Zum Inhalt der Seite

Non nobis, sed nomini tuo da gloriam

von
Koautor:  Bidayn

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

(Craft)

In der Kirche war es heiß und stickig. Craft ließ sich langsam auf die Holzbank zurück sinken und schloss die Augen. Zwei Wochen waren vergangen, seit er nach Jerusalem gekommen war. Er hatte sich in der Zwischenzeit an sein neues Leben und sein neues Amt in der Stadt gewöhnt. Heute hatte er zum ersten Mal wieder etwas Zeit für sich. Heute wollte er in Ruhe das riesige Jerusalem erkunden. Also saß er jetzt in der schlichten Basilika, die „Sankt Maria der Deutschen“ genannt wurde, in der gerade der Gottesdienst zu Ende ging. Zwar feierte sein eigener Orden täglich ebenfalls die Messe, jedoch wurde diese immer auf Latein gehalten, da die Ordensmitglieder aus unterschiedlichen Ländern kamen. Craft sehnte sich danach, seine eigene Muttersprache wieder öfter zu hören. Der junge Mann öffnete wieder die Augen. Der Gottesdienst war vorüber und die Menschen strömten wieder aus der Kirche. Diese war zusammen mit einem Hospital von einem deutschen Ehepaar gestiftet worden, in dem man sich um deutsche Pilger kümmerte. Um deshalb weniger Aufsehen zu erregen, war Craft an diesem Tag in bürgerlicher Kleidung und nicht in seiner Ordenstracht unterwegs, denn er wollte es vermeiden, eine riesige Eskorte hinter sich her zu schleifen. Die Kirche war nun fast vollkommen leer und auch Craft erhob sich nun und ging Richtung Ausgang. Auf dem Weg dorthin sah er sich noch einmal um. Die dreischiffige Basilika war innen, im Gegensatz zu anderen Kirchen in Jerusalem, nicht sehr prunkvoll gestaltet. Auch von außen war die Basilika eher schlicht gestaltet. Der Fokus des Gebäudekomplexes lag unübersehbar auf dem Hospital, dem „Deutschen Haus“, das sich links und rechts der Basilika befand. Craft trat aus dem Gebäude. Draußen war es genauso heiß, doch wehte wenigstens eine leichte Brise durch die engen Gassen Jerusalems. Er bog auf die breite Straße ein, von der er vor einigen Stunden gekommen war. Jedoch wandte er sich in die andere Richtung und lief die Straße weiter entlang.
 

Schon wenige Meter neben dem „Haus der Deutschen“ reihten sich die Wohnhäuser wieder aneinander. Diese waren, meistens zu viert, um einen kleinen Hof angeordnet und auch über diesen betretbar. Der Hof an sich war durch einen kleinen Torbogen von der Straße aus zu erreichen. Es dauerte nicht lange, da erreichte der junge Ritter den Viehmarkt, der sich unterhalb der Stadtmauer befand. Dieser erstreckte sich über einen großen Platz entlang der Straße, die vom südöstlichen Stadttor zur ankreuzenden West-Ost-Straße verlief. Neugierig steuerte der junge Mann auf den Markt zu. Zwar gab es natürlich auch in seinem Heimatland Märkte in den großen Städten, doch gab es auf diesem einiges Neues zu entdecken. Obwohl hier in erster Linie vor allem Tiere angeboten wurden, hatten sich auch einige Händler mit Gemüse – oder Obstsorten oder Gewürzen dort niedergelassen. So war es nicht verwunderlich, dass nach nur wenigen Schritten die Luft vom Duft der Gewürze erfüllt war. Obwohl es beinahe Mittag war und die Sonne unablässig auf die kleinen Stände und Buden aus Holz und Tüchern schien, war der Platz gut besucht. Craft musste unwillkürlich lächeln: mit seiner Eskorte, die ihn außerhalb des Ordenssitzes auf Schritt und Tritt begleitete, hätte er niemals so unbeschwert und unbeobachtet zwischen den kleinen Läden hindurch spazieren können. Für einen kurzen Moment blieb er stehen und sah sich um. An jeder Ecke standen Händler und priesen ihre Waren an. Einige hatten Gemüse oder Obst, das Craft noch nie zuvor gesehen hatte, in die Hand genommen und hielten es den vorbeilaufenden Kunden direkt entgegen. Andere wiederum standen auf kleinen Podesten und riefen, ihre Produkte in den höchsten Tönen lobend, über die ganze Menge hinweg. Vielleicht würde er seinen Eltern ein paar dieser exotischen Waren mitbringen, wenn er irgendwann einmal die Zeit dazu fand, sie zu besuchen. Der Templer setzte sich wieder in Bewegung und schlenderte weiter an den Ständen entlang. An manchen Stellen waren die engen Gassen so mit Menschen verstopft, dass man sich wohl oder übel einen anderen Weg suchen musste, wenn man sich nicht durch die Menschenansammlung hindurch drängen wollte. Und selbst auf der breiten Hauptstraße, die, wie es schien, ebenfalls kurzer Hand von den Händlern zu einem Teil des Marktplatzes erklärt worden war, tummelten sich viele Menschen. Und da Craft es sowieso nicht eilig hatte, nahm er einen kleinen Umweg gerne in Kauf. Bald hatte er die andere Seite des Marktes erreicht. Ein bisschen erschöpft, denn nicht immer war es ihm gelungen, verstopfte Gassen zu umgehen, erreichte er das andere Ende des Marktes und lehnte sich an eine Hauswand. Noch einmal ließ er seinen Blick schweifen. Er befand sich auf einem kleinen Platz, dessen eine Hälfte vom Viehmarkt eingenommen wurde. Die andere Hälfte grenzte unmittelbar an Wohnhäuser und kleinen Gassen an. Da Craft wenig Lust hatte, sich wieder durch die riesige Menschenmenge zu drängen, entschied er sich, einfach einer der kleinen Gassen zu folgen, die sich unterhalb des Tempelbergs befanden. Irgendwann würde er eh auf eine breitere Straße treffen und er hatte noch genug Zeit bevor er wieder zurück sein musste.
 

