriere voran zu bringen. Er wollte aber, dass ich in seine Fußstapfen trete, deswegen heiße ich so.“

Die zierlichen Finger des Piraten fuhren entlang der Nähte des Hutes, während er nachdachte. Er hatte geglaubt, so viel über den besten Schwertkämpfer der Welt zu wissen. Schließlich war es sein Titel, den er jagte. Aber im Endeffekt wusste er nichts. Überhaupt nichts.

„Also müsste dein Vater ziemlich stolz auf dich sein. Schließlich bist du ja der beste Schwertkämpfer der Welt und die Schwertkunst war doch eines seiner Steckenpferde, wenn ich mich nicht irre.“

Wieder glitt sein Blick über die Reihen der Mitreisenden, deren Gespräche so laut waren, dass die ruhig gewechselten Worte der Schwertkämpfer sie nicht erreichen konnten.

Der Samurai lachte kurz auf.

„Wohl eher nicht“, meinte er bitter.

„Wie meinst du das?“, hakte Zorro nach. Er wäre verdammt stolz, wenn sein Sprössling je eine solche Leistung erbringen sollte.

„Ach, Lorenor.“ Der langgezogene Seufzer des Samurais übertönte kaum den Meereswind.

Eben genannter nahm das als Antwort auf und so fragte er nicht weiter nach. Sein Blick lag auf der gut verarbeiteten Krempe des Hutes.

„Jeder mochte Sharak.“ Er sagte nichts, als der andere sprach. „Sie war wunderschön, intelligent und immer gut gelaunt. Ein richtiges Wunderkind.“ Die Stimme des Samurais war leise, tief in Gedanken. „Und sie war eine unglaublich gute Schwertkämpferin.“

„Hmm“, murrte Zorro zustimmend.

Dulacre seufzte erneut und legte seinen Kopf auf seinen Händen ab, als wäre dieser unglaublich schwer geworden.

„Sie war sechs Jahre älter als ich und interessierte sich einen Dreck für Politik. Sie las nicht gerne und konnte ziemlich unhöflich werden. Aber wenn man ihr ein Schwert in die Hand gab, war sie unschlagbar. Als ich elf war, besiegte sie meinen Vater mit Leichtigkeit und danach immer mehr namhafte Krieger der Marine. Sie war wohl der ganze Stolz der Familie. Wie gerne wäre ich so talentiert wie sie gewesen. Aber ich konnte nicht ansatzweise mit ihr mithalten. Sie war alles für meinen Vater.“

„Aha.“ Mehr konnte der Grünschopf nicht sagen. Denn für ihn klang dieses Mädel äußerst unsympathisch. Menschen denen alles in die Wiege gelegt und der Rest in den Arsch gestopft wurde konnte er noch nie leiden.

„Ich liebte meine Schwester.“ Überrumpelt starrte Zorro zum Samurai hinüber.

„Was? Wieso?“ Er hatte es ausgesprochen, ehe er nachgedacht hatte. Doch Falkenauge schien seinen Sarkasmus nicht zu stören.

„Obwohl sie stark war und immer eine dicke Lippe riskierte, so war sie doch auch unglaublich naiv, was das wahre Leben anging. Ich weiß nicht, wie oft sie weinte, weil sie irgendein Typ verlassen hatte. Sie hat nie kapiert, warum es meinem Vater so wichtig war, uns so früh wie möglich in die Marine einzubringen. Ich glaube, sie hat noch nicht einmal das Prinzip der Piraterie verstanden. Die Vorstellung, dass Menschen böswillig andere beraubten und töteten, war für sie nicht möglich.“ Wieder seufzte der Schwarzhaarige.

„Deswegen musste ich sie als jüngerer Bruder beschützen. Es war doch meine Aufgabe, dass sie glücklich war. Jeder Mistkerl, der ihr wehgetan hatte, musste dafür bezahlen. Denn obwohl sie mit dem Schwert in der Hand ein wahrer Albtraum war, war sie außerhalb des Trainingsraums ein unschuldiges Mädchen. Ich denke nicht, dass sie in den Tretmühlen der Marine überlebt hätte. Sie war letzten Endes viel zu weich. Unglaublich stark, aber ihr fehlte der letzte Funke, den anderen wirklich zu erledigen.“

Zorro sagte nichts. Diese Worte waren ihm vertrauter, als ihm lieb war. Er verstand genau, was Falkenauge für dessen Schwester empfunden hatte. Es war mehr, als der Wunsch oder die Pflicht, seine Schwester zu beschützen. Er hatte einfach gar keine andere Wahl, als dies zu tun, als immer für sie da zu sein. Ja, er verstand das nur zu gut.

„Mein Vater war unglaublich stolz auf sie. Denn obwohl sie ihm so unähnlich war, konnte ihr doch niemand im Kampf das Wasser reichen.“

„Und du? War dein Vater stolz auf dich?“

Es musste schwer sein, immer den starken, den überlegten, den absolut unnahbaren Strategen darzustellen. Der Pirat vermutete, dass der Samurai noch nie mit jemandem darüber gesprochen hatte.

Ein Leben ohne Freunde war schon verdammt einsam.

„Nicht wirklich. Ich denke, ich war der kleine Störenfried. Mit Jirou habe ich in meiner Kindheit unglaublich viel Unsinn angestellt und die Politik interessierte mich ebenso wenig wie meine Schwester. Als ich sieben war, weigerte mein Vater sich, mich weiter zu trainieren, da er in mir einen hoffnungslosen Fall sah. Ich war nicht gut genug.“

„Und ab dann hast du alleine trainiert?“, fragte er nach.

„Oh nein!“, lachte der Ältere, „Ich wollte aufhören. Mir war es egal, was meine Eltern dachten. Eigentlich wollte ich als Kind immer Priester werden.“

Das Mädchen konnte nicht verhindern, dass die Kinnlade zu Boden klappte.

„Echt jetzt?“

„Ja klar. Ein einfaches, bescheidenes Leben, ohne all diesen politischen Zwang und diesen falschen Prunk. Namen tragen keine Bedeutung und außer dir selbst bist du nur Gott verpflichtet. Außerdem gibt es Wein umsonst. Das hörte sich schon gut an.“

Der Mann schüttelte den Kopf.

„Aber Sharak bat mich immer wieder mit ihr zu trainieren, was ich ihr natürlich nicht abschlagen konnte. Mir war nicht bewusst, dass sie im Grunde nur mich trainieren wollte.“

Mihawk seufzte wieder.

„Wenn sie nicht gewesen wäre, wäre ich heute nicht der beste Schwertkämpfer der Welt. Aber wenn sie nicht gestorben wäre, dann wohl auch nicht.“

Vor der Fähre konnte Zorro die Umrisse einer Insel ausmachen.

„Wie ist sie gestorben?“, fragte er die Frage, die er eigentlich von Anfang an hatte stellen wollen. Wie konnte ein so starker Mensch sterben?

„Piraten“, antwortete der Samurai schlicht, „Ich sollte meine Mutter zu einer der Versammlungen begleiten und hatte absolut keine Lust dazu. Meine Schwester war so freundlich für mich einzuspringen. Sie wurden von einem Kriegsschiff  mitgenommen und auf dem Weg zum Sabaody Archipel angegriffen. Niemand hat überlebt.“

„Wann?“, fragte er tonlos.

„Als sie achtzehn war. Es war knapp einen Monat nach ihrer Verlobung.“

In diesem Moment ertönte ein lauter Gong, der das Holz zum Vibrieren brachte.

Die darauf folgende Durchsage wies sie daraufhin, dass sie in kurzer Zeit anlegen würden und dass alle Reisenden bis zu diesem Moment sitzen bleiben sollten.

Der Samurai erwachte aus seiner abwesenden Haltung und räusperte sich.

„Du solltest dich setzen“, murmelte er, hockte sich ebenfalls auf eine der Bänke und schlug die Beine übereinander.
 

Eine Stunde später schlenderte das ungleiche Paar über den überfüllten Markt von Sarue. Der verzauberte Pirat nun eingepackt in einen dicken weißen Mantel, passend zum Hut natürlich. Vor wenigen Minuten hatten sie die Bücherei mit der enttäuschenden Neuigkeit verlassen, dass der Mann, den Mihawk aufsuchen wollte, Banri war sein Name, schon seit über einem Jahrzehnt tot war.

Um die Überfahrt nun wenigstens ein bisschen zu nutzen, nahmen sie sich ausgiebig Zeit um die Insel möglichst genau unter die Lupe zu nehmen.

Allerdings kam auch das dem Grünschopf ziemlich unnötig vor, denn der Samurai schien sich hier perfekt auszukennen.

„Wir sollten zurück fahren“, murrte er, „Dann können wir wenigstens noch etwas trainieren.“

Falkenauge auf der anderen Seite schien den Ausflug wirklich zu genießen. Als wollte er die dunklen Erinnerungen von vorher ausblenden.

„Jetzt stell dich doch mal nicht so an. Die Sonne scheint, es ist ein guter Tag. Denk doch nicht immer nur an dein Training, ich weiß schon ganz genau, was ich tue. Vertrau mir.“

„Ja sicher“, grummelte Zorro ironisch und wunderte sich, was der andere sonst noch hier wollte.

Im nächsten Moment packte ihn eine Hand grob an der Schulter.

„Du lebst ja tatsächlich noch, Lorenor Zorro!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Amaya19
2016-08-11T08:15:00+00:00 11.08.2016 10:15
Hallo Sharry!

Wie immer großes Lob an dich! Ich finde keine Fehler, ich finde keine Mängel, das Einzige was ich finde ist Begeisterung meinerseits!
Mihawks Vergangenheit....puh...ganz schön bitter, aber sooo gut dargestellt! Und das er immer weiter abdriftet beim Erzählen und gar nicht merkt, was er alles preisgibt und einfach so versunken ist...auf alles eingeht und dann der Moment wo er merkt, was eigentlich grade getan hat und wieder in seine Masche verfällt. Perfekt dargestellt.
Und der Spruch :"bevor daraus noch Heu wird" ich musste lachen😂
Ansonsten auch der Rest des Kapitels einfach super!
Schreib schnell weiter ich möchte wissen wer Zoro erkannt!*-* ich hab keinerlei Vorstellung wer...spann mich nicht so auf die Folter ok?😂:D

LG Amaya19
Antwort von:  Sharry
17.08.2016 14:56
Hey,
Ach, danke, deine Worte gehen bei mir immer runter wie Öl XD Vielen Dank^^
Ach ja, der liebe Mihawk, letzten Endes auch nur ein Mann ;-) Und Zorro ist.. nun ja Zorro
Da es ja jetzt ausversehen doch länger gedauert hat, entschuldige ich mich und wünsche dir ganz viel Spaß beim nächsten Kapitel
lG
Sharry
Von:  Lexischlumpf183
2016-08-06T16:52:43+00:00 06.08.2016 18:52
Hab die Story grade zu Ende gelesen und hatte viel zu machen. Tolle ff und gut geschrieben, bin sehr neugierig wie es weitergeht mit Miss Zorro :) und dem Rest. Hoffe aber das Zorro wieder zum Mann wird , gefällt mir als Moosball besser 😁
Antwort von:  Sharry
17.08.2016 14:49
Hey,
vielen Dank für deinen Kommi^^
Miss Zorro
Guter Name, muss ich mir merken ;-)
Also ich mag ihn als Zorro auch lieber (Selbstredend), aber eigentlich lass ich ihn dafür viel zu gerne leiden ;-P
Liebe Grüße
Sharry
Antwort von:  Lexischlumpf183
17.08.2016 17:38
Ja verstehe ich 😏😁
Von:  blackholmes94
2016-08-02T18:35:04+00:00 02.08.2016 20:35
Der Einstieg hat mich echt zum Schmunzeln gebracht ^^ kann mir Zoros Blick bildhaft vorstellen, als er die "unschuldig assehenden Folterwerkzeuge" anguckt xD sehr passende Beschreibung
Die Flucht vor Kanan und ein leicht quengelnder Zoro haben das ganze schön abgerundet ^^
Dachte ich mir doch das Zoro Ruffy gehört hat bzw es gespürt hat!
*.* Yayyy Mihawks Vergangenheit!!!
Der Junge kann einem schon Leid tun, wie er von seinem Vater so untergebuttert wurde ...
Musste lachen als ich seinen Berufswunsch Priester gelsen hab :D :D die Begründung mit dem Wein war noch besser xD
aber würde vlt die Gestaltung seines Bootes erklären ... mit den Kerzen und dem Kreuzähnlichen Schwert etc ^^
Die Kabbeleien wirken wirklich wie bei Zoro und Sanji ... "bevor daraus noch Heu wird" ... ich bekomm das Grinsen nicht ausm Gesicht xD
Ok jetzt bin ich mal gespannt wer ihn da bitte in der Gestalt einer Frau erkannt hat ... es wird denke ich mal niemand aus der Crew sein, denn die hätten ihn nicht mit vollem Namen angesprochen und nur zurückgehalten ... die werden sich im Moment der Erkenntnis eher heulend auf ihn draufschmeißen und ihn nie mehr loslassen xD :D (... nein mal im Ernst kann mir wirklich vorstellen, dass Ruffy sich mehrmals um ihn drumwickelt und nicht mehr loslässt ... wenigstens für mehrere Stunden nicht mehr ;D)
So freu mich auf das nächste Kapitel und die Enthüllung wer denn der Unbekannte ist !!!
Liebe Grüße :**
Antwort von:  Sharry
17.08.2016 14:46
Hey,
danke für deinen Kommi^^
Ja, hatte etwas Sorge, dass es zu unZorro wird, auf der anderen Seite würde wohl jeder Mann vor Kanan mit einer Bürste fliehen ;-P
Was die geheimnissvolle Person angeht, stimme ich dir zu, es ist keiner aus der Crew (also das wäre wohl wirklich anders abgelaufen, Chopper wäre in Tränen aufgelöst, Nami hätte ihm wütend eine Kopfnuss verpasst und Sanji hätte sich wohl erst in ihn verknallt und dann abgestritten, dass er für unseren Marimo geschwärmt hätte ^^) aber wer denn dann?
Wünsche dir viel Spaß beim nächsten Kapi ;-)
LG
Sharry
Von:  LittleMarimo
2016-08-01T18:14:26+00:00 01.08.2016 20:14
Ich bin nun sehr sehr gespannt wer ihn da festhält!
Und ich wusste es! Er hat ruffy gehört!!
Antwort von:  Sharry
17.08.2016 14:36
Hey,
danke für deinen Kommi^^
Jaha, das wüsstest du wohl gerne XP Die Auflösung gibt's in ein paar Minuten (sobald ich das neue Kapitel hochgeladen habe ;-))
LG


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