Es dauerte nicht lange, bis Craft bemerkte, dass es in dem Wirrwarr aus Gassen und Häusern doch nicht so einfach war, einen Ausweg zu finden. Und kurze Zeit später musste er sich eingestehen, dass er sich hoffnungslos verlaufen hatte. Der junge Ritter blieb einen Augenblick stehen. Die ganzen Häuser sahen gleich aus und so konnte er nach kurzer Zeit nicht mehr sagen, aus welcher Richtung er überhaupt gekommen war. Während er immer noch ratlos da stand und versuchte sich zu erinnern – denn aus irgendeiner Richtung musste er ja schließlich gekommen sein – hörte er plötzlich ein Lachen. Sofort drehte er sich in die Richtung, aus der das Lachen gekommen war. Ein kleines Mädchen stand auf einmal in einer engen Seitengasse und hob einen kleinen Ball auf. Als sie sich aufrichtete und den jungen Mann bemerkte, runzelte sie für einen Moment verwirrt die Stirn, nur um gleich wieder sich umzudrehen und zu verschwinden. Craft blickte noch einen Moment lang auf die Stelle, an der das kleine Mädchen eben noch gestanden hatte, bevor ihm klar wurde, dass sie wohl in einem Innenhof verschwunden sein musste. Zwar war es sonst nicht seine Art, einfach an die Tür fremder Menschen zu klopfen. Nicht, weil er einen Groll gegen sie hegte oder sie nicht leiden konnte, sondern weil er noch nie in so einer Situation gewesen war und es ihm zudem äußerst peinlich war. Jedoch würde er sich noch mehr schämen, wenn seine Ordensbrüder auf der Suche nach ihm wären, nur um festzustellen, dass sich ihr Großmarschall hoffnungslos verlaufen hatte. Also entschied er sich, sich zu überwinden und sich auf die Suche nach dem Mädchen zu machen. So schnell wie sie verschwunden war, konnte sie nicht weit sein. Und tatsächlich kam Craft nach nur wenigen Metern an einem Innenhof vorbei, in dem sich viele Menschen befanden, die alle an einer langen Tafel saßen. Etwas erschrocken darüber, dass er plötzlich auf sie viele Menschen treffen würde, ging Craft ein kleines Stück weiter. Auf einmal hörte er eine vertraute Stimme hinter sich und drehte sich um. Im ersten Moment erkannte er den älteren Mann, der vor ihm stand nicht, doch als er ihn ansprach, erkannte er ihn sofort wieder. Es war Lienhart, den Craft an seinem ersten Tag in Jerusalem zusammen mit dessen Sohn kennengelernt hatte. „Seit gegrüßt, mein Herr. Wieso seid Ihr alleine in so einem kleinen Viertel unterwegs?“ Etwas widerwillig erzählte Craft dem Schmied, wie sich alles zugetragen hatte. „Und nun scheint es, als hätte ich mich… naja… verlaufen.“ Beschämt sah er zu Boden. Der ältere Mann lachte: „Dann werde ich Euch wieder zurück bringen, kommt.“ Craft sah ihn erschrocken an. „Nein, ich finde den Weg schon alleine…und außerdem wollte ich noch nicht so früh zurück.“ „Wirklich? Vielleicht möchtet Ihr an dem Fest teilnehmen, das wir gerade feiern. Ich bin gleich wieder da.“ Daraufhin verschwand der Schmied wieder durch den kleinen Torbogen. Der junge Ritter sah ihm neugierig nach. Von den anderen Gästen schien ihn noch keiner wahrgenommen zu haben. Alle unterhielten sich angeregt miteinander. In einer Ecke entdeckte er schließlich Lienhart, der mit einer dunkelhaarigen Frau redete. Diese hielt in der einen Hand eine Schüssel, mit der anderen gestikulierte sie wild. Vielleicht wäre es doch keine gute Idee, sich zu den Feiernden zu gesellen. Immerhin wusste Craft nicht, wie sie auf ihn reagieren würden. Umso überraschter war er, als plötzlich die Frau auf ihn zukam, ihm am Arm packte und hinter sich herzog. An der langen Tafel angekommen, schob sie den jungen Ritter auf einen Stuhl fast am Ende des Tisches und winkte jemanden zu sich. Der Templer war von dem Verhalten der Frau völlig überrumpelt und traute sich erst aufzublicken, als sich jemand auf den Stuhl links von ihm setzte. Auch ihn erkannte Craft nicht sofort. Er auf den zweiten Blick, fiel ihm auf, wer neben ihm saß. Es war Naftali, der Sohn des Schmieds. Auch ihm schien die Situation unangenehm zu sein, denn er blickte seine Mutter vorwurfsvoll an, worauf diese ihm eine knappe Antwort erwiderte, sich umdrehte und gang. Einige Minuten lang saßen die beiden jungen Männer schweigend nebeneinander, bis sich Craft dazu durchrang, Naftali anzusprechen. „Was für ein Fest feiert ihr denn?“ „Das Neujahrsfest…“ „Im September?!“ Sein Gegenüber sah ihn etwas erschrocken an, lächelte dann aber schüchtern und begann Craft das Fest zu erklären.
 

Es dämmerte schon, als das Fest zu Ende ging. Craft und Naftali saßen immer noch an dem Tisch und unterhielten sich schon die ganze Zeit über. Nachdem sich auch die Letzten von Naftalis Verwandten verabschiedet hatten, kam sein Vater zu ihnen herübergeschlendert. „Es wird Zeit, dass Ihr Euch auf den Weg macht, Herr“, sagte er an Craft gewandt. „Ihr habt Recht, ich sollte mich lieber auf den Weg machen, bevor man nach mir sucht.“ Der junge Ritter erhob sich und wandte sich zum Gehen um, als Naftalis Mutter etwas zu ihrem Sohn auf Hebräisch sagte. Dieser räusperte sich verlegen. „Meine Mutter will, dass ich Euch begleite, damit Ihr Euch nicht schon wieder verlauft…“ Craft sah ihn einen Moment verdutzt an, nickte dann aber nur und folgte Naftali auf die Straße.
 

Widererwartend dauerte es nicht lange, bis sie die breite Hauptstraße erreichten, auf der sich, jetzt da es langsam dunkel wurde, das Markttreiben gelegt hatte. Schweigend gingen die beiden jungen Männer nebeneinander her. Craft wusste nicht recht, worüber er sich mit dem Anderen unterhalten sollte. Während des Fests hatte er die meiste Zeit über Naftali zugehört oder Fragen von seinen Verwandten beantwortet. Jetzt, da er alleine mit ihm war, viel es ihm schwer, mit ihm zu reden. Zudem musste sich der junge Ritter zurück halten, den jungen Schmied ständig anzusehen. Irgendetwas an ihm faszinierte ihn, doch er konnte nicht genau sagen, was. Endlich bogen sie auf eine weitere Hauptstraße ein und erreichten wenige Minuten später den Ordenssitz der Templer. Vor diesem blieben sie stehen und Craft sah verlegen zu Boden. „Ich danke Dir, dass Du mich begleitet hast…“ Sein Gegenüber schenkte ihm ein Lächeln, verbeugte sich und wandte sich zum Gehen um. „Halt, warte!“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück